Das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.
Juli 1995 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Münster - 3
K 3519/93.A - verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem
Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Es wird
aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Münster
zurückverwiesen.
Der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 1995 - 25 A 5452/95.A - ist
gegenstandslos.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat den Beschwerdeführerinnen die
notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerde-Verfahren
zu erstatten.
A.
Das Verfassungsbeschwerde-Verfahren betrifft die
Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Klage auf Anerkennung als
Asylberechtigter mangels Sachbescheidungsinteresses als
unzulässig abgewiesen werden darf, wenn die genaue Anschrift
eines minderjährigen, durch einen Vormund vertretenen
Klägers während des anhängigen Gerichtsverfahrens
infolge eines Wechsels des Aufenthaltsortes vorübergehend
nicht mehr bekannt ist.
I.
1. Die Beschwerdeführerinnen sind 1981 und
1985 geborene türkische Staatsangehörige kurdischer
Volkszugehörigkeit. Sie reisten im März 1993 in die
Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten im Juli 1993 ihre
Anerkennung als Asylberechtigte. Dazu machten sie geltend: Ihre
gesamte Familie, aus der einige Aktivisten der PKK stammten, stehe
wegen Verdachts der Unterstützung dieser Organisation unter
Druck. Ihr Vater sei deswegen gefoltert worden und Ende 1992 an den
Folgen der erlittenen Mißhandlungen gestorben. Ihre Mutter
habe daraufhin aus Furcht vor Verfolgung das Dorf verlassen und sie
- die Beschwerdeführerinnen - und zwei weitere ihrer
Schwestern bei einem Onkel zurückgelassen. Als dieser
ebenfalls verhaftet worden sei, seien sie zu ihren älteren
Schwestern nach Deutschland geschickt worden.
2. Nach persönlicher Anhörung der
Beschwerdeführerinnen lehnte das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) mit
Bescheiden vom 21. Juli 1993 die Anträge ab. Hiergegen erhoben
die Beschwerdeführerinnen, vertreten durch den Ehemann einer
der älteren Schwestern als Vormund, Klage. Mit Beschluß
vom 27. Juni 1995 bewilligte das Verwaltungsgericht den
Beschwerdeführerinnen Prozeßkostenhilfe und
übertrug den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als
Einzelrichter. Dieser bestimmte mit Verfügung vom gleichen
Tage Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 20. Juli 1995.
Hierzu wurden die Beschwerdeführerinnen über ihren
Vormund sowie ihr Prozeßbevollmächtigter geladen; das
persönliche Erscheinen der Beschwerdeführerin zu 1. wurde
angeordnet.
Zum Verhandlungstermin am 20. Juli 1995 erschienen
nur der Vormund der Beschwerdeführerinnen und ihr
Prozeßbevollmächtigter. Ausweislich der
Sitzungsniederschrift erklärte der Vormund auf Frage
wörtlich:
Die persönlich geladene Klägerin zu 1.
und die Klägerin zu 2. sind nicht erschienen, weil sie sich
bei ihrer älteren Schwester in Kiel aufhalten. Sie sind zu
Beginn der Ferien dorthin umgezogen. Ihren genauen Aufenthaltsort
kenne ich nicht. Es ist zwar richtig, daß ich die Ladung zum
Termin am 6. Juli 1995 als Vormund erhalten habe. Ich habe aber die
Klägerinnen über den Termin nicht informieren
können, weil sie damals schon nach Kiel umgezogen gewesen
sind. Sie sind Anfang Juni 1995 weggegangen...
Ferner äußerte er sich auf Befragen dazu,
welche Verwandten der Beschwerdeführerinnen noch in der
Türkei an welchen Orten lebten.
