Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 02.05.2012 - 8 LA 78/11
Fundstelle
openJur 2012, 68153
  • Rkr:
Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses ihre Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2008 über den Widerruf der Approbation der Klägerin als Apothekerin abgewiesen hat, bleibt ohne Erfolg.

Die Klägerin hat ihren Antrag auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (2.) und des Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (3.) gestützt. Diese Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt worden und liegen im Übrigen nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten (vgl. Senatsbeschl. v. 11.2.2011 - 8 LA 259/10 -, juris Rn. 3). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543).

Die Klägerin wendet gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ein, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht ihre Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufes einer Apothekerin angenommen. Entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts erwarte der durchschnittliche objektive Verkehrsteilnehmer von dem Apotheker keine Untadeligkeit in allen berufsbezogenen Bereichen. Das Verwaltungsgericht gehe fehlerhaft von einer romantisch-idealisierten allgemeinen berufsbezogenen Apothekeruntadeligkeit aus und verkenne den in den letzten Jahrzehnten vollzogenen Wandel im Berufsbild des Apothekers. Dieses sei - anders als bei den Ärzten - nicht mehr durch persönliche Beratung, soziale und medizinische Betreuung und eine damit verbundene überragende Stellung innerhalb der Gemeinschaft geprägt, sondern, bedingt durch europarechtliche Wettbewerbslockerungen, auf den Vertrieb von Arzneimitteln gerichtet. Die Geschäftsbeziehung zwischen dem Apotheker und seinen Kunden sei weitgehend anonym und nicht durch ein persönliches Vertrauen in die medizinischen Kenntnisse und die Beratungskompetenz des Apothekers gekennzeichnet. Allenfalls bei der Herstellung von Arzneimitteln und einer gegebenenfalls erfolgenden persönlichen Beratung, also den Fällen der inneren Berufsbezogenheit, erwarte der objektive Verkehrsteilnehmer noch eine Untadeligkeit. Ein solcher Bereich sei hier nicht betroffen. Der Klägerin würden lediglich Verfehlungen aus einem allein sie betreffenden Lebensbereich vorgeworfen. Insoweit könne der Verkehrsteilnehmer von dem Apotheker keine höhere Redlichkeit verlangen als von sich selbst. Jedenfalls sei insoweit durch ihr Verhalten in der Öffentlichkeit kein Ansehens- oder Vertrauensverlust eingetreten. Die der Klägerin vorgeworfenen Verfehlungen stellten keinen klassischen, den Kernbereich der Berufsausübung eines Apothekers berührenden Abrechnungsbetrug dar. Ihr werde nur vorgeworfen, auf für sich selbst und für ihre Kinder ausgestellten ärztlichen Verschreibungen die Dosierung, die Zahl und die Art der Arzneimittel erweitert und die so bezogenen Arzneimittel selbst verbraucht zu haben. Eine derartige Selbstmedikamentierung und Selbstbehandlung streife allenfalls Randbereiche der Berufsausübung und damit der Berufswürdigkeit. Dabei sei die Klägerin davon ausgegangen, dass die Erweiterungen medizinisch indiziert gewesen seien, auch vom Arzt verschrieben worden wären und daher auch ein Erstattungsanspruch gegen ihre Krankenkasse bestünde. Ziel ihres Handelns sei es lediglich gewesen, weitere Arztbesuche zu ersparen und medizinisch indizierte Arzneimittel zur erfolgversprechenden und schnellen Heilung bestehender Krankheiten zu erhalten. Ihre Krankenkasse habe die Klägerin hingegen nicht schädigen wollen. Das Verwaltungsgericht verklammere auch zu Unrecht den Begriff der Unwürdigkeit mit dem Gefahrenbegriff, wenn es als zentrales Ziel des Approbationswiderrufs wegen Unwürdigkeit die Vermeidung der Gefahr des Missbrauchs der beruflichen Stellung bezeichne. Ein solches Gefahrenmoment verwische die Abgrenzung zum Approbationswiderruf wegen Unzuverlässigkeit. Der Approbationswiderruf erweise sich schließlich als unverhältnismäßig. Die gebotene Spezialprävention werde gegenüber der Klägerin durch die strafrechtliche, zivilrechtliche und disziplinarische Ahndung erreicht. Eines Berufsverbotes bedürfe es hierzu nicht mehr. Aufgrund des fortgeschrittenen Lebensalters bestünde für die Klägerin auch keine Möglichkeit, wieder als Apothekerin approbiert zu werden. Ihre über Jahrzehnte untadelige Berufsausübung bliebe dabei ebenso unberücksichtigt, wie die lange Verfahrensdauer des berufsrechtlichen Verfahrens.

