VG Berlin, Beschluss vom 06.12.2007 - 12 A 1147.07
Fundstelle
openJur 2014, 17658
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Eilantrag, mit dem die Antragsteller hauptsächlich geltend machen, der Antragsgegner zu 2 - im Folgenden: Zentraler Wahlvorstand – sei nicht an die Stelle des Antragstellers zu 1 - im Folgenden: Studentischer Wahlvorstand - getreten und dessen Entscheidungen seien unwirksam, hat keinen Erfolg.

2Allerdings bestehen keine Zweifel an der Fähigkeit der Parteien, am Verfahren beteiligt zu sein. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2 – im Folgenden: Studierendenschaft -, die gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 Berliner Hochschulschulgesetz - BerlHG - eine rechtsfähige Teilkörperschaft der Hochschule ist, und der Antragsgegnerin zu 1 – im Folgenden: TU – bedarf dies keiner weiteren Erörterung. Auch der Studentische Wahlvorstand und der Zentrale Wahlvorstand sind beteiligtenfähig. Nach § 61 Nr. 2 VwGO sind Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, fähig am Verfahren beteiligt zu sein. Organe, die im Übrigen als „innerorganisatorische Subjekte“ kein Rechtsfähigkeit besitzen, sind bei einem Streit über ihr Handeln bei Ausübung ihrer Rechte und Pflichten als Organ gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 16. November 1989, - 6 UE 4294/88 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 1983, - 9 S 1682/82 -, KMK-HSchR 1984, 344 [346]). Dies ist vorliegend der Fall. Der Studentische Wahlvorstand ist für die ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung der Wahlen und Urabstimmung im Geltungsbereich der Satzung verantwortlich (§ 25 Satz 1 der Satzung der Studierendenschaft der Technischen Universität Berlin vom 25. Januar 2005 – Satzung -, Amtliches Mitteilungsblatt der TU Berlin Nr. 7/2005, S. 230). Er erlässt Richtlinien über die Wahlvorbereitung und -durchführung, entscheidet über Wahlanfechtung und nimmt weitere in der Wahlordnung der Studierendenschaft genannten Aufgaben wahr (§ 25 Satz 2 der Satzung). Dass es sich dabei um eine eigenständige Aufgaben handelt, ergibt sich aus § 17 Abs. 1 Satz 2 der Satzung, wonach der Studentische Wahlvorstand an die Beschlüsse des Studierendenparlaments nicht gebunden ist. Gerade um die Frage, ob diese Aufgaben vom Studentischen Wahlvorstand oder gemäß § 24 Abs. 2 der Satzung vom Zentralen Wahlvorstand wahrzunehmen sind, wird gestritten.

Der Beteiligtenfähigkeit des Studentischen Wahlvorstands steht auch nicht entgegen, dass ihm nur noch zwei Mitglieder angehören. Denn die Frage, ob der Studentische Wahlvorstand noch im Amt ist, ist gerade Gegenstand des hiesigen Verfahrens.

1. Soweit die Antragsteller beantragen, im Sinne einer vorläufigen Regelung festzustellen,

dass der Zentrale Wahlvorstand nicht am 1. Oktober 2007 oder durch rechtsaufsichtliche Verfügung oder sonst später für die Entscheidung über die Wahleinsprüche gegen die Wahl zum Studentenparlament der TU Berlin vom Juni 2007 zuständig geworden ist,

fehlt es an einem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch. Denn der Zentrale Wahlvorstand ist gemäß § 24 Abs. 2 der Satzung an die Stelle des Studentischen Wahlvorstands getreten. Dies folgt unmittelbar aus der Satzung; die Frage, ob im Schreiben des Präsidenten der TU an den Studentischen Wahlvorstand vom 17. Oktober 2007 eine Rechtsaufsichtsmaßnahme zu sehen ist, stellt sich mithin nicht.

