VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.06.1992 - 3 S 829/92
Fundstelle
openJur 2013, 8249
  • Rkr:

1. Zur Abwägung im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme bei einer Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines städtischen Fußballstadions für 30.000 Zuschauer, dessen Nutzung zeitlich stark eingeschränkt ist.

2. Auch ein Fußballstadion für Spiele der Fußballbundesliga ist eine Anlage für sportliche Zwecke.

3. Bei der Bewertung von Auswirkungen auf Wohnnutzung in der Nähe sind der Zuschauerlärm aus dem Stadion, der Kraftfahrzeugverkehr der Besucher und das Verhalten von Fangruppen wertend zu berücksichtigen, ohne daß schematisch auf die VDI Richtlinie 3724 abzustellen ist.

4. Für die Umgebungsbebauung maßgebend ist auch ein Fußballstadion, in dem mehrere Jahre keine Spiele mit einer größeren Zahl von Zuschauern stattgefunden haben.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum Um- und Ausbau des Hauptspielfelds I des R.-N.-Stadions.

Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstücks Flst.Nr. 5. Auf diesem Grundstück befinden sich das R.-N.-Stadion mit den Hauptspielfeldern I und II sowie weitere kleinere Anlagen für sportliche Zwecke (Tennisplätze). Das Hauptspielfeld I, das aus einem Fußballplatz, einer Rundbahn und weiteren Leichtathletikanlagen, sowie Sitz- und Stehtribünen für mehr als 30.000 Zuschauer besteht, wurde im Jahre 1928 als Sportplatz eingeweiht und diente sowohl der Austragung von Fußballspielen als auch Veranstaltungen in anderen Sportarten. Vor allem vor und nach dem 2. Weltkrieg fanden dort Fußballspiele mit mehr als 30.000 Zuschauern statt. Das im Jahre 1971 eingeweihte Hauptspielfeld II wird als Fußballstadion (15.000 Zuschauer) für Spiele der Amateuroberliga genutzt.

Südlich des Stadiongrundstücks verläuft die T.-H.-Anlage, eine Straße mit zwei Richtungsfahrbahnen mit jeweils zwei Fahrspuren und dazwischen der Gleiskörper der Straßenbahn. Östlich verläuft auf einem Damm eine zweigleisige Strecke der Deutschen Bundesbahn (R.-Bahn), und östlich davon liegt der Stadtteil N. Die T.-H.-Anlage wird mit einem verengten Querschnitt unter der Bahnstrecke durchgeführt. Dahinter gabelt sich diese Straße. Der südliche Teil wird als S. Landstraße (L 6) und der nördliche Teil als D.-Straße mit Gleisen für die Straßenbahn weitergeführt. Kurz hinter der Straßengabelung zweigt nach Norden die K.-L.-Str. ab, die fast parallel zum Bahndamm bis zum N. verläuft. Nördlich an das Baugrundstück schließen sich weitere Sportanlagen für Tennis, Fußball, Leichtathletik und Baseball an. Nördlich davon verläuft der Gleiskörper der Oberrheinischen Eisenbahngesellschaft (OEG) für die Linie H./M. und weiter nördlich fließt der N. Westlich des Hauptspielfelds II liegen die Stadtgärtnerei und eine große Parkanlage. Weiter westlich folgt die O.-Stadt.

Der Kläger Ziff. 1 ist Eigentümer des Grundstücks K.-L.-Str. 1, eines Eckgrundstücks zur D.-Str. (Luftlinienabstand zwischen Osttribüne und Wohngebäude ca. 200 m).

Der Kläger Ziff. 2 ist Eigentümer des Grundstücks P.-M.-U. 10. Diese Straße verläuft am nördlichen Rand von N. parallel zum Gleiskörper der OEG. Zwischen diesem Gebäude und dem Stadion befindet sich die Bebauung an der K.-L.-Str., der L.-Str. und der C.-Str. (Abstand ca. 580 m).

Der Kläger Ziff. 3 ist Eigentümer des Grundstücks K.-L.-Str. 53. Das Grundstück liegt an der westlichen Seite der K.-L.-Str. nahe der Einmündung dieser Straße in die Straße P.-M.-U. und nahe der Eisenbahnbrücke über den N. (Abstand ca. 370 m).

Der Kläger Ziff. 4 ist Eigentümer des Grundstücks S.-Str. 15. Dieses Grundstück liegt in der O.-Stadt (Abstand ca. 720 m).

Der Kläger Ziff. 5 ist Eigentümer des Grundstücks Sch.-Str. 1, das ebenfalls in der O-Stadt liegt. Die Sch.-Str. verläuft parallel zur Sch.-Str. Zwischen beiden Straßen befindet sich das mehrgeschossige, U-förmig gebaute Gebäude des V. (Abstand ca. 720 m).

Der Kläger Ziff. 6 ist Eigentümer des Grundstücks K.-L.-Str. 32. Das Grundstück liegt an der Ostseite dieser Straße (Abstand ca. 320 m).

Mit Bescheid vom 5.11.1990 erteilte das Regierungspräsidium K der Beigeladenen die Baugenehmigung für den Um- und Ausbau des Hauptspielfelds I des R.-N.-Stadions. Genehmigt wurde ein nach Westen geöffnetes Stadion mit einer an der Nord-, Ost- und Südseite U-förmig angelegten Tribüne. Im Westen ist eine freistehende Tribüne vorgesehen. Auf der Westtribüne sind 6.132 und auf der Osttribüne 15.408 Stehplätze vorgesehen. Die Nord- und Südtribüne haben Sitzplätze für 4.479 bzw. 4.787 Zuschauer. Dies ergibt ein Fassungsvermögen von 30.706 Zuschauern. Der Hauptzugang zu der Anlage liegt südlich an der T.-H.-A. Das Hauptspielfeld erhält eine Flutlichtanlage. Der Baugenehmigung sind unter anderem folgende Auflagen beigefügt:

"II. 1. Zur Stadionnutzung

1.1 Die Sportanlage darf nur als Stadion für Fußballspiele (einschließlich Trainingsbetrieb) mit einer Zuschauerkapazität von maximal 30.000 Zuschauern an Werktagen genutzt werden.

- Jegliche Nutzung des Stadions an Sonn- und Feiertagen ist untersagt; ausgenommen hiervon ist der Trainingsbetrieb. Zulässig sind bis zu 25 Fußballspiele im Jahr, davon bis zu 5 nach 19.00 Uhr, die vor 22.00 Uhr beendet sein müssen.

1.2 Auf dem Großparkplatz südlich des Flugplatzes (Flst.Nr. 22216) sind mindestens 6.000 Stellplätze für Kraftfahrzeuge verkehrssicher bis zum Beginn des Spielbetriebs herzustellen und entsprechend der als Anlage beigefügten Skizze an die W.-V.-Allee anzubinden. Außerdem ist bis dahin auch die Fußwegverbindung zwischen Parkplatz und Stadion verkehrssicher auszuleuchten.

1.3 Die im Verkehrslenkungsplan der Stadt vom 14.11.1989 beschriebenen Ziele

- eine großräumige Beschilderung der Zufahrtswege zum Großparkplatz südlich des Flugplatzes zu sichern, damit dieser ohne den unmittelbaren Stadionbereich zu benutzen, angefahren und zügig geleert werden kann,

- Sondermaßnahmen zum Schutz der Wohnquartiere in N. und in der O.-Stadt vor unzumutbaren Belästigungen durch Zuschauerströme, Parksuchverkehr und ruhenden Verkehr zu ergreifen, sind durch die im Verkehrslenkungsplan dargestellten baulichen und verkehrsrechtlichen Maßnahmen sicherzustellen. Abweichungen hiervon sind lediglich bei außergewöhnlichen Ereignissen (z.B. Einrichtung notwendiger Baustellen) im Einvernehmen mit den Polizeidienststellen zulässig. Außerdem ist der öffentliche Personennahverkehr nach der Vorgabe des Verkehrslenkungsplans einzurichten (Kombinationskarten und Zugfolgen sowie An- und Abtransport der auswärtigen Fans).

1.4 Der Fanblock für die Anhänger der Heimmannschaft ist auf der Osttribüne unterzubringen.

2.5 Die Lautsprecheranlage muß so betrieben werden, daß am Bezugsort K.-L.-Str. 9 (2. OG) höchstens 50 dB(A) einwirken. Während des Trainings ist der Betrieb der Lautsprecheranlage nicht zulässig."

