LG Krefeld, Urteil vom 07.06.1984 - 3 S 220/83
Fundstelle
openJur 2012, 72575
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 05. Juli 1983 ver-

kündete Urteil des Amtsgerichts Krefeld (8 C 159/83) wird

auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1

ZPO abgesehen.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache selbst je-

doch ohne Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch gemäß § 812

BGB aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung

auf Rückzahlung des klageweise geltend gemachten Betrages in

Höhe von 775,43 DM nach Maßgabe seiner Berechnung vom 27. 01.

1983 (Blatt 8 der Akten).

Die Beklagte hat die in § 6 des Fernwärmelieferungs-Vertrages

in seiner letzten Fassung vereinbarte Preisgleitklausel zum

01.06.1981 rechtswirksam geändert.

Mithin war der Kläger zur Zahlung derjenigen Beträge ver-

pflichtet, deren Rückerstattung er nunmehr klageweise ver-

langt.

Die Befugnis der Beklagten, den bestehenden Fernwärmelieferungs-

vertrag, insbesondere die ursprünglich vereinbarte Preisgleit-

klausel, einseitig zu ändern, ergibt sich aus § 24 Abs. 3 der

AVB-Fernwärme. Die gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß dieser

Verordnung wiederum folgt aus § 27 AGBG.

In Óbereinstimmung mit der 1. Zivilkammer des Landgerichts

Krefeld (Urteil vom 22.12.1982 1 S 143/82) steht die Kammer

auf dem Standpunkt, daß die Beklagte nach Maßgabe der zitierten Vorschriften grundsätzlich dazu berechtigt ist, in der hier vorgenommenen Form die bisher vereinbarte Preisgleitklausel einseitig zu ändern. Insbesondere ist die rückwirkende

Einbeziehung "alter Verträge" unter die AVB-Fernwärme als ver-

fassungsrechtlich unbedenklich anzusehen.

§ 27 AGBGB entspricht den Erfordernissen des Artikel 80 Abs. 1

Grundgesetz, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der den Verordnungs-

gebern erteilten Ermächtigung gesetzlich hinreichend bestimmt

sein müssen und ist daher als Verordnungsgrundlage wirksam.

Diesen Bestimmtheitserfordernissen nach Artikel 80 Grundgesetz

steht nicht entgegen, daß § 27 AGBGB dem Verordnungsgeber auf-

gibt, die allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Fern-

wärme "ausgewogen" zu gestalten. Der Begriff der Ausgewogenheit

stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der inhaltlich be-

stimmbar und daher gerichtlich nachprüfbar ist (vgl. dazu Witzel,

Die Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung

mit Fernwärme (Seite 30; LG Krefeld a.a.0.).

AVB-Fernwärme wiederum, insbesondere der hier maßgebliche

§ 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme, findet ihre Rechtsgrundlage in § 27

AGBGB.

Die Kammer stimmt der von der 1. Zivilkammer vertretenen Auf-

fassung zu, daß auch die Regelung der Preisgleitklausel durch § 27

AGBGB gedeckt ist. § 27 AGBGB sieht vor, daß durch Rechtsverordnung

Regelungen über den Vertragsschluß, den Gegenstand und die Be-

endigung der Verträge getroffen sowie die Rechte und Pflichten

der Vertragspartner festgelegt werden können. Dem muß entnommen

werden, daß alle für einen Energielieferungsvertrag wesentlichen

Elemente unter die Verordnungsermächtigung fallen. Zu diesen

wesentlichen Elementen des Vertrags ist insbesondere die Zahlung

des Entgelts als Pflicht des Fernwärmeabnehmers zu rechnen. Berück-

sichtigt man ferner, daß es sich beim Fernwärmelieferungsvertrag

um ein Dauerschuldverhältnis handelt, so stellt eine Preisänderungs-

klausel bei einem solchen auf längere Zeit angelegten Vertragsver-

hältnis ein wesentliches Element dieses Vertrags dar. Insofern

wird daher die Regelung der Preisgleitklausel nach Maßgabe des §

24 Abs. 3 AVB-Fernwärme durch die Ermächtigungsnorm § 27 AGBG ge-

deckt.

Die Bestimmung des § 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme ermöglicht ferner die Er-

mächtigung zur einseitigen Änderung von Preisgleitklauseln auch

in bestehende Verträge. In Óbereinstimmung mit der zitierten Ent-

scheidung ist festzuhalten, daß die rückwirkende Einbeziehung

alter Verträge unter die AVB-Fernwärme verfassungsrechtlich unbe-

denklich ist. Es handelt sich nämlich hier nicht um einen Fall

echter, sondern um einen solchen unechter Rückwirkung. Unechte

Rückwirkung deshalb, weil es hier um eine Einwirkung auf gegen-

seitige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbe-

ziehungen geht. In Fällen dieser Art ist das Vertrauen des

einzelnen auf den Fortbestand einer Regelung (so des Vertrages)

