VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.08.2010 - A 2 S 1134/10
Fundstelle
openJur 2012, 63337
  • Rkr:

Irakischen Staatsangehörigen sunnitischen Glaubens droht im Zentralirak keine Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure in Anknüpfung an ihre Religionszugehörigkeit.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 11. September 2008 - A 2 K 977/08 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger, nach seinen Angaben einen am & 1980 in Bagdad geborener irakischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit sunnitischen Glaubens, reiste im Januar 2008 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung gab er im Kern an, er habe mit seinem Auto eine Person Namens A... angefahren und daraufhin sei er von dessen schiitischer Familie mit Tod und Entführung bedroht worden.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - im Folgenden: Bundesamt - lehnte mit Bescheid vom 18.04.2008 den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen, verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG und drohte dem Kläger die Abschiebung in den Irak an.

Auf die dagegen am 02.05.2008 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 18.04.2008 verpflichtet, den Kläger als Flüchtling anzuerkennen. Im Übrigen - hinsichtlich des Asylanspruchs nach Art. 16a GG - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Kläger habe eine politische Verfolgung aus individuellen Gründen nicht glaubhaft gemacht. Soweit er sich auf die Bedrohung durch eine schiitische Familie berufe, sei sein Vorbringen nicht glaubhaft. Es weise erhebliche Widersprüche und Steigerungen auf. So habe der Kläger in der Anhörung vor dem Bundesamt geltend gemacht, er habe eine Person namens A... angefahren, und diese habe sich eine Verletzung am Bein zugezogen. In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger sein Vorbringen dahingehend gesteigert, dass eine Person bei dem Unfall getötet worden sei. Auf Hinweis auf den Widerspruch habe der Kläger angegeben, die getötete Person habe eine Frau dabei gehabt, welche verletzt worden sei. Während der Kläger beim Bundesamt behauptet habe, der Unfall habe sich im Juni 2007 ereignet, habe er in der mündlichen Verhandlung angegeben, es sei etwa vier Monate vor seiner Ausreise gewesen. Danach hätte sich der Unfall im August 2007 ereignet haben müssen. Während der Kläger beim Bundesamt noch die Namen des Verletzten (A...), dessen Bruders und des Vaters genannt habe, habe er in der mündlichen Verhandlung behauptet, er wisse nur noch den im Ausweis des Verstorbenen stehenden Namen (Mohammad Jabar). Beim Bundesamt habe der Kläger angegeben, einen Monat inhaftiert gewesen zu sein, in der mündlichen Verhandlung habe er behauptet, es seien insgesamt ca. 1 Monat und 25 Tage gewesen.

Dem Kläger drohe im Irak aber in Bagdad mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an seine sunnitische Religionszugehörigkeit anknüpfende Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure, gegen die Schutz zu gewähren, der irakische Staat nicht in der Lage sei. Sunniten und Schiiten würden wechselseitig von jeweils militanten Vertretern der gegnerischen Religion verfolgt. Eine inländische Fluchtalternative stehe dem Kläger nicht zur Verfügung.

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 12.01.2009 die Berufung zugelassen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 11.09.2008 - A 2 K 977/08 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die angefallenen Akten des Bundesamts und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf deren Inhalt und auf die mit dem Anhörungsschreiben vom 22.07.2010 mitgeteilten Erkenntnismittel wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

II.

Die Entscheidung ergeht durch Beschluss nach § 130 a VwGO, da der Senat das zulässige Rechtsmittel der Beklagten einstimmig für begründet erachtet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§§ 130 a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die zulässige Klage insgesamt abweisen müssen. Denn der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Auch hat das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zu Recht festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.

1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Begehrens des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG i.d.F. der Bekanntmachung vom 02.09.2008 (BGBl. I S. 1798) sowie § 60 Abs. 1 AufenthG i.d.F. der Bekanntmachung v. 25.02.2008 (BGBl. I S. 162). Die in diesen Bekanntmachungen berücksichtigten Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union v. 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz -, die am 28.08.2007 in Kraft getreten sind, hat das Verwaltungsgericht zu Recht seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

2. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach den genannten Bestimmungen allein damit begründet, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak wegen seines sunnitischen Glaubens mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure drohe, gegen die weder der irakische Staat noch sonstige nichtstaatliche Herrschaftsorganisationen Schutz gewähren könnten. Diese Annahme hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen vom hier nicht einschlägigen Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss. Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237).

Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung i.S. der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen i.S. v. § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a und b AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale i.S. v. § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (vgl. zu diesem Maßstab für eine Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure BVerwG, Urt. v. 21.04.2009, aaO).

Dabei ist es nicht erforderlich, die zahlenmäßigen Grundlagen der gebotenen Relationsbetrachtung zur Verfolgungsdichte mit quasi naturwissenschaftlicher Genauigkeit festzustellen. Vielmehr reicht es aus, die ungefähre Größenordnung der Verfolgungsschläge zu ermitteln und sie in Beziehung zur Gesamtgruppe der von Verfolgung Betroffenen zu setzen. Bei unübersichtlicher Tatsachenlage und nur bruchstückhaften Informationen aus einem Krisengebiet darf auch aus einer Vielzahl von Einzelinformationen eine zusammenfassende Bewertung des ungefähren Umfangs der asylerheblichen Verfolgungsschläge und der Größe der verfolgten Gruppe vorgenommen werden (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009, aaO).

b) Nach diesen Maßstäben droht dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak wegen seines sunnitischen Glaubens nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Gruppenverfolgung durch schiitische Milizen oder andere nichtstaatliche Akteure. Die Annahme einer Gruppenverfolgung der sunnitischen Bevölkerungsgruppe bezogen auf den Gesamtirak scheidet von vornherein aus. Bedenkenswert ist allein die Frage, ob die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil in Teilen des Zentraliraks und hier insbesondere in Bagdad ausgesetzt ist, bezogen auf die Größe dieser Gruppe die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte aufweisen. Auch für die Region Bagdad, in der der Kläger vor seiner Ausreise gelebt hat, kann dies jedoch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht bejaht werden.

aa) Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 11.4.2010 ist davon auszugehen, dass die Sicherheitslage im Irak nach wie vor sehr angespannt ist. Zwar hat seit Frühsommer 2007 die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle um ca. 80 % abgenommen. Besonders gefährdet sind jedoch nach wie vor Polizisten, Soldaten, Intellektuelle und alle Mitglieder der Regierung bzw. Repräsentanten des früheren Regimes, die inzwischen mit der neuen Regierung zusammenarbeiten, Mitglieder politischer Parteien, Mitarbeiter von Medien und freie Journalisten sowie Ärzte und medizinisches Personal. Dabei überlagern sich mehrere ineinander greifende Konflikte: der Kampf der irakischen Regierung und der multinationalen Streitkräfte gegen Aufständische; Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung; konfessionell-ethnische Auseinandersetzungen sowohl zwischen den großen Bevölkerungsgruppen (arabische Sunniten, arabische Schiiten und Kurden) als auch mit den Minderheiten (vor allem Christen und Jeziden); Kämpfe zwischen Milizen um Macht und Ressourcen.

Auch nach der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte vom Januar 2010 besteht für die irakische Bevölkerung weiterhin die Gefahr, das Opfer von Anschlägen zu werden, deren Urheber meist nicht eindeutig identifizierbar sind. Insbesondere in den Provinzen Bagdad, Diyala und Ninive komme es weiterhin zu zahlreichen Vorfällen mit Todesopfern. Die Gefahr, durch militärische Aktionen im klassischen Sinne zu Schaden zu kommen, sei jedoch zurückgegangen. Auch nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 5.11.2009 hat sich die Sicherheitslage im Zentral- und Südirak seit 2007 allgemein verbessert. Dennoch komme es weiterhin zu Anschlägen auf Militär, Polizei und Zivilisten. Die militanten Gruppierungen seien zwar geschwächt, jedoch noch immer in der Lage, Anschläge mit hohen Opferzahlen zu verüben. Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Sprengfallen gegen die Zivilbevölkerung führten zu Hunderten von Toten. Gezielten Anschlägen fielen vor allem Sicherheitspersonal, Beamte, religiöse und politische Führer, spezielle Berufsgruppen wie Journalisten, Lehrer, medizinisches Personal, Richter und Anwälte, aber auch Angehörige von Minderheiten zum Opfer. Ein Großteil der Gewalt sei in Provinzen mit gemischt ethnischer/religiöser Bevölkerung zu verzeichnen gewesen, insbesondere in den Gebieten in und um Bagdad sowie in den nördlichen Provinzen Ninive, Tamim und Diyala, wobei hier häufig Minderheiten betroffen gewesen seien.

