VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.06.1995 - 9 S 2091/94
Fundstelle
openJur 2013, 9690
  • Rkr:

1. Ein Prüfer ist nicht gehalten, bei der Begründung seiner Bewertung auf Einwände des Prüfungskandidaten im einzelnen einzugehen.

2. Selbstgefertigte Mustergliederungen des Prüfers und Kopien einer Prüfungsarbeit, auf denen der Prüfer Bemerkungen angebracht hat, gehören nur dann zu den Prüfungsakten, wenn der Prüfer zur Begründung seiner Bewertung darauf Bezug nimmt.

3. Verwenden Erst- und Zweitkorrektor jeweils selbstgefertigte Mustergliederungen und Punkteschlüssel, verstößt dies weder gegen allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe noch gegen den Grundsatz der Chancengleichheit.

Tatbestand

Der Kläger ist Rechtsanwalt und vereidigter Buchprüfer. Im Mai 1991 wurde er nach einem fehlgeschlagenen Versuch erneut zur Übergangsprüfung als Wirtschaftsprüfer zugelassen. Seine schriftliche Aufsichtsarbeit zu dem Thema "Der Konzernanhang - die wesentlichen Besonderheiten und Probleme der gesetzlichen Regelung" bewertete der Hauptberichterstatter mit der Note 4,5. Zur Begründung führte er aus: "Der Verfasser schreibt nieder, was er im Gesetz gefunden hat. Die Probleme werden nicht gekannt; Arbeit ohne Gliederung." Der Mitberichterstatter vergab die Note 5 und bemerkte: "Der Verfasser hat das Thema weitgehend verfehlt, da erstrangig Bilanzierungsfragen behandelt wurden und nicht die Ziele und Probleme des Konzernanhangs." Bei der mündlichen Prüfung am 18. Februar 1992 erhielt der Kläger die Gesamtnote 3,625. Hieraus und aus dem Ergebnis der schriftlichen Prüfung bildete der Prüfungsausschuß die Prüfungsgesamtnote 4,1875 (mangelhaft). Am selben Tag eröffnete der Vorsitzende des Prüfungsausschusses dem Kläger, daß er die Prüfung nicht bestanden habe, begründete dies und erteilte dem Kläger eine entsprechende Bescheinigung.

Der Kläger hat am 27. Februar 1992 Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Prüfungsausschusses aufzuheben und festzustellen, daß er die Prüfung bestanden habe, hilfsweise das beklagte Land unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids zu verpflichten, seine schriftliche Arbeit neu bewerten zu lassen und ihn über das Ergebnis der Prüfung neu zu bescheiden. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Prüfer hätten ihre Bewertungen der schriftlichen Aufsichtsarbeit nicht nachvollziehbar, sondern lediglich mit pauschalen und objektiv falschen Behauptungen begründet. Es treffe nicht zu, daß seine Arbeit keine Gliederung enthalte. Sie sei deutlich gegliedert. Darüber hinaus habe er in der Arbeit auf eine (mit Bleistift geschriebene) Gliederung im Anhang verwiesen. Er habe nicht lediglich das niedergeschrieben, was er im Gesetz gefunden habe, sondern auch einschlägige Ausführungen zum Konzernanhang aus IDW-Gutachten dargestellt. Das Thema habe er nicht weitgehend verfehlt. Seine Arbeit befasse sich ausschließlich mit Angaben im Konzernanhang. Bilanzierungsfragen habe er nur insoweit behandelt, als sie in unmittelbarem Zusammenhang zu entsprechenden Begründungspflichten und Angabepflichten im Konzernanhang stünden.