3. Mit dem aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 20. Juli 1995 ergangenen Urteil hat das Verwaltungsgericht
Münster die Klage mangels fortbestehenden
Sachbescheidungsinteresses der Beschwerdeführerinnen als
unzulässig abgewiesen. Der Aufenthaltsort der
Beschwerdeführerinnen sei unbekannt; sie hätten ihren
bisherigen Wohnort aufgegeben, ohne für ihre Erreichbarkeit in
dem noch anhängigen Verfahren Sorge zu tragen. Damit sei
offenbar geworden, daß sie in der Bundesrepublik Deutschland
keinen asylrechtlichen Schutz mehr suchten. Soweit ihr Desinteresse
an ihrem Asylverfahren auch auf das Verhalten ihres Vormundes
zurückzuführen sei, der sich offenbar um die Anschrift
der Beschwerdeführerinnen in Kiel nicht weiter gekümmert
habe, müßten sie sich dies wie eigenes Verhalten
zurechnen lassen.
4. Die Beschwerdeführerinnen beantragten die
Zulassung der Berufung wegen Abweichung und wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Mit Beschluß
vom 10. Oktober 1995 lehnte das Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen den Antrag ab: Die Frage, ob § 81
AsylVfG als Spezialvorschrift anzusehen sei, welche die Frage des
Rechtsschutzbedürfnisses abschließend regele, sei schon
nach dem Gesetz eindeutig in dem Sinne zu beantworten, daß
die im Verwaltungsprozeß geltenden allgemeinen Regeln
über die Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen und damit
des Rechtsschutzbedürfnisses nicht verdrängt würden.
In gleicher Weise ließen sich die Fragen nach der Zurechnung
des möglichen Verschuldens des Vormundes bzw. nach den
Voraussetzungen, unter denen aus dem Verhalten eines Dritten auf
den Wegfall des Rechtsschutzinteresses geschlossen werden
könne, unmittelbar aus dem Gesetz (§ 173 VwGO i.V.m.
§ 51 Abs. 2 ZPO, § 1793 Satz 1 BGB) beantworten.
Hinsichtlich der Folgerungen, die das Verwaltungsgericht aus der
Nichterreichbarkeit der Beschwerdeführerinnen und den
dafür vom Vormund angegebenen Gründen gezogen habe,
beruhe das Urteil nicht auf einem von der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts
abweichenden Rechtssatz.
II.
Mit der rechtzeitig erhobenen Verfassungsbeschwerde
rügen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung ihrer
Grundrechte aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 16a Abs. 1 GG durch das
Urteil des Verwaltungsgerichts und den Beschluß des
Oberverwaltungsgerichts. Zur Begründung tragen sie im
wesentlichen vor:
1. Wegen schwerer gesundheitlicher und sozialer
Probleme in der Familie ihrer älteren Schwester seien die
beiden mit ihnen zusammen nach Deutschland gekommenen Schwestern zu
einem anderen Verwandten nach Bochum geschickt worden, der auch die
Vormundschaft übernommen habe. Diese beiden Schwestern seien
inzwischen - seit dem 12. September 1994 bestandskräftig - als
Asylberechtigte anerkannt. Nachdem sich die Probleme in der Familie
der älteren Schwester und des Vormundes, in der sie - die
Beschwerdeführerinnen - sich aufgehalten hätten, weiter
verschärft hätten, hätten sie sich immer öfter
bei einer weiteren Schwester aufgehalten. Als diese mit ihrer
Familie im Juni 1995 nach Kiel umgezogen sei, habe sie die
Beschwerdeführerinnen mitgenommen. Bei Erhalt der Ladung habe
der Vormund die genaue Anschrift der Beschwerdeführerinnen in
Kiel noch nicht gekannt, weil ihm der Schwager diese entgegen einem
Versprechen nicht sofort, sondern erst kurz nach dem Termin
mitgeteilt habe. Inzwischen sei die ältere Schwester in Kiel,
Frau K..., bei der sich die Beschwerdeführerinnen aufhielten,
zum neuen Vormund bestellt worden.
2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletze Art.
