BGH, Urteil vom 06.05.2003 - XI ZR 283/02
Fundstelle
openJur 2012, 38780
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 5. Juni 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger, Verwalter in der am 19. Oktober 1993 eröffneten Gesamtvollstreckung über das Vermögen der c. GmbH (im folgenden: Schuldnerin), nimmt die beklagte Bank auf Auszahlung einem Girokonto der Schuldnerin gutgeschriebener Beträge in Anspruch.

Das Gesamtvollstreckungsgericht erließ am 16. Juli 1993 ein allgemeines Verfügungsverbot gegen die Schuldnerin, die einen Gesamtvollstreckungsantrag gestellt hatte, und bestellte den Kläger zum Sequester. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden: Beklagte) teilte der Schuldnerin am 22. Juli 1993 mit, daß sie alle Kredite kündige, und daß ihre auf dem bisherigen Konto ...200 gebuchte Kreditforderung in Höhe von 2.860.770,46 DM künftig auf dem Konto ...202 geführt werde. Sie nahm die Hauptgesellschafterin der Schuldnerin, die L. GmbH, aufgrund eines Schuldbeitritts auf Zahlung in Anspruch.

Am 29. Juli 1993 löste die Beklagte zwei Festgeldkonten der Schuldnerin auf und brachte die ihr verpfändeten Guthaben in Höhe von 357.535,50 DM und 90.016,88 DM dem Konto ...200 gut. Ferner schrieb sie diesem Konto am 5. August 1993 weitere 2.860.770,46 DM gut und belastete es am 13. September 1993 in Höhe von 357.535,50 DM und 90.016,88 DM.

Der Kläger hat behauptet, der Gutschrift vom 5. August 1993 in Höhe von 2.860.770,46 DM liege eine an die Schuldnerin gerichtete Überweisung ihrer Hauptgesellschafterin zugrunde. Nach der Gutschrift habe das Konto ein die Klagesumme übersteigendes Guthaben aufgewiesen. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Gutschrift vom 5. August 1993 oder die Gutschriften der Festgeldguthaben rückgängig zu machen.

Die Beklagte hat hingegen vorgetragen, sie habe die Hauptgesellschafterin der Schuldnerin nur zur Zahlung der Differenz zwischen der Verbindlichkeit der Schuldnerin und den Festgeldguthaben, die sie irrtümlich auf 2.414.431,17 DM, d.h. um 1.213,09 DM zu hoch, beziffert habe, aufgefordert. Diesen Betrag habe die Hauptgesellschafterin der Schuldnerin auf ihre Verbindlichkeit aus dem Schuldbeitritt an sie, die Beklagte, gezahlt und auf das Konto ...202 überwiesen. Am 5. August 1993 habe sie, die Beklagte, 2.860.770,46 DM von dem Konto ...202 auf das Konto ...200 umgebucht. Dadurch sei auf dem Konto ...202 ein Sollsaldo entstanden, weil sie zuvor die Festgeldguthaben versehentlich nicht dem Konto ...202, sondern dem Konto ...200 gutgeschrieben habe. Bei der Korrektur dieses Fehlers sei ihr ein weiteres Versehen unterlaufen. Sie habe die dem Konto ...200 belasteten Festgeldbeträge irrtümlich nicht dem Konto ...202, sondern dem Konto der Hauptgesellschafterin der Schuldnerin gutgeschrieben. Dies sei durch eine Stornierung zugunsten des Kontos ...202 ausgeglichen worden.

Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von 447.552,38 DM nebst Zinsen abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger seinen Zahlungsantrag weiterverfolgt und hilfsweise die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten, weil sie ihn durch falsche vorprozessuale Auskünfte über die erfolgten Zahlungen und Buchungen zur Klageerhebung veranlaßt habe. Das Berufungsgericht hat dem Zahlungsantrag in Höhe von 228.829,89 uzüglich Zinsen stattgegeben. Mit der -zugelassenen -Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wiefolgt begründet:

Die Klage sei wegen positiver Vertragsverletzung begründet. Die Beklagte habe ihre nachvertraglichen Nebenpflichten verletzt, indem sie das Konto ...200 in Höhe von 357.535,50 DM und 90.016,88 DM belastet und diese Beträge dem Konto der Hauptgesellschafterin der Schuldnerin gutgeschrieben habe. Soweit darin eine Überweisung zu sehen sei, fehle ein entsprechender Auftrag des Klägers. Auch zu einer Stornound Berichtigungsbuchung sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen.