Im gerichtlichen Verfahren hat der Beklagte den Hauptberichterstatter und den Mitberichterstatter gebeten, ihre Bewertung der schriftlichen Arbeit zu überdenken. Diese haben jeweils an der vergebenen Note festgehalten. Der Hauptberichterstatter hat eine Mustergliederung, ein Benotungsraster und sein Korrekturexemplar der Arbeit in Kopie vorgelegt, auf dem am Rand Punktzahlen vermerkt sind. Hierzu hat er ausgeführt: Nach seiner Mustergliederung habe er für die Verwendung einer Gliederung einen von insgesamt zwanzig Punkten vergeben; bei der Arbeit des Klägers benote er den Hinweis auf die Gliederung im Anhang nicht, weil diese nicht entsprechend gekennzeichnet sei; den entscheidenden Mangel der Arbeit habe er hinreichend mit dem Kurzkommentar gekennzeichnet, die Probleme würden nicht gekannt; aus der Mustergliederung ergebe sich, daß der Kläger kein einziges Problem des Konzernanhangs angesprochen habe. Der Mitberichterstatter hat zunächst dem Beklagten lediglich mitgeteilt, er halte nach Durchsicht des Vorgangs und seiner Unterlagen an seiner Bewertung fest. Hierzu hat der Kläger vorgetragen, nach seiner Mustergliederung hätte der Hauptberichterstatter statt neun mindestens elf Punkte vergeben müssen. Hinzu müßten bis zu vier weitere Punkte für in der Arbeit herausgestellte Besonderheiten des Konzernanhangs kommen, die in der Mustergliederung nicht erwähnt seien. Im Hinblick auf diese Ausführungen hat das Verwaltungsgericht den Beklagten gebeten, nochmals eine ergänzende Stellungnahme der Prüfer anzufordern. Hierauf hat der Hauptberichterstatter mitgeteilt, er halte an seiner Benotung fest und sei der Auffassung, die Einwendungen des Klägers seien ausschließlich gegen Wertungen gerichtet, die innerhalb seines Beurteilungsspielraums lägen. Zum gleichen Ergebnis kam der Mitberichterstatter. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ein Beurteilungsschema des Mitberichterstatters vorgelegt, das eine Mustergliederung mit Sollpunkten und (für die Arbeit des Klägers) Istpunkten sowie ein Benotungsraster enthält.

Hierzu hat der Kläger weiter vorgetragen: Die beiden Musterlösungen wichen so stark voneinander ab, daß jeder der Prüfer, gemessen jeweils an der Musterlösung des anderen, die Arbeit nicht bestanden hätte. Damit werde gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und Chancengleichheit verstoßen. Es könne nicht in das Gutdünken eines Prüfers gestellt werden, eine eigene Musterlösung zu erstellen, die von einer anderen abweiche. Vielmehr müsse eine einheitliche Musterlösung zu Grunde gelegt werden. Bei der Musterlösung des Hauptberichterstatters fehle jeder Bezug zu den gesetzlichen Regelungen des Konzernanhangs.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die Auffassung vertreten, die Prüfer hätten ihre Bewertungen durch eine stichwortartige Bilanzierung der Schwächen und Vorzüge der Arbeit ausreichend begründet. Ihre Bewertungsbegründungen seien nicht objektiv falsch. Sie beruhten jeweils auf prüfungsspezifischen Wertungen. Ob ein Bewerter eine Musterlösung erstelle, ob für beide Bewerter eine einheitliche Musterlösung vorhanden sei und ob bzw. in welchem Umfang sie der Bewerter zugrunde lege, gehöre zu seinem Beurteilungsspielraum. Es sei gerade die Eigenart von Aufsatzthemen, daß sie einer Bewertung durch allgemeingültige Musterlösungen nicht zugänglich seien. Der Vorwurf des Klägers, die Bewerter hätten wegen ihrer unterschiedlichen Musterlösungen die Arbeit willkürlich bewertet, sei offensichtlich abwegig. Tatsache sei, daß beide Bewerter zu dem Ergebnis kämen, der Kläger habe die gesetzliche Regelung des Konzernanhangs in ihren wesentlichen Besonderheiten und Problemen bei weitem nicht genügend verarbeitet, und daß sie deshalb wenig abweichend von einander die Arbeit mit der Note 5 bzw. 4,5 bewertet hätten.