Diese Einschätzung deckt sich im Wesentlichen mit der in der genannten Ausarbeitung des Informationszentrums ebenfalls wiedergegebenen Lagebeschreibung des amerikanischen Verteidigungsministeriums, wonach sich die Sicherheitslage im Irak verbessert habe, wenn auch unsicher sei, ob dieser Fortschritt bzw. Zustand erhalten werden könne. Die Aufständischen blieben aber in der Lage, sog. High Profile Attacks durchzuführen, die die Zivilbevölkerung und die irakischen Sicherheitskräfte zum Ziel hätten. Unter diese High Profile Attacks fielen Autobombenanschläge, Selbstmordanschläge mit Autobomben und sonstige Selbstmordattentate, die überwiegend gemischte Gebiete, wie Bagdad, Diyala, Mosul (Provinz Ninive) und Kirkuk (Provinz Tamim) beträfen.

Die dargestellte Verbesserung der Sicherheitslage im Zentralirak - insbesondere auch in Bagdad und der Umgebung von Bagdad - ab Mitte 2007 beruht im Wesentlichen auf der als surge bezeichneten amerikanischen Strategie, wonach die amerikanischen Streitkräfte aufgestockt wurden und ihr die Kooperation mit sunnitischen Stammeschefs sowie mit denjenigen sunnitischen Widerstandsgruppen, die sich mit Al-Qaida überworfen hatten, gelang (vgl. dazu u.a. Gutachten des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien - im Folgenden: EZKS - v. 30.09.2008 an VG Düsseldorf). Ein weiterer Grund für die Verbesserung der Sicherheitslage und den Rückgang der Gewalt war und ist die stattgefundene Entflechtung der Bevölkerung. So hat sich seit den Bombenanschlägen auf die (schiitische) Goldene Moschee in Samara im Jahre 2006 die demografische Struktur der Bevölkerung vor allem in vormals gemischt-konfessionellen Gebieten wesentlich verändert. Dies gilt insbesondere auch für Bagdad, wo in großem Umfang ein Bevölkerungsaustausch stattgefunden hat, so dass ursprünglich gemischte Stadtviertel heute ganz überwiegend entweder von der sunnitischen oder der schiitischen Bevölkerungsgruppe dominiert werden (vgl. dazu EZKS vom 30.09.2008 an VG Düsseldorf und UNHCR vom 16.09.2009 an den Hess. VGH).

bb) Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Entwicklung ergibt sich hinsichtlich der Anzahl der Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter folgendes Bild: Nach den Angaben der britischen Nichtregierungsorganisation Iraq Body Count, die seit dem Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte in den Irak die Verluste unter der irakischen Zivilbevölkerung zählt, sind diese im Jahr 2009 auf den niedrigsten Stand seit 2003 gefallen. Im Jahre 2008 habe die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung noch über 9.000 betragen, im Jahre 2009 habe sich die Zahl auf etwa 4.645 vermindert.

Im für die Beurteilung maßgeblichen Verfolgungsgebiet Bagdad habe es im Jahr 2008 2.914 Tote bei 784 Vorfällen gegeben. Für das Jahr 2009 hat die Organisation noch 1.585 Tote bei 278 Vorfällen gezählt. Dies sind - unter Berücksichtigung einer geschätzten Bevölkerungszahl in Bagdad von 6.450.000 - im Jahr 2008 rd. 50 Tote je 100.000 Einwohner und im Jahr 2009 rd. 24,6 Tote je 100.000 Einwohner. Bei der alternativ angenommenen Bevölkerungszahl von 7.145.470 ergaben sich danach rd. 40 Tote je 100.000 Einwohner im Jahre 2008 und rd. 22,2 Tote je 100.000 Einwohner im Jahre 2009 (vgl. dazu die Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamtes Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte vom Januar 2010).

