VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.07.1990 - 1 S 2998/89
Fundstelle
openJur 2013, 7534
  • Rkr:

1. Der "Seltenheitswert" eines Kulturdenkmals ist nur einer von mehreren denkmalpflegerischen Belangen, die bei der Abwägung, ob an der Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht, zu berücksichtigen sind. Er beschränkt die Denkmalpflege nicht auf die Erhaltung lauter letzter Exemplare.

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks L. Straße ... im Stadtteil ... der Beklagten. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus, bestehend aus drei Vollgeschossen und einem ausgebauten Dachgeschoß, bebaut. Das durch den Stil des Historismus geprägte Gebäude wurde von dem M. Architekten K. geplant und im Jahre 1910 errichtet. Es befindet sich an der südwestlichen Ecke der Kreuzung L. Straße/W.straße. Im Süden grenzt das zur gleichen Zeit erbaute Doppelhaus W.straße ... unmittelbar an den Baukörper an.

Im September 1987 stellte die Denkmalschutzbehörde der Beklagten fest, daß die Kläger teilweise neue Fenster in dem Gebäude hatten einbauen lassen. Im ersten Obergeschoß waren zehn der ursprünglichen weißlackierten Holzfenster aus zwei Flügeln mit Oberlicht in T-Form durch einflügelige Kunststoffenster mit Oberlicht ersetzt, darunter die vier Fenster des Eckerkers. Im Dachgeschoß waren anstelle einflügeliger weißlackierter Holzfenster mit Oberlicht Kunststoffenster ohne Oberlicht eingebaut. Die Kosten der Fenstererneuerung beliefen sich nach Angaben der Kläger auf 20.000,-- DM. Nach Anhörung der Kläger untersagte die Beklagte im Einvernehmen mit dem Landesdenkmalamt durch Verfügung vom 23. Februar 1988, die noch vorhandenen Holzfenster gegen Kunststofffenster auszuwechseln, und ordnete an, die im ersten Obergeschoß eingebauten Kunststoffenster zu entfernen, statt dessen weißlackierte Holzfenster der ursprünglichen Form einzubauen und auch bei zukünftigen Erneuerungen solche Holzfenster zu verwenden. Zur Begründung führte die Beklagte aus, das Gebäude sei ein Kulturdenkmal, an dessen Erhaltung aus heimatgeschichtlichen und künstlerischen Gründen ein öffentliches Interesse bestehe. Durch die neuen Fenster werde das Erscheinungsbild des Kulturdenkmals beeinträchtigt. Die ungenehmigt eingebauten Kunststoffenster seien nicht genehmigungsfähig. Andere Maßnahmen, insbesondere die Anbringung von "Schwindelsprossen" an den Kunststoffenstern, seien zum Schutz des Kulturdenkmals nicht geeignet.

Gegen die am 26. Februar 1988 als Einschreiben zur Post gegebene Verfügung haben die Kläger am 25. März 1988 Widerspruch eingelegt, der durch Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 11. Juli 1988, im wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheids, zurückgewiesen wurde.