Gegen diese Baugenehmigung legten die Kläger Widersprüche ein. Zur Begründung machten sie im wesentlichen geltend, der geplante Aus- und Umbau des R.-N.-Stadions in ein bundesligataugliches Fußballstadion sei bauplanungsrechtlich unzulässig und verletze sie als Nachbarn. Bei dem geplanten Vorhaben handle es sich nicht um den Ausbau eines vorhandenen Stadions, sondern um die Neuerrichtung eines Bundesligastadions. Auf dem vorhandenen Hauptspielfeld I hätten seit mindestens 20 Jahren keine Fußballmeisterschafts- oder -pokalspiele mehr stattgefunden. Profifußballspiele mit Bundesligacharakter seien dort niemals ausgetragen worden. Deshalb könne sich die Beigeladene auch nicht auf den Bestandsschutz für die ursprüngliche, in der Zwischenzeit jedoch längst aufgehobene Nutzung des Stadions stützen. Das Vorhaben hätte nicht gemäß § 34 BauGB genehmigt werden dürfen, weil für den geplanten Bau eines Bundesligastadions nach objektiven Maßstäben ein Bebauungsplan erforderlich gewesen wäre. Im übrigen füge sich das Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein.

Selbst wenn diese Umgebung den Charakter eines faktischen Sondergebiets "Sportpark" hätte, würde sich in dieses Gebiet ein Bundesligastadion nicht einfügen. Dieses faktische Sondergebiet wäre nämlich ausschließlich durch Anlagen und Einrichtungen geprägt, die für die sportliche Betätigung der Bürger im Rahmen von Freizeitaktivitäten zur Verfügung stünden. Das genehmigte Stadion diene demgegenüber ausschließlich der Veranstaltung des kommerziellen Spielbetriebs der Fußballbundesliga, an der sich Bürger ausschließlich als zahlende Zuschauer beteiligen könnten. Ein solches Stadion sei nach seiner Nutzung nicht als Anlage für sportliche Zwecke, sondern als Gewerbebetrieb zu bewerten. Das Vorhaben beeinträchtige zudem das vorhandene Stadtbild in seiner Maßstäblichkeit. Der Betrieb des Bundesligastadions werde in den Stadtteilen N. und O.-Stadt zu einer solchen Belastung der erschließenden Straßen führen, daß vor und nach den Fußballspielen Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht mehr gewährleistet wären. An dieser Situation könne auch der in einiger Entfernung von dem Stadion geplante Großparkplatz nichts ändern. Das Vorhaben nehme nicht die gebotene Rücksicht auf die in der Nachbarschaft vorhandene Wohnbebauung in N. und in der O.-Stadt. Von dem Betrieb eines derartigen Stadions gingen vielfältige Belästigungen und Störungen aus. Insbesondere wirkten auf die Grundstücke in der Umgebung Lärmimmissionen ein. Der an das Stadiongelände angrenzende Bereich des Stadtteils N. sei als reines Wohngebiet einzustufen. Deshalb dürften dort die mit dem Betrieb des Stadions verbundenen Immissionen einen Immissionsrichtwert von 50 dB(A) nicht überschreiten. Dieser sei aber nach den vorliegenden Gutachten nicht einzuhalten. Bei 25 Fußballspielen im Jahr könne auch nicht von seltenen Ereignissen gesprochen werden.

Diese Widersprüche wies das Regierungspräsidium K durch Widerspruchsbescheide vom 25.6.1991 zurück. In den Gründen führte es aus, die Verwirklichung des Bauvorhabens erfordere nicht die Aufstellung eines Bebauungsplans. Das genehmigte Vorhaben nehme hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung die gebotene Rücksicht auf die vorhandene Bebauung. Das Vorhaben führe für die Nachbarschaft zu keinen unzumutbaren Geräuschbelästigungen. Für den am nächsten gelegenen Immissionsort K.-L.-Str. 9 hätten die Gutachten für "lange sehr laute" Spiele einen Beurteilungspegel nach VDI 2058 von 58,7 dB(A) unter Hinzurechnung der Verkehrsgeräusche und unter Berücksichtigung der Beschallungsanlage nach Vorgabe der Landesanstalt für Umweltschutz für Nachmittagsspiele ergeben. Von diesem Beurteilungspegel sei auszugehen, da durch eine Nebenbestimmung zur Baugenehmigung festgelegt worden sei, daß die Lautsprecheranlage so betrieben werden müsse, daß am Bezugsort K.-L.-Str. 9 höchstens 50 dB(A) einwirkten. Durch die Aufnahme des Verkehrslenkungsplans als Bestandteil der Baugenehmigung werde erreicht, daß ein Parksuchverkehr und damit bedingte Verkehrsbelästigungen aus N. herausgehalten würden. Der nach VDI 3724 sich ergebende Beurteilungspegel betrage unter den genannten Voraussetzungen 58,5 dB(A) für Nachmittagsspiele. Für Abendspiele habe die Landesanstalt für Umweltschutz einen Beurteilungspegel von 63,2 dB(A) nach VDI 2058 und 66,2 dB(A) nach VDI 3724 ermittelt. Diese Belästigungen seien für die umgebende Nachbarschaft zumutbar. Als wesentliche Vorbelastung dieser Grundstücke seien die B 37 und die unmittelbar an die K.-L.-Str. angrenzende R.-Bahn zu berücksichtigen. Zum anderen habe das vorhandene R.-N.-Stadion auf die Wohnbebauung prägende Wirkung. Neben dieser Vorbelastung spreche insbesondere die Anzahl der zulässigen Fußballspiele gegen eine für die Nachbarschaft unzumutbare Lärmbelästigung. Eine Nutzung an Sonn- und Feiertagen sei untersagt. Von den jährlich höchstens stattfindenden 25 Spielen dürften nur 5 nach 19.00 Uhr beginnen und müßten vor 22.00 Uhr beendet sein. Schließlich gehe der für die K.-L.-Str. 9 ermittelte Wert von der Spielkategorie "lange sehr laut" und einer optimalen Zuschauerresonanz aus. Solche Ereignisse würden sich in den seltensten Fällen einstellen. Als Pkw Parkplatz stehe der Großparkplatz am M zur Verfügung. Durch eine Nebenbestimmung zur Baugenehmigung sei der Beigeladenen auferlegt, mindestens 6.000 Stellplätze bis zum Spielbeginn herzustellen. Dieser Parkplatz liege zwischen 800 und 1.500 m vom Stadioneingang entfernt. Dies entspreche zwischen 10 und 20 Gehminuten. Das Stadion werde über einen guten Anschluß an das Straßennetz verfügen. Die maßgebende Haltestelle für den öffentlichen Personennahverkehr werde die Haltestelle A./L. sein. Die Wegeentfernung zwischen Haltestelle und Stadion betrage 500 m. Der Teil der Zuschauer, der den öffentlichen Personennahverkehr benutze, werde somit von vornherein nicht in das Wohngebiet N. gelangen.

Am 19.7.1991 haben die Kläger Klagen beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung wiederholten sie im wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Sie wiesen wiederum darauf hin, daß Gegenstand der Baugenehmigung in Wahrheit der Neubau eines Bundesligastadions sei. Bundesligaspiele der geplanten Art hätten in diesem Stadion niemals stattgefunden. Insoweit bestehe zur Durchführung dieser Spiele auch kein Bestandsschutz. Bei der Frage der Lärmbeeinträchtigungen sei nicht berücksichtigt worden, daß Lärmmaximalwerte, von 73 bis 75 dB(A) am Standort K.-L.-Str. 9 durch Torschreie, heftiges Pfeifen und Schlachtrufe auftreten könnten. Bezüglich des Großparkplatzes sei nicht geklärt, ob dieser auch nach einer Verlängerung der Start- und Landebahn des Flugplatzes zur Verfügung stehen werde. Die Lösung der Verkehrsprobleme werde die Bewohner in N. und in der O.-Stadt zu erheblichen Beeinträchtigungen ihrer Bewegungsfreiheit nötigen. Unberücksichtigt geblieben sei ferner, daß Veranstaltungen von Fußballbundesligaspielen immer wieder von Zuschauerausschreitungen begleitet würden. Vielfältige Presseberichte belegten, daß durch das Verhalten von Fangruppen, Belästigungen, Störungen und sogar strafbare Handlungen trotz Polizeischutzes unvermeidbar seien. Im übrigen plane die Beigeladene eine Erweiterung der durch die Baugenehmigung im Stadion zugelassenen Nutzungen. Innerhalb der Gemarkung der Beigeladenen gebe es Alternativstandorte für ein Stadion. Dort würde die Durchführung von Bundesligafußballspielen die umliegende Wohnbevölkerung nicht belästigen.