mit der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der

Allgemeinheit abzuwägen (LG Krefeld a.a.O.). Die Abwägung er-

gibt, daß das Vertrauen des einzelnen Abnehmers zurückzutreten

hat hinter Belangen des Allgemeinwohls. Die Möglichkeit der ein-

seitigen Änderung der Preise bei der Versorgung mit Fernwärme

ist geschaffen worden, um alle Bezieher möglichst unter gleichen

preislichen Bedingungen beliefern zu können. Dies dient insbe-

sondere in Zeiten der Verknappung und Verteuerung der Energie dem

Allgemeinwohl. Das bedeutet, daß im Einzelfall die Änderung der

bisherigen Rechtsposition hingenommen werden muß. Verfassungs-

rechtliche Bedenken bestehen daher nicht (LG Krefeld a.a.O.).

II.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Beklagte im vorliegenden

Fall darüber hinaus den Erfordernissen des § 24 Abs. 3 AVB-Fern--

wärme gerecht geworden ist, als sie im April 1981 die Änderung der

bisher vereinbarten Preisänderungsklausel vornahm.

§ 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme schreibt vor, daß Preisänderungs-

klauseln nur so gestaltet sein dürfen, daß sie sowohl die Kosten-

entwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch

das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem

Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Ferner müssen die maßgeb-

lichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein ver-

ständlicher Form ausgewiesen werden.

Diesen Erfordernissen ist die Beklagte, jedenfalls in dem hier

zu entscheidenden Fall, in ausreichender Weise gerecht geworden.

Wie sich aus der Formulierung von § 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme er-

gibt, müssen bei Preisänderungsklauseln die maßgeblichen Be-

rechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher

Form ausgewiesen werden. Diesem Erfordernis hat die Beklagte

Rechnung getragen. Im Rahmen der öffentlichen Bekanntgabe der Preisänderungsklausel vom 08.04.1981(veröffentlicht am 15.04.1981, Blatt 40 der Akten) hat die Beklagte die neue Preisänderungsklausel erläutert, indem sie die

Berechnungsformel dargelegt hat, nach der der nunmehr geforderte

Preis berechnet wird. Ferner hat sie die einzelnen Elemente der

Formel jedenfalls soweit näher bezeichnet, daß für den Abnehmer

erkennbar war, aus welchen Elementen sich die neue Klausel zu-

sammensetzt und zu welchen Prozentsätzen die einzelnen Berechnungs-

faktoren Anwendung gefunden haben. Zwar ist dem Kläger zuzugeben,

daß es für einen Laien nicht immer einfach ist, die einzelnen

Kriterien der neuen Preisänderungsklausel zu erfassen und nachzu-

vollziehen. In dem Zusammenhang ist aber darauf zu verweisen, daß

die branchenüblichen Preisänderungsklauseln bei der Fernwärmever-

sorgung grundsätzlich verhältnismäßig kompliziert sind, anderer-

seits aber eine wesentliche Vereinfachung kaum möglich sein

dürfte (vgl. dazu Hermann Recknagel-Schmidt-Salzer, Kommentar

zu den allgemeinen Versorgungsbedingungen, Band II § 24 Anmerkung 33)

Die hier streitige Klausel war jedoch hinreichend erläutert , wobei anzumerken ist, dass der Kläger selbst in seiner Berechnung (Bl. 40d.A.) it der Formel zu arbeiten weiß.

Im vorliegenden Falle hat die Beklagte die maßgeblichen Berechnungsfaktoren, nämlich die wesentlichen Kosteneinflußgrößen ( Brennstoffkosten, Lohn usw.) dargelegt. So ist auch für einen Laien bei sorgfaltigem Studium der Preisänderungsklausel erkennbar, zu welchen Prozentsätzen welche Berechnungsfaktoren in die neue Formel Eingang gefunden haben. Höhere Anforderungen wird man angesichts der nicht zu vermeidenden Schwierigkeit des

Sachverhaltes jedenfalls im Rahmen des § 24 Abs. 3 AVB-Fern-

wärmeverordnung nicht fordern können. Eine andere Frage ist,

ob die Beklagte bei der Gestaltung der hier, streitigen neuen

Preisänderungsklausel den weiteren Erfordernissen des § 24 Abs.