Auf den am 28. Juli 1988 zugestellten Widerspruchsbescheid haben die Kläger am 25. August 1988 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Anfechtungsklage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das Gebäude sei kein Kulturdenkmal, dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse liege. Es handele sich um ein gewöhnliches Wohnhaus aus der Epoche des Historismus, das keine auffallenden künstlerischen Stilelemente aufweise und gegenüber zahlreichen anderen Bauwerken dieser Stilepoche nicht hervortrete. Unabhängig davon sei die angegriffene Verfügung ermessensfehlerhaft. Das Erscheinungsbild des Gebäudes werde durch die Kunststoffenster nicht beeinträchtigt. Die Veränderung der Fensterform sei für den Durchschnittsbetrachter nicht wahrnehmbar. In dem benachbarten Gebäude (W.-straße ...) seien ebenfalls Kunststoffenster eingebaut. Die privaten Belange der Kläger seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Denkmalschutzbehörde habe nicht einschreiten dürfen, bevor sie den Klägern die Eigenschaft des Gebäudes als Kulturdenkmal bekanntgegeben habe, wie es in der einschlägigen Verwaltungsvorschrift bestimmt sei. Die Maßnahme habe enteignende Wirkung. -- Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof.Dr. ... R. zur Frage der Denkmaleigenschaft des Gebäudes und nach Einnahme eines Augenscheins hat das Verwaltungsgericht die Klage dem Antrag der Beklagten einsprechend abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Das Gebäude sei ein schutzwürdiges Kulturdenkmal. Diese Bewertung werde durch den überzeugenden Inhalt des Sachverständigengutachtens bestätigt. Die anstelle der ursprünglichen Holzfenster in dem Gebäude eingebauten Kunststoffenster führten zu einer erheblichen Störung seines Erscheinungsbildes, die auch für den aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter offenbar sei. Die Anordnung, die Kunststoffenster zu entfernen und durch Holzfenster der ursprünglichen Form zu ersetzen, sei frei von Ermessensfehlern. Der Einbau von Kunststoffenstern sei nicht genehmigungsfähig. Mit milderen Mitteln lasse sich die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes nicht beseitigen. Der mit der Anordnung bezweckte denkmalpflegerische Erfolg stehe nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen Nachteilen für die Kläger. Diesen sei es zumutbar gewesen, sich vor Erneuerung der Fenster bei der zuständigen Behörde über die Rechtslage zu unterrichten. Die ihnen aufgegebenen Maßnahmen hielten sich im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums.

Gegen das ihnen am 26. September 1989 zugestellte Urteil haben die Kläger am 24. Oktober 1989 Berufung eingelegt. Sie führen ergänzend aus: Dem Gebäude komme weder heimatgeschichtliche noch künstlerische Bedeutung zu. Es habe keinerlei Seltenheitswert. Jedenfalls beeinträchtige der Einbau von Kunststoffenstern nicht sein äußeres Erscheinungsbild. Eine schlichte Substanzveränderung sei nur bei eingetragenen Kulturdenkmalen genehmigungspflichtig. Der Unterschied von Kunststoffenstern zu Holzfenstern sei für den Durchschnittsbetrachter nicht wahrnehmbar. Die angeordnete Maßnahme sei unverhältnismäßig und den Klägern auch deshalb unzumutbar, weil ihnen bei Einbau der Kunststoffenster die Denkmaleigenschaft des Gebäudes unbekannt gewesen sei. Die Aufnahme des Gebäudes in eine Denkmalliste sei ihnen entgegen der einschlägigen Verwaltungsvorschrift nicht mitgeteilt worden. Sie hätten deshalb darauf vertrauen dürfen, daß das Gebäude kein Kulturdenkmal sei. Diesen Umstand habe die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt. Auch den Kosten der angeordneten Maßnahmen habe sie keine Bedeutung zugemessen. Rechtmäßig wäre allein die Anordnung, nachträglich Schwindelsprossen anzubringen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. August 1989 -- 3 K 179/88 -- zu ändern und die Verfügung der Beklagten vom 23. Februar 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 11. Juli 1988 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt noch vor: Die angefochtenen Bescheide seien frei von Ermessensfehlern, insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Eine Kulturdenkmalliste für den Stadtteil ... gebe es nicht. Unabhängig davon sei ein Vertrauen des Eigentümers auf das Nichtvorliegen der Denkmaleigenschaft nicht geschützt.