Mit Urteil vom 6. April 1994 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Soweit der Kläger die Feststellung begehre, daß er die Prüfung bestanden habe, sei die Klage unzulässig. Denn die Entscheidung über das Bestehen der Prüfung obliege allein dem Prüfungsausschuß. Mit dem Hilfsantrag sei die Klage unbegründet. Die Prüfer hätten ihre Bewertung der schriftlichen Aufsichtsarbeit des Klägers zumindest im Laufe des Klageverfahrens ausreichend begründet. Es liege auch keine objektiv falsche Bewertung vor, die sich auf das Ergebnis der Prüfung ausgewirkt haben könnte. Zwar sei nicht mehr vom Beurteilungsspielraum des Hauptberichterstatters gedeckt, daß er eine Gliederung der Arbeit verneint habe. Denn äußerlich sei die Arbeit entsprechend den Anforderungen der zugrunde gelegten Musterlösung stark untergliedert. Dieser Bewertungsfehler mache die Prüfungsentscheidung aber nicht fehlerhaft, weil der Hauptberichterstatter für eine Gliederung lediglich einen Punkt vergeben habe. Werte man die Gliederung entsprechend, ändere sich nach seinem Benotungsraster die Note nicht. Selbst wenn der Hauptberichterstatter die Note allein wegen der Gliederung auf 4 heraufsetzte, würde dies nicht zum Bestehen der Prüfung führen. Im übrigen wende sich der Kläger gegen nicht überprüfbare prüfungsspezifische Wertungen. Es könne sein, daß er einzelne Punkte der Mustergliederung angesprochen habe, ohne dafür Punkte erhalten zu haben. Die Frage, in welcher Breite und mit welcher Tiefe diese Punkte anzusprechen seien, um positiv bewertet zu werden, sei jedoch prüfungsspezifisch und somit keiner gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Sie könne nicht Gegenstand einer individuellen Nachprüfung werden, ohne die Chancengleichheit zwischen den Kandidaten derselben Prüfung zu verletzen. Auch die Frage, ob weitere von ihm in der Arbeit angeführte Punkte positiv bewertet werden müßten, sei prüfungsspezifisch. Gerichtlicher Kontrolle unterliege allein, ob diese Punkte zum Thema gehörten, nicht aber, wie sie bewertet würden. Daß die Prüfer jeweils eigene Lösungsskizzen verwendet hätten, könne nicht beanstandet werden. Die einschlägigen prüfungsrechtlichen Vorschriften sähen ausdrücklich selbständige Bewertungen der beiden Prüfer vor. Das entspreche dem Kontrollzweck des Prinzips der Doppelbewertung, dem bei einer unabhängigen Begutachtung durch den Zweitprüfer am besten entsprochen werde. Es liege in der Natur eines Aufsatzes, daß verschiedene Lösungen richtig oder vertretbar seien. Insoweit könnten auch die Erwartungen der Prüfer und mithin auch ihre jeweils zugrunde gelegten Mustergliederungen von ihren Schwerpunkten her durchaus differieren. Entscheidend sei allein, daß beide Prüfer im wesentlichen übereinstimmend und ohne Bewertungsfehler zu dem Ergebnis kämen, der Kläger habe ihre Erwartungen nicht erfüllt.