7Nach § 24 Abs. 2 der Satzung tritt - ist kein Studentischer Wahlvorstand im Amt und ist gleichzeitig aus besonderem Grund die Wahl neuer Mitglieder unmöglich - an seine Stelle der Zentrale Wahlvorstand der Technischen Universität Berlin. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Studentische Wahlvorstand ist nicht mehr im Amt. Gemäß § 24 Abs. 1 der Satzung gehören dem Studentischen Wahlvorstand fünf Mitglieder und drei stellvertretende Mitglieder an. Vorliegend ist die Zahl der Mitglieder zum 1. Oktober 2007 auf nur noch zwei gesunken, nachdem Herr M. wegen Beendigung seines Studiums aus dem Studentischen Wahlvorstand ausgeschieden ist. Das Studierendenparlament hatte es nämlich bereits seit November 2006 versäumt, jeweils beim Ausscheiden der zurückgetretenen Mitglieder gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 der Satzung unverzüglich einen Nachfolger für das letzte (stellvertretende) Mitglied zu wählen. Dass der Studentische Wahlvorstand bei Unterschreiten einer bestimmten Mitgliederzahl nicht mehr im Amt ist, und nicht erst, wenn ihm gar keine Mitglieder mehr angehören, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 der Satzung, wenn darin von der „Wahl neuer Mitglieder“ und nicht etwa von der „Neuwahl des Studentischen Wahlvorstands“ die Rede ist. Es kann vorliegend auch dahinstehen, wie viele amtierende Mitglieder einem Studentischen Wahlvorstand mindestens angehören müssen, damit dieser noch „im Amt“ ist. Denn jedenfalls ist er nicht mehr im Amt, wenn er statt – wie in der Satzung vorgesehen – aus acht Personen (fünf Mitglieder und drei Stellvertreter) nur noch aus zwei Personen besteht. Er ist dann nach Auffassung der Kammer nicht mehr handlungsfähig. So könnte er weder gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 der Satzung einen Vorsitzenden wählen, wenn beide verbliebenen Mitglieder gegeneinander konkurrierten, noch könnte die Beschlussfähigkeit überhaupt hergestellt werden. Nach § 13 Abs. 2 der Satzung ist der Studentische Wahlvorstand beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder anwesend ist. Mit „stimmberechtigten Mitgliedern“ ist erkennbar die satzungsmäßig vorgesehene Zahl der Mitglieder gemeint, da ansonsten die Vorschriften über die Mandatsnachfolge gemäß § 6 Abs. 4 der Satzung, die sicherstellen sollen, dass für das jeweils ausscheidende Mitglied immer ein Nachrücker zur Verfügung steht, keinen Sinn hätten. Der Verweis auf die Stimmberechtigung bezieht sich im Übrigen ersichtlich auf § 12 Abs. 2 der Satzung, wonach die stellvertretenden Mitglieder ein Rede- und Antragsrecht, jedoch kein Stimmrecht besitzen. Dass es - wie die Antragsteller meinen – demgegenüber auf die Zahl der tatsächlich noch amtierenden Mitglieder ankäme, kann schon deshalb nicht zutreffen, weil – folgte man dieser Auffassung - der Wahlvorstand auch dann noch beschlussfähig wäre, wenn er nur noch ein Mitglied hätte. Dies wäre aber mit dem Charakter eines Gremiums, das gem. § 26 Abs. 1 der Satzung i .d.R. mehrheitlich Beschlüsse fasst, nicht zu vereinbaren.

§ 24 Abs. 2 der Satzung setzt weiter voraus, dass gleichzeitig aus besonderem Grund die Wahl neuer Mitglieder unmöglich ist. Da die Durchführung von Wahlen allenfalls dann vollständig unmöglich sein dürfte, wenn keine Kandidaten oder keine Wähler zur Verfügung stehen, ist die Vorschrift sinngemäß dahingehend auszulegen, dass Unmöglichkeit im Sinne der Vorschrift bereits dann vorliegt, wenn die Wahl unverhältnismäßige Schwierigkeiten mit sich bringen würde. Dies ist vorliegend der Fall. Dafür, dass die Wahl neuer Mitglieder faktisch nicht durchführbar war, spricht bereits, dass das Studierendenparlament nach seiner Konstituierung bereits nicht in der Lage war, das Gremium durch die Wahl sämtlicher stellvertretender Mitglieder ordnungsgemäß zu besetzen und auch anlässlich des Ausscheidens von ordentlichen Mitgliedern keine Nachwahlen anberaumt hat. Ein besonderer Grund, der die Wahl neuer Mitglieder unmöglich macht, liegt weiter darin, dass die ordentliche Sitzungsperiode des 27. Studierendenparlaments beendet ist. Denn jetzt ist aufgrund des Zeitdrucks die Nachwahl neuer Mitglieder des Studentischen Wahlvorstands nicht mehr möglich im oben dargelegten Sinn. § 7 Abs. 2 Satz 1 der Satzung macht deutlich, dass das neue Studierendenparlament zügig konstituiert werden soll. Dieser Zeitdruck wird dadurch verstärkt, dass die Vorlesungszeit erst am 15. Oktober 2007 begann, die Sitzungsperiode eines Studierendenparlaments nur ein Jahr beträgt und die Gefahr bestand, dass sich die dringend erforderlichen Entscheidungen über die Einsprüche gegen das Wahlergebnis und die nunmehr anstehende Urabstimmung über das Semesterticket für das Sommersemester 2008 unangemessen verzögert hätten.