Der Senat hat das Gebäude L. Straße ... und seine Umgebung besichtigt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Dem Senat liegen die einschlägigen Verwaltungsakten sowie die Prozeßakten des Verwaltungsgerichts vor. Der Inhalt dieser Unterlagen war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die zulässigen Berufungen sind nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klagen abgewiesen. Die Verfügung der Beklagten, durch die der Austausch der vorhandenen Holzfenster gegen Kunststoffenster in dem Gebäude der Kläger untersagt sowie angeordnet wird, die im ersten Obergeschoß ungenehmigt eingebauten Kunststoffenster durch Holzfenster der ursprünglichen Form zu ersetzen und bei künftigen Fenstererneuerungen Holzfenster der ursprünglichen Form zu verwenden, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§§ 113 Abs. 1 S. 1, 114 VwGO). Das Gebäude der Kläger ist ein schutzwürdiges Kulturdenkmal (1.). Durch den bereits vorgenommenen und künftig beabsichtigten Austausch der Holzfenster gegen Kunststoffenster wird es in seinem Erscheinungsbild beeinträchtigt, weshalb die Genehmigung der Denkmalschutzbehörde erforderlich ist (2.). Die von der Beklagten verfügte Maßnahme dient dem Schutz und der Pflege des Kulturdenkmals und ist frei von Ermessensfehlern (3.).

1. Ohne Rechtsfehler ist die Beklagte davon ausgegangen, daß das fragliche Gebäude ein Kulturdenkmal ist, an dessen Erhaltung aus künstlerischen und heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht (§ 2 Abs. 1 DSchG).

In künstlerischer Hinsicht (zu diesem Schutzgrund s. Urt. d. Senats v. 10.5.1988, VBlBW 1989, 18/20 m.w.N.) ist das Gebäude entgegen der Ansicht der Kläger alles andere als alltäglich. Nach der überzeugenden Stellungnahme des Sachverständigen Prof.Dr. R., dessen Würdigung der Senat bei der Ortsbesichtigung bestätigt fand, repräsentiert das im Jahre 1910 errichtete Gebäude eine den Übergang vom Historismus zum Jugendstil kennzeichnende Baugesinnung, die einerseits historistischen Vorstellungen verhaftet, andererseits durch Ansätze neuartiger Formgebung geprägt ist. Während sich die Segmentbogenöffnungen des Erdgeschosses, die Profilgewände der hochrechteckigen Fenster in den Obergeschossen und die Schweifgiebel stilistisch auf Muster aus der deutschen Architektur der Renaissance berufen, zeigen die Durchbrechung des Sockelgeschosses durch annähernd quadratische Ladenfenster, die variantenreiche Art der Zuordnung von Gliederungsteilen zu Wandflächen sowie die geschmeidige Umrißführung der nördlichen Giebelgruppe ansatzweise Jugendstilelemente und deuten damit die Stilsituation der Erbauungszeit an. In seiner äußeren Gestalt zeichnet sich das Gebäude, das mit dem südlich angrenzenden Doppelhaus (W. straße ...) eine architektonische und stilistische Einheit bildet, durch eine markante Gliederung der Baumasse aus. Die beiden Vollgeschosse über dem Erdgeschoß sind durch konsolengetragene Eckrisalite rhythmisiert, im Dachgeschoß ist die bauliche Differenzierung durch gestufte Türmchen und Giebel noch graduell gesteigert. Am Sockelgeschoß dominiert der Haustein, bei den beiden Vollgeschossen darüber spielen die Hausteingewände mit glatten Putzflächen zusammen, im Dachgeschoß treten zu den Hausteinteilen Fachwerkelemente hinzu. Besonders reizvoll erscheinen die beiden geschweift konturierten Giebel, deren nördlicher als asymmetrischer Fachwerkdoppelgiebel und deren südlicher als hausteingerahmter Putzgiebel nebst Fachwerkerker ausgebildet ist. Die Gestaltung baulicher Details belegt, daß es sich um ein charaktervolles und architektonisch durchaus nicht anspruchsloses Bauwerk handelt. Die Hausteinbehandlung ist handwerklich untadelig, die Profilierung abwechslungsreich und genau. Die Hausteingewände sind im unteren Bereich durch Felder von an der Vorderseite mit dem Zweispitz behauenen ("bossierten") Buckelquadern und flächig bearbeiteten ("scharrierten") Quadersteinen, im oberen Bereich hauptsächlich durch geglättete Steine gestaltet. Im ganzen ist das Gebäude von besonderer ästhetischer und gestalterischer Qualität, weshalb es aus künstlerischen Gründen denkmalfähig ist.