Auf Grundlage dieser Informationen über die Anzahl der Todesopfer muss weiter berücksichtigt werden, dass die festgestellten Vorfälle bzw. Anschläge auch jeweils in erheblichem Umfang zu physisch und psychisch Verletzten geführt haben. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist ferner davon auszugehen, dass in bestimmtem Umfang verfolgungsrelevante Übergriffe nicht allgemein bekannt werden; dies gilt insbesondere für Übergriffe, die nur eine oder wenige Personen betreffen und deshalb keine Breitenwirkung entfalten. Andererseits können die in der Region Bagdad in den letzten Jahren insgesamt festgestellten Verfolgungshandlungen der Beurteilung einer Gruppenverfolgung von Sunniten nur teilweise zugrunde gelegt werden. Ein erheblicher Anteil der Anschläge im Beurteilungszeitraum hat sich gegen die im Irak lebenden Minderheiten und auch gegen die Mehrheitsbevölkerung der Schiiten gerichtet (vgl. dazu Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.04.2010; Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 05.11.2009 zur aktuellen Entwicklung im Zentral- und Südirak sowie UNHCR vom 16.09.2009 an den Hess. VGH). So kamen beispielweise bei Angriffen extremistischer Gruppierungen auf schiitische Pilger in Bagdad während des Arbaeen-Festes im Februar 2009 mindestens 65 Menschen ums Leben und weitere wurden verwundet. Bei den vorangegangenen Feierlichkeiten zum Jahrestag des Todes von Imam Hussein wurden ebenfalls Dutzende schiitische Pilger in Bagdad getötet oder verletzt (vgl. dazu nochmals UNHCR vom 16.09.2009 an Hess. VGH). Besonders gefährdete gesellschaftliche Gruppen sind nach wie vor Polizisten, Soldaten, Intellektuelle und alle Personen, die mit der neuen Regierung zusammen-arbeiten; auch Mitarbeiter der Ministerien sowie Mitglieder von Provinzregierungen werden regelmäßig Opfer von gezielten Anschlägen. Neben Straßen-Sprengfallen, Feuerwaffen-Überfällen und Selbstmordanschlägen auf öffentliche Märkte, Polizeistationen und Verwaltungsgebäude im Laufe des Jahres 2009 kam es in jüngerer Zeit vor allem zu Großanschlägen auf Ministerien der Zentralregierung im Herzen der irakischen Hauptstadt, bei denen jeweils mehr als 100 Menschen ums Leben kamen und insgesamt mehr als 1.000 verletzt wurden. Am 19. August 2009 waren das Außen- und das Finanzministerium und am 25. Oktober 2009 das Justizministerium und das Bagdader Gouverneursamt Ziel der Anschläge. Am 8. Dezember 2009 richteten sich diese gegen Büros des Justiz-, Innen- und Arbeitsministeriums und am 25.01.2010 gegen vier Hotels in Bagdad, die von irakischen Abgeordneten und hohen Beamten, aber auch von internationalen Journalisten regelmäßig genutzt werden (vgl. dazu Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.04.2010). Danach richtete und richtet sich ein großer Teil der Anschläge und damit der flüchtlingsrelevanten Verfolgungshandlungen gerade nicht gegen Sunniten in Anknüpfung an ihre Religionszugehörigkeit, sondern gegen die Angehörigen der derzeitigen Regierung, die von schiitischen Parteien getragen wird. Es handelt sich mithin nicht um asylrechtlich beachtliche, an das Merkmal der sunnitischen Religionszugehörigkeit anknüpfende Maßnahmen. Bei einem anderen Teil der sicherheitsrelevanten Vorfälle handelt es sich zudem um rein kriminelle Verbrechen, die ebenfalls asylrechtlich unerheblich sind. Schließlich weisen die dargestellten Auskünfte darauf hin, dass ein weiterer Teil der Anschläge - etwa Selbstmordanschläge auf öffentlichen Märkten und Plätzen - als ungezielte terroristische Anschläge zu bewerten sind, die nicht zwischen der Religionszugehörigkeit der betroffenen Personen unterscheiden und die allein die Destabilisierung der Lage im Irak bezwecken.

Folglich sind die in Bagdad im Jahre 2008 festgestellten 784 Vorfälle und die im Jahre 2009 festgestellten 278 Vorfälle nur teilweise als Eingriffshandlungen zu bewerten, die in Anknüpfung an die sunnitische Religionszugehörigkeit der Betroffenen erfolgt sind. Auch unter Berücksichtigung der unübersichtlichen Tatsachenlage und einer gewissen Dunkelziffer nicht bekannter Übergriffe kann nach alledem davon ausgegangen werden, dass die gegen die Sunniten in Bagdad erfolgten asylerheblichen Verfolgungsschläge zwar zu einer beachtlichen Anzahl von Toten und Verletzten geführt haben, dass jedoch die Anzahl der Todesopfer unter den Sunniten in den Jahren 2008 und 2009 weit hinter den insgesamt festgestellten Opferzahlen von 2.914 Toten bzw. 1.585 Toten zurückbleibt.