3 AVB-Fernwärme Rechnung getragen hat.

In dem Zusammenhang kam die bereits mehrmals zitierte Ent-

scheidung der 1. Zivilkammer des Landgerichts zu dem Ergebnis,

daß die Beklagte in dem damals zu entscheidenden Fall nicht

ausreichend dargelegt habe, die jeweiligen Verhältnisse auf dem

Wärmemarkt angemessen berücksichtigt zu haben. Dieser Dar-

legungsverpflichtung ist die Beklagte nunmehr jedoch in aus-

reichender Weise nachgekommen. Sowohl in ihrem Schreiben an den

Kläger vom Februar 1983 als auch im Rahmen ihres Prozeßvor-

trages hat sie im einzelnen dargelegt, welche Kriterien für

die Abfassung der Preisänderungsklausel in der neuen Form maß-

geblich gewesen sind. Gegen die detaillierten Ausführungen der Be-

klagten hat sich der Kläger nicht gewandt, so daß das Vorbringen der Beklagten insoweit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu behandeln war. Die Kammer ist nicht der Auffassung, dass die Beklagte im Rahmen der Erläuterung der Klausel nach § 24 III AVB -Fernwärme verpflichtet war, bereits vorprozessual darzulegen, ob und inwieweit den den Verhältnissen aus dem Wärmemarkt Rechnung getragen worden ist. Dieses Erfordernis ist § 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme nicht zu entnehmen, so dass bezüglich der Preisänderungsklausel nur die Berechnungsfaktoren selbst zu erläutern sind. Unter Berechnungsfaktoren sind die einzelnen Klauselbestandteile zu verstehen (Witzel a.a.O. S. 111). Diese hat aber die Beklagte in verständlicher Form aufgeschlüsselt.

Daß dabei die mathematisch ausgedrückte Preisänderungsklausel

den Kriterien des § 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme nicht in der ge-

botenen Weise Rechnung getragen hat, kann nicht festgestellt

werden.

§ 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme soll das Versorgungsunternehmen ver-

pflichten, in Preisänderungsklauseln sowohl Kostenentwicklungen

als auch die Verhältnisse am Wärmemarkt zu berücksichtigen, und

zwar in angemessener Weise. Dabei betrifft die zu berück-

sichtigende Kostenentwicklung sowohl die Kosten der Erzeugung

als auch die der Bereitstellung. Die Erzeugungskosten werden über-

wiegend durch die Brennstoffkosten und erst in zweiter Linie

durch Lohnkosten beeinflußt, während die Bereitstellungskosten

überwiegend auf Lohnkosten beruhen und nur in geringerem Maße

auch durch Materialkosten bestimmt werden. Die einfachste

Möglichkeit, § 24 Abs. 3 zu entsprechen, ist somit ein Kosten-

faktor, der ein Brennstoff- und ein Lohnelement enthält. Es

können allerdings auch andere oder eine Kombination von mehreren

anderen Kostenfaktoren benutzt werden, wie dies die Beklagte ge-

tan hat (vgl. Witzel a.a.0. Seite 106). So hat die Beklagte in

die Klausel einen Fixanteil von 30 % einfliessen lassen, auf den

Änderungen beim Lohn, beim Preis für leichtes Heizöl und

beim Kohlepreis keine Auswirkungen haben können. Die Einfügung

eines derartigen konstanten Elementes unterliegt keinen Be-

denken, da es letztlich kundenfreundlich ist, weil dadurch die

jeweiligen Preissteigerungen der Energie und der Löhne nicht in

vollem Umfang an die Kunden weitergegeben werden. Im übrigen hat

die Beklagte, was den variablen Teil des Preises betrifft, 20 %

an den Lohn und 40 % an den Preis für leichtes Heizöl gebunden.

Hinzu tritt eine 10 %-ige Bindung des variablen Teils des

Preises an den Kohlepreis. Damit hat die Beklagte die jeweiligen

Verhältnisse auf dem Wärmemarkt im Sinne von § 24 Abs. 3 AVB

angemessen berücksichtigt. Insbesondere die starke Bindung des

Preises an den Preis für leichtes Heizöl entspricht den Markt-

verhältnissen, da allgemein der Preis für leichtes Heizöl den

der anderen Energieträger mitbestimmt. Gesichtspunkte, die gegen

ein angemessenes Verhältnis zwischen Kosten und Marktorientierung

in der hier streitigen Klausel sprechen, haben sich jedenfalls nicht

ergeben und sind vom Kläger auch nicht vorgetragen. Auch die weiteren Ausführungen der Beklagten zu ihrer Kostensituation und dem Betriebsergebnis ihrer Betriebsstelle lassen nicht erkennen, daß in die Preisgleitklausel Elemente ein-

geflossen sind, die mit der AVB-Fernwärmeverordnung nicht in Ein-

klang zu bringen sind.

Die Beklagte hat somit in diesem Verfahren schlüssig dargelegt,

hinsichtlich der hier streitigen Preisgleitklausel den gesetzlich

vorgeschriebenen Erfordernissen in ausreichender Weise Rechnung

getragen zu haben.

Hinzuzufügen ist, daß die Preisgleitklausel nach der Recht-

sprechung des Bundesgerichtshofes einer Genehmigung der zu-

ständigen Landeszentralbank nach § 3 Satz 2 Währungsgesetz nicht

bedarf (vgl. BGH BB 1979, 1214).

Da somit die neue Preisgleitklausel als wirksam zu behandeln ist,

besteht der klageweise geltend gemachte Rückzahlungsanspruch des

Klägers nicht. Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Streitwert: 775,43 DM.

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