VG Freiburg, Urteil vom 06.07.2006 - 3 K 1362/04
Fundstelle
openJur 2013, 14436
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Kündigung einer „Berufungsvereinbarung“, die er am 15.09.1997 mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) schloss. Die Vereinbarung lautet unter Nr. 1 wie folgt:

„Herr Privatdozent Dr. med. ... , zur Zeit Leitender Arzt an der Klinik für Unfallchirurgie am ... , übernimmt vorbehaltlich der Ernennung durch Herrn Ministerpräsidenten ab diesem Zeitpunkt, frühestens jedoch ab 1. Oktober 1997 eine Professur für Unfallchirurgie an der Universität ... mit der Verpflichtung, das Gebiet in Forschung und Lehre ordnungsgemäß zu vertreten. Die Professur beinhaltet die Leitung der Abteilung Unfallchirurgie an der Chirurgischen Universitätsklinik. Die Einstellung erfolgt im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit“.

Mit Urkunde vom 17.10.1997 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Universitätsprofessor ernannt. Mit Verfügung vom 24.10.1997 wies das MWK ihn mit Wirkung vom Tag der Ernennung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe C 4 ein und teilte ihm mit, dass er Dienstbezüge nach Besoldungsgruppe C 4 der Bundesbesoldungsordnung gemäß seinem Besoldungsdienstalter erhalte. Im Übrigen gelte die mit ihm abgeschlossene Berufungsvereinbarung. Als Dienstaufgaben oblägen ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Unfallchirurgie und die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 64 Universitätsgesetz (UG). Er sei befugt, den Titel Ordinarius zu führen.

Mit Verfügung vom 11.05.2000 leitete das MWK disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen den Kläger ein. Mit Verfügung vom 24.10.2000 enthob es ihn vorläufig des Dienstes wegen des Vorwurfs der schuldhaft fehlerhaften medizinischen Behandlung mehrerer Patienten. Mit Verfügung vom 10.03.2001 erweiterte es das bereits eingeleitete förmliche Disziplinarverfahren um weitere Vorgänge und behielt die Besoldungsbezüge, ausgenommen Familienzuschlag, zur Hälfte ein. Mit Beschluss vom 01.02.2002 - D 12 K 11/01 - lehnte das Verwaltungsgericht Freiburg den Antrag des Klägers auf Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung ab. Die dagegen vom Kläger erhobene Beschwerde wies der VGH Bad.-Württ. mit Beschluss vom 12.04.2002 - DL 17 S 6/02 - zurück. Auf den Antrag des Klägers hob das Verwaltungsgericht Freiburg die in der Verfügung des MWK vom 10.03.2001 ausgesprochene hälftige Einbehaltung der Besoldungsbezüge auf (Beschluss vom 05.07.2002 - D 12 K 1/02 -). Die dagegen erhobene Beschwerde des MWK wies der VGH Bad.-Württ. mit Beschluss vom 10.09.2002 - DL 17 S 16/02 - zurück.

Mit Urteil vom 18.02.2003 (Geschäftsnummer: 2 KLs 21 Js 20723/00 u.a. AK 22/00) verurteilte das LG ... den Kläger wegen vorsätzlicher Körperverletzung und wegen fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 270 Tagessätzen. Wegen des Vorwurfs weiterer Körperverletzungen sprach es ihn frei. Von der Verhängung eines Berufsverbots sah es ab. Die Revisionen des Klägers und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des LG ... verwarf der BGH mit Urteil vom 20.01.2004 - 1 StR 319/03 - .

Mit Schreiben vom 04.02.2004 kündigte das MWK Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung gem. § 62 Satz 2 LVwVfG i.V.m § 314 Abs. 1 BGB. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei inzwischen rechtskräftig wegen vorsätzlicher Körperverletzung in einem Fall sowie wegen fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen verurteilt worden. Die im Urteil des LG ... festgestellten Straftatbestände habe er im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Tätigkeit als Leiter der Abteilung Unfallchirurgie des Universitätsklinikums ... verwirklicht. Bei Abwägung aller Umstände einschließlich der Interessen aller Beteiligten und der staatlichen Schutzverpflichtung für die Gesundheit und das Leben von (künftigen) Patienten sei dem Beklagten ein Festhalten an der Übertragung der Leitungsfunktion nicht mehr zumutbar. Da das MWK für das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes beweispflichtig sei, sei vor der Kündigung die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung abgewartet worden.

Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 18.03.2004 gegen die Kündigung mit der Begründung, diese sei rechtlich ohne Relevanz. Seine Professur sei Gegenstand eines Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit. Solange die Professur bestehe, obliege ihm auch die Leitung der Unfallchirurgischen Abteilung am Universitätsklinikum ... Dass er diese derzeit nicht ausüben könne, sei Folge der vorläufigen Dienstenthebung. Dem Disziplinarverfahren dürfe nicht vorgegriffen werden.

Das MWK wertete das Schreiben vom 18.03.2004 als Widerspruch und wies diesen mit Bescheid vom 27.05.2004 zurück. Ergänzend führte es im Wesentlichen aus, ein weiteres Festhalten an Nr. 1 Satz 2 der Berufsvereinbarung sei dem MWK bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls einschließlich der Interessen aller Beteiligten nicht zumutbar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte wegen der staatlichen Schutzpflichten für die Gesundheit und das Leben von (künftigen) Patienten eine optimale chirurgische Versorgung stets sicherstellen müsse. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und dem Dienstherrn sei hinsichtlich der Leitung der Abteilung Unfallchirurgie dauerhaft gestört, so dass auch eine vorherige schriftliche Abmahnung nicht erforderlich gewesen sei. Die Kündigung verstoße nicht gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums. Art 33 Abs. 5 GG schütze den Beamten lediglich vor einer willkürlichen und damit rechtswidrigen Veränderung des Dienstpostens. Lägen wichtige Gründe vor, die eine Kündigung nach § 314 BGB rechtfertigten, sei der Beamte vor einer Kündigung der Berufungsvereinbarung nicht geschützt. Der Entscheidung im förmlichen Disziplinarverfahren werde durch die Kündigung nicht vorgegriffen. Ein beamtenrechtlicher Grundsatz, nach dem eine Verletzung von Dienstpflichten ausschließlich disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen dürfte, existiere nicht und lasse sich auch nicht aus Art. 33 Abs. 5 GG herleiten.

Der Kläger hat am 23.06.2004 Klage erhoben. Er führt im Wesentlichen aus, die Kündigung könne nicht auf § 314 BGB gestützt werden. Eine Berufungsvereinbarung sei nicht als Dauerschuldverhältnis im Sinne der Vorschrift anzusehen. Dies ergebe sich aus dem Text der Vereinbarung sowie seiner Funktion. Es gehe nicht um für Dauerschuldverhältnisse typische Leistungen im Wechselbezugsverhältnis. In jedem Fall könne einer Berufungsvereinbarung keine Bedeutung mehr beigemessen werden, soweit die darauf resultierenden Verpflichtungen seitens des öffentlich-rechtlichen Vertragspartners durch die Ernennung zum Beamten in nicht mehr rückgängig zu machender Weise erfüllt worden seien. Der Ernennung könne durch eine spätere Kündigung der Berufungsvereinbarung nicht mehr der Boden entzogen werden. An die Stelle des öffentlich-rechtlichen Vertragsrechts trete nach der Ernennung das für Hochschullehrer geltende Beamten- und Disziplinarrecht. Aus diesem Grund gehe hier die Kündigung der Berufungsvereinbarung weitgehend ins Leere. Schließlich sei sie beamtenrechtlich voll erfüllt worden und enthalte keine fortbestehenden selbstständigen nennenswerten Zusatzvereinbarungen. Auch liege keine Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 66 Abs. 8 UG vor. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass es an einem wichtigen Grund fehle, der den Beklagten zur Kündigung berechtige. Das Strafurteil mit der Verhängung einer Geldstrafe stelle keinen solchen Grund dar. Die strafrechtlichen Verurteilungen rechtfertigten nicht die Bewertung, dass bei einer Fortführung der Tätigkeit des Klägers die Einhaltung der staatlichen Pflichten zum Schutz von Gesundheit und Leben von (künftigen) Patienten und die Sicherstellung einer optimalen chirurgischen Versorgung gefährdet seien. Die Kündigung verstoße auch gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums. Zwar betreffe Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung nur das dem Kläger zugewiesene konkrete Amt im funktionalen Sinn. Der Beamte sei aber vor einer willkürlichen Veränderung des Dienstpostens geschützt. Eine solche Veränderung liege hier vor, da kein wichtiger Grund im Sinne von § 314 BGB für die Kündigung vorliege. Das Universitätsklinikum, die Universität und der Beklagte versuchten durch massives eigenes Fehlverhalten einen „wichtigen“ Grund zu schaffen. Dies könne nicht zu Lasten des Klägers gehen. Sein Fachbereich sei neu strukturiert und seine Stelle sei mit einem Nachfolger besetzt worden.