Die Einstufung des Gebäudes als Kulturdenkmal ist auch aus heimatgeschichtlichen Gründen (s. dazu Urt. d. Senats, aaO, S. 20) gerechtfertigt. Wie der Sachverständige eindrucksvoll dargelegt hat, dokumentiert es zusammen mit weiteren stilverwandten Gebäuden im Kreuzungsbereich (L. Straße .../Wstraße ... sowie L. Straße ...) in charakteristischer Weise die städtebauliche Situation der Stadt ... um die Jahrhundertwende. Da der Altstadtbereich kaum mehr Entfaltungs möglichkeiten bot, konzentrierte sich das Baugeschehen in dieser Zeit auf Flächen westlich des G. und des H.. Mit der Weststadt entstand ein großes Bauensemble, wie es sich in dieser Form in der Bundesrepublik nur noch an wenigen Stellen erhalten hat. In N. wurde die ältere dörfliche Bebauung, von der sich Reste im Bereich um den Marktplatz erhalten haben, von städtischen Bürgerhäusern abgelöst, die durch großzügige Bauweise und abwechslungsreiche, alte Handwerkstradition aufnehmende Gestaltung hervortreten. Diese stadtgeschichtlich bemerkenswerte Entwicklung wird durch das Gebäude der Kläger beispielhaft sichtbar gemacht.

Die erforderliche Abwägung der denkmalpflegerischen Belange (s. dazu Urt. d. Senats v. 10.5.1988, aaO, S. 21, und v. 10.10.1989, VBlBW 1990, 182/183) ergibt, daß das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Kulturdenkmals von beachtlichem Gewicht ist. Der Senat zweifelt nicht daran, daß die Denkmalfähigkeit des Gebäudes der Kläger und die Notwendigkeit seiner Erhaltung in das Bewußtsein der Bevölkerung, jedenfalls eines breiten Kreises von Sachverständigen, eingegangen ist. Entgegen der Ansicht der Kläger ist das Gebäude keineswegs als unbedeutendes, nur aufgrund individueller Vorlieben für denkmalwürdig gehaltenes Objekt zu bewerten, sondern ein Kulturdenkmal von vergleichsweise beachtlichem Rang. Von hervorragendem Erhaltungszustand, verdeutlicht es durch ein hohes Maß an Integrität und Originalität die stilistische Übergangssituation sowie den städtebaulichen Wandel um die Jahrhundertwende. Seine daraus resultierende Bedeutung als Kulturdenkmal läßt sich durch den Einwand der Kläger, daß sich in der Umgebung, namentlich in der B.straße, der S.straße, der W.straße und der L. Straße, weitere bemerkenswerte Bauwerke aus derselben Zeit finden, nicht beiseite schieben. Der "Seltenheitswert" eines Kulturdenkmals ist nur einer von mehreren denkmalpflegerischen Belangen, die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind. Das Merkmal der Seltenheit kann in erster Linie zur Begründung des öffentlichen Erhaltungsinteresses dienen. Es wäre indessen gründlich mißverstanden, wenn es dazu herhalten sollte, den Denkmalschutz und die Denkmalpflege auf die Erhaltung sozusagen lauter letzter Exemplare zu beschränken. Von untergeordnetem Gewicht ist dieses Kriterium regelmäßig dann, wenn der Aussagewert eines Kulturdenkmals durch seine Situation im Gefüge gleichartiger Kulturdenkmale aus derselben Entstehungszeit gesteigert wird. So liegen die Dinge hier. Vor allem der Dokumentationswert des Gebäudes für die stadtgeschichtliche Entwicklung ... um die Jahrhundertwende wird in besonderer Weise anschaulich durch den Umstand, daß in N. zahlreiche weitere Bürgerhäuser ähnlichen Zuschnitts erhalten sind.

