AG Kempten, Beschluss vom 12.07.2011 - 1 C 542/11
Fundstelle
openJur 2012, 68684
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Fortführung des Verfahrens gemäß §321 a Abs. 5 ZPO wird zurückgewiesen

Gründe

1) Der Antrag auf Fortführung des Verfahrens gemäß § 321a Abs. 5 ZPO ist zulässig. Die entsprechende Entscheidung wurde am 08.06.2011 zugestellt. Per Fax ging bereits am 22.6.11, als Vorankündigung zum Original vom 24.06.2011, der entsprechende Antrag ein.

2) Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

a) Es handelt sich um ein Verfahren mit einem Streitwert von 221,46 €, welches folglich gemäß § 495 a ZPO, § 313 a ZPO vereinfacht zu behandeln ist. Das Verfahren hätte, nach Eingang von Klage und Klageerwiderung, auch ohne Hauptverhandlung ohne jede Vorwarnung entschieden werden können.

b) Nachdem auf der Beklagtenseite eine natürliche Person ohne Anwalt beteiligt ist, entschloß sich das Gericht einen Termin durchzuführen. Dieser erfolgte am 18.05.2011, und war angekündigt als "Güteverhandlung mit unmittelbar anschließendem Haupttermin".

c) Mit einer Beweisaufnahme war somit zu rechnen. Eines gesonderten vorherigen Beweisbeschlusses bedarf es, zumindest beim vereinfachten Verfahren, nicht. Die erfolgte Beweisaufnahme ging auch inhaltlich nicht über den schriftlich angekündigten Beklagtenvortrag hinaus.

Präsente Zeugen sind überdies stets zu vernehmen. Eine Verzögerung des Rechtsstreits tritt dadurch nicht ein.

d) Der Termin endete mit einem Beschluss, nämlich daß Hauptverhandlung und Beweisaufnahme geschlossen werden und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf 25.05.2011, 8:30 Uhr bestimmt wurde. Mit einer Endentscheidung war somit zu rechnen.

e) Ein Antrag auf Wiedereröffnung der Hauptverhandlung, unter Berücksichtigung dessen, was im Termin erörtert wurde, ging nicht ein. Der Erlass einer Endentscheidung war somit zulässig.

f) Was das Inhaltliche und die eigene Recherche des Gerichts betrifft, kann ein Gericht im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens im vereinfachten Wege Erkundigungen einziehen, ohne an die formellen Beweisvorschriften gebunden zu sein. Dies übersieht die Antragstellerseite dieses Fortführungsantrages.

g) Darüber hinaus handelt es sich bei eigenen Internetinhalten der Klägerin um Dinge, die

• ihr bekannt sind,

• die sie selbst veröffentlicht,

• deren Kenntnisnahme durch die gesamte Internetöffentlichkeit sie somit wünscht,

• mit deren Kenntnisnahme durch einfache Internetrecherche sie sich somit genauso abfinden muss wie Unfallbeteiligte mit der Besichtigung einer öffentlich zugänglichen Straßenstelle durch ein Gericht in einem Unfallprozeß und

• deren Ergebnis deswegen für sie auch nicht überraschend sein kann.

h) Was die eigentliche Rechtsfrage der Gültigkeit oder nicht der von der Klägerin sukzessive angewandten Tarife betrifft, hält das Gericht an seiner Auffassung fest, daß die gewählte Vorgehensweise der Klägerseite sittenwidrig ist:

Die Argumentation im vorgelegten Fortsetzungsantrag breitet zwar umfangreich die Rechtskonstrukion aus, dass jeder einzelne Anruf ein einzelner Vertrag ist der gesondert zu beurteilen sei. Ein Dauerschuldverhältnis bestehe nicht.

Hierbei handelte es sich um eine positivistische Auslegung des Rechts. Das gesamte BGB wird in Einzelregelungen atomisiert, die, ad libidum, zu Gunsten der Klägerin zusammengesetzt und verwendet werden. Normen, die der Rechtsauffassung der Klägerin im Wege sind werden ignoriert.

Das gesamte Zivilrecht und die gesamte Rechtsordnung der Bundesrepublik sind aber eine Einheit mit durchgehenden Wertungen, die bei der Anwendung von Einzelnormen nicht außer Acht gelassen werden können.

Im vorliegendem Fall, und das hat der Unterzeichner hinreichend herausgestellt, stellt die Klägerin die Einwahl für eine bestimmte Nummer zur Verfügung, die sich der Verbraucher im Sinne des § 13 BGB zwar selbst einrichten soll, um sie bequem und wiederholt zu nutzen.

Wie aber schon das Wort "Einrichtung" eines Internetzuganges sagt, handelt es sich hierbei um keine Einmalbenutzung und damit um ein Wegwerfprodukt, sondern um ein kleines Programm, welches immer wieder vorkommende Routinen vereinfachen und automatisieren soll. Diese Routine richtet sich zwar der Verbraucher (mit Standardsoftware) selbst ein, Nutznießer der Einrichtung soll aber nicht nur der Verbraucher, sondern auch der Anbieter der Dienstleitung "preiswerter Internetzugang", infolge der Kundenbindung, sein.

Der einzelne Einwahlvorgang mag jeweils einen einzelnen Vertrag darstellen. Parallel besteht jedoch zwischen der Klägerin und der Beklagten ein zwar nicht vergütungspflichtiges, aber immerhin Rechtsverhältnis derart, dass die Klägerin eine Nummer zur wiederholten und vereinfachten Nutzung ihrer Dienstleistungen zur Verfügung stellt, mit der ihre Leistungen, ohne lästige individuelle Aufrufe und Eingaben, laufend abgerufen werden können und auch sollen.