Die dargestellten Eingriffshandlungen gegenüber Sunniten in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erreichen - bezogen auf das maßgebliche Verfolgungsgebiet Bagdad - unter Berücksichtigung der Anzahl der in Bagdad lebenden Sunniten nicht die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte. Die Einwohnerzahl in Bagdad wird auf 6.450.000 bis 7.145.470 geschätzt. Während die Bevölkerung in Bagdad im Jahre 2003 noch mehrheitlich sunnitisch geprägt war, stellen inzwischen schiitische Muslime in mehr als der Hälfte aller Bagdader Stadtteile die deutliche Bevölkerungsmehrheit. Nunmehr wird der Anteil der Sunniten an der Gesamt-bevölkerung von Bagdad auf ca. 30 % geschätzt (vgl. dazu die Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamtes vom Januar 2010; UNHCR vom 16.9.2009 an den Hess. VGH sowie EZKS vom 30.9.2008 an VG Düsseldorf). Im Hinblick auf eine danach anzusetzende Zahl von ca. 2.000.000 sunnitischen Muslimen ergibt eine Gesamtbewertung der Auskunftslage zwar, dass diese Bevölkerungsgruppe in erheblichem Umfang konfessioneller Gewalt ausgesetzt ist und insoweit eine Vielzahl einzelner Übergriffe festgestellt werden kann. Angesichts der Entwicklung in den letzten Jahren kann aber keine Rede davon sein, dass sich die Verfolgungshandlungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausgeweitet haben, dass für jeden der ca. 2.000.000 Sunniten in Bagdad die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht.

Diese Einschätzung kann auch unter Berücksichtigung der neuesten Entwicklung im Jahre 2010 uneingeschränkt aufrechterhalten werden. Im Hinblick auf den Abzug eines großen Teils der US-Streitkräfte und die Schwierigkeiten bei der Bildung einer neuen handlungsfähigen irakischen Regierung wird zwar befürchtet, dass die konfessionelle Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten wieder anwachsen könnte. Weitere spektakuläre Großanschläge, wie sie seit August 2009 wiederholt staatliche und öffentliche Einrichtungen getroffen haben, wurden auch im ersten Halbjahr 2010 verübt; solche Anschläge sind auch für die nähere Zukunft zu befürchten (vgl. dazu Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 5.11.2009 und Lagebericht des AA vom 11.4.2010). Auch die neuesten Anschläge in Bagdad sind aber nicht in erster Linie gegenüber Sunniten in Anknüpfung an deren Religionszugehörigkeit erfolgt, sie betrafen vielmehr hauptsächlich Angehörige der Regierung bzw. Sicherheitskräfte oder waren Ausdruck allgemeinen Terrors (vgl. dazu Süddeutsche Zeitung vom 11.5.2010: Dutzende Tote im Irak; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.6.2010: Neue Al-Qaida-Anschlagswelle im Irak; Die Welt vom 9.7.2010: Tote zum Märtyrer-Fest). Auch der jüngste Bombenanschlag Mitte Juli 2010, der sich diesmal gegen eine Schlange wartender Sunniten im Südwesten der irakischen Hauptstadt richtete, erfolgte gerade nicht in Anknüpfung an deren sunnitische Religionszugehörigkeit. Die Toten waren mehrheitlich Kämpfer der sunnitischen Sahwa-Miliz, die in einer Allianz mit den Amerikanern erfolgreich Al-Qaida bekämpfen und gerade ihren Sold abholen wollten. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Annahme auf, dass dieser blutige Selbstmordanschlag auf das Konto von Al-Qaida geht (Die Welt vom 19.7.2010). Auch der Umstand, dass sich nach den Parlamentswahlen, die am 7.3.2010 stattgefunden haben, inzwischen eine Koalitionsregierung der beiden großen schiitischen Parteienblocks abzeichnet und die Gefahr besteht, dass die Sunniten auch zukünftig von der Regierung ausgeschlossen sind (vgl. dazu Tageszeitung vom 6.5.2010 und Berliner Zeitung vom 6.5.2010) rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Betrachtung. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass der Konflikt zwischen den Religionsgruppen wieder aufflammen könnte. Nach der derzeitigen Ausgangslage können aber Verfolgungsschläge gegenüber Sunniten nicht in erforderlichem Umfang festgestellt werden und ist auch nicht ersichtlich, dass die erforderliche Verfolgungsdichte in überschaubarer Zukunft angenommen werden könnte.