Der Beklagte und die Beigeladene traten den Klagen entgegen. Zur Begründung wiederholten sie im wesentlichen die Gründe des Widerspruchsbescheids.

Nach Einnahme eines Augenscheins und Anhörung des Sachverständigen H. hob das Verwaltungsgericht die Baugenehmigung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 5.11.1990 und den Widerspruchsbescheid der gleichen Behörde vom 25.6.1991 auf. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Die Baugenehmigung verstoße insgesamt gegen das Gebot der Rücksichtnahme, weil mit ihr die Durchführung von bis zu 5 Abendspielen erlaubt werde. Hinsichtlich dieser Spiele werde die für die Beurteilung der Erheblichkeit der Immissionen gesetzte Grenze für die Ruhezeit von 20 bis 22 Uhr überschritten. Unter Berücksichtigung der Sportanlagelärmschutzverordnung (18. BIMSchV) ergebe sich nach den Ermittlungen des Sachverständigen H. für Abendspiele bezogen auf den Immissionsort K.-L.Str. 9 ein Beurteilungspegel zwischen 62,3 dB(A) und 66,1 dB(A), wobei bei der Ermittlung des Beurteilungspegels entsprechend Nr. 1.3.3 des Anhangs zur 18. BIMSchV (weil die Baugenehmigung vor deren Inkrafttreten erteilt worden war) ein Abschlag von 3 dB(A) vorgenommen worden sei. Daß bei den einzelnen Spielen nicht stets derselbe Beurteilungspegel erreicht werde, könne für die Frage, ob die Immissionsrichtwerte eingehalten seien, nicht maßgeblich sein. Vielmehr sei von den höchsten Werten auszugehen. Unerheblich sei auch, ob der als Mieter vorgesehene Fußballverein gegenwärtig solch hohe Besucherzahlen erziele, da diese über die künftige Entwicklung nichts aussagten. Für die Grundstücke der Kläger bestünden keine planerischen Festsetzungen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, so daß auf die tatsächliche Nutzung abzustellen sei. Die Grundstücke der Kläger lägen in einem Gebiet, in dem nur Wohnungen vorhanden seien. Die maßgebliche bauliche Nutzung werde aber nicht allein durch die Bebauung als solche erfaßt, sondern auch durch sonstige situationsbedingte Lärmeinwirkungen mitbestimmt, denen das betroffene Grundstück von seiner Umgebung her ausgesetzt sei. Schutzwürdig und schutzfähig sei ein Grundstück nur insoweit, als es nicht bereits unter der Einwirkung anderer Geräuschquellen liege und durch sie beeinträchtigt werde. Die Grundstücke der Kläger lägen im Einwirkungsbereich der R., der OEG-Linie und des Straßenverkehrs auf der T.-H.-A., sowie des westlich der R.-Bahn gelegenen Sportgeländes. Dabei könne nur dasjenige berücksichtigt werden, das sich bei der derzeitigen eingeschränkten Nutzung ergebe. Unter Berücksichtigung dieser Umstände seien die bei den Abendspielen erreichten Beurteilungspegel von den Klägern nicht hinzunehmen. Bei dem Grundstück des Klägers Ziff. 1 sei der für allgemeine Wohngebiete geltende Immissionsrichtwert erheblich überschritten. Für die Grundstücke der übrigen Kläger seien die Immissionsrichtwerte zwar geringer, doch dürften diese Grundstücke bei den Abendspielen nur einem Beurteilungspegel von 52 dB(A) ausgesetzt werden. Die Überschreitung der Immissionsrichtwerte bei Fußballspielen am Abend sei auch nicht deshalb hinzunehmen, weil es sich um seltene Ereignisse handeln würde, bei denen eine Überschreitung der Richtwerte erfolgen dürfe. Die Spiele am Abend seien gegenüber den Spielen am Nachmittag keine seltenen Ereignisse, denn die Art der Spiele sei jeweils die gleiche.

Gegen das der Beigeladenen und dem Beklagten am 23.3.1992 zugestellte Urteil richten sich die am 23.3.1992 eingelegte Berufung der Beigeladenen und die am 22.5.1992 eingelegte Berufung des Beklagten.

Der Beklagte beantragt,

unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsfrist das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12.2.1992 - 8 K 1034/91 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.

Zur Begründung macht der Beklagte geltend, er habe einen Berufungsschriftsatz am 2.4.1992 auf den Postweg gebracht. Das Schriftstück sei zunächst zur Postabgangsstelle der Abteilung II des Regierungspräsidiums gebracht und dort von der Bürogehilfin M. versandfertig gemacht worden. Von ihr stamme auch der Postabgangsvermerk vom 3.4.1992. von dort trage ein Amtsbote die Post täglich zweimal in die Zentrale Postversendungsstelle des Regierungspräsidiums. Die für das Verwaltungsgericht Karlsruhe bestimmte Post werde in ein dafür gekennzeichnetes Fach gelegt. Täglich fahre ein Amtsbote die Post dorthin. Dieser Weg der Übermittlung von Schriftsätzen habe bisher immer reibungslos funktioniert. Am 14.5.1992 habe man davon erfahren, daß die Berufungsschrift nicht beim Verwaltungsgericht eingegangen sei. Zur Sache wird vorgetragen, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verstoße die Baugenehmigung auch bezüglich der Abendspiele nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Durch die der Baugenehmigung beigefügten Nebenbestimmungen sei ein Ausgleich zwischen dem Ruhebedürfnis der benachbarten Wohnbevölkerung und dem Interesse der Beigeladenen an einer möglichst effektiven Nutzung der bestehenden Sportanlage erreicht worden. Insbesondere sei der zeitliche Umfang der Nutzung des Hauptspielfelds I stark eingeschränkt worden. Derzeit bestünden auch keine aktuellen Überlegungen, den Nutzungsumfang der genehmigten Anlage zu erweitern. Die Lärmvorbelastung der Wohngebäude in N. insbesondere durch die Geräusche der R.-Bahn, seien nicht ausreichend gewichtet worden. Berücksichtigt werden müsse auch, daß die Tribüne des Hauptspielfelds I gegenüber den Immissionen vom Hauptspielfeld II eine lärmabsorbierende Wirkung haben werde.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12.2.1992 - 8 K 1034/91 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.

Zur Begründung macht sie geltend, dem Urteil des Verwaltungsgerichts liege die Annahme zugrunde, daß die an Nachmittagen stattfindenden Fußballspiele normale Ereignisse seien, von denen sich die Spiele am Abend nicht unterscheiden würden. Dabei verkenne das Verwaltungsgericht, daß alle nach der Baugenehmigung zulässigen Spiele besondere Ereignisse und Veranstaltungen seien, wobei lediglich an 5 Kalendertagen eines Jahres Immissionsrichtwertüberschreitungen zu erwarten seien. Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht dabei von den höchsten von dem Sachverständigen ermittelten Werten ausgegangen, welche ohnehin nur Schätzungen darstellen sollten. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, daß es sich bei dem einen oder anderen Abendspiel um ein besonders attraktives Spiel handeln werde, das in die Spielkategorie "lange sehr laut" fallen werde. Andererseits sei bekannt, daß kein Fußballstadion an jedem Spieltag voll besetzt sei. In der Praxis wiesen die Spiele je nach Attraktivität des Gegners, der aktuellen Tabellenposition und der Bedeutung des Spieles erheblich unterschiedliche Zuschauerresonanzen auf. Die Tribünenaufgänge seien in dem Umfang schallmindernd geplant, von dem der Sachverständige bei seinen Ermittlungen der Beurteilungspegel ausgegangen sei. Bezüglich der Vorbelastung durch das vorhandene Hauptspielfeld I sei darauf hinzuweisen, daß auch in anderen Gemeinden Spielstätten vorhanden seien, bei denen die maximale Ausnutzungskapazität seit Jahren nicht ausgeschöpft werde. Allein dadurch erhöhe sich die Schutzbedürftigkeit eines angrenzenden Wohngebiets nicht.

