BVerfG, Beschluss vom 13.11.2003 - 2 BvR 1883/99
Fundstelle
openJur 2012, 133311
  • Rkr:
Tenor

1. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juli 1999 - BVerwG 2 C 37.98 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, dass der Besoldung des Beschwerdeführers die im Gebiet der neuen Länder für Beamte, Richter und Soldaten geltenden Übergangsvorschriften zu Grunde gelegt worden sind. Neben der Vereinbarkeit der so genannten "Ostbesoldung" mit dem Grundgesetz ist strittig, von welchen Voraussetzungen die Gewährung eines diese Besoldung ergänzenden ruhegehaltfähigen Zuschusses von Verfassungs wegen abhängig gemacht werden darf.

I.

1. § 73 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) lautete in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (BGBl I S. 3434):

§ 73

Überleitungsregelungen aus Anlass der Herstellung der Einheit Deutschlands

Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnungen, die bis zum 31. Dezember 1999 zu erlassen sind, mit Zustimmung des Bundesrates für die Besoldung im Sinne des § 1 und die hierzu erlassenen besonderen Rechtsvorschriften Übergangsregelungen zu bestimmen, die den besonderen Verhältnissen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet Rechnung tragen. Diese Verordnungsermächtigung erstreckt sich insbesondere darauf, die Besoldung entsprechend den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen und ihrer Entwicklung in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet abweichend von diesem Gesetz festzusetzen und regelmäßig anzupassen; das gilt auch für andere Leistungen des Dienstherrn sowie für Besonderheiten der Ämtereinstufung und für die Angleichung der Ämter- und Laufbahnstrukturen. Die Übergangsregelungen sind zu befristen.

Die Vorschrift wurde in ihrer ursprünglichen Fassung durch das Gesetz vom 23. September 1990 zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertragsgesetz - und der Vereinbarung vom 18. September 1990 (BGBl II S. 885) in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt II Nr. 3 des Einigungsvertrages (BGBl II S. 889 <1139>) in das Bundesbesoldungsgesetz eingefügt. Sie enthielt eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen zunächst bis zum 30. September 1992. Diese Frist wurde mehrmals verlängert, zuletzt durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) bis zum 31. Dezember 2009.

2. Die Bundesregierung hat von der ihr in § 73 BBesG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch gemacht und Besoldungs-Übergangsverordnungen erlassen. Durch die Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung - 2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 (BGBl I S. 1345) wurden im Beitrittsgebiet die Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes mit besonderen Maßgaben und Abweichungen eingeführt.

a) § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV, der die Höhe der Dienstbezüge regelt, lautete in der ab dem 1. Juli 1991 geltenden Fassung:

§ 2

Bemessung der Dienstbezüge für erstmalig Ernannte

(1) Für Beamte, Richter und Soldaten, die von ihrer erstmaligen Ernennung an im Beitrittsgebiet verwendet werden, betragen die Dienstbezüge (§ 1 Abs. 2 Bundesbesoldungsgesetz) 60 vom Hundert der für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezüge; ...

Entsprechend der Vorgabe in § 73 Satz 3 BBesG sollte die Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung mit Ablauf des 31. Dezember 1993 außer Kraft treten (§ 14 Abs. 3 der 2. BesÜV in der Fassung vom 21. Juni 1991). Diesen Zeitpunkt schob der Gesetz- oder Verordnunggeber mehrfach auf, zuletzt durch Art. 12 Nr. 4 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) bis zum 31. Dezember 2009.

Der für die Bemessung der Dienstbezüge nach § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV maßgebliche Vomhundertsatz wurde schrittweise angehoben; seit dem 1. Januar 2003 beträgt er 91 v.H.

b) § 4 der 2. BesÜV regelt die Gewährung eines Zuschusses zur Ergänzung der Dienstbezüge von Beamten, Richtern und Soldaten im Beitrittsgebiet, die lediglich einen Anspruch auf abgesenkte Besoldung haben. Die in der angegriffenen Entscheidung zu Grunde gelegte, durch Art. 2 und Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung vom 23. August 1994 (BGBl I S. 2186) rückwirkend ab 1. Juli 1991 geänderte Fassung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV galt vom 1. Juli 1991 bis zum 24. November 1997.