Wenn die Denkmalschutzbehörde eine Rangbewertung des Kulturdenkmals in dieser Richtung nicht vorgenommen hat, führt das nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide. Das öffentliche Erhaltungsinteresse im Sinne des § 2 Abs. 1 DSchG ist ein Rechtsbegriff, den der Senat uneingeschränkt zu überprüfen hat. Die Rangbewertung ist dem Senat anhand des vorliegenden Gutachtens des Prof.Dr. R. möglich. Der von den Klägern angeregten Einholung eines Obergutachtens zur Kulturdenkmaleigenschaft des Gebäudes bedarf es nicht, da die Sachkunde des Kunsthistorikers Prof.Dr. R. nicht zweifelhaft, sein Gutachten widerspruchsfrei und methodisch nachvollziehbar und der Senat aufgrund des Ergebnisses des Augenscheins sowie eigener Sachkunde von der Richtigkeit der zugrunde gelegten Tatsachen und der aus ihnen gezogenen Schlußfolgerungen überzeugt ist.

2. Als Kulturdenkmal darf das Gebäude der Kläger nur mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde in seinem Erscheinungsbild beeinträchtigt werden (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 DSchG). Zu Recht sieht die Beklagte in dem Austausch der in T-Form gestalteten Holzfenster (zwei Flügel mit Oberlicht) gegen einflügelige Kunststofffenster mit Oberlicht eine Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes im Sinne dieser Vorschrift.

Maßstab der Beurteilung für die Frage, ob das Erscheinungsbild eines Kulturdenkmals beeinträchtigt wird, ist in subjektiver Hinsicht das Empfinden des für Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters (Urt. d. Senats v. 10.10.1988, VBlBW 1989, 220/222 m.w.N.). In objektiver Hinsicht erfaßt der Genehmigungstatbestand jede nachteilige Veränderung des Erscheinungsbildes. Dagegen setzt die Genehmigungspflicht nicht voraus, daß die Beeinträchtigung von besonderem Gewicht oder deutlich wahrnehmbar ist (a.A. Strobl/Majocco/Birn, Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg, 1989, § 8 RdNr. 14 unter Berufung auf Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs, die sich indessen z.T. nicht auf die Genehmigungspflicht, sondern auf den Genehmigungsanspruch bezieht). Das folgt aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 2 DSchG, der eine solche Differenzierung nicht kennt, sowie aus einer systematischen Auslegung ähnlich strukturierter Genehmigungsvorschriften des Denkmalschutzgesetzes, wonach jegliche Veränderung genehmigungspflichtig ist, während bei unerheblicher Veränderung ein Genehmigungsanspruch besteht (vgl. § 15 Abs. 3 S. 1 und 3 DSchG -- dazu Urt. d. Senats v. 20.6.1989, VBlBW 1990, 151/152 -- sowie § 19 Abs. 2 S. 1 und 2 DSchG -- dazu Urt. d. Senats v. 10.10.1988, VBlBW 1989, 220/222). Die weite Auslegung des Genehmigungstatbestands entspricht auch der Funktion des Genehmigungserfordernisses als präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt (Kontrollerlaubnis). Durch dessen vorläufige Sperrwirkung soll gewährleistet werden, daß die Frage, ob die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes unerheblich ist, von der sachkundigen Denkmalschutzbehörde beantwortet wird und nicht der Beurteilung des Denkmaleigentümers überlassen bleibt (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Begründung des Regierungsentwurfs, LT-Drs. V/2808, S. 23). Das dient nicht allein dem Erfordernis eines wirkungsvollen Denkmalschutzes, sondern auch dem Interesse des Denkmaleigentümers, der so vor dem Risiko bewahrt bleibt, aufgrund Fehlbeurteilung der Erheblichkeit einer nachteiligen Veränderung des Kulturdenkmals den Ordnungswidrigkeitentatbestand der ungenehmigten Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 DSchG) zu erfüllen. Soweit die Voraussetzungen der formellen Genehmigungspflicht (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 DSchG) in der früheren Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs (Urt. v. 20.1.1977 -- V 273/76 --) abweichend beurteilt wurden, hält der Senat, der für das Denkmalschutzrecht ausschließlich zuständig ist, daran nicht fest.

