BGH, Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 121/08
Titel
Sommer unseres Lebens
Fundstelle
openJur 2010, 559
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 11 U 52/07
Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. Juli 2008 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Klage mit dem Unterlassungsantrag und mit dem Antrag auf Erstattung der Abmahnkosten (325,90 € zuzüglich Zinsen) abgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin vermarktet den Tonträger "Sommer unseres Lebens" mit einer Aufnahme des Künstlers Sebastian Hämer, Sie beauftragte die L. AG mit der Überwachung des Titels im Internet. Am 8. September 2006 um 18.32 Uhr erfasste dieses Unternehmen einen Nutzer mit einer bestimmten IP-Adresse, der zu diesem Zeitpunkt den Tonträger "Sommer unseres Lebens" anderen Teilnehmern der Tauschbörse „eMule“ zum Herunterladen anbot. Nach der im Rahmen der daraufhin eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingeholten Auskunft der Deutschen Telekom AG war die IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet.

Die Klägerin hat beantragt,

dem Beklagten zu verbieten, die Tonträgerproduktion "Sommer unseres Lebens" mit Darbietungen des Künstlers Sebastian Hämer im Internet in sogenannten Tauschbörsen über Peer-to-Peer-Netzwerke bereitzustellen oder auf sonstige Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Ferner hat sie den Beklagten auf Schadensersatz (150 €) sowie auf Erstattung von Abmahnkosten (325,90 €) zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat den Beklagten bis auf einen Teil der Zinsforderung antragsgemäß verurteilt. Die Berufung des Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt (OLG Frankfurt GRUR-RR 2008, 279). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hat Anspru?che der Kla?gerin gegen den Beklagten aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG verneint. Hierzu hat es ausgefu?hrt:

Der Beklagte habe die Rechtsverletzung nicht selbst begangen, da er zum fraglichen Zeitpunkt urlaubsabwesend gewesen sei und sich sein PC in einem abgeschlossenen Bu?roraum befunden habe" der keinem Dritten zuga?nglich gewesen sei. Die Rechtsverletzung ko?nne daher nur von einem Dritten begangen worden sein, der die WLAN-Verbindung des Beklagten von außerhalb genutzt habe, um sich Zugang zu dessen Internetanschluss zu verschaffen. Fu?r diese - wie zu unterstellen sei - vorsa?tzliche rechtswidrige Urheberrechtsverletzung eines Dritten hafte der Beklagte nicht als Sto?rer. Der WLAN-Anschlussinhaber du?rfe nicht fu?r das vorsa?tzliche Verhalten beliebiger Dritter, die mit ihm in keinerlei Verbindung stu?nden, verantwortlich gemacht werden. Ein WLAN-Anschlussinhaber hafte im privaten Bereich deshalb nicht generell wegen der abstrakten Gefahr eines Missbrauchs seines Anschlusses von außen, sondern erst, wenn konkrete Anhaltspunkte hierfu?r bestu?nden. Daran fehle es im Streitfall.

Sto?rer ko?nne zwar auch sein, wer die Mo?glichkeit einer Rechtsverletzung, zu der er einen ada?quat-kausalen Beitrag geleistet habe, nicht erkannt habe, sie aber ha?tte erkennen und mit zumutbaren Mitteln verhindern ko?nnen. Es erscheine aber fraglich, ob die Unterhaltung eines WLAN-Anschlusses als ada?quater Beitrag zu einer Urheberrechtsverletzung angesehen werden ko?nne, die ein vorsa?tzlich handelnder Dritter mit Hilfe dieses Anschlusses begehe. Jedenfalls sei dem Anschlussinhaber nicht zuzumuten, seinen Computer stets auf seine Kosten mit der neuesten Schutztechnik zu versehen. Solange keine konkreten Anhaltspunkte fu?r eine Rechtsverletzung bestu?nden, sei es dem Anschlussinhaber unzumutbar, Mittel aufzuwenden, um einen vorsa?tzlich rechtswidrigen Eingriff eines Dritten zu vermeiden, dessen Handeln dem Beklagten unter keinem Gesichtspunkt zuzurechnen sei. Das erschwere die Rechtsdurchsetzung nicht unzumutbar, weil immer dann, wenn der Anschlussinhaber von konkreten Rechtsverletzungen erfahre, seine Pru?fungs- und U?berwachungspflicht einsetze.