Die Kläger beantragen,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie halten die Berufung des Beklagten für unzulässig. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Es sei nicht nachgewiesen, daß die Berufungsschrift vom 2.4.1992 das Regierungspräsidium verlassen habe. Insbesondere enthalte die Berufungsschrift im Gegensatz zur Beschwerdeschrift keinen Abgangsvermerk der Poststelle.

Im übrigen halten sie das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis für zutreffend und machen ergänzend geltend: Die in der Rechtsprechung bisher entwickelten allgemeinen Leitlinien für die Bewältigung der angesprochenen Konfliktsituation zwischen Sport und Wohnen seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

Vorliegend gehe es nicht um wichtige soziale und gesundheitliche Funktionen aktiven Sports, wie die Schaffung wohnnaher Gelegenheiten zur sportlichen Betätigung der Wohnbevölkerung sowie um Breitensport als typische Freizeitbetätigung, sondern um handfeste ökonomische Interessen eines Profifußballvereins. Bei der bauplanungsrechtlichen und der immissionsschutzrechtlichen Beurteilung eines solchen Stadions müsse schon im Ansatz eine grundlegend andere Bewertung und Gewichtung der Sozialadäquanz, der allgemeinen Akzeptanz in der Bevölkerung sowie der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit erfolgen, als bei einem Sportplatz um die Ecke. Ein Bundesligastadion gehöre nicht zum Wohnen und könne deshalb die vom Freizeitsport wiederholt und sehr nachdrücklich für sich in Anspruch genommene Privilegierung und besondere Rücksichtnahme nicht für sich beanspruchen. Der Neubau des Bundesligastadions wirke sich unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der tatsächlichen und rechtlichen Vorbelastung der Grundstücke und des Gebiets, der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der Beigeladenen und der Kläger, sowie der Art und der Intensität aller in Betracht kommenden Nachteile, unzumutbar auf die Nachbarn aus. Sie seien Eigentümer von Wohngrundstücken, die im Einwirkungsbereich des geplanten Bundesligastadions lägen und gehörten deshalb auch zum individualisierten Kreis derjenigen, auf die Rücksicht zu nehmen sei. Würde das Stadion errichtet werden, würden sie von Lärmimmissionen betroffen werden. Sowohl die im Stadtteil N. als auch die im Stadtteil O.-Stadt gelegenen Grundstücke befänden sich in reinen Wohngebieten. Diese Stadtteile seien vor Errichtung des R.-N.-Stadions längst vorhanden gewesen. Insofern sei die Schutzwürdigkeit ihrer Grundstücke nicht eingeschränkt. Sie hätten immer darauf vertrauen dürfen, daß in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft keine Nutzung entstehen werde, die mit der Wohnnutzung nicht mehr verträglich sei. Die bislang in diesem Bereich vorhandenen Sportanlagen hätten sich der vorhandenen Wohnnutzung immer untergeordnet. Es seien dort lediglich solche Anlagen und Einrichtungen vorhanden gewesen, die der aktiven sportlichen Betätigung der Bürger im Rahmen eigener Freizeitaktivitäten zur Verfügung gestanden hätten oder für kleinere Veranstaltungen genutzt worden seien. So gesehen schließe sich dieses Gebiet, ohne bodenrechtliche Spannungen hervorzurufen, an das große Erholungsgebiet des L.-Parks an.

Das R.-N.-Stadion sei heute eine Sportruine. Profifußballspiele mit heutigem Bundesligacharakter hätten dort niemals stattgefunden. Die frühere Nutzung des Stadions sei für derartige Veranstaltungen kein Vorbild. Die Vorbelastung durch Verkehrsgeräusche sei erheblich geringer als der zu erwartende Lärm aus dem Stadion. Für die Eisenbahnlinie M./F. sei ein Lärmpegel von 68 dB(A) Samstag nachmittags und 65 dB(A) Freitagabend ermittelt worden. Dabei sei nicht beachtet worden, daß bei Eisenbahnlärm grundsätzlich ein Abschlag in Höhe von 5 dB(A) erfolgen müsse. Zu berücksichtigen seien im übrigen auch die Einzel- und Spitzengeräusche, insbesondere die bei Torschreien entstehenden 75 dB(A). Die prognostizierten Immissionsrichtwerte überstiegen die Grenzwerte für reine Wohngebiete sowohl am Nachmittag als auch am Abend. Zu Unrecht werde in den Gutachten von einer Einwirkungsdauer von nur 2 Stunden ausgegangen. Dieser Wert sei unrealistisch, da schon das reine Fußballspiel 90 Minuten dauere. Hinzu kämen die Halbzeitpause sowie die Zeiten vor und nach dem Spiel. Im übrigen sei das Verhalten von Besuchern außerhalb des Stadions vor und nach dem Spiel bei den Immissionsberechnungen überhaupt nicht berücksichtigt worden. Es müsse auch jeweils auf die maximale Nutzung des Stadions abgestellt werden. Der Neubau solle errichtet werden, um einem Verein ein Stadion anbieten zu können, das die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für einen Profifußballverein in der Bundesliga verbessere.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag. Er vertritt die Auffassung, die Kläger würden durch die angegriffene Baugenehmigung nicht in Rechten verletzt.

Wegen der Einzelheiten des umfangreichen Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte die Auflage II. 1.1. dahin geändert, daß die Abendspiele spätestens um 19.30 Uhr beginnen müssen.

Der Senat hat den Sachverständigen H. zur Ergänzung seiner Gutachten gehört und den Standort des Stadions und seine Umgebung in Augenschein genommen.

Dem Senat lagen die den Stadionumbau und ausbau betreffenden Behördenakten und die Akte des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor.

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist unzulässig, denn er hat diese verspätet eingelegt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist kann ihm nicht gewährt werden.

Gemäß § 124 Abs. 2 VwGO ist die Berufung bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) eingeht. Diese Monatsfrist hat der Beklagte versäumt. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12.2.1992 - 8 K 1034/91 - ist dem Regierungspräsidium Karlsruhe durch das Gericht gegen Empfangsbekenntnis am 23.3.1992 ordnungsgemäß zugestellt worden. Mit dieser Zustellung begann die Monatsfrist zu laufen, weil dem angefochtenen Urteil eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung beigefügt war (vgl. §§ 57 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 124 Abs. 2 und 3 VwGO).

Die Frist lief am 23.4.1992 ab (vgl. §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).

Die mit Schriftsatz vom 20.5.1992 eingelegte Berufung ging erst am 22.5.1992 und damit verspätet beim Verwaltungsgerichtshof ein.

Dem Beklagten kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist nicht gewährt werden, weil er nicht ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 60 Abs. 1 VwGO).

Verschulden im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt außer acht läßt, die einem gewissenhaft und sachgemäß Prozeßführenden im Hinblick auf die Fristwahrung nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Es kommt darauf an, ob dem Betroffenen nach den gesamten Umständen des Falles ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, daß er die Frist versäumt hat. Der Vertreter des Regierungspräsidiums hat die Fristversäumung in diesem Sinn verschuldet. Er hat nicht das im konkreten Fall Erforderliche und Zumutbare veranlaßt, um die Frist zu wahren.

Ein Berufungsschriftsatz des Regierungspräsidiums K vom 2.4.1992 ist weder beim Verwaltungsgericht noch beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen. Die nunmehr vorgelegte Fotokopie eines Schreibens des Regierungspräsidiums von diesem Tage an das Verwaltungsgericht, das inhaltlich eine Berufungseinlegung enthält, ist bereits deshalb keine Berufungsschrift, weil die nach §§ 125 Abs. 1 und 81 Abs. 1 VwGO erforderliche Unterschrift fehlt. Nur die Unterschrift bietet hinreichende Gewähr dafür, daß es sich um eine Berufungsschrift und nicht lediglich um den Entwurf einer solchen handelt. Unterschrieben ist jedoch nur der Beschwerdeschriftsatz vom 2.4.1992. Entgegen dem Vorbringen des Beklagten enthält dieses Schriftstück auch keinen Abgangsvermerk der mit der Weitergabe beauftragten Frau M. Damit hat der Beklagte bereits nicht glaubhaft nachgewiesen, daß dieses Schriftstück die zuständige Abteilung überhaupt verlassen hat. Zudem ist der weitere behördeninterne Weg des Schreibens über mehrere Boten lediglich behauptet, aber in keiner Weise gerade für diesen Fall glaubhaft gemacht. Die fristgebundene Einlegung eines Rechtsmittels erfordert besondere Sorgfalt. Dazu reicht nicht aus, sich auf den üblichen behördeninternen Postlauf zu verlassen. Hinzu kommt, daß das Verwaltungsgericht das Regierungspräsidium im Schreiben vom 1.4.1992 davon in Kenntnis gesetzt hat, daß die Beigeladene Berufung eingelegt hat. Eine entsprechende Mitteilung für eine Berufung des Beklagten erfolgte nicht, so daß dieser bei der gebotenen Sorgfalt Veranlassung gehabt hätte, sich über den Eingang der Berufungsschrift beim Verwaltungsgericht zu vergewissern.