Gegen das am 19. Juli 1994 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Juli 1994 Berufung eingelegt. Er trägt vor: Die Begründungen beider Prüfer für die Bewertung seiner Aufsichtsarbeit genügten rechtsstaatlichen Anforderungen offensichtlich nicht. Sie ließen nicht erkennen, welche grundlegenden Gedankengänge und allgemeinen oder besonderen Bewertungsmaßstäbe die Prüfer zugrunde gelegt hätten. Auf die zahlreichen Punkte seiner Gegendarstellung seien die Prüfer mit keinem Wort eingegangen. Daß die Prüfer verschiedene Lösungsskizzen verwendet hätten, sei aus den von ihm bereits dargelegten Gründen rechtswidrig. Hinzu komme, daß eine Reihe weiterer Prüfer dieselbe Aufsichtsarbeit anderer Prüflinge korrigiert hätten. Da jeder dieser Prüfer eine eigene Musterlösung erstellt habe, seien zwangsläufig verschiedene Maßstäbe für die Beurteilung der einzelnen Prüflinge zugrunde gelegt worden. Anhand der Maßstäbe anderer Prüfer hätte er möglicherweise die Arbeit bestanden. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Chancengleichheit, der verlange, daß für vergleichbare Prüflinge soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten müßten. Aus diesem Grundsatz folge zwingend, daß allen Prüfern dieselbe Musterlösung zur Verfügung stehe und zwar auch dann, wenn die Prüfungsordnung die Verwendung einer Musterlösung nicht vorschreibe. Rechtswidrig sei die Prüfungspraxis des beklagten Landes auch deshalb, weil sich nicht sämtliche Unterlagen über die Prüfung bei der Prüfungsakte befänden. Das beklagte Land habe im Laufe des Verfahrens prüfungsrelevante Unterlagen vorgelegt, die nicht in der Prüfungsakte gewesen seien. Er bleibe dabei, daß seine Arbeit objektiv falsch bewertet worden sei. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, daß nicht ein Besinnungsaufsatz verlangt worden sei, sondern daß es - ähnlich wie bei einer mathematischen Aufgabenstellung - um objektivierbare fachliche Fragen gegangen sei. Für eine Neubewertung kämen die beiden bisher mit der Bewertung befaßten Prüfer nicht in Betracht. Diese hätten Gelegenheit gehabt, ihrer Begründungspflicht nachzukommen und hätten diese nur unzureichend erfüllt. Es entbehre jeder Realitätsnähe, wenn das Bundesverwaltungsgericht meine, wegen des Grundsatzes der Chancengleichheit sei die Prüfungsleistung in erster Linie von dem bereits eingeschalteten Prüfer zu bewerten. Schließlich seien Prüfer stets geneigt, ihre einmal gefundene Prüfungsentscheidung zu bestätigen. Abgesehen hiervon seien beide Prüfer als befangen abzulehnen, weil sie auch noch im verwaltungsinternen Kontrollverfahren ihre Bewertungen nicht in einer den rechtsstaatlichen Erfordernissen genügenden Weise begründet hätten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. April 1994 zu ändern, die Entscheidung des Prüfungsausschusses beim Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie vom 18. Februar 1992 aufzuheben und das beklagte Land - Wirtschaftsministerium - zu verpflichten, die schriftliche Aufsichtsarbeit des Klägers vom 12. September 1991 durch zwei andere Prüfer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen und den Kläger aufgrund dieser Neubewertung unter Berücksichtigung der Gesamtnote der mündlichen Prüfung vom 18. Februar 1992 über das Ergebnis der Prüfung als Wirtschaftsprüfer neu zu bescheiden.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Die Prüfungsakten seien stets vollständig gewesen. Die Prüfer hätten lediglich entsprechend der damaligen Prüfungspraxis die Begründung der Noten in ihren Handakten aufbewahrt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung, die sich nur gegen die Abweisung des in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Hilfsantrags richtet, ist zulässig, aber nicht begründet. Die dem Kläger mündlich eröffnete Entscheidung des Prüfungsausschusses beim Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie Baden-Württemberg vom 18. Februar 1992, mit der die Übergangsprüfung als Wirtschaftsprüfer als nicht bestanden erklärt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch darauf, daß der Prüfungsausschuß erneut über das Bestehen der Prüfung entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Der Kläger hat die Übergangsprüfung als Wirtschaftsprüfer gem. § 131c und § 131e Wirtschaftsprüferordnung - WPO - nicht bestanden, weil er für seine Aufsichtsarbeit die Noten 4,5 und 5, in der mündlichen Prüfung die Gesamtnote 3,625 und somit die Prüfungsgesamtnote von 4,1875 und damit nicht mindestens die Note ausreichend erzielt hat (§ 4 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung von Art. 6 des Bilanzrichtlinien-Gesetzes vom 16. Juni 1986, BGBl. I S. 904, - DV Art. 6 BiRiLiG - i.V.m. § 10 Abs. 2 der Prüfungsordnung für Wirtschaftsprüfer vom 31.7.1962, BGBl. I S. 529, zuletzt geändert am 1.3.1988, BGBl. I S. 202, - PrOWP -). Seine Einwendungen gegen die Bewertung der schriftlichen Aufsichtsarbeit greifen nicht durch.