Schadens- und Aufwendungsersatzanspru?che ka?men erst recht nicht in Betracht. Ein Verschuldensvorwurf gegenu?ber dem Beklagten scheide aus. Nach Erhebungen aus der Praxis seien die Sicherheitsprobleme von WLAN-Anschlu?ssen weithin unbekannt oder wu?rden als nicht erheblich bewertet.

II.

Die Revision hat im Wesentlichen Erfolg. Sie fu?hrt hinsichtlich des Unterlassungsantrags sowie des Antrags auf Erstattung der Abmahnkosten zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht ist allerdings ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Beklagte nicht als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung nach §§ 19a, 97 UrhG haftet. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.

a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Rechtsverletzung urlaubsabwesend war und sich sein PC in einem abgeschlossenen Bu?roraum befand. Es besteht kein Anhaltspunkt dafu?r, dass der Computer des Beklagten während seines Urlaubs mit dem Internet verbunden war. Die Klägerin hat dies in den Vorinstanzen auch nicht geltend gemacht. Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob der Beklagte das fragliche Werk öffentlich zugänglich gemacht hätte, wenn sein Rechner, ausgestattet mit den maßgeblichen Daten und einer Tauschbörsensoftware, während seiner Abwesenheit eingeschaltet und mit dem Internet verbunden gewesen wäre, stellt sich daher im Streitfall nicht.

Wird ein geschu?tztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafu?r, dass diese Person fu?r die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (vgl. OLG Köln MMR 2010, 44, 45; GRUR-RR 2010, 173, 174). Dieser sekundären Darlegungslast ist der Beklagte jedoch nachgekommen, indem er - von der Klägerin unbestritten - vorgetragen hat, zum fraglichen Zeitpunkt im Urlaub gewesen zu sein, wa?hrend sich seine PC-Anlage in einem fu?r Dritte nicht zuga?nglichen, abgeschlossenen Bu?roraum befunden habe. Die Vorlage eines Routerprotokolls hat die Kla?gerin von dem Beklagten in den Vorinstanzen nicht verlangt. Unabha?ngig von der Frage, ob u?berhaupt ein solches Protokoll mit entscheidungserheblichem Inhalt ha?tte vorgelegt werden ko?nnen, war der computertechnisch nicht versierte Beklagte jedenfalls nicht verpflichtet, von sich aus ein Routerprotokoll vorzulegen. Das Berufungsgericht konnte deshalb ohne Rechtsfehler annehmen, dass die unmittelbar urheberrechtsverletzende Handlung nur von einem Dritten begangen worden sein konnte, der die WLAN-Verbindung des Beklagten von außerhalb nutzte, um sich Zugang zu dessen Internetanschluss zu verschaffen.

b) Es kommt auch keine ta?terschaftliche Haftung des Beklagten unter dem Aspekt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht (vgl. BGHZ 173, 188 Tz. 22 - Jugendgefa?hrdende Schriften bei eBay) in Betracht. Diese fu?r das Wettbewerbsrecht entwickelte Haftungsgrundlage setzt voraus, dass die Merkmale einer ta?terschaftlichen Haftung nach dem jeweiligen Haftungsregime erfu?llt sein mu?ssen. Wa?hrend im Lauterkeitsrecht das in Rede stehende Verhalten - die Ero?ffnung einer nicht hinreichend begrenzten Gefahr fu?r die geschu?tzten Interessen anderer Marktteilnehmer - ohne weiteres als eine unlautere gescha?ftliche Handlung eingeordnet werden kann, mu?ssen fu?r eine ta?terschaftlich begangene Urheberrechtsverletzung die Merkmale eines der handlungsbezogenen Verletzungstatbesta?nde des Urheberrechts erfu?llt sein. Im Streitfall mu?sste das Verhalten des Beklagten - also die Unterhaltung eines nicht ausreichend gesicherten privaten WLAN-Anschlusses - den Tatbestand der o?ffentlichen Zuga?nglichmachung des in Rede stehenden urheberrechtlichen Werkes (§ 19a UrhG) erfu?llen (vgl. zum Merkmal des Anbietens im Markenrecht BGHZ 158, 236, 250 - Internet-Versteigerung I). Dies ist indessen - wie dargelegt - nicht der Fall. Hinzu kommt, dass die Haftung fu?r die Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht in dem vom Senat entschiedenen Fall nicht zuletzt mit dem eigenen geschäftlichen Interesse begru?ndet worden ist, das der Betreiber der Handelsplattform verfolgt und das es rechtfertigt, von ihm eine besondere Ru?cksichtnahme auf Rechtsgu?ter zu verlangen, die durch sein Verhalten gefährdet werden.