Die Berufung der Beigeladenen ist zulässig und begründet. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt Rechte der Kläger nicht.

Rechtsmittel der Kläger könnten nur dann Erfolg haben, wenn die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sie in einem Nachbarrecht verletzen würde. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplans für das Grundstück der Beigeladenen. § 2 Abs. 3 BauGB schließt nicht nur einen Anspruch auf eine ein eigenes Vorhaben ermöglichende oder begünstigende Planung aus, sondern auch auf eine Planung schlechthin, d.h. auch auf die Durchführung eines Bauleitplanverfahrens für eine von einem Dritten in Aussicht genommene Nutzung. Ein Anspruch kann auch nicht damit begründet werden, daß ein Planungsverfahren, insbesondere durch die Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange erst Betroffenheiten offenlege, die abwägend zu berücksichtigen wären und möglicherweise zur Ablehnung eines bestimmten - zur Genehmigung nach § 34 oder 35 BauGB gestellten - Vorhabens führen würden (vgl. Urteil des Senats v. 30.10.1991 - 3 S 2031/91 -; Berliner Komm. zum BauGB § 2 RdNr. 16).

Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen beurteilt sich nach § 34 BauGB, denn es soll innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils verwirklicht werden, für den ein Bebauungsplan nicht besteht. Im Rahmen dieser planungsrechtlichen Vorschrift kommt zugunsten der Kläger nur das unter bestimmten Umständen auch dem Nachbarschutz dienende, im Begriff des Einfügens verankerte Gebot der Rücksichtnahme im Betracht. Diesem Gebot kommt ausnahmsweise dann eine drittschützende Wirkung zu, wenn die tatsächlichen Umstände eindeutig ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen ist. Dies ist nur der Fall, wenn ein bestimmbarer und individualisierbarer Kreis von Betroffenen erkennbar ist, dem eine besondere rechtliche Schutzwürdigkeit zuzuerkennen ist.

Ferner ist das Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten der Kläger nur dann verletzt, wenn das genehmigte Vorhaben sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Schutzwürdigkeit und der Schutzbedürftigkeit der Beteiligten, der tatsächlichen und rechtlichen Gebietsvorbelastung sowie von Art, Ausmaß und Intensität von Beeinträchtigungen in städtebaulich erheblichen Belangen insgesamt unzumutbar betrifft. Dabei hängen die Anforderungen an das Gebot der Rücksichtnahme wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, um so mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei der Bemessung dessen, was den durch ein Vorhaben Belästigten zugemutet werden kann, bietet sich eine Anlehnung an die Begriffsbestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes an. Dieses Gesetz verlangt von den Betreibern emittierender Anlagen, mögen diese Anlagen immissionsschutzrechtlich genehmigungs- pflichtig sein oder nicht, daß vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen unterbleiben. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 BIMSchG alle Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft hervorzurufen.

Im Rahmen der Abwägung sind deshalb das Interesse der Beigeladenen an der Verwirklichung ihres Vorhabens und die Interessen der Kläger, von den Auswirkungen dieses Vorhabens verschont zu bleiben, einander gegenüberzustellen. Dabei ist im Rahmen der vorliegenden Nachbarklage für die Entscheidung des Senats ohne Bedeutung, ob die Investitionen für den Bau dieses Stadions mit dem genehmigten Nutzungsumfang wirtschaftlich sinnvoll sind oder nicht.

Gegenstand der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung ist die Verwirklichung einer kommunalen und damit öffentlichen Einrichtung. Dabei genießt ein Stadion grundsätzlich die gleiche Wertigkeit wie andere öffentliche Einrichtungen. Die Gewichtung der Bedeutung jeder dieser Einrichtungen für eine Kommune im Sinne einer Priorität für ihre Verwirklichung ist eine vom Senat nicht zu bewertende kommunalpolitische Frage. Als öffentliche Einrichtung dient das Stadion der Befriedigung der Bedürfnisse eines Teils der Bürger der Beigeladenen, sich als Zuschauer bei dort stattfindenden Fußballspielen zu unterhalten. Dieses Bedürfnis ist grundsätzlich als schutzwürdig anzusehen, auch wenn derartige Spiele gelegentlich zum Anlaß für rechtswidriges Verhalten einiger weniger Besucher benutzt werden. Dabei verkennt der Senat in diesem Zusammenhang nicht, daß durch das Stadion für einen Verein, der eine Profifußballmannschaft unterhält, die Möglichkeit geschaffen wird, seine Spiele unter Bedingungen durchzuführen, die zu möglichst günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen für diesen Verein führen. Im Vordergrund steht aber nicht die wirtschaftliche Subvention eines Profifußballvereins, sondern die Schaffung einer Anlage im Interesse der Bürger. Die öffentliche Einrichtung soll vorliegend anstelle eines in den letzten Jahren für derartige Zwecke nicht mehr genutzten Stadions verwirklicht werden. Mit dem Bauvorhaben will die Beigeladene diese Anlage durch eine Anlage ersetzen, die dem gleichen öffentlichen Nutzungszweck dient.

Diesem Interesse der Beigeladenen steht das Interesse der Kläger an einem möglichst störungsfreien Wohnen gegenüber. Dabei haben die Kläger einen Anspruch darauf, daß im Einwirkungsbereich ihrer Wohngrundstücke keine Nutzungen zugelassen werden, die mit der von ihnen ausgeübten Wohnnutzung nicht mehr verträglich sind.

Ausgangspunkt der Abwägung ist die bestehende planungsrechtliche Situation des Baugrundstücks und der Grundstücke der Kläger. Die bebauungsrechtliche, bodenrechtliche Situation des Baugrundstücks ist dadurch geprägt, daß das Hauptspielfeld I, das Gegenstand der angegriffenen Baugenehmigung ist, von einer Vielzahl von Sportanlagen unterschiedlicher Größe und unterschiedlichen Nutzungsumfangs umgeben ist. Der bodenrechtlich maßgebliche Bereich zwischen L./St., OEG-Linie, R.-Bahn und T.-H.-Anlage umfaßt Sport- und Tennishallen, sowie Freiflächen für verschiedene Sportarten (Fußball, Baseball, Tennis, Leichtathletik). Dazu gehören auch das für die Austragung von Fußballspielen bestimmte Hauptspielfeld II mit Tribünen für bis zu 15.000 Zuschauer und ferner das vorhandene Hauptspielfeld I, ohne daß es in diesem Zusammenhang entscheidend darauf ankäme, ob und in welchem Umfang dieses Spielfeld in den letzten Jahren tatsächlich genutzt worden ist. Dies ist eine Frage der derzeitigen tatsächlichen Lärmvorbelastungen. Davon unabhängig ist die rechtliche Vorbelastung durch das Bestehen einer auch für die Aufnahme einer großen Zahl von Zuschauern bestimmten und grundsätzlich auch zur Durchführung von Fußballspielen geeigneten baulichen Anlage. Das Hauptspielfeld I ist als Baubestand vorhanden, wenn sich auch der Nutzungsumfang im Laufe der Zeit erheblich reduziert hat. Als Teil des gesamten Sportgeländes prägt auch dieses Spielfeld diesen Bereich bodenrechtlich mit. Eine tatsächlich beendete bauliche Nutzung verliert ihre den Rahmen mitbestimmende Kraft erst, wenn sie endgültig aufgegeben worden ist und nach der Verkehrsauffassung mit ihrer weiteren Nutzung nicht mehr gerechnet wird (BVerwG, Beschluß v. 24.5.1988 BRS 48 Nr. 137). Für ein Stadion mit beträchtlicher Zuschauerkapazität endet diese mitbestimmende Kraft nicht bereits dann, wenn einige Jahre lang dort keine Sportveranstaltungen mit Zuschauerinteresse mehr durchgeführt worden sind. Dies kann darauf beruhen, daß während dieser Zeit ein entsprechender Bedarf nicht vorhanden war oder die Stadionanlage den Besuchergewohnheiten nicht mehr entsprochen hat, etwa weil die Zuschauer zu weit vom Spielfeld entfernt waren. Die Nutzung ist endgültig erst aufgegeben, wenn der Eigentümer des Stadions etwa durch den Bau eines Ersatzstadions an anderer Stelle oder durch Umwidmung des Geländes zu anderen Zwecken auch nach außen deutlich gemacht hat, daß die Anlage für Spiele mit großer Zuschauerresonanz nicht mehr zur Verfügung stehen soll.