Der Hauptberichterstatter und der Mitberichterstatter haben jeweils ihre Benotung der Aufsichtsarbeit entsprechend den verfassungsrechtlich bestehenden Anforderungen schriftlich begründet. Die Begründung soll es dem Prüfling ermöglichen, Einwände gegen die Bewertung im gerichtlichen Verfahren und zuvor in einem verwaltungsinternen Kontrollverfahren vorzubringen. Sie muß so ausführlich sein, daß die grundlegenden Gedankengänge, die den Prüfer zu der abschließenden Bewertung veranlaßt haben, vom Prüfling und von dem Gericht nachvollzogen werden können. Es muß aus der Begründung zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein, welchen Sachverhalt sowie welche allgemeinen oder besonderen Bewertungsmaßstäbe die Prüfer zugrunde gelegt haben und auf welcher wissenschaftlich-fachlichen Annahme des Prüfers die Benotung beruht. Dabei dürfen an den Inhalt und den Umfang der Begründung jedoch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Bewertung einer Prüfungsarbeit verständlich, aber nur kurz begründet wird, vorausgesetzt, die dargestellten Kriterien für ein mögliches Nachvollziehen der Begründung sind erfüllt (BVerwG, Urteil vom 9.12.1992, BVerwGE 91, 262 = Buchholz 421.0 Nr. 307, vorausgehend VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.2.1991, NVwZ 1991, 1205 = VBlBW 1991, 312; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.4.1995 - 9 S 2226/93 -). Ist in der Prüfungsarbeit ein allgemeines Fachthema zu erörtern (Aufsatzthema), gelten wegen der Besonderheit der Aufgabenstellung andere Anforderungen als bei den sonst meist üblichen Prüfungsaufgaben. Denn insoweit haben die Prüfer bei der Beurteilung für die komplexen prüfungsspezifischen Bewertungen einen weiten Beurteilungsspielraum. Eine Begründung ist etwa dann nicht zu beanstanden, wenn der Prüfung zutreffende Ausführungen zu relevanten Einzelpunkten deshalb nicht oder allenfalls als unbedeutend wertet, weil sie nicht sinnvoll geordnet oder zusammenhanglos dargestellt oder ohne deutlichen Bezug zur geforderten Leistung erscheinen. Er ist auch nicht verpflichtet, verstreute Einzelpunkte aus der Arbeit herauszusuchen und diese ohne Gewichtung und Berücksichtigung der Art und Weise der Gesamtdarstellung zu addieren. Andererseits ist den Prüfern die Darlegung zuzumuten, worin sie beispielsweise einen Aufbaufehler oder einen Fehler in der Einordnung von Einzelpunkten in den Gesamtzusammenhang sehen (BVerwG, Urteil vom 16.3.1994, DVBl. 1994, 1358 = Buchholz 421.0 Nr. 329).

Diesen Anforderungen genügen die Begründungen des Hauptberichterstatters und des Mitberichterstatters für die Aufsichtsarbeit jedenfalls in der Fassung, welche sie im Laufe des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht erhalten haben. Dort haben die beiden Prüfer die zunächst wenig aussagekräftigen und nur einen Gesamteindruck wiedergebenden Kurzbemerkungen mit den vorgelegten Mustergliederungen und Benotungsrastern plausibel gemacht. Danach ist für den Kläger und für das Gericht hinreichend deutlich, welche Anforderungen die Prüfer gestellt haben und inwieweit sie diese Anforderungen durch die Arbeit des Klägers als erfüllt angesehen haben. Letzteres ergibt sich aus der Vergabe von Punkten auf dem Korrekturexemplar des Hauptberichterstatters und aus dem Vermerk von Istpunkten im Beurteilungsschema des Mitberichterstatters. Eine weitergehende Begründung kann der Kläger nicht verlangen. Seine Auffassung, die Prüfer seien verpflichtet, bei der nachgeholten Vervollständigung der Begründung auf seine Einwendungen im einzelnen einzugehen und darzulegen, weshalb einzelne Gliederungspunkte nicht positiv ins Gewicht fielen, teilt der Senat nicht. Damit überdehnt der Kläger die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründungspflicht von Prüfungsentscheidungen. Seine Auffassung liefe letztlich darauf hinaus, daß es in das Belieben des Prüflings gestellt wäre, den Umfang der Begründung zu bestimmen. (Dafür, daß in der Rechtsprechung in einem vergleichbaren Fall die Begründung für ausreichend gehalten worden ist, vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.1992 a.a.O.).

Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht darin, daß die Korrekturunterlagen des Haupt- und des Mitberichterstatters nicht zu den Akten der Prüfungsbehörde gelangt sind. Die maßgeblichen Prüfungsvorschriften enthalten keine Regelung, wonach entsprechende Unterlagen zu den Akten genommen werden müssen. Eine entsprechende Pflicht ergibt sich nicht aus § 29 LVwVfG. Zwar ist diese Vorschrift auch in Prüfungsverfahren anwendbar (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 LVwVfG). Aus ihr ergibt sich nicht nur unter den dort genannten Voraussetzungen ein Recht auf Akteneinsicht, sondern auch mittelbar die Verpflichtung der Behörde, ordnungsgemäße Akten zu führen und alle wesentlichen Vorgänge, die für das Verwaltungsverfahren, insbesondere auch für das rechtliche Gehör der Beteiligten und für die Entscheidung der Behörde von Bedeutung sein können, in Niederschriften oder Aktenvermerken festzuhalten, d.h. aktenkundig zu machen (Kopp, VwVfG, 5. Aufl., § 29 RdNr. 4 m.w.N.). Eine von einem Prüfer selbstgefertigte Mustergliederung und Korrekturanmerkungen, die er auf einer Kopie der Prüfungsarbeit anbringt, um seine Bewertung vorzubereiten, müssen nicht Bestandteil der Prüfungsakten werden. Insbesondere handelt es sich dabei nicht um Entwürfe zu Entscheidungen oder Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung im Sinn von § 29 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG, weil sie die abschließende Bewertung nur mittelbar vorbereiten und noch keine Entscheidungsentwürfe sind (Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 2 Prüfungsrecht, 3. Aufl., RdNr. 112). Notwendiger Bestandteil der Akten sind diese Unterlagen erst dadurch geworden, daß sich der Hauptberichterstatter oder Mitberichterstatter auf sie zur Begründung ihrer Bewertung bezogen haben. Von da an waren sie auch bei den Akten des Beklagten.

Bewertungsfehler, die sich auf die Benotung der Arbeit ausgewirkt haben könnten, kann der Senat nicht feststellen. Rechtswidrig sein kann allenfalls die Nichtberücksichtigung einer Gliederung durch den Hauptberichterstatter; auf die Benotung kann sich dies aber nicht ausgewirkt haben. Im übrigen richten sich die Einwendungen, die der Kläger erhebt, letztlich gegen Wertungen der Prüfer. Diese können im Rahmen der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle ihres Beurteilungsspielraums nicht beanstandet werden.

Der Beurteilungsspielraum der Prüfer ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Prüfer müssen bei ihrem wertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer Examenspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben, und diese allgemein anwenden. Prüfungsnoten dürfen daher nicht isoliert gesehen werden, sondern müssen in einem Bezugssystem zu finden sein, das durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflußt wird. Die komplexen Erwägungen, die einer Prüfungsentscheidung zugrunde liegen, lassen sich nicht regelhaft erfassen. Eine gerichtliche Kontrolle würde insoweit zu einer Verzerrung der Maßstäbe führen. Denn in dem Verwaltungsgerichtsprozeß eines einzelnen Kandidaten könnte das Gericht die Bewertungskriterien, die für die Gesamtheit vergleichbarer Prüfungskandidaten maßgebend waren, nicht aufdecken, um sie auf eine nur in Umrissen rekonstruierbare Prüfungssituation anzuwenden. Es müßte eigene Bewertungskriterien entwickeln und an die Stelle derjenigen der Prüfer setzen. Dies wäre mit dem Grundsatz der Chancengleichheit unvereinbar, weil einzelne Kandidaten so die Chance einer vom Vergleichsrahmen der Prüfer unabhängigen Bewertung erhielten. Die gleichmäßige Beurteilung aller vergleichbaren Kandidaten würde tiefgreifend beeinträchtigt (BVerfG, Beschluß vom 17.4.1991, NJW 1991, 2005 = BVerfGE 84, 34). Gerichtlich überprüfbar ist die Prüfungsentscheidung danach nur daraufhin, ob die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begangen oder anzuwendendes Recht verkannt haben, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, ob sie allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt haben oder ob sie sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen. Dabei gehört es zu den allgemeingültigen Bewertungsmaßstäben, daß zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen im Prinzip nicht als falsch bewertet werden dürfen. Soweit die Richtigkeit oder die Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar sind, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum läßt, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muß aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden (BVerfG a.a.O.). Soweit indes nicht fachliche Fragen den Gegenstand der Leistungsbewertung bilden, sondern komplexe prüfungsspezifische Bewertungen - z.B. bei der Gewichtung verschiedener Aufgaben untereinander, bei der Einordnung des Schwierigkeitsgrads der Aufgabenstellung oder bei der Würdigung der Qualität der Darstellung - im Gesamtzusammenhang des Prüfungsverfahrens getroffen werden müssen und sich nicht ohne weiteres im nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren einzelner Prüflinge isoliert nachvollziehen lassen, verbleibt es bei dem nach den oben genannten Kriterien eingeschränkt kontrollierbaren Bewertungsspielraum der Prüfer (BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1993, Buchholz 421.0 Nr. 320, und Beschluß vom 10. Oktober 1994 Buchholz a.a.O. Nr. 338; Niehues a.a.O.).