Diese Einwände begründen nach dem eingangs dargestellten Maßstab keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung.

Rechtsgrundlage für den Widerruf der Approbation als Apotheker ist § 6 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bundes-Apothekerordnung - BApO -. Danach ist die Approbation zu widerrufen, wenn sich der Apotheker nach Erteilung der Approbation eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs ergibt.

Ein Apotheker ist zur Ausübung seines Berufes unwürdig, wenn er infolge seines Verhaltens nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen der Öffentlichkeit genießt, die für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 19.4.2006 - 9 S 2317/05 -, NVwZ 2006, 1202; Bayerischer VGH, Urt. v. 29.10.1991 - 21 B 91.1337 -, juris Rn. 24 (jeweils zu § 6 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BApO); BVerwG, Beschl. v. 27.1.2011 - 3 B 63.10 -, NJW 2011, 1830, 1831; Senatsbeschl. v. 18.4.2012 - 8 LA 6/11 -, juris Rn. 30 (jeweils zu § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZHG); BVerwG, Beschl. v. 14.4.1998 - 3B 95.97 -, NJW 1999, 3425; Senatsbeschl. v. 23.4.2012 - 8 LA 45/11 -, juris Rn. 8 (jeweils zu § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO)). Diese Feststellung erfordert, da der Approbationswiderruf als subjektive Berufszugangsregelung besonders schwer in die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit eingreift (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.1.2011, a.a.O.; Senatsbeschl. v. 23.4.2012, a.a.O., Rn. 8 f.), regelmäßig das Vorliegen gravierender Verfehlungen, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos, nachhaltig zu erschüttern (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.1.2011, a.a.O.; Stollmann, Widerruf und Ruhen von Approbationen, in: MedR 2010, 682 f. jeweils m.w.N.). Ob die Folgerung der Unwürdigkeit gezogen wird, hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei sind die Art der Straftat, das Ausmaß der Schuld und der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.8.1993 - 3 B 5.93 -, NVwZ-RR 1994, 388). Abhängig von der Schwere des Delikts können auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises die Annahme der Unwürdigkeit rechtfertigen, wenn sie zu einem Ansehens- und Vertrauensverlust führen, der den Betroffenen für den ausgeübten Beruf als auf absehbare Zeit untragbar erscheinen lässt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.8.1995 - 3 B 7.95 -, NVwZ-RR 1996, 477; Beschl. v. 9.1.1991 - 3 B 75.90 -, NJW 1991, 1557; Hessischer VGH, Beschl. v. 24.11.2011, - 7 A 37/11.Z -, juris Rn. 30; Senatsbeschl. v. 18.4.2012, a.a.O.; v. 2.9.2009, - 8 LA 99/09 -, juris Rn. 3). Maßgeblich für die Beurteilung dieser Widerrufsvoraussetzungen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.8.2011 - 3 B 6.11 -, juris Rn. 9).

Diese Voraussetzungen für die Feststellung der Unwürdigkeit hat das Verwaltungsgericht mit eingehender und überzeugender Begründung zutreffend bejaht.

Dabei hat es zu Recht auf die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Stolzenau vom 18. Juli 2007 - 4 Ds 511 Js 23937/03 (80/05) - (Bl. 377 f. Beiakte C) abgestellt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.8.2011, a.a.O., Rn. 10; Beschl. v. 6.3.2003 - 3 B 10.03 -, juris Rn. 2; Urt. v. 26.9.2002 - 3 C 37.01 -, NJW 2003, 913, 916; Senatsbeschl. v. 13.1.2009 - 8 LA 88/08 -, juris Rn. 4 f. jeweils m.w.N.). Danach ist die Klägerin des Betruges in sechzehn Fällen und des versuchten Betruges in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig. Wegen dieser Taten ist die Klägerin zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Sie hat im Zeitraum von Februar 2002 bis Mai 2003 neunundfünfzig ärztliche Verschreibungen, die ihr selbst oder ihren Kindern B. und C. erteilt worden waren, manipuliert und dabei die Menge der verschriebenen Arzneimittel oder deren Dosierung erhöht sowie die Verschreibungen um andere Arzneimittel ergänzt. Die die Verschreibung ausstellenden Ärzte hatten von den Manipulationen keine Kenntnis. Entsprechend den manipulierten Verschreibungen hat die Klägerin die Arzneimittel der von ihr geführten Apotheke entnommen und gemeinsam mit ihren Kindern verbraucht. Teilweise wurde ein deutlich höherer Preis als der empfohlene Verkaufspreis berechnet. Die manipulierten Verschreibungen legte sie bei der D. Krankenversicherung, bei der sie und ihre Kinder versichert sind, vor, um eine Erstattung zu erlangen. Hierdurch entstand der D. Krankenversicherung ein Schaden in Höhe von 22.780 EUR. Anlass, von diesen strafgerichtlichen Feststellungen abzuweichen, besteht hier nicht. Aus dem Zulassungsvorbringen der Klägerin ergeben sich keine gewichtigen Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Feststellungen (vgl. zu den Voraussetzungen für ein Abweichen: Senatsbeschl. v. 13.1.2009, a.a.O., Rn. 8).