Durch die im genehmigten Vorhaben beabsichtigten Fußballspiele wird der Charakter der Anlage - unbeschadet der wirtschaftlichen Dimensionen der Veranstaltung von Profifußballspielen - bezogen auf die Art der baulichen Nutzung, nicht verändert. Insbesondere wird daraus keine Anlage für private gewerbliche Zwecke, auch wenn der Unterhaltungscharakter der sportlichen Darbietungen gegenüber der körperlichen Ertüchtigung in den Vordergrund tritt.

Mit Blick auf die Wohngebiete N. und O.-Stadt, in denen die Wohngebäude der Kläger liegen, wird die planungsrechtliche Situation des Standortes ferner dadurch mitgeprägt, daß östlich des Sportgeländes auf einem Damm eine von Güterzügen stark befahrene Bundesbahnstrecke (R.-Bahn) verläuft, die nordöstlich des Sportgeländes den N. und südwestlich die T.-H.-A. auf Stahlbrücken überquert. Nördlich des Sportgeländes verläuft die Trasse der OEG-Linie H.-M. und südlich die T.-H.-A. als Zubringer zum R.-N.-Schnellweg und als Zufahrt zu den östlichen Stadtteilen der Beigeladenen mit einem Gleiskörper für die Straßenbahn. Zwischen dem Sportgelände und dem Wohngebiet O.-Stadt liegt eine ausgedehnte Parkanlage (L.-Park).

Die bauplanungsrechtliche Situation der Grundstücke der Kläger, für die planerische Festsetzungen nicht bestehen und die alle mit Wohngebäuden bebaut sind, ist durch unterschiedliche rechtliche und tatsächliche Vorbelastungen gekennzeichnet. Die Grundstücke an der K.-L.-Str. liegen unmittelbar östlich des Bahndamms und sind nur durch diesen vom vorhandenen Sportgelände getrennt. Das Grundstück des Klägers Ziff. 1 (K.-L-Str. 1) ist zudem das Eckgrundstück an der Einmündung dieser Straße in die D.-Str. Es liegt nahe an der signalgesteuerten und stark befahrenen Kreuzung T.-H.-A./S. Landstraße/D.-Str./H.-Weg. Außerdem befinden sich in diesem westlichen Bereich der D.-Str. mehrere Ladengeschäfte, zwei Gaststätten und ein Postamt. Die Grundstücke der Kläger Ziff. 6 und 3 (K.-L.-Str. 32 und 53) liegen weiter nördlich, wobei vor allem das letztgenannte Grundstück nahe der OEG-Linie und der Eisenbahnbrücke über den N. liegt. Auch das Grundstück des Klägers Ziff. 2 (P.-M.-U. 10) liegt an der OEG-Trasse und nahe der N.-Brücke. Das im Gebiet der O.-Stadt gelegene Grundstück des Klägers Ziff. 5 (Sch.-Str. 1) ist das Eckgrundstück Sch.-Str./N.-Str. Jenseits der Sch.-Str. liegt das Gebäude des V. und schräg gegenüber an der Ecke N.-Str/Sch.-Str. ein Bürohochhaus. Das Grundstück des Klägers Ziff. 4 (Sch.-Str. 15) liegt in der O.-Stadt nahe der Straße O.L.

Auf der Grundlage dieser besonderen planungsrechtlichen Situation ist die Zumutbarkeit der von dem genehmigten Vorhaben und seiner Nutzung ausgehenden Immissionen für die Grundstücke der Kläger wertend zu beurteilen.

Für die Frage, ob ein Vorhaben den Nachbarn zugemutet werden darf, ist dabei grundsätzlich von dem der Genehmigung zugrundeliegenden Nutzungsumfang auszugehen, nicht aber lediglich von einer möglicherweise hinter diesem Umfang zurückbleibenden tatsächlichen Nutzung, es sei denn, aufgrund zuverlässig feststehender, gleichbleibender Umstände kann davon ausgegangen werden, daß die Anlage dauerhaft in einem geringeren Umfang als genehmigt genutzt wird (vgl. BVerwG, Urteil v. 18.10.1974 DÖV 1975, 103). Der Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes spricht dafür, daß die Schutzbedürftigkeit eines von einem Vorhaben betroffenen Nachbarn am genehmigten Nutzungsumfang zu messen ist. Andernfalls würde sich das Risiko einer fehlerhaften Einschätzung zum voraussichtlichen Nutzungsumfang zu seinen Lasten auswirken und die Durchsetzung von etwaigen Ansprüchen erschweren. Das bedeutet freilich nicht, daß für die Frage des Nachbarschutzes von einer rein fiktiven Belastung auszugehen ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 27.2.1992 - BVerwG 4 C 50.89 -). Es ist vielmehr eine realistische Prognose anzustellen, die hier den Umstand berücksichtigen muß, daß nach der Lebenserfahrung nicht immer die maximale Besucherzahl kommt und auch der Spielverlauf nicht immer dazu angetan ist, daß die Zuschauer bei jedem Spiel in höchste Begeisterung versetzt oder zu stärkstem Protest veranlaßt werden. Vielmehr entspricht es der Lebenserfahrung, daß die Besucherzahlen bei Bundesligaspielen erheblich schwanken. Die Zahl der Zuschauer hängt dabei von mannigfachen Faktoren ab. Mitentscheidend sind unter anderem die Witterungsverhältnisse, der Umstand, ob in der Umgebung andere attraktive Veranstaltungen stattfinden, der Tabellenstand des Heimvereins und die Attraktivität des Gegners. Im übrigen ist die Zuschauerzahl allein ohnehin kein verläßliches Maß für die potentiellen Geräuschimmissionen.

Die Kläger greifen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung mit einer Anfechtungsklage an. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Erfolg der Baunachbarklage ist regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung unter Ausschluß der Berücksichtigung späterer Änderungen zugunsten des Nachbarn. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz des Baurechts, daß die dem Bauherrn eingeräumten Rechtspositionen trotz Rechtsänderung im allgemeinen zu belassen und nur gegen Entschädigung zu entziehen sind. Eine Ausnahme gilt nur zugunsten des Bauherrn. Rechtfertigt eine Änderung der Sach- und/oder Rechtslage die nachträgliche Erteilung der Baugenehmigung, so ist diese Änderung der Entscheidungsfindung auch im Rahmen der Nachbarklage zugrundezulegen, da in diesem Fall die Genehmigung auf einen neuen Antrag hin ohnehin erteilt werden müßte. Ein anderer Zeitpunkt kommt außerdem als maßgeblich in Betracht, wenn ein Gesetz dies ausdrücklich vorsieht (vgl. BVerwG Urteil v. 18.5.1982 BVerwGE 65, 313).

Damit ist die am 26.10.1991 in Kraft getretene 18. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung- 18. BImSchV) vom 18.7.1991, die gemäß § 23 Abs. 1 BImSchG erstmals verbindliche Grenzwerte für die von Sportanlagen auszugehenden Immissionen festsetzt, vorliegend nicht anwendbar, ohne daß es darauf ankäme, ob diese Verordnung gültig ist.

Damit ist die Beurteilung der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen der Nachbarschaft weitgehend eine Frage tatrichterlicher Bewertung des Einzelfalls. Als Orientierungsmarke und grober Anhalt ist dabei durchaus auch die VDI Richtlinie 3724 über die Beurteilung der durch Freizeitaktivitäten verursachten und von Freizeiteinrichtungen ausgehenden Geräusche von Februar 1989 heranzuziehen, ohne daß die dort festgesetzten Werte schematisch angewandt werden können.