c) Allerdings hat der Bundesgerichtshof nach Verku?ndung des Berufungsurteils entschieden, dass der private Inhaber eines Mitgliedskontos bei eBay sich so behandeln lassen muss, als habe er selbst gehandelt, wenn er das Konto nicht hinreichend vor dem Zugriff Dritter gesichert hat und es von einem Dritten benutzt wird, ohne dass der Kontoinhaber dies veranlasst oder geduldet hat (BGHZ 180, 134 Tz. 16 - Halzband). Die bei der Verwahrung der Zugangsdaten fu?r das Mitgliedskonto gegebene Pflichtverletzung stellt danach einen eigenen, selbständigen Zurechnungsgrund dar. Diese Entscheidung ist indes nicht auf den Fall der Nutzung eines ungesicherten WLAN-Anschlusses durch außenstehende Dritte u?bertragbar.

Der IP-Adresse kommt keine mit einem eBay-Konto vergleichbare Identifikationsfunktion zu. Anders als letzteres ist sie keinem konkreten Nutzer zugeordnet, sondern nur einem Anschlussinhaber, der grundsätzlich dazu berechtigt ist, beliebigen Dritten Zugriff auf seinen Internetanschluss zu gestatten. Die IP-Adresse gibt deshalb bestimmungsgemäß keine zuverlässige Auskunft u?ber die Person, die zu einem konkreten Zeitpunkt einen bestimmten Internetanschluss nutzt. Damit fehlt die Grundlage dafu?r, den Inhaber eines WLAN-Anschlusses im Wege einer unwiderleglichen Vermutung so zu behandeln, als habe er selbst gehandelt (vgl. BGHZ 180, 134 Tz. 16 - Halzband). Es ginge deshalb zu weit, die nicht ausreichende Sicherung eines WLAN-Anschlusses mit der unsorgfältigen Verwahrung der Zugangsdaten fu?r ein eBay-Konto gleichzusetzen. Dies wu?rde die WLAN-Nutzung im Privatbereich auch mit unangemessenen Haftungsrisiken belasten, weil der Anschlussinhaber bei Annahme einer ta?terschaftlichen Verantwortung unbegrenzt auf Schadensersatz haften wu?rde, wenn außenstehende Dritte seinen Anschluss in fu?r ihn nicht vorhersehbarer Weise fu?r Rechtsverletzungen im Internet nutzen.

d) Der Beklagte ist auch nicht Teilnehmer der durch den unbekannten Dritten begangenen Urheberrechtsverletzung. Ihm fehlt jedenfalls der dafu?r erforderliche Vorsatz (vgl. zum Markenrecht BGHZ 158, 236, 250 - Internet-Versteigerung I).

e) Haftet der Beklagte nicht als Ta?ter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung, scheidet ein Schadensersatzanspruch der Kla?gerin aus. Nicht zu beanstanden ist daher die Abweisung des Zahlungsantrags, soweit die Kla?gerin Schadensersatz begehrt hat.

2. Soweit das Berufungsgericht die Klage mit dem Unterlassungsantrag abgewiesen hat, kommt eine Besta?tigung dagegen nicht in Betracht. Denn entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die Kla?gerin den Beklagten als Sto?rer auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Das Berufungsgericht meint zwar, der Betreiber eines privaten WLAN-Anschlusses hafte nicht generell wegen der abstrakten Gefahr eines Missbrauchs seines Anschlusses durch einen Außenstehenden, sondern erst wenn konkrete Anhaltspunkte fu?r einen solchen Missbrauch bestu?nden. Dem kann aber fu?r den hier vorliegenden Fall nicht beigetreten werden, dass der WLAN-Anschluss ohne die auch im privaten Gebrauch verkehrsu?blichen und zumutbaren Zugangssicherungen betrieben wird.