Die Berechtigung von Stornierungen richte sich nach Nr. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken in der Fassung von 1988. Nach dieser Regelung sei die Belastung des Kontos ...200 in Höhe von 357.535,50 DM und 90.016,88 DM nicht zulässig gewesen. Zweifelhaft sei bereits, ob die Gutschriften dieser Beträge überhaupt rückgängig gemacht worden seien. Da die Gutschriften nach Verwertung der Festgeldguthaben erfolgt seien, hätte ihre Rückgängigmachung vorausgesetzt, daß die Beträge wieder den Festgeldkonten gutgeschrieben worden wären. Tatsächlich seien sie aber zunächst dem Konto der Hauptgesellschafterin der Schuldnerin und anschließend dem Konto ...202 gutgeschrieben worden. Außerdem setze ein Stornorecht einen sachlichrechtlichen Rückgewähranspruch der Bank gegen den Kontoinhaber gemäß § 812 BGB voraus. Daran fehle es hier, weil der Kläger mit der Verwertung der Festgeldguthaben einen Anspruch auf Gutschrift auf dem Girokonto erworben habe, dem die Beklagte mit den Gutschriften nachgekommen sei.

Ob die Gutschrift des Betrages von 2.860.770,46 DM in Höhe der Klageforderung stornofähig sei, bedürfe keiner Entscheidung, weil diese Buchung nicht storniert worden sei.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte schulde dem Kläger wegen positiver Vertragsverletzung die Zahlung von 447.552,38 DM, ist rechtsfehlerhaft. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß der Kläger durch die Rückgängigmachung der Gutschriften in Höhe von 357.535,50 DM und 90.016,88 DM einen Vermögensschaden in dieser Höhe erlitten hat. Dies wäre selbst dann nicht der Fall, wenn die Beklagte zur Stornierung der Gutschriften nicht berechtigt gewesen sein sollte. Belastungsbuchungen haben nur deklaratorische Bedeutung und lassen, wenn sie zu Unrecht erfolgen, das Kontoguthaben und daraus resultierende Zahlungsansprüche des Kontoinhabers unberührt (BGHZ 121, 98, 106; Schimansky, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 47 Rdn. 28).

III.

Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

1. Nach dem Sachvortrag der Beklagten, der im Revisionsverfahren mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zugrunde zu legen ist, ist die Klageforderung weder gemäß § 700 Abs. 1 Satz 1, § 607 Abs. 1 BGB a.F. noch gemäß § 780 Satz 1 BGB begründet.

Ob das Kontokorrentverhältnis zwischen der Schuldnerin und der Beklagten durch den Erlaß des Verfügungsverbots am 16. Juli 1993 beendet worden ist (vgl. hierzu: Nobbe, Das Girokonto in der Insolvenz, in: Prütting (Hrsg.), Insolvenzrecht 1996, RWS-Forum 9, 1997, S. 99, 117 m.w.Nachw.), so daß die Ansprüche aus den abstrakten Schuldversprechen gemäß § 780 Satz 1 BGB, die in den Gutschriften vom 29. Juli und 5. August 1993 zu sehen sind, selbständig geltend gemacht werden können, oder ob bei fortbestehendem Kontokorrentverhältnis nur ein Anspruch gemäß § 700 Abs. 1 Satz 1, § 607 Abs. 1 BGB a.F. auf Auszahlung des Kontoguthabens erhoben werden kann, bedarf keiner Entscheidung. Dem Anspruch gemäß § 780 Satz 1 BGB steht in Höhe der Klageforderung die im Schreiben der Beklagten vom 8. November 1999 erhobene Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 2, § 821 BGB) entgegen (vgl. hierzu: Senat, Urteile vom 16. April 1991 -XI ZR 68/90, WM 1991, 1152, 1153 und vom 7. Juli 1992 -XI ZR 239/91, WM 1992, 1522, 1523), so daß ein Kontoguthaben, dessen Auszahlung der Kläger verlangen könnte, nicht besteht.