Sie lautete:

§ 4

Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge

(1) Beamte, Richter und Soldaten mit Anspruch auf Besoldung nach § 2 erhalten, wenn sie aufgrund der im bisherigen Bundesgebiet erworbenen Befähigungsvoraussetzungen ernannt werden, einen ruhegehaltfähigen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen. [...]

c) Die Vierte Verordnung zur Änderung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung (4. BesÜVÄndV) vom 17. November 1997 (BGBl I S. 2713) löste diese Fassung mit Wirkung vom 25. November 1997 ab. Der Verordnunggeber macht seither die Gewährung des Zuschusses, die er nunmehr in das Ermessen des Dienstherrn stellt, zusätzlich von einem dringenden dienstlichen Bedürfnis für die Gewinnung des Beamten, Richters oder Soldaten abhängig (§ 4 der 2. BesÜV n.F.). Gemäß § 12 der 2. BesÜV in der durch die 4. BesÜVÄndV geänderten Fassung ist § 4 in der bis zum 24. November 1997 geltenden Fassung (§ 4 der 2. BesÜV a.F.) für Beamte, Richter und Soldaten, die bis zu diesem Tage ernannt worden sind, weiter anzuwenden.

II.

1. a) Der 1967 im Beitrittsgebiet geborene Beschwerdeführer schloss Anfang des Jahres 1991 nach Beendigung der zehnklassigen polytechnischen Oberschule sowie Absolvierung einer Baufacharbeiterausbildung mit dem Land Sachsen-Anhalt einen Vertrag über die Ausbildung für den mittleren Justizdienst. Die Ausbildung sollte in Niedersachsen nach den dort geltenden Ausbildungsvorschriften absolviert werden. Im Laufe der Ausbildung ernannte das Justizministerium des Landes Sachsen-Anhalt den Beschwerdeführer zum Beamten auf Widerruf. Nachdem der Beschwerdeführer die Abschlussprüfung für den mittleren Justizdienst in Hannover erfolgreich abgelegt hatte, wurde er in Sachsen-Anhalt mit Wirkung vom 25. März 1993 zum Justizassistenten z.A. ernannt. Die Ernennung zum Justizsekretär unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfolgte im März 1997. Seit der Begründung des Beamtenverhältnisses auf Probe erhält der Beschwerdeführer abgesenkte Dienstbezüge gemäß § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV.

b) Unter dem 7. Dezember 1993 beantragte der Beschwerdeführer die Zahlung eines ruhegehaltfähigen Zuschusses in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.). Der Präsident des Oberlandesgerichts Naumburg lehnte den Antrag ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Halle durch Bescheid vom 19. Mai 1994 zurück.

2. Der daraufhin erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht Halle durch Urteil vom 6. Oktober 1998 statt. Der Beschwerdeführer habe einen Anspruch auf Zahlung eines ruhegehaltfähigen Zuschusses gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.). Er habe im bisherigen Bundesgebiet den Vorbereitungsdienst abgeleistet und die Laufbahnprüfung abgelegt. Darauf, wo der allgemein bildende Schulabschluss absolviert worden sei, komme es nicht an. Der Begriff der Befähigungsvoraussetzungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) umfasse nicht Vorbildungsabschlüsse, soweit diese allgemein bildende Schulabschlüsse beträfen. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dass der Beschwerdeführer während der Ausbildungszeit Beamter auf Widerruf des Landes Sachsen-Anhalt gewesen sei. Maßgeblich sei allein, dass der Beschwerdeführer den gesamten Vorbereitungsdienst tatsächlich in Niedersachsen geleistet habe.

3. Durch Urteil vom 22. Juli 1999 hob das Bundesverwaltungsgericht auf die Sprungrevision des Regierungspräsidiums Halle hin das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Klage des Beschwerdeführers ab. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts habe der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf einen ruhegehaltfähigen Zuschuss gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.), weil er nicht sämtliche Befähigungsvoraussetzungen für die Laufbahn des mittleren Justizdienstes im bisherigen Bundesgebiet erworben habe. Der Begriff der Befähigungsvoraussetzungen umfasse die dienstrechtlich für den Befähigungserwerb geforderten Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen, d. h. den Vorbildungsabschluss, den Vorbereitungsdienst und - soweit vorgeschrieben - die Laufbahnprüfung. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.), der weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht Einschränkungen vorsehe. Für diese Annahme sprächen zudem der Ausnahmecharakter und die Intention der Zuschussregelung, für eine Übergangszeit die Mobilität von Erstbewerbern zu fördern. Die so verstandenen Befähigungsvoraussetzungen habe der Beschwerdeführer nicht im bisherigen Bundesgebiet erfüllt. Zwar sei das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer den Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung im bisherigen Bundesgebiet abgeleistet habe. Dies sei nach Sinn und Zweck der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ausschließlich ortsbezogen zu beurteilen. Indes habe der Beschwerdeführer die allgemeinen Vorbildungsvoraussetzungen nicht im bisherigen Bundesgebiet, sondern im Beitrittsgebiet durch den Besuch der zehnklassigen polytechnischen Oberschule und die Ausbildung zum Baufacharbeiter erworben. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die in § 73 BBesG, § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV vorgesehene abgesenkte Besoldung sei verfassungswidrig, werde an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten. Gegen die befristeten Regelungen in § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV und § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) bestünden - jedenfalls für den von der Klage erfassten Zeitraum - keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Urteil ging den Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 3. September 1999 zu.