19 Abs. 4 GG. Es habe den Ausnahmecharakter der Spezialvorschriften
in §§ 33 und 81 AsylVfG nicht berücksichtigt, die
für die Beendigung solcher Verfahren geschaffen worden seien,
welche vom Antragsteller nicht mehr betrieben würden. Die
Voraussetzungen dieser Vorschriften seien hier aber nicht
erfüllt. Deshalb verstoße es gegen die
Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, wenn den
Beschwerdeführerinnen fehlendes Rechtsschutzinteresse nur
deshalb unterstellt werde, weil infolge eines Umzuges während
des anhängigen Verfahrens ihr genauer Aufenthaltsort aktuell
nicht bekannt gewesen sei. Weder sie selbst noch ihr Vormund
hätten zu erkennen gegeben, daß ihnen an einer
Sachentscheidung nicht mehr gelegen sei.
Auch der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts
verletze Art. 19 Abs. 4 GG. Indem das Gericht die aufgeworfenen
grundsätzlichen Fragen als bereits aus dem Gesetz beantwortbar
behandelt habe, habe es für die Berufungszulassung eine
unüberwindbare Hürde aufgestellt.
III.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem
Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und den
Beteiligten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben.
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur
Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung eines in § 90 Abs.
1 BVerfGG genannten Rechts der Beschwerdeführerinnen angezeigt
ist (§§ 93a Abs. 2 Buchstabe b, 93b Satz 1 BVerfGG), und
gibt ihr statt. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts
verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus
Art. 19 Abs. 4 GG. Die für diese Beurteilung
maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das
Bundesverfassungsgericht bereits entschieden; hiernach ist die
Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet (§ 93c
Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
I.
1. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet den
Rechtsweg im Rahmen der jeweiligen einfach-gesetzlichen
Prozeßordnungen. Der Weg zu den Gerichten, insbesondere auch
zur inhaltlichen Überprüfung einer
Verwaltungsentscheidung, darf von der Erfüllung und dem
Fortbestand bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig
gemacht werden (vgl. BVerfGE 9, 194 <199 f.>; 10, 264 <267 f.>; 27, 297 <310>; 35, 65 <72 f.>; 40, 272
<274>; 77, 275 <284>). Die dem Gesetzgeber obliegende
normative Ausgestaltung des Rechtswegs muß aber das Ziel
dieser Rechtsgewährleistung, nämlich den wirkungsvollen
Rechtsschutz, auch tatsächlich verfolgen und ermöglichen.
Sie muß im Hinblick darauf geeignet und angemessen sowie
für den Rechtsuchenden zumutbar sein (BVerfGE 77, 275
<284>). Der Zugang zu den Gerichten und zu den in den
Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen darf nicht in
unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender
Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 78, 88
<99>; 88, 118 <124>). Dieser Grundsatz gilt auch
innerhalb des jeweils eingeleiteten Verfahrens, soweit es darum
geht, sich dort effektiv Gehör verschaffen zu können, und
nicht nur für die Eröffnung des Zugangs zum Gericht
selbst (BVerfGE 81, 123 <129>). Der gerichtlichen
Durchsetzung des materiellen Anspruchs dürfen auch hier nicht
unangemessen hohe verfahrensrechtliche Hindernisse in den Weg
gelegt werden (BVerfGE 53, 115 <127>).
2. Im Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG setzt jede an
einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein
Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. BVerfGE 61, 126
<135>; 96, 27 <39 f.>; Redeker/von Oertzen, VwGO
<12. Aufl. 1997>, § 42 Rn. 28; Ehlers in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO <Stand Februar
1998>, Vorb. § 40 Rn. 75). Nur derjenige, der mit dem von
ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein
rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch
auf eine gerichtliche Sachentscheidung; fehlt es daran, so ist das
prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen (vgl.
Kopp/Schenke, VwGO <11. Aufl. 1998>, Vorb. § 40 Rn.
30).
a) Das erforderliche Rechtsschutzinteresse kann im
Laufe eines gerichtlichen Verfahrens entfallen. Vom Wegfall eines
ursprünglich gegebenen Rechtsschutzbedürfnisses kann ein
Gericht im Einzelfall auch dann ausgehen, wenn das Verhalten eines
rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten Anlaß zu der
Annahme bietet, daß ihm an einer Sachentscheidung des
Gerichts nicht mehr gelegen ist. Eine hierauf gestützte
Abweisung eines Rechtsschutzbegehrens mangels
Sachbescheidungsinteresses begegnet grundsätzlich keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken.