Nach dem dargelegten Maßstab steht außer Frage, daß der von den Klägern veranlaßte Austausch der Fenster das Erscheinungsbild des Gebäudes beeinträchtigt. Die äußere Gestalt der einflügeligen Kunststoffenster, die zu den sichtbaren Teilen des Kulturdenkmals gehören und deshalb dessen Erscheinungsbild (mit-)prägen, unterscheidet sich von derjenigen der ursprünglichen, aus zwei Flügeln mit Oberlicht bestehenden Holzfenster in einer Weise, die der Durchschnittsbetrachter ohne weiteres als nachteilige Veränderung wahrnimmt. Obendrein wird die Harmonie der Fassadengestaltung, für jedermann offenkundig, derzeit auch dadurch empfindlich gestört, daß in den drei Obergeschossen des Eckerkers abweichend vom Originalzustand des Gebäudes Fenster verschiedener Formen eingebaut sind.

3. Ohne Ermessensfehler hat die Beklagte die Genehmigung der vorgenommenen Veränderungen abgelehnt, den Austausch noch vorhandener Holzfenster durch Kunststoffenster untersagt und den Klägern aufgegeben, die ungenehmigt eingebauten Kunststoffenster im ersten Obergeschoß durch Holzfenster gemäß dem ursprünglichen Bestand zu ersetzen sowie bei künftigen Erneuerungsmaßnahmen Holzfenster der entsprechenden Form zu verwenden.

Durch die denkmalschutzrechtliche Generalklausel (§ 7 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 DSchG) ist die Beklagte als Denkmalschutzbehörde ermächtigt, zum Schutz und zur Pflege eines Kulturdenkmals diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Pflichtgemäßer Ermessensausübung im Sinne dieser Vorschrift entspricht es, die erforderliche Genehmigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 DSchG) zu versagen, wenn die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Kulturdenkmals erheblich ist und höherrangiges Recht, insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, keine abweichende Entscheidung gebietet. Eine erhebliche Beeinträchtigung in diesem Sinne setzt nach ständiger Rechtsprechung des Senats voraus, daß der Gesamteindruck von dem Kulturdenkmal empfindlich gestört wird. Die damit allgemein gekennzeichneten Anforderungen bleiben einerseits unterhalb der Schranke dessen, was üblicherweise "häßlich" wirkt und deshalb im bauordnungsrechtlichen Sinne "verunstaltend" ist. Andererseits genügt für eine erhebliche Beeinträchtigung nicht jede nachteilige Beeinflussung des Erscheinungsbildes. Erforderlich ist, daß der Gegensatz deutlich wahrnehmbar ist und vom Betrachter als belastend empfunden wird (Urt. d. Senats v. 10.10.1988, VBlBW 1989, 220/222 m.w.N.). Auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen muß die Denkmalschutzbehörde die Genehmigung nicht versagen. Vielmehr folgt aus der Begrenzung der Erhaltungspflicht des Denkmaleigentümers auf das Zumutbare (§ 6 S. 1 DSchG) die Pflicht der Denkmalschutzbehörde, die öffentlichen Denkmalschutzinteressen und die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, wie es der Grundrechtsschutz des Eigentums verlangt (Urt. d. Senats v. 10.10.1988, aaO). Diesen Anforderungen werden die angefochtenen Bescheide gerecht.