III.

Mit der am 4. Oktober 1999 gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 5 und Art. 103 Abs. 1 GG. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus:

1. Die abgesenkte Besoldung gemäß § 73 BBesG, § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV verstoße gegen Art. 3 GG sowie gegen Art. 33 Abs. 5 GG, weil die "besonderen Verhältnisse" in den neuen Ländern, die die Besoldungsdifferenzierung tragen könnten, nicht mehr vorlägen. Gegenteiliges habe das Bundesverwaltungsgericht ohne hinreichende Tatsachengrundlage angenommen. Somit sei auch die Garantie des effektiven Rechtsschutzes und das Gebot des rechtlichen Gehörs verletzt.

2. Weiterhin verstoße die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) gegen Art. 3 GG sowie gegen Art. 33 Abs. 5 GG. Die Gewährung des Zuschusses dürfe nicht davon abhängig gemacht werden, ob die allgemeine Schulbildung im bisherigen Bundesgebiet erworben worden sei. Für die mit der Norm des § 4 der 2. BesÜV (a.F.) beabsichtigte Anreizwirkung komme es nicht darauf an, wo sich ein Erstbewerber während seiner Schulzeit aufgehalten habe. Entscheidend seien vielmehr die Zeiträume, in denen die zu motivierende Entscheidung für oder gegen die neuen Länder tatsächlich habe fallen können. Er habe die maßgeblichen Befähigungsvoraussetzungen, Vorbereitungsdienst und Bestehen der Laufbahnprüfung, im bisherigen Bundesgebiet erworben. Mit Bestehen der Laufbahnprüfung hätte er sich bei jedem anderen Land im bisherigen Bundesgebiet bewerben können. Deshalb sei auch er für den Aufbau der Justiz in Sachsen-Anhalt gewonnen worden. Er habe Mobilität gezeigt, indem er seinen bisherigen Wohnsitz aus den alten Ländern wieder in die neuen Länder verlegt habe. Damit unterscheide er sich nach seinen Befähigungsvoraussetzungen und nach seinem Qualifikationsniveau nicht von einem Erstbewerber, der die allgemein bildende Schule im bisherigen Bundesgebiet besucht habe.

IV.

1. Zur Verfassungsmäßigkeit von § 73 BBesG haben u.a. das Bundesministerium des Innern für die Bundesregierung, das Sächsische Staatsministerium der Justiz und die Staatskanzlei des Freistaats Thüringen für die jeweiligen Landesregierungen sowie der Deutsche Richterbund und der Deutsche Beamtenbund Stellung genommen.

2. Zur Vereinbarkeit von § 4 der 2. BesÜV mit dem Grundgesetz liegen Stellungnahmen des Bundesministeriums des Innern und der Regierung des Freistaats Thüringen vor. Sie halten die Vorschrift unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für verfassungsgemäß.

B.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer sind gegeben. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen zur Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt (vgl. BVerfGE 101, 54 <101>; 103, 310 <318 ff.>; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003 - 2 BvR 709/99 -, Umdruck S. 17 ff. m.w.N.).