Einen gesetzlichen Niederschlag hat dieser
Rechtsgedanke zunächst in § 81 AsylVfG (zuvor: § 33
AsylVfG 1982) für Rechtsstreitigkeiten über
Asylverfahren, seit dem 1. Januar 1997 für
verwaltungsrechtliche Streitigkeiten im allgemeinen in § 92
Abs. 2 VwGO in der Fassung des 6. Gesetzes zur Änderung der
Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996
(BGBl I S. 1626) gefunden. Danach gilt eine Klage - mit
der Folge der Einstellung des Verfahrens durch Beschluß (vgl.
§ 92 Abs. 3 VwGO) - als zurückgenommen, wenn ein
Kläger das Verfahren trotz einer Aufforderung des Gerichts
länger als drei Monate (in Rechtsstreitigkeiten nach dem
Asylverfahrensgesetz: länger als einen Monat) nicht betreibt.
Eine solche Beendigung eines gerichtlichen Verfahrens ohne
Entscheidung über das Rechtsschutzbegehren in der Sache setzt
voraus, daß nach dem prozessualen Verhalten des Beteiligten
hinreichender Anlaß besteht, von einem Wegfall des
Rechtsschutzinteresses auszugehen, daß das Gericht ihn
daraufhin zum Betreiben des Verfahrens auffordert und daß der
Beteiligte mit dieser Aufforderung auf die Folgen des (weiteren)
Nichtbetreibens des Verfahrens hingewiesen wird (vgl. dazu
näher BVerwGE 71, 213 <218 f.>). Regelungen dieser Art
sind mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, unterliegen aber in ihrer
Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlichen Grenzen unter
Beachtung ihres Ausnahmecharakters (vgl. BVerfG
<Vorprüfungsausschuß>, Beschlüsse vom 7.
August 1984 - 2 BvR 187/84 -, NVwZ 1985, S. 33 und vom 15. August
1984 - 2 BvR 357/84 -, DVBl 1984, S. 1005; 1. Kammer des Zweiten
Senats des Bundesverfassungsgerichts, Beschluß vom 19. Mai
1993 - 2 BvR 1972/92 -, NVwZ 1994, S. 62 f.; alle zu § 33
AsylVfG a.F.).
b) Inwiefern neben solchen ausdrücklichen
gesetzlichen Regelungen, denen die an das Verhalten eines
Rechtsschutzsuchenden anknüpfende Vermutung eines Wegfalls des
Rechtsschutzinteresses zugrunde liegt (vgl. Clausing in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietz-ner, VwGO, § 92 Rn. 46;
Kopp/Schenke, VwGO, § 92 Rn. 18), den Gerichten noch Raum
verbleibt, außerhalb der in § 81 AsylVfG und § 92
Abs. 2 VwGO bestimmten Vorausetzungen und außerhalb des dort
geregelten Verfahrens ein Rechtsschutzbegehren als unzulässig
abzulehnen, weil nach dem Verhalten des Beteiligten davon
auszugehen ist, daß er kein Interesse mehr an einer
Sachentscheidung des Gerichts hat (verneinend dazu nunmehr Kopp/
Schenke, VwGO, Vorb. § 40 Rn. 54), unterliegt als Frage der
Auslegung und Anwendung einfachen Verwaltungsprozeßrechts
nicht der verfassungsgerichtlichen Beurteilung. Maßgeblich
ist allein, daß den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG
entsprochen wird. Nach den unter B. I. 1. dargestellten
Maßstäben bedeutet dies: Will ein Gericht an ein
Verhalten eines Beteiligten während eines zulässigerweise
anhängig gemachten Verfahrens die weitreichende Folge einer
Abweisung des Rechtsschutzbegehrens als unzulässig mangels
Rechtsschutzinteresses und damit die Verweigerung effektiven
Rechtsschutzes in der Sache knüpfen, ohne den Beteiligten
vorher auf Zweifel am fortbestehenden Rechtsschutzinteresse
hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu geben, sie auszuräumen, so
müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die den sicheren
Schluß zulassen, daß den Beteiligten an einer
Sachentscheidung des Gerichts in Wahrheit nicht mehr gelegen
ist.