Der Kläger beantragt,

den Widerspruchsbescheid des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg vom 27.05.2004 aufzuheben und festzustellen, dass die mit Schreiben des Ministeriums vom 04.02.2004 erklärte Kündigung von Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung vom 15.09.1997 unwirksam ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, der Kündigung von Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung stünden die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, des Disziplinarrechts, die Wissenschaftsfreiheit und der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht entgegen.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die der Kammer vorliegenden Akten des MWK verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig (I.), aber nicht begründet (II.) Die Kündigung von Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung war wirksam. Der Widerspruchsbescheid des MWK vom 27.05.2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I.

Die Klage ist nach §§ 42, 43, 68 ff. VwGO zulässig.

1. Soweit der Kläger geltend macht, die Kündigung sei unwirksam, ist statthafte Klageart die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Danach kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Der Kläger wendet sich gegen die mit Schreiben des MWK vom 04.02.2004 erklärte Kündigung von Nr. 1 Satz 2 der zwischen den Beteiligten geschlossenen „Berufungsvereinbarung“ vom 15.09.1997. Dabei handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl. OVG Münster, Urt. vom 27.11.1996, NVwZ-RR 1997, 475; Thieme in Hailbronner/Geis, Kommentar zum Hochschulrahmengesetz, § 43 Rn. 147; offengelassen von BVerfG, Urt. vom 08.02.1977, BVerfGE 43, 242 = NJW 1977, 1049). Davon gehen die Beteiligten zu Recht aus. Es sind keine Umstände ersichtlich, die gegen die Richtigkeit dieser Annahme sprechen könnten.

Beim Streit über die Berechtigung zur Kündigung, deren Wirksamkeit und die daraus folgende Auflösung des öffentlich-rechtlichen Vertrages geht es um das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Da es sich bei der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages - wie auch bei den auf Abschluss (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, § 54 Rn. 20) oder Anpassung (vgl. BVerwG, Urt. vom 26.01.1995, BVerwGE 97, 331) eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichteten Erklärungen - nicht um einen Verwaltungsakt handelt, kann der Kläger seine Rechte auch nicht durch Anfechtungsklage geltend machen. Der Subsidiaritätsgrundsatz (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwVfG) steht der Feststellungsklage mithin nicht entgegen.

2. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Dem steht nicht entgegen, dass sich die in der Berufungsvereinbarung erfolgte Zusage der Leitungsfunktion auf die „Abteilung Unfallchirurgie an der Chirurgischen Universitätsklinik“ bezieht, diese Abteilung aber inzwischen „formal aufgehoben“ wurde und „in der Klinik für Traumatologie aufgegangen“ (vgl. Schreiben des Universitätsklinikums ... vom 11.10.2000 an MWK) bzw. in das „Department für Orthopädie und Traumatologie integriert“ ist (vgl. Schriftsatz des MWK v. 27.06.2006). Zwischen den Beteiligten steht nicht fest, dass Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung aufgrund der Umorganisation des Universitätsklinikums nicht mehr geeignet wäre, Rechtswirkungen für die Beteiligten zu entfalten. Diese gehen vielmehr - abgesehen von der Frage der Wirksamkeit der hier streitigen Kündigung - nicht von der Hinfälligkeit der Vertragsklausel aus deren Anpassung nach § 60 LVwVfG wegen Änderung der Verhältnisse im Zusammenhang mit der Umorganisation des Universitätsklinikums denkbar erscheint. Der Beklagte (vgl. Schriftsatz vom 27.06.2006) sieht den „Anspruch auf die Übertragung einer Leitungsfunktion für den Bereich Unfallchirurgie“ nach wie vor „grundsätzlich“ als gegeben an.