Dabei ist der Klägerin, aufgrund statistischer und kaufmännischer Erfahrung, durchaus bewußt, daß die damit verbundenen Erleichterungen dazu führen, daß die Kunden ihre Leistungen vermehrt in Anspruch nehmen, als dies bei jeweils individueller Anwahl der Fall wäre. Dieser Effekt ist auch ausdrücklich gewünscht, und gerade deswegen wird eine Nummer zur Verfügung gestellt, die man sich für wiederholte Nutzung einrichten kann bzw. soll.

Damit vertraut die Klägerin darauf, daß, dem Gesetz der Schwerkraft durch Vereinfachung und Automatisierung folgend diese zur Verfügung gestellte Nummer, hinter der günstige Tarife angeboten werden, laufend benutzt wird. Die günstigen Tarife migrieren jedoch innerhalb kürzester Zeit zu anderen Nummern, und in diesem trüben Graubereich fischt die Klägerin. Sie stellt sich dabei auf den zwar alttestamentlichen, aber trotzdem falschen Standpunkt:

Was soll ich (Kain zu Jehova, bezüglich Abel) meines Bruders Hüter sein, und mich darum kümmern, daß meine Kunden die steigenden Tarife hinter der zu meinen Gunsten eingerichteten Nummer nicht kontrollieren und sich selbst schaden?

Sie verstößt damit ganz offenkundig gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Sie insinuiert mit ihrer Werbung billigen Internetzugangs unter einer bestimmten Nummer nämlich, daß diese Nummer, deren feste Holung sie anbietet, auch in absehbarer Zukunft sehr günstige oder günstige Tarife beinhalten wird, was dann aber hinterher (systematisch) nicht der Fall ist.

Die Klägerin stellt sich auf den Standpunkt, daß jedermann selber aufpassen muß, um nicht in die von ihr aufgestellte Kostenfalle zu tappen, und selbst schuld ist, wenn er nicht vor jeder Beanspruchung ihrer Leistungen kontrolliert, ob hinter der zur festen Internetholung angebotene Nummer plötzlich höhere Tarife stecken. Darauf, daß nicht kontrolliert wird, und die alte Nummer mit neuen Tarifen ohne Kontrolle angewählt wird baut die Klägerin. Dies ist sittenwidrig und darüber hinaus ein Wettbewerbsverstoß.

Damit ist auch der Sinn einer Nummereinrichtung konterkariert:

Wenn vor jeder Benutzung einer eingerichteten Nummer die dahinter steckenden Tarife kontrolliert werden und ggfs. stets neue Nummern eingerichtet werden müssen ist das Ziel einer automatischen Nummernholung klar verfehlt. Die positivistische Art der Klägerin, ihr Verhalten als rechtmäßig anzusehen, ist bei einer Gesamtschau der Rechtsordnung dieses Verhalten sittenwidrig im Sinne des § 242 BGB, denn in Bezug auf das ursprüngliche als dauerhaft günstig insinuierte Leistungsangebot sind die nachher "per Einzelvertrag" verlangten Preise überraschend und sittenwidrig überhöht.

Ihre Kunden gezielt in diese Falle zu locken betrachtet der Unterzeichner, altmodisch und konservativ wie er ist, als ein Verhalten, welches aus den genannten Gründen zumindest am Betrug vorbeischrammt. Gerne nimmt der Unterzeichner es deshalb in Kauf daß er (von einem Anwalt) als Verbreiter einer Minderheitsmeinung eingestuft wird.

Der Unterzeichner verhilft aber nur elementarsten Grundsätzen der Rechtsordnung gegenüber rabulistisch-positivistischer Haarspalterei zur Geltung. Deswegen gescholten zu werden adelt. Vermutlich vertritt auch die EU-Kommission, die laufend Anbieter von Telefon- Dienstleistungen und Internetzugängen beim Roaming immer mehr an die Leine nehmen muß, eine Minderheitsposition.

Es verbleibt deshalb bei der angefochtenen Entscheidung. In eine Diskussion nach Art der Klägerseite, die vorvertragliche und nachvertragliche Pflichten aus früher: culpa in contrahendo und culpa post contractum perfectum; nunmehr: § 241 Abs. 2 BGB, positiv geregelt, einfach außer Acht lässt, und die darauf hinausläuft, Rechte und Pflichten säuberlich voneinander zu trennen und nur die gefundenen rechtlichen Rosinen für sich selbst aneinander zu reihen, tritt der Unterzeichner nicht ein:

Aufgrund des Anerbietens der Installationsmöglichkeit einer zur Verfügung gestellten Einwahlnummer für günstige Internetleistungen besteht ein vorvertragliches Verhältnis zwischen den Parteien, welches die einzelnen angeschlossenen Dienstverträge für die Inanspruchnahme konkreter Leistungen, nach erster Inanspruchnahme nachvertraglich, miteinander verklammert, zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die jeweiligen Vermögensinteressen auffordert, und atomistische Betrachtungsweisen nur zu eigenen Gunsten, wie diejenigen der Klägerseite, verbietet. Dieses Verhältnis endet erst mit der Deinstallation der angebotenen Nummer. Dies ist BGB Allgemeiner Teil und kleines Einmaleins deutschen Zivilrechts.

Sämtliche Angriffe gegen das vorliegende Urteil, und darüber hinaus auch gegen den Unterzeichner, gehen vom Ansatz her fehl. Der Antrag auf Fortführung des Verfahrens war deshalb zurückzuweisen. Er ist nur die Fortsetzung des bisherigen Verhaltens der Klägerin mit prozessualen Mitteln.

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