Ausgehend von den strafgerichtlichen Feststellungen ist der Klägerin ein gravierendes Fehlverhalten vorzuwerfen, das entgegen ihren Einwänden auch den Kern ihres beruflichen Wirkungskreises als Apothekerin betrifft.

Die Klägerin hat die ärztlichen Verschreibungen nicht nur manipuliert, um entsprechend höhere Kosten von der Krankenkasse erstattet zu bekommen. Sie hat vielmehr auch die nicht ärztlich verschriebenen Arzneimittel aus der von ihr selbst geführten Apotheke entnommen und gemeinsam mit ihren Kindern verbraucht. Das Verwaltungsgericht hat hierin zutreffend einen erheblichen Verstoß gegen die sich aus § 17 Abs. 5 Satz 1 Apothekenbetriebsordnung - ApBetrO - ergebende wesentliche Berufspflicht gesehen. Denn danach müssen die abgegebenen Arzneimittel den ärztlichen Verschreibungen entsprechen (vgl. Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung, Stand: April 2010, § 17 Rn. 465 f. und 492 f. m.w.N.). Soweit zugleich verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne ärztliche Verschreibung abgegeben worden sind (vgl. etwa die Taten zu Nrn. 3, 5, 7 und 14 der Anklageschrift v. 7.6.2005, Bl. 235 f. Beiakte D), liegt auch ein Verstoß gegen § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz - AMG - vor.

Der Einwand der Klägerin, die durch die manipulierten Verschreibungen erhaltenen Arzneimittel seien medizinisch indiziert gewesen und wären auch von einem Arzt verschrieben worden, so dass ihr und ihren Kindern lediglich einige Arztbesuche erspart geblieben seien, dokumentiert den Verstoß gegen eine weitere wesentliche Berufspflicht. Denn mit der Beurteilung medizinischer Indikationen für sich und Dritte und die daran anknüpfende (Selbst-)Verschreibung von Arzneimitteln übt sie einen Bereich der Heilkunde aus, für den sie als Apothekerin nicht approbiert ist. Die Approbation als Apothekerin gestattet nach § 2 Abs. 3 BApO nur die Ausübung einer pharmazeutischen Tätigkeit, insbesondere die Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln (vgl. zu den Grenzen der Approbation als Apotheker: Cyran/Rotta, § 17 Rn. 10 f. und § 10 Abs. 1 Satz 1 Berufsordnung der Apothekerkammer Niedersachsen - BO -), nicht aber deren Verschreibung, die den Ärzten, Zahnärzten oder Tierärzten im Umfang der diesen erteilten Approbation vorbehalten ist (vgl. Cyran/Rotta, § 17 Rn. 470 f.).

