OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.11.2006 - 14 W 66/06
Fundstelle
openJur 2012, 65459
  • Rkr:

1. Wird eine gegen den Erben gerichtete Klage erst nach Einreichung aber noch vor Zustellung der Klage dadurch unzulässig, daß über den Nachlass des Erblassers das Insolvenzverfahren eröffnet wird, so hat der Erbe die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, wenn er den Kläger nach Ankündigung der Klageerhebung nicht darüber informiert hat, daß und wann er bereits Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat.

2. In einem solchen Fall handelt es sich bei den Prozesskosten nicht um Nachlassverbindlichkeiten, sondern um eigene Verbindlichkeiten des Erben.

3. Bei streitiger Entscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO geht die Kostenvergünstigung nach KV 1211 Nr. 1 verloren.

Tenor

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Landgerichts Offenburg vom 31.07.2006 - 2 O 95/06 - wird zurückgewiesen, soweit ihr nicht bereits durch Beschluß des Landgerichts vom 14.09.2006 abgeholfen worden ist.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert wird auf 4.264 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1. Die beiden Beklagten sind die Alleinerben ihres am 03.08.2004 verstorbenen Vaters, der sich am 26.09.2001 gegenüber der klagenden Bank für Verbindlichkeiten einer von ihm geführten GmbH - über deren Vermögen durch Beschluß des Amtsgerichts Offenburg vom 30.12.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde - bis zum Betrag von 82.000 DM (= 41.925,35 EUR) selbstschuldnerisch verbürgt hatte. Nachdem die Klägerin die Beklagten unter dem 10.11.2005 und dem 05.12.2005 zur Zahlung des Bürgschaftsbetrags bis zum 30.11. bzw. 20.12.2005 aufgefordert hatte, haben diese mit Anwaltsschreiben vom 29.12.2005 die beschränkte Erbenhaftung geltend gemacht und erklärt, daß Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den bei Berücksichtigung der klägerischen Forderung überschuldeten Nachlaß gestellt werde, falls die Klägerin auf ihrer Forderung bestehe. Daraufhin hat die Klägerin mit Schreiben vom 30.12.2005 mitgeteilt, daß sie an ihrer Forderung festhalte und daß die Klage erhoben werde, wenn der Bürgschaftsbetrag nicht bis zum 10.01.2006 bezahlt worden sei. Mit Anwaltsschreiben vom 30.01.2006 hat die Klägerin dem Anwalt der Beklagten angekündigt, daß die Forderung durch gerichtlichen Mahnbescheid weiterbetrieben werde.

2. Mit am 08.03.2006 beim Landgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom 07.03.2006 hat die Klägerin gegen die Beklagten Klage auf Zahlung von 40.903,35 EUR nebst Zinsen erhoben. Die Klageschrift wurde den Beklagten jeweils am 15.03.2006 zugestellt. Bereits zuvor, mit Beschluß vom 09.03.2006, hatte das Amtsgericht Offenburg auf Antrag der Beklagten vom 10.01.2006 das Insolvenzverfahren über den Nachlaß des Erblassers eröffnet. Aus diesem Grunde hat die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 13.04.2006 zurückgenommen und zugleich beantragt, die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten aufzuerlegen (§ 269 Abs. 4, Abs. 3 S. 3 ZPO). Die Beklagten haben demgegenüber die Auffassung vertreten, keinen Anlaß zur Klageerhebung gegeben zu haben, und beantragt, die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

3. Durch Beschluß vom 31.07.2006, der den Beklagten am 02.08.2006 zugestellt wurde, hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten auferlegt. Dagegen richtet sich die am selben Tag als Fax-Schreiben beim Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten vom 16.08.2006. Mit Beschluß vom 14.09.2006 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde lediglich dahingehend teilweise abgeholfen, daß den Beklagten als Erben die Beschränkung ihrer Haftung bzgl. der bis zum 03.08.2004 entstandenen Verfahrenskosten auf den Nachlaß des an diesem Tage verstorbenen Erblassers vorbehalten wird.II.

Das statthafte (§§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 269 Abs. 5 ZPO) und auch sonst zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg: Das Landgericht hat richtig entschieden.

1. Gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bestimmt sich die Kostentragungspflicht dann, wenn der Anlaß zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin zurückgenommen wird, unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Danach sind die Kosten in der Regel dem Beklagten aufzuerlegen, wenn die bei Einreichung der Klage noch bestehende Erfolgsaussicht vor Zustellung weggefallen ist und der Beklagte die Klageerhebung provoziert hatte. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er sich im Verzug befand (allgemeine Meinung in Rechtsprechung und Literatur, etwa OLGR München 2005, S. 57 f., 58; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005, Rdn. 16 zu § 269; Musielak/Foerste, ZPO, 4. Aufl. 2005, Rdn. 13 zu § 269).

2. Danach entspricht es - wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat - der Billigkeit, die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten aufzuerlegen, denn bei Einreichung der zu diesem Zeitpunkt noch zulässigen Klage befanden sich die Beklagten zumindest seit dem 21.12.2005 in Verzug. Unzulässig wurde die Klage erst durch die am Tage nach Einreichung der Klage und noch vor ihrer Zustellung erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlaß des Erblassers (§ 87 InsO). Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Beklagten, die Klageerhebung sei nicht in einer Weise durch ihr Verhalten veranlaßt worden, die es rechtfertige, ihnen die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Nach Überzeugung des Senats hätte die Klägerin von einer Klageerhebung nämlich abgesehen, wenn die anwaltschaftlich vertretenen Beklagten auf mit Anwaltsschreiben vom 30.01.2006 (AS. 67) erfolgte Ankündigung, die Forderung nunmehr gerichtlich geltend zu machen, nicht geschwiegen, sondern darauf hingewiesen hätte, daß bereits am 10.01.2006 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde. Richtig ist zwar der Hinweis der Beklagten, die Klägerin habe durch Nachfrage beim Insolvenzgericht von der Antragstellung Kenntnis erlangen können. Indessen wäre es - jedenfalls in Hinblick auf die zwischen den Parteien erfolgte Korrespondenz - Sache der sich im Verzug befindlichen Beklagten gewesen, die Klägerin von der Stellung des Insolvenzantrags zu unterrichten.

Fehl geht die Auffassung der Beklagten, der angefochtene Beschluß des Landgerichts sei auch deshalb fehlerhaft, weil er die Beklagten entgegen § 1975 BGB mit Kosten belaste. Sie verkennen, daß es sich bei den Prozesskosten nicht um Nachlaßverbindlichkeiten (§ 1967 Abs. 2 BGB), sondern um eigene Verbindlichkeiten handelt, die ihren Grund in der Provozierung der unnötigen Klageerhebung durch die Klägerin hat. Aus diesem Grund hat das Landgericht auch zu Recht den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung auf die bis zum Todestag des Erblassers entstandenen Verfahrenskosten beschränkt (hierzu Zöller/Stöber, a.a.O., Rdn. 7 zu § 780 m.w.N.).III.

Die Kostenfolge beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Beschwerdewert war nach dem Kosteninteresse auf 4.264 EUR festzusetzen. Bei der Berechnung des Beschwerdewerts war zu berücksichtigen, daß bei einer - wie hier - streitigen Entscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO die Kostenvergünstigung nach KV 1211 Nr. 1 verloren geht (& wenn keine Entscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO ergeht oder die Entscheidung einer zuvor mitgeteilten Einigung der Parteien über die Kostentragung oder der Kostenübernahmeerklärung einer Partei folgt).