3. Das nach § 126 Abs. 3 BRRG erforderliche Vorverfahren wurde durchgeführt.

II.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Kündigung vom 04.02.2004 ist wirksam.

1. Rechtsgrundlage für die Kündigung ist § 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit § 314 BGB. Offen bleiben kann, ob die Kündigung auch auf § 60 LVwVfG hätte gestützt werden können. Denn diese Vorschrift schließt das Recht der Beteiligten auf Ausübung eines vereinbarten oder aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des BGB sich ergebenden Kündigungsrechts einschließlich des Rechts zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB n. F. nicht aus (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O. § 60 Rn. 3).

2. Nach § 314 Abs.1 Satz 1 BGB kann jeder Vertragsteil Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Was die unter Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung zum Inhalt der Professur gemachte Leitung der Abteilung Unfallchirurgie an der Chirurgischen Universitätsklinik angeht, liegt ein Dauerschuldverhältnis vor. Wie die Berufungszusage an sich (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 21.04.1999, NVwZ-RR 1999, 636) war auch die vom Beklagten übernommene Verpflichtung, dass der Kläger die Leitung der Abteilung Unfallchirurgie erhält, auf Dauer berechnet. Sie sollte grundsätzlich für die gesamte Zeit gelten, während der der Kläger die Professur inne hat, auf welche sich die Zusage bezieht.

Die Verpflichtung hat sich auch nicht - wie der Kläger meint - gleichsam durch die Ernennung zum Universitätsprofessor erledigt. Weder die Ernennung noch die Einweisungsverfügung vom 24.10.1997 bezog sich auf die Leitung der Abteilung Unfallchirurgie. Auch mit der vom Universitätsklinikum vorgenommenen Übertragung der Leitungsfunktion wurde die Zusage nicht hinfällig. Dem Kläger sollte gerade in seinem Interesse ein rechtsverbindlicher Anspruch auf Übertragung der Leitungsfunktion auf Dauer - vorbehaltlich geänderter Verhältnisse (vgl. § 60 LVwVfG) - eingeräumt werden. Diesem Zweck widerspräche es, würde man der Zusage keine rechtliche Bedeutung mehr zumessen, nachdem dem Kläger (erstmals) die zugesagte Leitungsfunktion eingeräumt wurde.

3. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine entsprechende Situation ist hier aufgrund der vom Kläger in Ausübung seines Dienstes als Universitätsprofessor begangenen Straftaten, wegen derer er rechtskräftig zu einer Gesamtgeldstrafe von 270 Tagessätzen verurteilt wurde, gegeben. Wie sich aus dem Urteil des LG ... vom 18.02.2003 ergibt, hat er sich in einem Fall einer vorsätzlichen Körperverletzung strafbar gemacht, da er die (zweite) Operation an der rechten Schulter eines Patienten ohne dessen rechtfertigende Einwilligung durchgeführt hatte. Gegenüber dem Patienten hatte er die vermeintliche Indikation zur Operation bewusst wahrheitswidrig vorgespiegelt. In Wirklichkeit war es ihm darum gegangen, eine Bohrerspitze zu „bergen“, die bei der ersten Operation abgebrochen war. Den Abbruch der Bohrerspitze hatte er bewusst verschwiegen. In weiteren drei Fällen machte sich der Kläger der fahrlässigen Körperverletzung strafbar.