Die manipulierten Verschreibungen hat die Klägerin schließlich bei der D. Krankenversicherung, bei der sie und ihre Kinder versichert sind, eingereicht, um diese zur Erstattung der Kosten nicht verschriebener Arzneimittel zu veranlassen. Durch diese Betrugshandlungen entstand der Krankenversicherung ein Schaden in Höhe von 22.780 EUR. Das Einreichen der manipulierten Verschreibungen bei der Krankenversicherung und die damit verbundene Betrugshandlung mögen für sich betrachtet zwar primär dem privaten Lebensbereich und nicht dem beruflichen Wirkungskreis der Klägerin zuzuordnen sein. Das Verwaltungsgericht hat aber zutreffend herausgestellt, dass die Krankenversicherung im Vertrauen darauf leistet, die in der Apotheke vorgelegten ärztlichen Verschreibungen seien dort einer Überprüfung unterzogen worden und die auf der Verschreibung dokumentierten Preise seien zutreffend. Denn der Apotheker ist nach § 17 Abs. 5 ApBetrO verpflichtet, die Verschreibungen auch dahingehend zu überprüfen, ob diese gefälscht sind, und die Abgabe von Arzneimitteln auf erkennbar gefälschte Verschreibungen zu verweigern (vgl. Cyran/Rotta, a.a.O., § 17 Rn. 467 f.; Pfeil/Piek/Blume, Apothekenbetriebsordnung, Stand: 2009, § 17 Rn. 24 f.). Zudem hat er nach § 17 Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 ApBetrO den (zutreffenden) Preis auf der Verschreibung zu vermerken (vgl. Cyran/Rotta, a.a.O., § 17 Rn. 565 f.). Dieser Vermerk ist Grundlage für die Leistung der Krankenkassen. Die Betrugshandlung der Klägerin gegenüber ihrer Krankenkasse setzte damit zwingend den beschriebenen Verstoß gegen ihre sich aus § 17 Abs. 5 und 6 Satz 1 Nr. 4 ApBetrO ergebenden Berufspflichten voraus und beruht auf diesem. Der Einwand der Klägerin, die Betrugshandlung bewege sich allenfalls am Rande ihrer beruflichen Pflichten, geht daher fehl.

Das gravierende Fehlverhalten der Klägerin im beruflichen Wirkungskreis ist geeignet, das Ansehen des Berufsstandes des Apothekers in der Öffentlichkeit und das in diesen gesetzte Vertrauen, bliebe das Verhalten der Klägerin für den Fortbestand ihrer Approbation folgenlos, nachhaltig zu erschüttern.

Entgegen der Auffassung der Klägerin erwartet die Öffentlichkeit von einem Apotheker nicht einen nur anonymen kaufmännischen Kontakt und den Bezug preisgünstiger Arzneimittel. Zutreffend ist zwar, dass ein selbstständiger Apotheker gute kaufmännische Kenntnisse haben muss, um seine Apotheke erfolgreich führen zu können. Auch hat sich das Berufsbild des Apothekers in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. So ist die Herstellung der auf eine ärztliche Verschreibung für den Patienten individuell verordneten Rezepturen durch den Apotheker weitgehend durch den Handel mit Fertigarzneimitteln ersetzt worden. Diese sind gleichwohl nicht bloße Handelsware, sondern überwachungsbedürftige Waren ganz besonderen Charakters (vgl. EuGH, Urt. v. 19.5.2009 - C-171/07 u.a. -, Slg. 2009, I-4171 Rn. 31 (Apothekerkammer des Saarlandes u.a.); Urt. v. 21.3.1991 - C-369/88 -, Slg. 1991, I- 1487 Rn. 54 (Delattre)). Insbesondere bei ihrer Abgabe an den Endverbraucher steht daher dessen Information und Beratung über Wirkungen und Risiken der Arzneimittel sowie ihre sachgemäße Anwendung in der Therapie im Vordergrund der beruflichen Tätigkeit des Apothekers. Er berät auch in der Gesundheitsvorsorge und unterstützt die Patienten in der Selbstmedikation. Auf die Wahrnehmung dieser Aufgaben wird der Apotheker in seiner Ausbildung schwerpunktmäßig vorbereitet (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anlage 1 und 4 Abs. 2 Satz 2 Approbationsordnung für Apotheker - AApprO -). Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben hat sich der Apotheker nicht nur von rechtlichen Bestimmungen, sondern von seiner Verantwortung für das Leben und die körperliche Unversehrtheit im Rahmen der Gesundheitsberufe leiten zu lassen. Er darf das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Apothekerberuf nicht dadurch verletzen, dass er sich von einem unangemessenen Gewinnstreben bei der Erfüllung seiner Aufgaben beherrschen lässt. Die gewissenhafte Erfüllung dieser Grundpflichten der Berufsausübung des Apothekers (vgl. §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 2 und 3 BO) erwartet nicht nur die Öffentlichkeit. Sie ist eine zwingende Voraussetzung für die Erfüllung der dem Apotheker übertragenen öffentlichen Aufgabe, die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen (vgl. § 1 Satz 1 BApO; § 1 Abs. 1 Satz 1 BO). Dem Schutz der Gesundheitsversorgung ist aber nicht bereits dann genüge getan, wenn der Apotheker keinen Anlass bietet, an der objektiven Richtigkeit seiner Tätigkeit zu zweifeln. Vielmehr geht gerade wegen der besonders vertrauensgeprägten Beziehung zwischen Apotheker und Patient das Gemeinschaftsgut der Gesundheitsversorgung über den eigentlich pharmazeutisch-fachlichen Bereich deutlich hinaus. Denn die Grundlagen des spezifischen Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Apotheker finden sich auch jenseits der bloßen Erfüllung der Berufspflichten, nämlich in der charakterlichen Integrität der Apotheker (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 19.4.2006, a.a.O.). Dem Apotheker kommt damit eine bedeutende Aufgabe im Gesundheitswesen zu (vgl. EGMR, Entsch. v. 9.5.2007 - 29005/05 -, EuGRZ 2008, 24, 27 (Brückl ./. Deutschland); Cyran/Rotta, a.a.O., § 17 Rn. 6 und 25), die nur bei einem Erhalt des Ansehens des Berufsstandes des Apothekers in der Öffentlichkeit und des in diesen gesetzten Vertrauens der Patienten und der Kostenträger im Gesundheitswesen erfüllt werden kann.