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere wurde sie innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG in einer den Darlegungsanforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG entsprechenden Weise substantiiert begründet. Der Beschwerdeführer hat einen Sachverhalt vorgetragen, nach dem es möglich erscheint, dass er durch die angegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in den als verletzt gerügten Rechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 103 Abs. 1 GG tatsächlich beeinträchtigt ist (vgl. BVerfGE 18, 85 <89>; 81, 208 <214 f.>; 92, 158 <175>). Ihm kann nicht entgegen gehalten werden, dass er die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur unvollständig mit der vor Fristablauf am 4. Oktober 1999 erhobenen Verfassungsbeschwerde vorgelegt hat. Denn er hat den wesentlichen Inhalt des angegriffenen Urteils in der Begründung der Verfassungsbeschwerde mitgeteilt. Er hat die maßgeblichen Passagen zum Begriff der Befähigungsvoraussetzungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) sowie zur Verfassungsmäßigkeit der so genannten abgesenkten Besoldung wortwörtlich wieder gegeben und sich mit diesen auseinander gesetzt (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>). Auf den vorsorglich gestellten Wiedereinsetzungsantrag kommt es daher nicht mehr an.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Die angegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

1. Zwar wird der Beschwerdeführer nicht durch die Gewährung der abgesenkten Besoldung gemäß § 73 BBesG, § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 33 Abs. 5 GG verletzt. Insoweit wird auf den Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 - Bezug genommen. Danach ist die Aufrechterhaltung zweier unterschiedlicher Besoldungen in Ost und West derzeit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Folglich bleiben auch die in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen der Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG ohne Erfolg, weil das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls nicht auf den geltend gemachten Verfahrensmängeln beruht.

2. Jedoch ist der Beschwerdeführer dadurch, dass das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen für die Gewährung eines Zuschusses nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) verneint hat, in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

a) Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, wenn also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung fehlt (vgl. BVerfGE 76, 256 <329>; 83, 89 <107 f.>; 103, 310 <318>).

Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Ob die Auswahl sachgerecht ist, lässt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern nur in Bezug auf die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts (vgl. BVerfGE 17, 122 <130>; 53, 313 <329>; 75, 108 <157>; 103, 310 <318>). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt daher seine Konkretisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs (vgl. BVerfGE 42, 374 <388>; 75, 108 <157>; 78, 232 <247>; 100, 138 <174>; 101, 54 <101>).

b) Beim Erlass besoldungsrechtlicher Vorschriften hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum politischen Ermessens (vgl. BVerfGE 13, 356 <366 f.>; 26, 141 <158>), innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf. Dem Bundesverfassungsgericht ist die Prüfung verwehrt, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Es kann, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertentscheidungen entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (vgl. BVerfGE 65, 141 <148 f.>; 103, 310 <319 f.>). Dieser Maßstab ist nicht nur im Verhältnis zum Gesetz- und Verordnunggeber anzulegen, sondern auch im Verhältnis zu Verwaltung und Gerichten, soweit diese besoldungsrechtliche Vorschriften auslegen und anwenden.

c) Gemessen hieran hat das Bundesverwaltungsgericht bei der Auslegung und Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) den Regelungsgehalt von Art. 3 Abs. 1 GG verkannt. Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Befähigungsvoraussetzungen in Anlehnung an das Laufbahnrecht sowie der daraus folgende Begünstigungsausschluss des Beschwerdeführers, der nicht den allgemein bildenden Schulabschluss, aber alle sonstigen laufbahnrechtlichen Voraussetzungen im bisherigen Bundesgebiet erworben hat, überschreitet die durch den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gezogene Grenze.

aa) Mit der Zuschussregelung nach § 4 der 2. BesÜV (a.F.) verfolgte der Verordnunggeber das von der Ermächtigungsgrundlage des § 73 BBesG gedeckte Ziel, die Mobilität von Beamten, Richtern und Soldaten zu fördern und qualifiziertes Personal zu gewinnen, das in den neuen Ländern zum sofortigen Aufbau einer rechtsstaatlichen Verwaltung und Rechtspflege entsprechend den Vorgaben des Art. 20 des Einigungsvertrages dringend benötigt wurde (vgl. BRDrucks 215/91, S. 1 f.; BRDrucks 215/91, S. 22). Gleichzeitig sollte durch die Gewinnung von Fachkräften aus dem bisherigen Bundesgebiet das Vertrauen der Bürger der neuen Länder in Justiz und Verwaltung gestärkt werden (vgl. dazu Battis, Die Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung, in: LKV 1992, S. 12).