2. Soweit die Antragsgegner weiter beantragen, im Sinne einer vorläufigen Regelung festzustellen,

dass die Entscheidung des Zentralen Wahlvorstands vom Dienstag, den 20. Oktober 2007 über die Gültigkeit der Wahl zum Studentenparlament der TU Berlin vom Juni 2007 rechtsunwirksam ist,

hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg. Zunächst ist festzustellen, dass nach den eigenen Ausführungen der Antragsteller am 30. Oktober 2007 eine Entscheidung über die Gültigkeit der Wahlen zum Studentenparlament durch den Zentralen Wahlvorstand nicht getroffen worden ist. Vielmehr hat der Zentrale Wahlvorstand in seiner Sitzung an diesem Tag die Einsprüche gegen die Wahl zurückgewiesen. Hinsichtlich des Inhaltes dieser Entscheidung fehlt es bereits an der Antragsbefugnis der Antragsteller gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog, da nicht sie, sondern ausschließlich die Einspruchsführer durch diese Entscheidung in ihren Rechten verletzt sein könnten. Dahinstehen kann auch, ob die Mitglieder des Zentralen Wahlvorstands zu der Sitzung am 30. Oktober 2007 rechtzeitig geladen wurden. Denn selbst bei einem Verstoß gegen eventuell einzuhaltende Ladungsfristen wären die Antragsteller nicht beschwert.

Soweit die Antragsteller sich sinngemäß gegen die Zuständigkeit des Zentralen Wahlvorstands für die Entscheidung über die Einsprüche wenden, ist ein Anordnungsanspruch nicht gegeben (s.o. 1.).

3. Auch der mit Schriftsatz vom 19. November 2007 gestellte Antrag,

eine vorläufige Regelung zu treffen, die die Schaffung vollendeter Tatsachen durch die Antragsgegner und insbesondere die Anordnung oder Durchführung einer Urabstimmung zum Semesterticket durch sie vor einer Entscheidung in der Hauptsache verhindert,

hat keinen Erfolg.

Dem Antrag der Studierendenschaft fehlt schon deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie selbst mit Schreiben des Vorsitzenden des Allgemeinen Studentenausschusses vom 31. Oktober 2007 den Zentralen Wahlvorstand mit der Vorbereitung und Durchführung der Urabstimmung beauftragt hat, „um eine rechtzeitige Urabstimmung über die Weiterführung des Semestertickets zu gewährleisten und so nicht die Studierenden zu den Opfern einer rechtlich fragwürdigen Einmischung der Senatsverwaltung werden zu lassen“. Dass mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 zunächst der Studentische Wahlvorstand mit der Durchführung der Urabstimmung beauftragt wurde, ist demgegenüber unerheblich. Der Antrag des Studentischen Wahlvorstands ist zwar zulässig, aber unbegründet, da der Zentrale Wahlvorstand gemäß § 24 Abs. 2 der Satzung an die Stelle des Studentischen Wahlvorstands getreten ist (s.o. 1.).

4. Dem Antrag der Antragsteller, im Sinne einer vorläufigen Regelung anzuordnen,

dass die auf Montag, den 12. November 2007 um 18.00 Uhr vom Antragsgegner zu 1 anberaumte konstituierende Sitzung des neuen Studentenparlaments der TU Berlin nicht stattfinde, zumindest bis über die Einsprüche gegen die Wahl zum Studentenparlament gerichtlich entschieden ist,

fehlt schon deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Sitzung am 12. November 2007 nicht stattgefunden hat.

5. Ohne Erfolg beantragen die Antragsteller auch, im Sinne einer vorläufigen Regelung anzuordnen,

dass weitere rechtsaufsichtliche Maßnahmen des Antragsgegners zu 1 und der Kanzlerin der TU Berlin hinsichtlich des Wahlprüfungsverfahrens und der demokratischen Willensbildung der Studierendenschaft einstweilen zu unterbleiben haben.

Es fehlt bereits an dem für den auf vorbeugenden Rechtsschutz gerichteten Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzinteresse. Dass es den Antragstellern nicht zumutbar wäre, entsprechende Maßnahmen zunächst abzuwarten und sodann Rechtsbehelfe dagegen einzulegen, ist nicht ersichtlich. Nach Abschluss des Wahlprüfungsverfahrens ist auch nicht erkennbar, welche rechtsaufsichtlichen Maßnahmen unmittelbar bevorstehen sollten.

6. Der hilfsweise gestellte Antrag der Antragsteller,

eine vorläufige Regelung zu treffen, die die Schaffung vollendeter Tatsachen durch die Antragsgegner und insbesondere eine konstituierenden Sitzung des neuen Studentenparlaments sowie Wahlen zu den Organen der Studierendenschaft sowie weitere Eingriffe in das Wahlprüfungsverfahren vor einer Entscheidung in der Hauptsache verhindert,

hat ebenfalls keinen Erfolg.

Soweit der Antrag nicht bereits von den Begehren zu 1 bis 5 erfasst wird, ist ein Anordnungsanspruch schon deshalb nicht gegeben, weil die Beteiligten nicht über die Gültigkeit der Wahlen zum Studentenparlament streiten, sondern um die Frage, ob der Zentrale Wahlvorstand an die Stelle des Studentischen Wahlvorstands getreten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach der Billigkeit, den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil sie eigene Anträge gestellt und damit ein Kostenrisiko auf sich genommen haben.