Nach objektivem Beurteilungsmaßstab (vgl. BVerwG, Beschl. v. 6.3.2003, a.a.O., Rn. 3, Bayerischer VGH, Beschl. v. 21.5.2010 - 21 BV 09.1206 -, juris Rn. 40) ist das Fehlverhalten der Klägerin geeignet, dieses Ansehen des Berufsstandes der Apotheker und das in ihn gesetzte Vertrauen nachhaltig zu erschüttern. Nicht erforderlich ist, dass der Ansehens- und Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit konkret eingetreten ist (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 7.2.2002 - 21 ZS 01.2890 -, juris Rn. 12).

Die Klägerin hat in einer Vielzahl von Fällen bewusst und gewollt ärztliche Verschreibungen manipuliert, verschreibungspflichtige Medikamente ohne ärztliche Verschreibung abgegeben, sich heilkundlich in einem Bereich betätigt, für den sie als Apothekerin nicht approbiert ist, und manipulierte ärztliche Verschreibungen bei ihrer Krankenkasse eingereicht, um sich einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil in erheblicher Höhe zu verschaffen. Mit diesen Verfehlungen hat die Klägerin in eklatanter Weise gegen ihre wesentlichen beruflichen Pflichten verstoßen. Einsicht in das verwirklichte Unrecht und Reue sind bei der Klägerin nicht zu erkennen. Vielmehr versucht sie unter Abwertung des Berufsbildes des Apothekers und Zuordnung des Fehlverhaltens zum privaten Lebensbereich ihre gravierenden Verfehlungen zu bagatellisieren. An der strafrechtlichen Aufarbeitung ihres Fehlverhaltens hat die Klägerin nicht ansatzweise mitgewirkt. Blieben derartige Verfehlungen für die Approbation folgenlos, bestünde die Gefahr der Minderung der Wertschätzung des Apothekerstandes in der Gesellschaft und des Vertrauens, das Patienten in den Apotheker setzen. Schließlich widerspricht ein solches Fehlverhalten auch der Vertrauensstellung, die die Kostenträger des Gesundheitswesens dem Apotheker einräumen. Im Hinblick auf die ungünstige Kostenentwicklung im Gesundheitswesen und die Bemühungen, diese Kosten zu senken, kommt den Apothekern, wie ausgeführt, eine besondere Vertrauensstellung zu. Das ihnen entgegengebrachte Vertrauen darauf, dass sie nur die Mittel abgeben, die auch ärztlich verordnet sind, ist dabei von besonderer Bedeutung (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.2002, a.a.O.). Dieses Vertrauen hat die Klägerin durch ihr gravierendes Verhalten in schwerwiegender Weise missbraucht.

Liegen damit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BApO vor, ist - ohne dass es auf die Gefahr erneuter Verletzungen beruflicher Pflichten ankäme (vgl. Senatsbeschl. v. 23.4.2012, a.a.O., Rn. 10) - die Approbation des Apothekers zu widerrufen; der Beklagten ist insoweit kein Ermessen eingeräumt.