Daß die Prüfer richtige oder vertretbare Ausführungen des Klägers als falsch gewertet hätten, ergibt sich aus den schriftlichen Begründungen ihrer Bewertungen nicht und macht der Kläger auch nicht geltend. Seine Einwendungen gehen vielmehr dahin, die Prüfer hätten seine einschlägigen Ausführungen zu verschiedenen Punkten nicht (ausreichend) gewertet, obwohl sich seine Arbeit insoweit mit den Gliederungspunkten der Musterlösung decke und teilweise darüber hinaus brauchbare Ausführungen enthalte.

Sofern und soweit der Kläger damit behauptet, die Prüfer hätten seine einschlägigen Ausführungen gar nicht zur Kenntnis genommen und seien somit von falschen Tatsachen ausgegangen, trifft dies im wesentlichen nicht zu (zum Verhältnis dieses Einwands zur erfolglosen Bewertungsrüge vgl. BVerwG, Urteil vom 21. 10. 1993, Buchholz a.a.O. Nr. 320). Dabei kann offenbleiben, ob dieser Vorwurf insoweit berechtigt ist, als der Hauptberichterstatter sich nicht in der Lage gesehen hat, das Vorhandensein einer Gliederung anzunehmen. Denn ein etwaiger Bewertungsfehler kann sich jedenfalls aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen, auf die der Senat Bezug nimmt (§ 130b VwGO), nicht entscheidend auf die Prüfungsgesamtnote ausgewirkt haben. Ansonsten liegt aufgrund der Korrekturunterlagen fern, daß die beiden Prüfer den Inhalt der vom Kläger gefertigten schriftlichen Arbeit und seine im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten Einwände und Hinweise teilweise nicht berücksichtigt haben. Das Gegenteil kann der Kläger nicht damit belegen, daß er in seinem Schriftsatz vom 14. August 1992 der Mustergliederung des Hauptberichterstatters seine Ausführungen gegenübergestellt und im einzelnen dargelegt hat, daß er zu elf von zwanzig Gliederungspunkten Ausführungen gemacht habe und deshalb eine entsprechende Zahl von Wertungspunkten erzielen müsse. Aus einer unterstellten Übereinstimmung von Gliederungspunkten in der Arbeit des Klägers mit Punkten in der Gliederung des Hauptberichterstatters ergibt sich nämlich keinesfalls eine entsprechende Bewertung. Denn es widerspricht jeder Lebenserfahrung, daß der Hauptberichterstatter unabhängig von der Qualität der Ausführungen jeweils einen Punkt schon dafür geben würde, daß ein einschlägiger Themenkreis angesprochen worden ist. Im übrigen folgt aus der Vergabe von Wertungspunkten durch die beiden Prüfer gerade, daß sie die Ausführungen des Klägers zur Kenntnis genommen haben. Seine Behauptung, irgendwelche Teile davon müßten unberücksichtigt geblieben sein, müßte der Kläger substantiieren. Dazu wäre er auch in der Lage, wenn er seine Ausführungen nicht nur abstrakt in Bezug zu den einzelnen Punkten der jeweiligen Mustergliederung, sondern auch zu den jeweils hierzu vergebenen Wertungspunkten setzen würde.