II.
Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen
genügt das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts nicht.
Ausweislich der dem Bundesverfassungsgericht vorliegenden Akten des
fachgerichtlichen Verfahrens haben die Beschwerdeführerinnen
das Verfahren bis zum Verhandlungstermin ordnungsgemäß
betrieben. Auch im Termin zur mündlichen Verhandlung waren sie
durch ihren damaligen Vormund und ihren
Prozeßbevollmächtigten ausreichend vertreten. Die
Tatsache, daß sie selbst zur mündlichen Verhandlung
nicht erschienen waren, rechtfertigte nicht die Annahme, daß
sie an einer Sachentscheidung über ihre Klage nicht mehr
interessiert gewesen seien. Für die Beschwerdeführerin zu
2. folgt dies ohne weiteres daraus, daß ihr persönliches
Erscheinen nicht angeordnet war (vgl. dazu auch 1. Kammer des
Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Beschluß vom
26. Mai 1994 - 2 BvR 1183/92 -, NVwZ Beilage 7/94, S. 50
<51>). Für die Beschwerdeführerin zu 1. gilt im
Ergebnis das gleiche: Zwar hatte das Gericht ihr persönliches
Erscheinen zum Verhandlungstermin angeordnet (§ 95 Abs. 1 Satz
1 VwGO). Insoweit sieht das Gesetz aber für den Fall des
Ausbleibens als Sanktion die Androhung und Festsetzung eines
Ordnungsgeldes (§ 95 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwGO), nicht hingegen
Konsequenzen für die weitere Verfolgung des
Rechtsschutzbegehrens in der Sache vor.
Der im angegriffenen Urteil gezogene Schluß
auf einen Wegfall des Sachbescheidungsinteresses aus der
Erklärung, die der seinerzeitige Vormund der
Beschwerdeführerinnen als Grund für deren Nichterscheinen
zu Protokoll gegeben hat, wird dem grundrechtlich durch Art. 19
Abs. 4 GG geschützten Interesse an effektivem gerichtlichen
Rechtsschutz nicht gerecht. Das Gericht überspannt mit ihm die
Anforderungen an das Verhalten eines rechtsschutzsuchenden
Bürgers, mit dem dieser zum Ausdruck bringen muß,
daß sein Interesse an einer Sachentscheidung des von ihm
zulässigerweise angerufenen Gerichts fortbesteht:
Das Verwaltungsgericht ist im angegriffenen Urteil
davon ausgegangen, daß die vom früheren Vormund der
Beschwerdeführerinnen abgegebene Erklärung zutreffend
ist; übrigens ist die in dieser Erklärung erwähnte,
in Kiel wohnhafte weitere Schwester der Beschwerdeführerinnen
im November 1995 zum neuen Vormund bestellt worden. Aufgrund des
vom damaligen Vormund geschilderten Sachverhalts bestand kein
Anlaß anzunehmen, die Beschwerdeführerinnen seien aus
eigenem Entschluß "untergetaucht" und wollten das Verfahren
auf Anerkennung als Asylberechtigte in Deutschland nicht mehr
betreiben. Die Anschrift des Vormundes, der als ihr gesetzlicher
Vertreter das Verfahren für sie zu betreiben hatte, war
weiterhin bekannt. Damit war auch die Erreichbarkeit der
Beschwerdeführerinnen für Zwecke des anhängigen
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über den Asylantrag
grundsätzlich gewährleistet; die im Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung erst zehn und dreizehn Jahre alten
Beschwerdeführerinnen selbst waren ohnehin nach § 62 Abs.
1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 12 Abs. 1 AsylVfG nicht zur Vornahme
irgendwelcher Verfahrenshandlungen fähig.