Anhaltspunkte dafür, dass der Widerruf der Approbation im vorliegenden Fall ausnahmsweise einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin bewirkt (vgl. zur grundsätzlichen Verhältnismäßigkeit des mit dem Approbationswiderruf verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit: BVerwG, Beschl. v. 23.10.2007 - 3 B 23.07 -, juris Rn. 5 f.), ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen der Klägerin nicht.

Der Approbationswiderruf ist nicht deshalb unverhältnismäßig, weil das Fehlverhalten der Klägerin nach langer beruflicher Tätigkeit den ersten Verstoß gegen berufliche Pflichten darstellt. Auch ein erstmaliger, zumal strafrechtlich erfasster Verstoß genügt grundsätzlich für die Annahme der Berufsunwürdigkeit, wenn, wie hier, die Art der Straftat, das Ausmaß der Schuld und der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit von bedeutendem Gewicht sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.8.1993, a.a.O.).

Auch die lange Verfahrensdauer stellt den Approbationswiderruf nicht als unverhältnismäßig dar. Die Bundesapothekerordnung ermöglicht das Zuwarten mit dem Widerruf der Approbation bis zum Abschluss des Strafverfahrens (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.8.1993, a.a.O., S. 389), dessen Lauf hier zudem maßgeblich durch die mangelnde Mitwirkung der Klägerin an der Aufklärung ihrer Verfehlungen beeinflusst war. Dass die Klägerin sich während des Strafverfahrens und des Approbationswiderrufsverfahrens beanstandungsfrei geführt hat, steht der Annahme der Unwürdigkeit nicht entgegen. Die Klägerin stellte ihr strafbares Verhalten erst ein, als Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft gegen sie eingeleitet und ihre Apotheken- und Privaträume durchsucht wurden. Einem Wohlverhalten, das unter dem Druck eines schwebenden behördlichen Verfahrens an den Tag gelegt wird, kann regelmäßig kein besonderer Wert beigemessen werden kann (vgl. OVG Saarland, Urt. v. 29.11.2005 - 1 R 12/05 -, juris Rn. 166; Bayerischer VGH, Beschl. v. 15.6.1993 - 21 B 92.226 -, juris Rn. 34). Anlass, von diesem Grundsatz im vorliegenden Fall ausnahmsweise abzuweichen, besteht nach dem Zulassungsvorbringen nicht, zumal, wie ausgeführt, eine Einsicht in das verwirklichte Unrecht und Reue der Klägerin nicht erkennbar sind.

Der Approbationswiderruf ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil dieser Widerruf im Hinblick auf das Alter der Klägerin gegebenenfalls einem endgültigen Berufsverbot gleich und eine Abmilderung der Folgen des Eingriffs in die Berufsfreiheit durch eine spätere Wiedererteilung der Approbation faktisch nicht mehr in Betracht kommt. Denn bei der Beurteilung der Unwürdigkeit eines Apothekers für die weitere Berufsausübung bei älteren Apothekern kann kein anderer Maßstab angelegt werden als bei jüngeren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.7.2003 - 9 S 1138/03 -, NJW 2003, 3647, 3649). Im Übrigen ist für die Berücksichtigung individueller Gesichtspunkte dann kein Raum, wenn, wie hier, die Berufsunwürdigkeit im maßgeblichen Zeitpunkt vorlag (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.10.2007, a.a.O., Rn. 6; Beschl. v. 14.4.1998, a.a.O., S. 3426).

Schließlich stellt die bereits erfolgte strafrechtliche, zivilrechtliche und disziplinarische Ahndung des Fehlverhaltens der Klägerin die Verhältnismäßigkeit des Approbationswiderrufs nicht in Frage. Denn die Entscheidung der Beklagten über den Fortbestand der Approbation ist nicht auf eine weitere Ahndung oder Bestrafung der Klägerin gerichtet, sondern stellt allein eine Maßnahme zur Abwehr von mit der Fortsetzung der Berufstätigkeit als Apotheker verbundenen Gefahren dar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.10.2010 - 3 B 61.10 -, juris Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 3.2.2004 - 13 B 2369/03 -, juris Rn. 7 f.; Urt. v. 30.1.1997 - 13 A 2587/94 -, juris Rn. 14 f. m.w.N.).