Durch den Einbau der Kunststoffenster, deren Form und Material dem -- überwiegend noch vorhandenen -- Originalbestand widersprechen, wird für den maßgeblichen Durchschnittsbetrachter das Erscheinungsbild des Gebäudes der Kläger erheblich beeinträchtigt. Der systemwidrige Wechsel des Formtyps der Fenster in den oberen Vollgeschossen stört die ausgewogene Gliederung der Fassade ganz empfindlich. Das unvermittelte Nebeneinander wohlgegliederter Holzfenster und senkrecht ungeteilter Kunststofffenster führt zu einem negativ auffallenden Gegensatz. Die schlichte, standardisierte Gestaltung der einflügeligen Kunststoffenster wirkt sowohl gegenüber den in T-Form aufgeteilten Originalfenstern als auch in bezug auf die feine Struktur der Gesamtfassade als plumper Fremdkörper. Dagegen fügt sich die Form der aus zwei Flügeln und einem Oberlicht bestehenden Originalfenster dem vielfältig durchformten Erscheinungsbild des Gebäudes harmonisch ein. Während die ursprünglichen Holzrahmen handwerklich differenziert gestaltet und mit profiliertem Kämpfer versehen sind, macht der profillose Kunststoffrahmen den Eindruck steriler Konfektionsware.

Mit Rücksicht auf das beachtliche öffentliche Interesse an der Integrität des Erscheinungsbildes des Gebäudes der Kläger ist die Anordnung der Beklagten, die weder genehmigte noch genehmigungsfähige Beeinträchtigung infolge des Einbaus von Kunststoffenstern rückgängig zu machen und das ursprüngliche Erscheinungsbild durch Holzfenster der Originalform wiederherzustellen sowie bei künftigen Erneuerungsmaßnahmen zu erhalten, nicht zu beanstanden:

Der mit der Anordnung angestrebte Zweck steht nicht außer Verhältnis zu den Nachteilen, die den Klägern durch diese Maßnahme entstehen. Die nachträgliche Anbringung sogenannter "Schwindelsprossen" an den Kunststoffenstern ist entgegen der Ansicht der Kläger kein geeignetes Mittel, die erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes zu beseitigen. Dem denkmalpflegerischen Interesse widerspricht es grundsätzlich, durch künstliche Attrappen die Originalität eines Kulturdenkmals scheinbar zu wahren. Überdies könnten Kunststoffenster mit "Schwindelsprossen" die handwerkliche Qualität der Originalfenster des Gebäudes nicht einmal dem äußeren Eindruck nach erreichen.

Den Klägern als Eigentümern des Kulturdenkmals ist es zuzumuten, die ursprünglichen Holzfenster, soweit dies nach dem Erhaltungszustand des Materials möglich ist, in dem Gebäude zu belassen und erforderlichenfalls durch dem Originalbestand in Form und Material entsprechende Fenster zu ersetzen. Die damit verbundenen Kosten stehen nach Grund und Höhe in angemessenem Verhältnis zu dem Gebrauchswert, insbesondere dem wirtschaftlichen Ertrag des Gebäudes (zu dieser Voraussetzung s. Urt. d. Senats v. 10.5.1988, VBlBW 1989, 18/21 m.w.N.). Nichts anderes gilt übrigens dann, wenn die durch den Einbau der Kunststoffenster nutzlos aufgewendeten Kosten von 20.000,-- DM ungeachtet dessen, daß die Kläger mangels Genehmigung auf eigenes Risiko gehandelt haben, einzubeziehen sein sollten. Denkmalpflegebedingte Mehrkosten solcher Größenordnung überschreiten bei einem Gebäude wie dem der Kläger die Grenze der Zumutbarkeit nicht. Davon abgesehen, wird der von den Klägern zu tragende finanzielle Aufwand durch Zuschüsse zu den denkmalpflegebedingten Mehraufwendungen, die die Beklagte (in Höhe von 33 v.H.) und das Landesdenkmalamt (je nach Fensterart in Höhe von 10 v.H. oder 30 v.H.) in Aussicht gestellt haben, sowie durch einkommensteuerrechtliche Vorteile (z.B. gemäß § 82 k EStDV) wesentlich herabgesetzt. Unter diesen Umständen kann, auch wenn die bei Holzfenstern anfallenden Folgekosten berücksichtigt werden, von einer "enteignenden Wirkung" der Maßnahme entgegen der Ansicht der Kläger keine Rede sein. Unzumutbar ist die Maßnahme auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß in dem Nachbarhaus (W.straße ...) teilweise Kunststoffenster eingebaut sind.