Aufgrund der begangenen Straftaten, aber auch gerade im Hinblick auf die näheren Tatumstände kann dem Beklagten ein Festhalten an der Berufungsvereinbarung hinsichtlich des hier streitigen Teils nicht zugemutet werden. In die Abwägung der widerstreitenden Interessen ist zwar einzustellen, dass bei der Durchführung von Operationen jedem Arzt Fehler unterlaufen können, die zu einer Bestrafung wegen fahrlässiger Körperverletzung führen können. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass gerade in dem Fall der vorsätzlichen Körperverletzung eine deutlich darüber hinausgehende Pflichtverletzung festzustellen ist, die zugleich einen groben Missbrauch seiner Leitungsfunktion darstellt und als schwerwiegende Pflichtverletzung anzusehen ist (vgl. Revisionsentscheidung des BGH vom 20.01.2004, Seite 15 f. des Urteilsabdrucks). Denn der Kläger hat es unterlassen, den tatsächlichen Operationsverlauf einschließlich des Abbruchs des Bohrers zu dokumentieren, und darüber hinaus die mitoperierende Ärztin angewiesen, den Bohrerabbruch im Operationsprotokoll nicht zu erwähnen. Gerade die - wie es der BGH formuliert hat - „selbstherrliche Vorgehensweise des Chefarztes in dem Operationsteam, die sich in der Verletzung der Dokumentationspflichten, der Beeinflussung des ihm unterstellten Klinikpersonals und der Täuschung seiner Patienten dokumentierte“, lässt die weitere Ausübung der Leitungsfunktion durch den Kläger als für den Beklagten unzumutbar erscheinen. Dabei fällt die besondere Stellung des Klägers als Chefarzt ins Gewicht, die er insbesondere durch bewusst pflichtwidrige Weisungen an ihm untergebenes Personal missbraucht hat. Besonders vorwerfbar ist in diesem Zusammenhang, dass er nach der Operation, bei der es zum Abbruch des Bohrers gekommen war, den wirklichen Grund für die weitere Operation dem Patienten bewusst verschwiegen und diese darauf hin durchgeführt hat. Dabei handelt es sich nicht um einen - nicht auszuschließenden - Fehler während einer Operation, sondern um eine Sorgfaltspflichtverletzung durch planvolles Handeln, die das Vertrauen in die Leitung der Abteilung der Unfallchirurgie in besonderem Maße erschüttert. Zu berücksichtigen ist auch das hohe Maß an Sorgfaltspflichtwidrigkeit in einem Fall der fahrlässigen Körperverletzung, weshalb sich das Landgericht veranlasst sah, von Leichtfertigkeit bzw. von grober Fahrlässigkeit zu sprechen ( Seite 62 des Urteilsabdrucks).

Angesichts der festgestellten Straftaten und der besonderen Tatumstände wäre es mit dem Ansehen des Universitätsklinikums und der Universität, welches gerade vom Vertrauen der Öffentlichkeit bzw. der Patienten in die Kompetenz und Integrität der leitenden Ärzte abhängig ist, unvereinbar, den Kläger weiterhin in seiner Position als Leiter der Abteilung Unfallchirurgie zu belassen. Dass die genannten Pflichtverstöße möglicherweise weitere disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen den Kläger rechtfertigen, stellt die Annahme, dass ein wichtiger Grund für die Kündigung der Berufungsvereinbarung hinsichtlich der Zusage der Leitung der Abteilung Unfallchirurgie vorliegt, nicht in Frage. Unerheblich ist auch, ob - wie der Kläger-Vertreter in der mündlichen Verhandlung behauptet hat - ärztliche „Kunstfehler“ in der Bundesrepublik Deutschland massenhaft vorkommen. Zum einen geht es hier nicht nur um Behandlungsfehler, die als fahrlässige Körperverletzung zu werten sind, sondern um einen Missbrauch gerade der Stellung als leitender Arzt. Zum anderen kann der Kläger aus dem Umstand, dass „Kunstfehler“ ungeahndet bleiben, keinen Anspruch darauf herleiten, dass auch in seinem Fall die Pflichtverletzungen keine Auswirkungen auf seine Stellung als Chefarzt haben.