Gegen die schematische Anwendung dieser Richtlinie spricht bereits der mit ihr verfolgte Zweck. Nach Ziff. 1 der Richtlinie soll diese dazu dienen, das Miteinander von Bürgern, die stillen Beschäftigungen nachgehen oder sich von der Berufstätigkeit ausruhen wollen, und von Bürgern, die während dieser Zeit allein oder in Gruppen körperliche Aktivitäten entwickeln, verträglich zu gestalten. Die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Sportanlage weist demgegenüber gerade für die Frage der Immissionen erhebliche Besonderheiten auf. Genehmigt wurde ein Stadion mit einem Fassungsvermögen von 30.000 Zuschauern zur Durchführung von Fußballspielen aus dem Bereich des Profifußballs. Gegenstand der Abwägung ist hier nicht die Erheblichkeit von Geräuschen, die bei der Ausübung körperlicher Aktivitäten von Sporttreibenden entstehen, gegenüber dem Ruhebedürfnis anderer Bürger. Vielmehr steht hier das Interesse an der Veranstaltung und am Besuch sportlicher Darbietungen dem Ruhebedürfnis der Nachbarn gegenüber. Schon dieser Ausgangspunkt zeigt, daß die VDI Richtlinie 3724 vorliegend nicht schematisch angewandt werden darf.

Weiteres besonderes Kennzeichen des genehmigten Stadions ist die wesentliche Einschränkung der Betriebszeiten in der Baugenehmigung. Danach dürfen dort nur an Werktagen 25 Fußballspiele im Jahr stattfinden, davon nur 5, die spätestens um 19.30 Uhr beginnen und um 22.00 Uhr beendet sein müssen. Durch die im Berufungsverfahren zusätzlich der Baugenehmigung beigefügte Auflage, daß Abendspiele spätestens um 19.30 Uhr beginnen müssen, ist sichergestellt, daß unter Berücksichtigung der üblichen Spielzeit eines Fußballspiels einschließlich Halbzeitpause ausreichend Zeit verbleibt, in der die Zuschauer das Stadion und seine nähere Umgebung bis 22.00 Uhr verlassen können und nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch verlassen werden. Damit ist die Einhaltung der Nachtruhe gesichert. Da nur an Werktagen gespielt werden darf, ist die Wohnruhe an Sonn- und Feiertagen keiner Beeinträchtigung durch das Stadion ausgesetzt. Auch diese Beschränkungen sprechen gegen die schematische Anwendung der obengenannten Richtlinie, die erkennbar von einem ständigen Sportbetrieb ausgeht.

Vorsorglich weist der Senat in diesem Zusammenhang die Beigeladene darauf hin, daß jede über die genehmigte Nutzungsart und die genehmigte Nutzungszeit hinausgehende Veranstaltung von der Baugenehmigung nicht gedeckt ist. In einem neuen Baugenehmigungsverfahren für eine erweiterte oder andersartige Nutzung müßte dann geprüft werden, ob die vorliegend genehmigte Nutzung nicht bereits das Maximum des den Klägern Zumutbaren erreicht.

Die Bewertung der zu erwartenden Lärmimmissionen wird allerdings dadurch erschwert, daß das Verhalten der Besucher eines Stadions vor allem vor und nach einem Spiel einschließlich des damit verbundenen Kraftfahrzeugverkehrs nur schwer verläßlich zu prognostizieren ist.

Insoweit ist vorliegend im Rahmen der Baugenehmigung sichergestellt, daß sich der mit der Stadionbenutzung verbundene Kraftfahrzeugverkehr nicht wesentlich nachteilig auf die Wohnnutzung der Kläger auswirken wird. Nach der Auflage II 1.2 zur Baugenehmigung wird zur Aufnahme der Kraftfahrzeuge der Besucher ein Großparkplatz mit 6.000 Stellplätzen südlich des Flugplatzes an der B 37 hergestellt, der nur über den R.-N.-Schnellweg und die B 37 angefahren werden kann. Keine der Anfahrtsstrecken berührt die Wohngebiete N. oder O., in denen die Grundstücke der Kläger liegen. Das Stadion kann von dem Parkplatz aus nur über Fußwege erreicht werden, die ebenfalls nicht die obengenannten Wohngebiete berühren. Soweit die Fußgänger auf dem Weg zum Stadion die T.-H.-A. im Bereich der Eisenbahnbrücke überqueren, entstehen auch für den Kläger Ziff. 1 keine unzumutbaren Beeinträchtigungen. Sein Grundstück ist durch den Verkehrsknoten und den Lkw-Verkehr von und zum Autohof stark vorbelastet. Die Entfernung zwischen dem Parkplatz und dem Stadion ist für Besucher zumutbar und entspricht den üblichen Entfernungen von Parkplätzen zu Einrichtungen mit Massenbesuch. Die Anbindung des Parkplatzes an das Stadion über Fußwege bleibt auch, wenn auch etwas verlängert, nach einem etwaigen Ausbau des Flugplatzes erhalten. Soweit Besucher öffentliche Nahverkehrsmittel (Straßenbahn oder OEG) benutzen, berühren sie die Wohngebiete ebenfalls nicht. Benutzer der Straßenbahn steigen an der Haltestelle A. ein, die westlich des Stadions liegt. Benutzer der OEG verlassen das Stadion in nördlicher Richtung und benutzen die Haltestelle am F. Besucher, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad über die N.-Brücke kommen, können ebenfalls den nördlichen Eingang zum Stadion benutzen und müssen nicht auf der K.-L.-Str. gehen oder fahren.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, daß es sich nicht völlig ausschließen läßt, daß ortskundige Besucher auch in den Wohngebieten Parkplätze suchen (vgl. dazu Ziff. 2.1.6 des Verkehrslenkungsplans). Um diesen Mißbrauch auszuschließen, bietet sich für das Wohngebiet N. die Möglichkeit an, nur die östliche (vom Stadion abgewandte) Zufahrt zur D.-Str. für den Anliegerverkehr offen zu halten (Überwachung durch Polizeikräfte) und alle anderen Straßen total zu sperren. Für das Wohngebiet O.-Stadt zwischen Sch.-Str., A.-Anlage, O.-B.-Str., A. O. L. ist eine ähnliche Lösung möglich. Für dieses Gebiet besteht die Möglichkeit, nur eine Zufahrt von der O.-B.-Str. aus offen zu halten und alle anderen Zufahrten durch ein Einfahrverbot zu schließen. Darauf wird von der Polizei auch ausdrücklich hingewiesen. Derartige Sperrungen führen auch nicht zum Nachteil der Kläger zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Zufahrt zu ihren Grundstücken während der Durchführung von Spielen. Geringfügige Umwege sind von Kraftfahrern bei der Durchführung von Massenveranstaltungen üblicherweise hinzunehmen.

Unzumutbare Belästigungen der Grundstücke derjenigen Kläger, die an der K.-L.-Str. liegen, sind auch durch die Lautsprecherdurchsagen nicht zu erwarten. Nach Auflage II 2.5 zur Baugenehmigung ist die Lautsprecheranlage so zu betreiben, daß am Bezugspunkt K.-L.-Str. 9 (2. OG) höchstens 50 dB(A) einwirken. Während des Trainingsbetriebs ist der Betrieb der Lautsprecheranlage nicht zulässig.

Auch die durch Zuschauer im Stadion verursachten Lärmimmissionen überschreiten bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung der Vorbelastungen der Grundstücke der Kläger, ihrer Entfernung zum Stadion und der zeitlichen Beschränkung der Stadionnutzung die Schwelle der Unzumutbarkeit nicht. In welcher Größenordnung Zuschauergeräusche zu erwarten sind, kann dem Gutachten der Landesanstalt für Umweltschutz jedenfalls ansatzweise entnommen werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß Zuschauer im Stadion nach Auflage II 2.1 zur Baugenehmigung keine Preßluftfanfaren benutzen dürfen.