Allenfalls insofern, als es auf eine
persönliche Anwesenheit der Beschwerdeführerinnen vor
Gericht, etwa für Erklärungen zu ihrem
Verfolgungsschicksal, angekommen wäre, war vorübergehend
nicht sichergestellt, daß die Beschwerdeführerinnen
alsbald benachrichtigt werden konnten. Dazu, inwieweit dies
für die weitere Förderung des Verfahrens notwendig war,
verhält sich das Gericht im angegriffenen Urteil aber nicht,
so daß auch dahinstehen kann, ob ihre Angaben im
Asylverfahren überhaupt verwertbar sind (generell verneinend
unter Verweis auf den Zweck des Minderjährigenschutzes: Marx,
Kommentar zum AsylVfG, <3. Aufl. 1995>, § 12 Rn. 15;
differenzierend: BVerwG, Beschluß vom 18. November 1983 - 9
CB 252.81 -, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 80; BVerwG, Urteil vom
31. Juli 1984 - 9 C 156.83 -, NJW 1985, S. 576 f.; Funke-Kaiser in:
GK-AsylVfG, Stand: Oktober 1995, § 12 Rn. 21). Die
Beschwerdeführerin zu 1. ist zwar der Anordnung ihres
persönlichen Erscheinens nicht nachgekommen, jedoch hat hier
das gleiche zu gelten wie bei unvollständigen, unterbliebenen
oder widersprüchlichen Angaben Minderjähriger, aus denen
nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG,
Beschluß vom 18. November 1983 - 9 CB 252.81 -, a.a.O.;
BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 156.83 -, a.a.O.)
grundsätzlich keine negativen Schlußfolgerungen gezogen
werden dürfen. Im übrigen läßt sich dem
angegriffenen Urteil nicht entnehmen und liegt angesichts des hier
geltend gemachten familiären Verfolgungsschicksals auch fern,
daß der im Termin anwesende Vormund - der Ehemann der
älteren Schwester der Beschwerdeführerinnen - zur
Aufklärung des Sachverhalts nicht in der Lage gewesen
wäre. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat der Vormund zum
Sachverhalt Erklärungen abgegeben; die insoweit vom Gericht
gestellten Fragen zum Aufenthalt von Verwandten in der Türkei
zielten ersichtlich auf Feststellungen zu einer inländischen
Fluchtalternative.
Die den Beschwerdeführerinnen nach den
Zustellungsvorschriften des § 10 AsylVfG obliegende Pflicht
zur Mitteilung geänderter Anschriften traf aufgrund ihrer
mangelnden Handlungsfähigkeit nur ihren Vormund. Ob unter
§ 10 AsylVfG auch Wohnortwechsel nicht handlungsfähiger
Asylantragsteller fallen, erscheint freilich - da eine Zustellung
an sie selbst nicht zulässig wäre - fraglich, bedarf aber
hier keiner Entscheidung. Denn auch eine etwaige Zuwiderhandlung
gegen die Obliegenheit aus § 10 AsylVfG rechtfertigt hier
keinesfalls die vom Verwaltungsgericht getroffene Feststellung, die
Beschwerdeführerinnen hätten durch ihr Verhalten zu
erkennen gegeben, daß sie an einer Sachentscheidung des
Gerichts über ihr Asylbegehren nicht mehr interessiert seien.
Auch das Verhalten des damaligen Vormunds selbst, der als ihr
gesetzlicher Vertreter in der mündlichen Verhandlung anwesend
war, läßt ungeachtet der Frage, inwieweit ihm
überhaupt Versäumnisse vorzuwerfen sind und die
Beschwerdeführerinnen sich diese zurechnen lassen müssen,
schon nach seinem objektiven Erklärungswert nicht den
Schluß auf einen nachträglichen Wegfall des
erforderlichen Rechtsschutzinteresses zu.
III.
Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts ist
aufzuheben, die Sache ist an das Verwaltungsgericht
zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 i.V.m. § 93c Abs. 2
BVerfGG). Damit wird der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 1995
gegenstandslos.
Die Entscheidung über die Erstattung der
notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.