cc) Die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte liegt auch dann nicht vor, wenn der Beurteilung nicht allein Bagdad, sondern auch die Region um Bagdad bzw. die Provinzen des Zentraliraks zugrunde gelegt werden. Dies gilt sowohl für die hauptsächlich von Sunniten bewohnten Provinzen Salahaddin und Al-Anbar als auch für die ethnisch und religiös gemischten Provinzen Diyala, Tamim und Ninive, in denen jeweils ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung der sunnitischen Glaubensrichtung angehört. Auch für dieses Gebiet lässt sich den Auskünften und Sachverständigengutachten nicht entnehmen, dass der Umfang der asylerheblichen Verfolgungsschläge, die an die sunnitische Religionszugehörigkeit anknüpfen, in Relation zu der Größe dieser Gruppen die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung rechtfertigen könnte (vgl. Lagebericht des AA vom 11.4.2010; Bundesamt für Asyl und Migration vom Januar 2010 sowie Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 5.11.2009).

3. Ein Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer anlassgeprägten Einzelverfolgung. Das Vorbringen des Klägers, mit dem er sinngemäß eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure - eine Familie schiitischer Religionszugehörigkeit habe einen Verkehrsunfall zum Anlass genommen, um ihn anknüpfend an seine sunnitische Religionszugehörigkeit mit dem Tode zu bedrohen - nach § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG geltend macht, ist unglaubhaft. Insoweit macht sich der Senat die Begründung des Verwaltungsgerichts in den Entscheidungsgründen seines Urteil vom 11.9.2008 (UA, S. 5 und 6) zu eigen (vgl. § 130 b S. 2 VwGO). Eine weitere Begründung war auch deshalb entbehrlich, weil insoweit seitens des Klägers im Berufungsverfahren kein weiterer Sachvortrag erfolgt ist.

4. Dem Vorbringen des Klägers sind auch keine Anhaltspunkte für die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG zu entnehmen.

5. Der Kläger erfüllt ferner nicht die Voraussetzungen für die Feststellung eines gemeinschaftsrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG oder eines nationalen Abschiebungsverbots nach Satz 1 der Vorschrift (vgl. zur prozessrechtlichen Bedeutung dieser Abschiebungsverbote und zu ihrem Verhältnis zueinander: BVerwG, Urt. v. 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198).

a) Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, durch den die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines subsidiären Schutzstatus bzw. subsidiären Schutzes in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall.

Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional (z.B. in der Herkunftsregion des Ausländers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (BVerwG, Urt. v. 24.06.2008, aaO).

Bei der Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kann sich eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben i.S. von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auch ausnahmsweise aus einer allgemeinen Gefahr für eine Vielzahl von Zivilpersonen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts ergeben, wenn sich die Gefahr in der Person des Ausländers verdichtet. Eine solche Verdichtung bzw. Individualisierung kann sich aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben, sie kann unabhängig davon aber auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urt. v. 14.07.2009 - 10 C 9/08 - BVerwGE 134, 188; ebenso EuGH, Urt. v. 17.02.2009 - Rs. C-465/07 - juris). Besteht ein bewaffneter Konflikt mit einem solchen Gefahrengrad nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Ausländers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehrt (BVerwG, Urt. v. 14.07.2009, aaO).

Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen. Nach der unter 2. dargestellten Auskunftslage kann selbst bei Annahme eines innerstaatlichen Konflikts in Bagdad nicht davon ausgegangen werden, dass der diesen Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist.

b) Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt im Fall des Klägers nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Auch eine solche Gefahrenlage kann im Falle des Klägers nicht angenommen werden. Soweit man seinem Vortrag gegenüber dem Bundesamt und auch gegenüber dem Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung am 11.09.2008 entnehmen kann, er sei einer Verfolgungsgefahr durch eine schiitische Familie deshalb ausgesetzt, weil er einen Familienangehörigen mit dem Kraftfahrzeug verletzt bzw. getötet habe und die Familie deshalb private Rache üben wolle, wird damit keine Eingriffshandlung in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter, sondern eine individuelle Gefahr i.S.v. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG geltend gemacht. Auch insoweit ist der Vortrag aber mit den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen als unglaubhaft zu bewerten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.