Ebensowenig läßt sich feststellen, daß der Hauptberichterstatter die Ausführungen des Klägers in seiner schriftlichen Arbeit zu den im Schriftsatz vom 14. August 1992 auf Seite 5 genannten und in der Mustergliederung nicht erwähnten vier Stichworten übersehen hat. Es spricht vielmehr alles dafür, daß er diese Themenkreise für nachrangig gehalten oder jedenfalls im Rahmen seines Bewertungsspielraums die Ausführungen des Klägers hierzu für unergiebig gehalten hat.

Letztlich rügt der Kläger danach in der Sache die unterlassene günstige Bewertung von Teilen seiner Ausführungen und stellt dabei unzulässigerweise seine Bewertung an die Stelle der Bewertung der beiden Prüfer. Diese ist jedoch - wie oben dargelegt - insoweit einer gerichtlichen Kontrolle entzogen. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Prüfungsstoff der Aufsichtsarbeit sei weitgehend objektivierbar, weil es sich um fachliche Fragen handele. Diese Ansicht trifft offenkundig nicht zu. Schon aus der Aufgabenstellung ergab sich, daß keine einfache, im wesentlichen auf Vollständigkeit zu überprüfende, ungewichtete Aufzählung, Benennung und Erläuterung gesetzlicher Tatbestände und Tatbestandsmerkmale gefordert war. Verlangt war vielmehr eine Darstellung der Besonderheiten und Probleme des Konzernanhangs und damit eine Arbeit, bei der die einschlägigen gesetzlichen Regelungen unter einem bestimmten Blickwinkel - dem der Besonderheit gegenüber allgemeinen Bilanzierungsvorschriften - dargestellt und mit Bezug auf die Praxis bewertet werden sollten.

Die Verwendung jeweils eigener Mustergliederungen für die Bewertung der Aufsichtsarbeit durch den Hauptberichterstatter und den Mitberichterstatter sowie durch weitere an der Prüfungskampagne beteiligten Mitglieder des Prüfungsausschusses verstößt weder gegen allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe noch gegen den Grundsatz der Chancengleichheit. Für die Beurteilung einer Prüfungsleistung darf - dies stellt auch der Kläger nicht in Frage - eine Musterlösung oder eine Mustergliederung benutzt werden, wenn sie als sachkundiger Lösungsvorschlag gilt und andere, gleichermaßen vertretbare Lösungsvorschläge damit nicht von vornherein abgewertet werden (Niehues a.a.O. Rdnr. 338; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 16. 3. 1994 a.a.O.). Ihre Verwendung trägt regelmäßig dazu bei, daß der Bewertungsvorgang den Prinzipien der Sachbezogenheit und Systemgerechtigkeit folgt und nicht ungeordnet und von bloßer Intuition getragen ist (Niehues a.a.O. Rdnr. 343). Auch fördert sie die Anwendung einheitlicher Bewertungskriterien, die der Grundsatz der Chancengleichheit verlangt (BVerfG, Beschluß vom 17.4.1991 a.a.O.). Daraus folgt aber nicht, daß in einer Prüfungskampagne Musterlösungen überhaupt oder jedenfalls einheitlich verwendet werden müßten. Darin läge im Gegenteil eine unzulässige Einengung des Beurteilungsspielraums des jeweiligen Prüfers zu Lasten der Prüfungskandidaten, weil dies dem Gebot widerspräche, von einer Musterlösung abweichende, gleichermaßen vertretbare und begründete Lösungen gelten zu lassen. Daß die Mustergliederungen des Haupt- und des Mitberichterstatters die Grenzen der Sachbezogenheit und Systemgerechtigkeit überschreiten würden, hat der Kläger zwar der Sache nach behauptet, aber nicht substantiiert dargelegt. Für seine Ansicht, die willkürliche Gestaltung der beiden Mustergliederungen ergebe sich daraus, daß die Prüfer, jeweils gemessen an der Mustergliederung des anderen, keine ausreichende Note erhalten hätten, fehlt jeder Anhaltspunkt. Dafür reicht die nach Aufbau, Detailgenauigkeit und Punkteraster äußerlich unterschiedliche Gestaltung der beiden Mustergliederungen nicht aus. In ihr spiegelt sich lediglich wieder, daß dem Bearbeiter eines Aufsatzthemas bei der Auswahl, der Anordnung und der Vertiefung von angesprochenen Fragen in der Regel verschiedene Möglichkeiten offenstehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.