bb) Im Hinblick auf das Ziel der schnellen Gewinnung von dringend benötigtem Fachpersonal hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 BvR 709/99 - im Fall des Begünstigungsausschlusses eines Richters, der die universitäre Vorbildung nicht im bisherigen Bundesgebiet erworben hat, entschieden, dass es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist, die Gewährung des Zuschusses an Richter davon abhängig zu machen, ob das nach § 5 des Deutschen Richtergesetzes - DRiG - zu den laufbahnrechtlichen Voraussetzungen zählende rechtswissenschaftliche Studium sowie die erste juristische Staatsprüfung im bisherigen Bundesgebiet absolviert worden sind. Bei dem rechtswissenschaftlichen Studium handelt es sich um eine fachbezogene Vorbildung. Es vermittelt für den Vorbereitungsdienst grundlegende fachbezogene Inhalte, die im späteren Amt fortwirken; ihm kommt deshalb laufbahnrechtlich ein bedeutendes Gewicht zu. Aus diesem Grund ist eine Auslegung, die das rechtswissenschaftliche Studium und die erste juristische Staatsprüfung zu den Befähigungsvoraussetzungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) zählt, mit Art. 3 Abs. 1 GG noch vereinbar (vgl. Umdruck S. 20 f.).

cc) Hiervon ausgehend ist es demgegenüber nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu vereinbaren, die Zuschussgewährung an Beamte nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) davon abhängig zu machen, ob der Abschluss einer allgemein bildenden Schule oder einer Berufsausbildung, die nach den laufbahnrechtlichen Vorschriften an die Stelle des Abschlusses einer bestimmten allgemein bildenden Schule treten kann, im bisherigen Bundesgebiet erworben worden ist. Es handelt sich zwar auch hier um laufbahnrechtlich vorausgesetzte Vorbildungen (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BRRG); sie vermitteln aber in der Regel nicht die spezifisch fachbezogene Vorbildung für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003 - 2 BvR 709/99 -, Umdruck S. 21), sondern allgemeine (Grund-)Kenntnisse und (Grund-)Fähigkeiten, auf denen die weitere laufbahnbezogene Ausbildung aufbaut (vgl. Zängl, in: Fürst, GKÖD <Stand Juli 2003>, Bd. I, K vor § 15 BBG Rn. 14). Der Schulbildung oder einer als gleichwertig angesehenen Berufsausbildung kommt damit - anders als dem für die Laufbahn des höheren Dienstes geforderten Hochschulstudium (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 BRRG) - für die Erreichung des mit der Zuschussregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) verfolgten Zwecks, ausreichend fachlich qualifiziertes Personal für den unverzüglichen Aufbau einer leistungsfähigen rechtsstaatlichen Verwaltung und Rechtspflege in den neuen Ländern zu gewinnen, nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Die fachliche Qualifikation, auf die es insofern maßgeblich ankommt, wird regelmäßig erst durch den Vorbereitungsdienst und - soweit vorgeschrieben - die Laufbahnprüfung erworben. Daher bestehen zwischen einem Beamten des mittleren Dienstes - wie dem Beschwerdeführer -, der seinen Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung im bisherigen Bundesgebiet absolviert, aber im Beitrittsgebiet die polytechnische Oberschule besucht hat, und einem hinsichtlich seiner Ausbildung vergleichbaren Beamten, der über einen in den alten Ländern erworbenen Realschulabschluss verfügt, im Hinblick auf ihre fachliche Qualifikation keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine Versagung des Zuschusses sachlich rechtfertigen könnten. Entsprechendes gilt bei dem Vergleich eines Beamten des gehobenen Dienstes, der den Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung im bisherigen Bundesgebiet abgelegt, das Abitur jedoch im Beitrittsgebiet erworben hat, mit einem Beamten derselben Laufbahngruppe, der das Abitur im bisherigen Bundesgebiet erlangt hat. Der Zweck der Gewinnung von qualifiziertem Fachpersonal aus dem bisherigen Bundesgebiet ist auch dann erreicht, wenn ein Beamter dort die laufbahnbezogene Ausbildung erfolgreich durchlaufen hat. Um eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung zu vermeiden, ist es daher in Fällen dieser Art geboten, das Tatbestandsmerkmal der Befähigungsvoraussetzungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.) dahingehend auszulegen, dass es nicht darauf ankommt, wo der zu den Vorbildungsvoraussetzungen gehörende allgemein bildende Schulabschluss oder ein als gleichwertig anerkannter Bildungsstand erworben wurde.

Dem hat die angegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht Rechnung getragen. Die Entscheidung beruht auf einer nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbarenden Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (a.F.).

III.

1. Wegen des festgestellten Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist das angegriffene Urteil aufzuheben, ohne dass es einer Entscheidung der Frage bedarf, ob zugleich auch ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG vorliegt. Die Sache ist an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).

2. Der Ausspruch über die Erstattung der notwendigen Aus-

lagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.