2. Die Berufung ist auch nicht wegen einer Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.

Dieser Zulassungsgrund ist nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht seinem Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit einem in einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten, dieselbe Rechtsfrage betreffenden und die Entscheidung tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt. Dabei muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied deutlich werden, weil die bloße unrichtige oder unterbliebene Anwendung eines obergerichtlich oder höchstrichterlich aufgestellten Rechtssatzes den Zulassungsgrund der Divergenz nicht erfüllt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: September 2011, § 124 Rn. 36 f. m.w.N). Dementsprechend erfordert die Darlegung einer Divergenz vor allem, dass in dem Zulassungsantrag die beiden einander widerstreitenden abstrakten Rechts- oder Tatsachensätze des Divergenzgerichts einerseits und des Verwaltungsgerichts andererseits zitiert oder - sofern sie im Urteil nicht bereits ausdrücklich genannt sind - herausgearbeitet und bezeichnet werden (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 1.10.2008 - 5 LA 64/06 -, juris Rn. 16; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 124a Rn. 107).

Die Klägerin macht geltend, das angefochtene Urteil weiche von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ab. Dieses habe in den Beschlüssen vom 28. August 2007 - 1 BvR 1098/07 - und vom 18. Mai 2005 - 1 BvR 1028/05 - gefordert, im Rahmen der Überprüfung von Approbationswiderrufen wegen Unwürdigkeit eine Prognose über zukünftig vom Betroffenen ausgehende Gefahren zu stellen. Das Verwaltungsgericht habe die Notwendigkeit einer solchen Prognose hingegen ausdrücklich verneint.

Diese von der Klägerin geltend gemachte Divergenz liegt nicht vor. Entgegen ihrer Darstellung kann den genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kein ab-strakter Rechtssatz entnommen werden, dass der Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit eine zukunftsgerichtete Gefahrenprognose erfordert, wonach der Approbierte bei einer Fortsetzung seiner beruflichen Tätigkeit erneut schwere Verfehlungen begehen wird (so auch: BVerwG, Beschl. v. 27.1.2011, 2011, a.a.O.; Beschl. v. 2.11.1992 - 3 B 87.92 -, NJW 1993, 806; Senatsbeschl. v. 23.4.2012, a.a.O., Rn. 10; Beschl. v. 2.9.2009, a.a.O., Rn. 2). Der Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Mai 2005 (- 1 BvR 1028/05 -, juris Rn. 1) äußert lediglich Zweifel, "ob der auf eine Unwürdigkeit gestützte Widerruf der Approbation unter den gegebenen Umständen vor Art. 12 Abs. 1 GG Bestand haben könnte." Erläutert werden weder die gegebenen Umstände noch die Gründe für die Zweifel. Das Erfordernis einer Gefahrenprognose für die Annahme einer Unwürdigkeit formuliert das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung nicht. In dem weiteren Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. August 2007 (- 1 BvR 1098/07 -, juris Rn. 23) wird zunächst die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den Anforderungen an die "Unwürdigkeit" referiert und daran "vor dem Hintergrund einer möglicherweise verfassungsrechtlich unerlässlichen Prüfung, ob von dem Betroffenen prognostisch überhaupt eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, Zweifel geäußert". Diese Zweifel an der richtigen Auslegung des anzuwendenden Gesetzesrechts oder an dessen Verfassungskonformität werden vom Bundesverfassungsgericht aber nicht näher konkretisiert und bleiben letztlich dahingestellt. Das Erfordernis einer Gefahrenprognose für die Annahme einer Unwürdigkeit formuliert das Bundesverfassungsgericht auch in dieser Entscheidung nicht.

3. Schließlich liegt kein die Zulassung der Berufung erfordernder Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor.

Die Klägerin macht geltend, sie sei zu der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht geladen und daher auch nicht angehört worden, obwohl dies angesichts der Bedeutung der Sache für die Klägerin und für die Beurteilung der Gesamtumstände zwingend erforderlich gewesen wäre.

Die damit gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Zwar sieht § 102 Abs. 1 VwGO die Ladung der Beteiligten vor. Ist jedoch ein Beteiligter, wie hier die Klägerin, durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist zwingend dieser nach § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu laden. Dies ist erfolgt. In der Ladung ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen worden, dass eine gesonderte Ladung seiner Mandantin nicht erfolge. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist auch zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erschienen. Im Übrigen wäre eine Verletzung von § 102 Abs. 1 VwGO durch rügeloses Einlassen zur Sache ohne unverzügliche Geltendmachung des Verstoßes (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO) geheilt.