4. Eine Abmahnung war nach § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht erforderlich. Denn das Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten war so schwerwiegend gestört, dass eine sofortige Kündigung gerechtfertigt erscheint (vgl. Palandt, BGB, 64. Aufl. 2005, § 314 Rn. 8). Der Beklagte hat auch innerhalb einer angemessenen Frist gekündigt, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat (§ 314 Abs. 3 BGB). Die Kündigung vom 04.04.2002 erfolgte unmittelbar, nachdem aufgrund der Revisionsentscheidung des BGH vom 20.01.2004 das Urteil des Landgerichts rechtskräftig geworden war. Erst nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils stand fest, dass und in welchem Umfang sich der Kläger der vorsätzlichen und fahrlässigen Körperverletzung strafbar gemacht hatte und welche näheren Tatumstände der Verurteilung zugrunde lagen. Dass der Beklagte nicht zuletzt aus Rücksicht auf den Kläger keine Verdachtskündigung ausgesprochen hat, stellt die Wirksamkeit der Kündigung nicht in Frage.

5. Die Kündigung stellt auch keinen (unzulässigen) Eingriff in das dem Kläger verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne dar, sondern betrifft nur den ihm übertragenen konkreten Aufgabenbereich.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 07.03.1968, DÖV 1970, 210) ist zwischen dem „Amt“ eines Beamten und seiner „Amtsstelle“ zu unterscheiden, d.h. zwischen dem durch Ernennung verliehenen „Amt im statusrechtlichen Sinne“, das regelmäßig durch eine im Besoldungsgesetz oder durch Anordnung des Dienstherrn bestimmte „Amtsbezeichnung“ gekennzeichnet wird und für den Rechtsstand des Beamten, besonders für seine Dienstbezüge, maßgebend ist, und dem „Amt im funktionellen Sinne“, nämlich dem durch Geschäftsverteilung, Zuweisung, Bestellung, Beauftragung oder dergl. dem Beamten übertragenen dienstlichen Aufgabenbereich (Funktion, Amtsstelle, Dienstposten). Mit dem Entzug der Leitungsfunktion erfolgte lediglich eine organisatorische Änderung des Amtes des Klägers im konkret-funktionellen Sinne, denn es wurde weder die Zugehörigkeit zur Laufbahn noch die Besoldungsgruppe noch die verliehene Amtsbezeichnung verändert. Dem Kläger wurde auch nicht ein Aufgabenbereich entzogen, der zum Kernbereich seines Amtes (Universitätsprofessor der Besoldungsgruppe C 4) gehört. Die in der Berufungsvereinbarung gesondert übertragene Aufgabe des Leiters der Abteilung Unfallchirurgie ist - wie etwa die Aufgabe des „Ärztlichen Leiters eines Krankenhauses“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979, BVerfGE 52, 303 = NJW 1980, 1327), das Amt eines „Klinikdirektors“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 08.02.1977, BVerfGE 43, 242 = NJW 1977, 1049) oder eines Leiters der Landesanstalt für Bodennutzungsschutz (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.03.1968 a.a.O.) - kein Amt im statusrechtlichen Sinne. Soweit von der Funktionsbeschreibung (vgl. § 64 Abs. 3 UG) der vom Kläger besetzten Stelle die Leitung der Abteilung Unfallchirurgie umfasst gewesen ist, handelte es sich lediglich um eine Bezeichnung der konkreten Pflichten. Beamtenrechtlich ist damit das übertragene Amt im konkreten Sinn, also der konkrete Dienstposten betroffen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.01.2001 - 4 S 2062/98 - Juris). Die Übernahme der Leitung der Abteilung Unfallchirurgie lag der Ernennung des Klägers zum Universitätsprofessor nicht zu Grunde. Dies folgt insbesondere aus der Einweisungsverfügung vom 24.10.1997, in der dem Kläger als Dienstaufgaben „die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Unfallchirurgie und die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 64 UG“ zugewiesen wurden, nicht aber die Leitung der Abteilung Unfallchirurgie.