2. Die Beklagte kann die gegenüber der Schuldnerin abgegebenen Schuldversprechen, die in den auf dem Konto ...200 vorgenommenen Gutschriften über 357.535,50 DM und 90.016,88 DM vom 29. Juli 1993 sowie über 2.860.770,46 DM vom 5. August 1993 liegen, nach § 812 Abs. 2 BGB kondizieren, soweit sie ohne Rechtsgrund erfolgt sind.

a) Die Gutschriften über 357.535,50 DM und 90.016,88 DM resultieren aus wirksam verpfändeten Festgeldguthaben der Schuldnerin bei der Beklagten. Nach der Verwertung ihres Pfandrechts war die Beklagte verpflichtet, diese Guthaben der Schuldnerin auf dem Konto ...200 gutzuschreiben. Eine Kondiktion dieser Gutschriften, die zu einer Reduzierung der unstreitigen Verbindlichkeiten der Schuldnerin von 2.860.770,46 DM auf 2.413.218,08 DM geführt haben, scheidet deshalb aus.

b) Bei der Gutschrift über 2.860.770,46 DM vom 5. August 1993 handelt es sich nach dem Vorbringen der Beklagten um eine bloße bankinterne Umbuchung vom Abwicklungskonto ...202 auf das Konto ...200, auf die die Schuldnerin in dieser Höhe auch unter Berücksichtigung der Überweisung ihrer Hauptgesellschafterin vom 6. August 1993 über 2.414.431,17 DM keinen Anspruch hatte. Diese Überweisung ist nach Darstellung der Beklagten nicht an die Schuldnerin, sondern an sie, die Beklagte, auf ihren eigenen Anspruch gegen die Hauptgesellschafterin aus deren Schuldbeitritt auf das Abwicklungskonto ...202 erfolgt. Durch diese Überweisung ist die nur noch in Höhe von 2.413.218,08 DM bestehende Verbindlichkeit der Schuldnerin erloschen (§ 422 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das in der Gutschrift vom 5. August 1993 liegende Schuldversprechen ist mithin in Höhe von 447.552,38 DM (2.860.770,46 DM 2.413.218,08 DM), d.h. in Höhe der Klageforderung, ohne Rechtsgrund abgegeben worden.

Soweit der von der Hauptgesellschafterin der Schuldnerin an die Beklagte überwiesene Betrag die Verbindlichkeiten der Schuldnerin um 1.213,09 DM (2.414.431,17 DM -2.413.218,08 DM) übersteigt, hat eine Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB im Verhältnis zwischen ihr und der Beklagten oder aber eine Verrechnung auf andere Verbindlichkeiten der Hauptgesellschafterin stattzufinden. Der Schuldnerin steht dieser Betrag nach dem Vorbringen der Beklagten nicht zu.

3. Die Beklagte kann ihren Bereicherungsanspruch gegenüber der Klageforderung einredeweise geltend machen (§ 812 Abs. 2, § 821 BGB).

a) Die Eröffnung der Gesamtvollstreckung steht der Bereicherungseinrede nicht entgegen. Einreden und Einwendungen, die gegen einen Anspruch des Schuldners erhoben werden können, sind grundsätzlich auch dem Verwalter gegenüber zulässig. Ein Ausschluß der Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung war in der Gesamtvollstrekkungsordnung nicht vorgesehen. Der Wert der Masse wird dadurch nicht geschmälert, weil eine mit der Bereicherungseinrede behaftete Forderung von vornherein wertlos ist (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1994 -IX ZR 252/93, WM 1995, 352, 353 f.).

b) Die Beklagte hat die Bereicherungseinrede unanfechtbar erlangt. Eine Anfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO kommt nicht in Betracht, weil es an einer Gläubigerbenachteiligung fehlt. Da die Forderung gegen die Beklagte bereits im Zeitpunkt ihrer Entstehung einredebehaftet und wertlos war, stand den Gläubigern zu keinem Zeitpunkt ein einredefreier Anspruch als Zugriffsobjekt zur Verfügung (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1994 -IX ZR 252/93, WM 1995, 352, 354).

IV.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird nunmehr Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die Hauptgesellschafterin der Schuldnerin aufgrund ihres Schuldbeitritts an die Beklagte auf das Konto ...202 2.414.431,17 DM oder aber an die Schuldnerin auf deren Konto ...200 2.860.770,46 DM überwiesen hat. Letzterenfalls stünde der Beklagten weder die Bereicherungseinrede noch ein Stornierungsrecht zu.

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