a) Als Sto?rer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Ta?ter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und ada?quat kausal zur Verletzung des geschu?tzten Rechts beitra?gt (BGH, Urt. v. 18.10.2001 - I ZR 22/99, GRUR 2002,618, 619 = WRP 2002, 532 - Meißner Dekor I; BGH, Urt. v. 30.4.2008 -I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Tz. 50 = WRP 2008, 1104 - Internet-Versteigerung III). Da die Sto?rerhaftung nicht u?ber Gebu?hr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeintra?chtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Sto?rers nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Pru?fpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Sto?rer in Anspruch Genommenen nach den Umsta?nden eine Pru?fung zuzumuten ist (BGH, Urt. v. 15.10.1998 -I ZR 120/96, GRUR 1999,418,419 f. = WRP 1999, 211 - Mo?belklassiker; BGHZ 158, 343, 350 - Scho?ner Wetten; BGH, Urt. v. 9.2.2006 - I ZR 124/03, GRUR 2006, 875 Tz. 32 = WRP 2006, 1109 - Rechtsanwalts-Ranglisten).

b) Der Betrieb eines nicht ausreichend gesicherten WLAN-Anschlusses ist ada?quat kausal fu?r Urheberrechtsverletzungen, die unbekannte Dritte unter Einsatz dieses Anschlusses begehen. Auch privaten Anschlussinhabern obliegen insoweit Pru?fungspflichten, deren Verletzung zu einer Sto?rerhaftung fu?hrt.

aa) Es ist nicht ga?nzlich unwahrscheinlich, dass unberechtigte Dritte einen unzureichend gesicherten WLAN-Anschluss dazu benutzen, urheberrechtlich geschu?tzte Musiktitel im Internet in Tauschbo?rsen einzustellen. Die Unterlassung ausreichender Sicherungsmaßnahmen beruht auch auf dem Willen des Anschlussinhabers.

bb) Auch Privatpersonen, die einen WLAN-Anschluss in Betrieb nehmen, ist es zuzumuten zu pru?fen, ob dieser Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen hinreichend dagegen geschu?tzt ist, von außenstehenden Dritten fu?r die Begehung von Rechtsverletzungen missbraucht zu werden. Die Zumutbarkeit folgt schon daraus, dass es regelma?ßig im wohlverstandenen eigenen Interesse des Anschlussinhabers liegt, seine Daten vor unberechtigtem Eingriff von außen zu schu?tzen. Zur Vermeidung von Urheberrechtsverletzungen durch unberechtigte Dritte ergriffene Sicherungsmaßnahmen am WLAN-Zugang dienen zugleich diesem Eigeninteresse des Anschlussinhabers. Die Pru?fpflicht ist mit der Folge der Sto?rerhaftung verletzt, wenn die gebotenen Sicherungsmaßnahmen unterbleiben.

cc) Welche konkreten Maßnahmen zumutbar sind, bestimmt sich auch fu?r eine Privatperson zuna?chst nach den jeweiligen technischen Mo?glichkeiten (vgl. BGHZ 172, 119 Tz. 47 - Internet-Versteigerung II). Es wu?rde die privaten Verwender der WLAN-Technologie allerdings unzumutbar belasten und wa?re damit unverha?ltnisma?ßig, wenn ihnen zur Pflicht gemacht wu?rde, die Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafu?r entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Die Pru?fungspflicht im Hinblick auf die unbefugte Nutzung eines WLAN-Routers konkretisiert sich vielmehr dahin, dass jedenfalls die im Kaufzeitpunkt des Routers fu?r den privaten Bereich marktu?blichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend wirksam einzusetzen sind (vgl. dazu fu?r den Bereich der Verkehrssicherungspflichten BGH, Urt. v. 31.10.2006 - VI ZR 223/05, NJW 2007, 762 Tz. 11; Urt. v. 2.3.2010 - VI ZR 223/09 Tz. 9 f., VersR 2010, 544).

