BVerfG, Beschluss vom 06.04.2012 - 1 BvQ 13/12
Fundstelle
openJur 2012, 52864
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 L 745/12
Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweillgen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antrag auf Erfass einer einstweiligen Anordnung betrifft ein Versammlungsverbot des Regierungspräsidiums Gießen.

1. Der Antragsteller meldete am 16. März 2012 bei der Stadt Gießen für den 6. April 2012, Karfreitag, 16:30 Uhr bis 20:00 Uhr eine Kundgebung gegen das Tanzverbot an den Ostetfeiertagen auf dem Kirchplatz in Gießen an. Mit der Stadt Gießen fanden insoweit Kooperationsgespräche statt. Nach verwaltungsinternen Abstimmungsschwierigkeiten übte das Regierungspräsidium Gießen sein Selbsteintrittsrecht aus und verbot die Versammlung mit Verfügung vom 3. April 2012 aufgrund befürchteter Verstöße gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 des Hessischen Feiertagsgesetzes. Das Verbot begründete das Regierungspräsidium insbesondere damit, dass eine Kundgebung gegen das Tanzverbot an Karfreitag per se nicht dem ernsten Charakter des Karfreitags entsprechen könne und die vorzunehmende Abwägung zwischen Art. 8 GG und Art. 4 GG zugunsten der Religionsfreiheit ausfalle.

2. Gegen diese Verfügung erhob der Antragsteller Widerspruch und beantragte zugleich beim Verwaltungsgericht Gießen gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung dessen aufschiebender Wirkung.

3. Mit Beschluss vom 5. April 2012 lehnte das Verwaltungsgericht Gießen den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet ab, da nach summarischer Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung bestünden.

4. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines gegen die Verbotsverfügung erhobenen Widerspruchs. Er beruft sich insofern auf sein Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG. Die Eilbedürftigkeit begründet er ohne nähere Ausführungen damit, dass nur durch eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts eine mögliche Abwehr schwerer Nachteile gegeben sei und der einfachgerichtliche Instanzenzug schon aus zeitlichen Gründen einem Versammlungsverbot gleichkäme.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war abzulehnen, da er bereits unzulässig ist.

Er wird dem Grundsatz der Subsidiarität nicht gerecht.

Von diesem Grundsatz ist insbesondere das sich aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG unmittelbar ergebende Gebot der Rechtswegerschöpfung in Verfassungsbeschwerdeverfahren umfasst, er kommt jedoch in bestimmten Fallkonstellationen auch als allgemeiner Gesichtspunkt der Subsidiarität verfassungsrechtlicher Rechtsbehelfe zur Anwendung, wenn eine angemessene vorläufige Regelung in der Fachgerichtbarkeit noch erreichbar erscheint (vgl. BVerfGE 86, 46 <49>).

Vorliegend stand dem Antragsteller vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts gegen die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch das Rechtsmittel der Beschwerde zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof zur Verfügung. Von diesem Rechtsmittel hat er keinen Gebrauch gemacht, obwohl er über dieses Rechtsmittel ordnungsgemäß belehrt wurde und nach dem Beschwerdevortrag keine Gründe dafür ersichtlich sind, weshalb ihm die Einlegung dieses Rechtsmlttels nicht mehr möglich und zumutbar gewesen wäre.

Auch der Rechtsgedanke des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG rechtfertigt eine sofortige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht, da dem Antragsteller kein besonders schwerer Nachteil im Sinne dieser Vorschrift entsteht (vgl. BVerfGE 9, 120 <121>). Denn vorliegend geht es in der Sache um die, schwierige, noch ungeklärte Rechtsfrage, inwieweit die Versammlungsfreiheit an einem Feiertag aufgrund dessen religiös geprägten Charakters eingeschränkt werden kann. Die Klärung dieser Frage wäre aber ohnehin nicht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglich, sondern müsste gegebenenfalls einem Haupfsacheverfahren vorbehalten bleiben. Aueh wendet sieh der Antragsteller im Ergebnis gegen die Verfassungsmäßigkeit eines förmlichen Parlamentsgesetzes. Insoweit aber sind die Anforderungen an den besonders schweren Nachteil für die Begründung vorläufigen Rechtsschutzes besonders hoch (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. August 2009 - 1 BvQ 34/09 -, juris, Rn. 7). Danach ist vorliegend von einem besonders schweren Nachteil im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG nicht auszugehen. Auch wenn ein triftiger inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem beabsichtigen Versammlungszeitpunkt und dem Versammlungsthema besteht, kann der mit der Versammlung verfolgte Kommunikationszweck vorliegend grundsätzlich auch an einem anderen Tag erreicht werden.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.