Insbesondere können die Kläger nicht beanspruchen, daß die Beklagte -- sollte sie die Veränderung des Erscheinungsbildes des Nachbarhauses genehmigt haben -- erneut eine rechtswidrige Genehmigung ausspricht.

Auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen sich die Kläger ohne Erfolg. Der Umstand, daß ihnen die Denkmaleigenschaft ihres Gebäudes nach ihrem Vorbringen unbekannt, insbesondere nicht von der zuständigen Behörde mitgeteilt war, begründet kein schutzwürdiges Vertrauen auf einen Wegfall der Erhaltungspflicht. Die Eigenschaft einer Sache als Kulturdenkmal ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 2 Abs. 1 DSchG). Die daraus resultierende Erhaltungspflicht des Eigentümers (§ 6 S. 1 DSchG) setzt folglich nicht voraus, daß das Kulturdenkmal in eine Denkmalliste eingetragen oder der Eigentümer über die Denkmaleigenschaft unterrichtet ist. Das schließt die "nachrichtliche" Erfassung der Kulturdenkmale in einer Liste nicht aus. Die Aufstellung einer solchen Liste dient ebenso wie die frühzeitige Benachrichtigung der betroffenen Eigentümer den Belangen des Denkmalschutzes und ist zur (deklaratorischen) Verdeutlichung der gesetzlichen Regelung durchaus zweckmäßig (vgl. Nr. 0.1.2 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums für die Erfassung von Kulturdenkmalen in einer Liste -- VwV-Kulturdenkmallisten -- v. 28.12.1983, GABl. 1984, 36). Indessen hat die Tatsache, daß eine Sache nicht in eine Denkmalliste aufgenommen ist und der Eigentümer demgemäß nicht benachrichtigt wurde (vgl. Nr. 4.1 VwV-Kulturdenkmallisten), nicht die Wirkung eines Negativattests, welches allenfalls geeignet wäre, Vertrauensschutz zu begründen. Das folgt schon daraus, daß die Aufstellung von Denkmallisten nach dem gegenwärtigen Stand in zahlreichen Gemeinden noch nicht abgeschlossen ist. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten ist eine Denkmalliste für den Stadtteil N. bislang nicht vorhanden. Deswegen war auch für eine informatorische Benachrichtigung der Kläger über die Aufnahme ihres Gebäudes in eine Denkmalliste kein Raum. Unabhängig davon brauchte die Beklagte die fehlende Unterrichtung oder Kenntnis der Kläger bei ihrer Entscheidung aus einem weiteren Grund nicht zu berücksichtigen. Die Annahme, daß das fragliche Gebäude die Eigenschaft eines Kulturdenkmals besitzen könne, drängt sich nicht nur dem für die Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter, sondern auch einem an Denkmalpflege nicht interessierten Laien ohne weiteres auf. Unter diesen Umständen war es den Klägern als Eigentümern zuzumuten, eine entsprechende Auskunft der zuständigen Denkmalschutzbehörde einzuholen, bevor sie das Erscheinungsbild des Gebäudes veränderten. Da sie dieser Obliegenheit nicht nachgekommen sind, ist ihr Vertrauen auf die fehlende Kulturdenkmaleigenschaft nicht schutzwürdig und ihre fehlende Kenntnis kein Belang, der bei der Ausübung des Ermessens durch die Beklagte beachtlich war.