Die Landesanstalt für Umweltschutz kommt in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom Februar 1990 unter den Voraussetzungen, daß die Wohngebiete vom Parksuchverkehr und vom Zuschauerstrom freigehalten werden (siehe dazu die obigen Ausführungen zum Verkehrslenkungsplan) und daß die Lautsprecheranlage entsprechend der Auflage II 2.5 betrieben wird, für die Nachmittagsspiele für das dem Stadion am nächsten gelegene Grundstück des Klägers Ziff. 1 (K.-L.-Str. 1) zu einem Beurteilungspegel zwischen 49 und 55 dB(A) nach der VDI Richtlinie 3724 und 48 bis 54 dB(A) nach der VDI Richtlinie 2058. Je nach Spielkategorie. Die Beeinträchtigung durch Zuschauerlärm ist für die übrigen Kläger noch günstiger, da ihre Grundstücke weiter vom Stadion entfernt liegen und durch andere Gebäude abgeschirmt werden. So ist die Lage des Grundstücks des Klägers Ziff. 2 (P.-M.-U. 10) etwa mit der Lage des Grundstücks G.-Str. 18 vergleichbar, für das die Landesanstalt für Umweltschutz ebenfalls Lärmprognosen ermittelt hat. Dort sind Beurteilungspegel von 44 bis 50 dB(A) nach der VDI Richtlinie 2058 und von 45 bis 51 dB(A) nach der VDI Richtlinie 3724 zu erwarten. Die entsprechenden Werte für die Grundstücke der Kläger Ziff. 3 (K.-L.-Str. 53) und Ziff. 6 (K.-L.-Str. 32) liegen etwa zwischen diesen Werten, jedenfalls niedriger als bei dem Gebäude K.-L.-Str. 1. Die Werte beim Grundstück des Klägers Ziff. 4 (Sch.-Str. 15) betragen zwischen 47 und 53 dB(A) nach VDI 2058 und 48 bis 54 dB(A) nach VDI 3724. Die Situation des ebenfalls in der O.-Stadt gelegenen Grundstücks des Klägers Ziff. 5 (Sch.-Str. 1) ist noch deutlich günstiger, weil dieses Gebäude gegenüber Immissionen aus dem Stadionbereich durch das U-förmige und erheblich höhere Gebäude des V. zusätzlich abgeschirmt wird.

Wie bei der Bestimmung des Nutzungsumfangs oben bereits dargestellt, ist bei der Bestimmung der Spielkategorie, die für die Höhe des Beurteilungspegels von erheblicher Bedeutung ist, auch die allgemeine Lebenserfahrung zu berücksichtigen. Diese besagt, daß keineswegs alle Profifußballspiele immer ausverkauft sind, und daß sich das Publikum nicht stets "lange sehr laut" verhält. Erfahrungsgemäß hängt die Lautstärke der Zuschauer stets vom Spielverlauf ab. Aber selbst bei "langen sehr lauten" Spielen bleiben die Beurteilungspegel innerhalb des Wertes, der nach allen Regelwerken in allgemeinen Wohngebieten hinzunehmen ist. Unter Berücksichtigung der Vorbelastungen der Wohngebäude der Kläger durch den Eisenbahn- und Straßenverkehr und der Tatsache, daß nur maximal 25 Spiele pro Jahr und diese nur werktags stattfinden, sind diese Immissionen zumutbar. Dies gilt auch für auffällige Lärmspitzen bis zu 75 dB(A) bei besonderer Begeisterung des Publikums (Torschreie, heftige Pfiffe, Schlachtrufe).

Bezüglich der Nachmittagsspiele ist den Klägern zuzugeben, daß die Mehrzahl dieser Spiele am Samstagnachmittag stattfinden wird. Ein rechtlicher Grund für einen besonderen Schutz des Samstagnachmittags gegenüber sonstigen Nachmittagen an Werktagen besteht nicht. Nicht nur der Breitensport, sondern auch die für Zuschauer interessanten Leistungssportveranstaltungen finden üblicherweise gerade auch an Samstagnachmittagen statt, um der Bevölkerung außerhalb der üblichen Arbeitszeiten Gelegenheit zu geben, diesen Spielen als Zuschauer beiwohnen zu können. Auch in Wohngebieten finden im übrigen an Samstagnachmittagen laute Freizeitbetätigungen statt (vgl. BVerwG, Urteil v. 19.1.1989 - BauR 1990 173).

Für die fünf Abendspiele ergibt die Prognose der Landesanstalt für Umweltschutz während der Ruhezeit von 20 bis 22 Uhr für die Grundstücke der Kläger Ziff. 1 (K.-L.-Str. 5) für Spiele der Kategorie "lange sehr laut" einen Beurteilungspegel, der 60 dB(A) geringfügig überschreitet. Auch dies führt aber nicht zu einer Unzumutbarkeit im Sinne einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme. Für diese Wertung ist maßgebend, daß nur insgesamt 5 Abendspiele im Jahr stattfinden, ohne daß sicher ist, daß gerade diese Spiele zur Kategorie "lange sehr laut" gehören. Erhöhte Lärmbeeinträchtigungen am Abend können nur an 1,5 % der Tage eines Jahres entstehen. Dabei werden auch nur Werte erreicht, die die Zumutbarkeitsschwelle nicht überschreiten. Da die Spiele nur an einer beschränkten Anzahl von Tagen stattfinden, ist es in Wohngebieten lebenden Personen zuzumuten, den üblicherweise für Mischgebiete empfohlenen Immissionsrichtwert von 60 dB(A) hinzunehmen, denn auch dieser Wert gilt für ein Baugebiet, bei dem eine gewisse Wohnverträglichkeit gewährleistet sein muß (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil v. 5.12.1989 - 8 S 2371/87). Zudem ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß alle prognostizierten Werte von geöffneten Fenstern entsprechend den Vorgaben der Richtlinien ausgehen. Schon das Schließen der in Richtung des Stadions gelegenen Fenster während der fünf Abendspiele, die zudem nicht nur in der Sommerzeit stattfinden, mindert die Geräusche in den Wohnräumen erheblich. Diese Maßnahme kann den Klägern an maximal fünf Abenden im Jahr auch zugemutet werden. In diesem Zusammenhang ist nochmals auf die rechtliche Vorbelastung gerade der Grundstücke an der K.-L.-Str. hinzuweisen. Zwar mußten diese Kläger nicht damit rechnen, daß auf dem vorhandenen Hauptspielfeld I nunmehr Bundesligaspiele abgehalten werden. Es bestand aber auch keine Veranlassung darauf zu vertrauen, daß dieses Hauptspielfeld als "Sportruine" erhalten bleibt oder einer anderen ruhigeren Nutzung zugeführt wird. Von Bedeutung ist ferner, daß jeder auf der R.-Bahn vorbeifahrende Güterzug Lärmimmissionen über dem hier prognostizierten Beurteilungspegel erreicht, ohne daß es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, ob in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr durchschnittlich 3, 4 oder 5 Güterzüge vorbeifahren. Insgesamt hat der TÜV Baden nach seinem Bericht vom 19.10.1988 für den Meßpunkt K.-L.-Str. 9 mittlere Schalldruckpegel für die Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr von 65,8 dB(A) gemessen.

Soweit die Kläger negative Auswirkungen auf ihre Grundstücke wegen der mit dem Besuch von Fußballspielen einhergehenden Randerscheinungen befürchten, wird die Schwelle der Unzumutbarkeit zu ihren Lasten nicht überschritten. Dabei verkennt der Senat nicht, daß gerade Profifußballspiele Anlaß zu gewalttätigen Auseinandersetzungen innerhalb und außerhalb des Stadions zwischen verschiedenen sogenannten Fangruppen sind. Der jeweilige Veranstalter wird mit Hilfe der Polizei durch organisatorische Maßnahmen (vgl. Auflage 1.4 zur Baugenehmigung - Trennung der Fanblocks) dafür Sorge tragen müssen, solche Auswüchse zu verhindern und unbeteiligte Dritte zu schützen. Die Beigeladene als Eigentümerin des Stadions wird darauf achten müssen, dieses nur an solche Veranstalter zu vermieten, die bereit und in der Lage sind, Ausschreitungen zu verhindern. Eine Garantie, daß solche Ausschreitungen verhindert werden, kann von den Klägern jedoch nicht gefordert werden.

Zudem spricht nach der Lebenserfahrung wenig dafür, daß etwaige Ausschreitungen sich gerade im Bereich der Grundstücke der Kläger ereignen. Für randalierende Gruppen besteht unter Berücksichtigung der Lage des Stadions, des Parkplatzes und der Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel kaum Veranlassung, ihre Auseinandersetzung gerade in den Wohngebieten N. und O. auszutragen. Beide Wohngebiete liegen nicht am üblichen Weg der Fangruppen.