6. Die Entscheidung des Beklagten, Nr. 1 Satz 2 der Berufungsvereinbarung zu kündigen, ist auch nicht ermessensfehlerhaft.

Während dem Beamten das Amt im statusrechtlichen Sinne ohne seine Zustimmung nur nach Maßgabe bestimmter gesetzlicher Vorschriften, regelmäßig nur zugleich mit der - gesetzmäßigen - Beendigung des Beamtenverhältnisses oder im Disziplinarverfahren entzogen werden kann, ist dagegen die Änderung oder Entziehung von dienstlichen Aufgaben des - hier betroffenen - „Amtes im funktionellen Sinne“ rechtlich in erheblich geringerem Umfang geschützt; denn zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört nicht das so genannte „Recht am Amt“, d.h. nicht ein Recht des Beamten auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung der ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.03.1968; a.a.O; BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979 a.a.O.). Soweit die Änderung oder Entziehung dienstlicher Aufgaben geeignet ist, subjektive Rechte des Beamten zu berühren, steht die Entscheidung hierüber grundsätzlich im Ermessen des Dienstherrn; der Beamte ist regelmäßig nur dagegen geschützt, dass ihm dienstliche Aufgaben ermessensfehlerhaft entzogen werden. Der Ermessenspielraum des Dienstherrn kann dadurch eingeengt sein, dass dieser dem Beamten die Übertragung einer bestimmten Aufgabe zugesichert hat, dass zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten hierüber verbindliche Vereinbarungen getroffen wurden oder aus anderen Gründen ein schutzwürdiges Vertrauen auf Beibehaltung der Funktion besteht. Der Ermessensspielraum des Dienstherrn ist auch dann eingeengt, wenn es sich - wie hier - um Leitungsaufgaben handelt, die zudem besondere fachliche Anforderungen stellen, und wenn der Beamte sich gerade um diesen leitenden Posten beworben hat und aufgrund seiner fachlichen Qualifikationen von dem Dienstherrn ausdrücklich für diesen Posten eingestellt worden ist. Noch stärker eingeengt ist schließlich der Ermessensspielraum, wenn die Aufgabenübertragung für die Dauer verbindlich zugesichert oder vereinbart worden ist; jedoch ist der Dienstherr selbst in einem solchen Falle befugt, die Aufgabenzuweisung zu ändern, wenn schwerwiegende Gründe des öffentlichen Interesses dies erforderlich machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.03.1968 a.a.O.; BayVGH, Beschluss vom 24.07.2002 - 3 CE 02.1659 - Juris).

Gemessen hieran erfolgte die Kündigung ermessenfehlerfrei. Schwerwiegende Gründe des Gemeinwohls liegen aus den bereits dargelegten Gründen vor. Auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.1982, NVwZ 1983, 546; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.04.1999, NVwZ-RR 1999, 636) stellt sich die Kündigung der Berufungsvereinbarung und des damit erfolgten Entzugs der Leitungsfunktion nicht als ermessensfehlerhaft dar. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Mit dem Verlust der Leitung der Abteilung Unfallchirurgie ist auch nicht ein Entzug der Aufgaben in der Krankenversorgung verbunden, die zum statusrechtlichen Amt gehören (vgl. VGH Bad.-Württ, Beschl. v. 18.05.2004, VBlBW 2004, 420). Ein unzulässiger Eingriff in die grundrechtlich geschützte Wissenschaftsfreiheit liegt ebenfalls nicht vor. Durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist der Kernbereich der Lehr- und Forschungstätigkeit, wie er sich aus dem konkret übertragenen Amt ergibt, geschützt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.01.2001 a.a.O. und Beschluss vom 12.05.1999 - 4 S 660/99 - Juris). Dieser Bereich ist hier nicht betroffen. Durch den Entzug der Leitungsfunktion wird dem Kläger nicht die Möglichkeit zu Forschung und Lehre genommen. Ein Anspruch auf Teilnahme an der Leitung einer wissenschaftlichen Einrichtung folgt aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.04.1981, BVerfGE 57, 70, = NJW 1981, 1995).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.