OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.02.2011 - 15 E 1485/10
Fundstelle
openJur 2012, 78438
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Für das Verfahren, in dem die Klägerinnen von der Beklagten verlangen, den Abschluss eines Vertrages über den Betrieb des Freizeitzentrums X. ( ) in E. zu unterlassen, solange nicht in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren der Vertragspartner ausgewählt worden ist (Klageantrag zu 1.), bzw. solange nicht die Europäische Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV über die Vereinbarkeit des Vertrages mit Art. 107 Abs. 1 AEUV entschieden habe, ist nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Zivilrechtsweg eröffnet. Dies hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt. Der Senat nimmt hierauf Bezug.

Mit Blick auf das Beschwerdevorbringen ist zu ergänzen: Der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist für den Klageantrag zu 1. nicht deshalb eröffnet, weil es sich bei dem in Aussicht genommenen Vertragsschluss um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession handeln würde. Richtig ist, dass der Senat entschieden hat, dass bei einem Streit über die Vergabe einer Dienstleistungskonzession der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2006 - 15 E 453/06 , NWVBl. 2006, 342.

An dieser Einschätzung hält der Senat fest. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2007 - 6 B 10.07 , BVerwGE 129, 9; hierzu Özfirat-Skubinn, DÖV 2010, 1005,

gebietet keine andere Beurteilung. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss auch die vorgenannte Entscheidung des beschließenden Senats mit dem Hinweis in Bezug genommen, der dort niedergelegten Rechtsauffassung nicht folgen zu können. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bezieht sich aber auf einen anderen Fall. Sie ist nicht zur Vergabe einer Dienstleistungskonzession ergangen, sondern behandelt ausschließlich die Vergabe von öffentlichen Aufträgen mit einem Auftragswert unterhalb der in der Vergabeordnung genannten Schwellenwerte. Es ist daher in Ermangelung konkreter Anhaltspunkte, der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts solle sich auch auf die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen beziehen, nicht davon auszugehen, das Bundesverwaltungsgericht habe zu dieser - von ihm aus Anlass des zu beurteilenden Falles auch gar nicht zu entscheidenden Frage - überhaupt Stellung beziehen wollen.

Vorliegend steht jedoch nicht die Vergabe einer Dienstleistungskonzession in Rede.

Vgl. zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen Fritz/Seidler, EuZW 2010, 933; vgl. zur Abgrenzung von Dienstleistungskonzessionen und Dienstleistungsaufträgen Bultmann, NVwZ 2011, 72.

Eine Dienstleistungskonzession ist ein Vertrag, der von einem Dienstleistungsauftrag nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.

Vgl. Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, ABL L 134 vom 30. April 2004, S. 114.

Ein Dienstleistungsauftrag ist ein zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern schriftlich geschlossener entgeltlicher Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung (vgl. Art. 1 Abs. 2a der vorgenannten Richtlinie; Hervorhebung durch den Senat). Abgesehen von der fakultativen Zahlung eines Preises, also einer Geldzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Vertragspartner, ist eine Dienstleistungskonzession demnach durch das Merkmal der Unentgeltlichkeit gekennzeichnet, d. h. der öffentliche Auftraggeber gewährt keine unmittelbaren oder mittelbaren geldwerten Vorteile.

Gemessen hieran steht vorliegend nicht die Vergabe einer Dienstleistungskonzession in Rede. Allerdings soll der Vertragspartner der Beklagten vertraglich verpflichtet werden, das Freizeitzentrum X. einschließlich der zugehörigen Gastronomie zu betreiben. Eine Geldzahlung der Beklagten an den Vertragspartner ist nicht vorgesehen, im Gegenteil muss dieser an die Beklagte einen Pachtzins entrichten (§ 3 des Vertragsentwurfs). Der Vertragspartner soll aber für seine Tätigkeit jenseits der Zahlung eines Preises einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil erhalten, der die Annahme einer Dienstleistungskonzession ausschließt: Nach § 10 Abs. 2 des Vertrages kann die Beklagte Räumlichkeiten des Freizeitzentrums X. für ca. 40 Veranstaltungen im Jahr "zurückmieten". Es handelt sich hierbei nicht lediglich um eine Option, von der die Beklagte nach eigenem Gutdünken Gebrauch machen kann. Vielmehr sieht der Vertragsentwurf an verschiedenen Stellen diesbezüglich eine wirtschaftliche Absicherung des Vertragspartners vor, die ohne jeden Zweifel einen geldwerten Vorteil darstellt. Nach § 10 Abs. 2 des Vertrages soll ab 2012 eine verbindliche Buchung der Veranstaltungen der Beklagten bis zum 28. Februar eines jeden Jahres erfolgen. Entscheidend sind aber die Regelungen in § 10 Abs. 4 sowie § 16 des Vertrages. Nach § 10 Abs. 4 kann über die "Mietkonditionen" nachverhandelt werden, wenn die Zahl der von der Beklagten gebuchten Veranstaltungen um mehr als 10 % hinter der genannten Anzahl von 40 Veranstaltungen jährlich zurückbleibt. § 16 enthält sogar die Formulierung, dass die "Rückpacht durch die Stadt E. … ein wesentlicher Bestandteil des Pachtverhältnisses" sei, sie sei für den wirtschaftlichen Betrieb "unabdingbar". Anknüpfend an diese Einschätzung gewährt § 16 dem Vertragspartner ein Sonderkündigungsrecht für den Fall, dass die Verhandlungen nach § 10 Abs. 4 nicht zu einem für beide Seiten akzeptablen Verhältnis führen. Diesen Regelungen lässt sich in der Gesamtschau entnehmen, dass die Beklagte in ihrem eigenen Interesse, in dem Freizeitzentrum weiterhin Veranstaltungen ihres Jugendamtes durchführen zu können, ihrem Vertragspartner einen erheblichen, für eine erfolgreichen Vertragsdurchführung sogar als unverzichtbar erachteten wirtschaftlichen Vorteil in Aussicht stellt, wobei es sich angesichts des Eigeninteresses der Beklagten nicht etwa um bloß vage Absichtserklärungen handelt.

Auch für den Klageantrag zu 2. ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Die Klägerinnen machen einen Unterlassungsanspruch geltend, den sie aus Art. 107 Abs. 1 und Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV herleiten. Diese Vorschriften gehören unzweifelhaft dem öffentlichen Recht an. Sie dienen letztlich dazu, eine gleichheitswidrige Bevorzugung einzelner Wirtschaftsteilnehmer zu verhindern. Die Bindungen öffentlicher Auftraggeber an die sich aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht ergebenden Gebote der Gleichheit und Nichtdiskriminierung führen indes nicht dazu, deren Handeln als öffentlichrechtlich einzustufen und den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zu bejahen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden.

BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2007 - 6 B 10.07 , a. a. O.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Die Beschwerde nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG an das Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, weil einer der in § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG genannten Gründe nicht vorliegt.