dd) Die dem privaten WLAN-Anschlussinhaber obliegende Pru?fungspflicht besteht nicht erst, nachdem es durch die unbefugte Nutzung seines Anschlusses zu einer ersten Rechtsverletzung Dritter gekommen und diese ihm bekannt geworden ist. Sie besteht vielmehr bereits ab Inbetriebnahme des Anschlusses. Die Gru?nde, die den Senat in den Fa?llen der Internetversteigerung dazu bewogen haben, eine Sto?rerhaftung des Plattformbetreibers erst anzunehmen, nachdem er von einer ersten Rechtsverletzung Kenntnis erlangt hat, liegen bei privaten WLAN-Anschlussbetreibern nicht vor. Es geht hier nicht um ein Geschäftsmodell, das durch die Auferlegung präventiver Pru?fungspflichten gefährdet wäre (vgl. BGHZ 158, 236, 251 f. -Internet-Versteigerung I). Es gelten auch nicht die Haftungsprivilegien nach § 10 TMG und Art. 14 f. der Richtlinie 2000/31/EG u?ber den elektronischen Geschäftsverkehr, die im Falle des Diensteanbieters nach § 10 Satz 1 TMG (Host Provider) einen weitergehenden Unterlassungsanspruch ausschließen. Das hoch zu bewertende, berechtigte Interesse, u?ber WLAN leicht und räumlich flexibel Zugang zum Internet zu erhalten, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die zum Zeitpunkt der Installation des WLAN-Routers auch im Privatbereich verkehrsu?blich vorhandenen Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung angewandt werden.

c) Die Klägerin kann den Beklagten als Störer auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Er hat unter Verletzung der ihm obliegenden Pru?fungspflicht eine Ursache dafu?r gesetzt, dass ein Dritter u?ber seinen unzureichend gesicherten WLAN-Anschluss die in Rede stehende Urheberrechtsverletzung begehen konnte.

aa) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der von der L. AG ermittelten IP-Adresse festgestellt, dass ein außenstehender Dritter den WLAN-Anschluss des Beklagten fu?r die das Verwertungsrecht der Klägerin verletzende Handlung benutzt hat.

(1) Der Beklagte hat zwar bestritten, dass die Klägerin korrekt an seine IP-Adresse gelangt sei, und geltend gemacht, bei der Feststellung der IP-Adresse des wirklichen Täters mu?sse ein Ermittlungsfehler unterlaufen sein. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts hat die L. AG aber die fragliche IP-Adresse mit Hilfe der von ihr entwickelten zuverlässigen und eingehend u?berwachten Software ermittelt.

Nachdem das Landgericht das pauschale Bestreiten des Beklagten als zu unbestimmt angesehen hatte und der Beklagte seinen Vortrag in zweiter Instanz nicht weiter substantiiert hat, konnte das Berufungsgericht insoweit ohne Rechtsfehler auf die Feststellungen des Landgerichts verweisen.

(2) Fu?r die Auskunft der Deutschen Telekom AG, wonach die ermittelte IP-Adresse im fraglichen Zeitpunkt dem WLAN-Anschluss des Beklagten zugeordnet war, bestand kein Beweiserhebungsverbot. Sie konnte deshalb vom Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler verwertet werden.

Ausku?nfte u?ber den Namen des hinter einer IP-Adresse stehenden Anschlussinhabers richten sich nach den Regelungen des Telekommunikationsgesetzes u?ber die Bestandsdatenabfrage (LG Stuttgart MMR 2005, 624, 628; LG Hamburg MMR 2005, 711; LG Wu?rzburg NStZ-RR 2006, 46; Sankol, MMR 2006, 361, 365; a.A. Bock in Beck'scher TKG-Kommentar, 3. Aufl., § 113 Rdn, 24; Ba?r, MMR 2005, 626). Es handelt sich nicht um Verkehrsdaten nach § 96 Abs. 1, § 113a TKG, die gema?ß § 100g Abs. 2, § 100b Abs. 1 StPO nur auf richterliche Anordnung erhoben werden du?rfen. Die Zuordnung einer zu einem bestimmten Zeitpunkt benutzten dynamischen IP-Adresse zu einem Anschlussinhaber entha?lt keine Aussage daru?ber, mit wem der Betreffende woru?ber und wie lange kommuniziert hat. Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, die IP-Adressen von Anschlussinhabern als Bestandsdaten einzuordnen (vgl. Begru?ndung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur A?nderung der Strafprozessordnung, BT-Drucks. 14/7008, S. 7; Begru?ndung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsu?berwachung ..., BT-Drucks. 16/5846, S. 26 f.). Die Ermittlung des einer konkreten IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeordneten Anschlussinhabers erfolgt daher auf der Grundlage der allgemeinen Befugnisse der Strafverfolgungsbeho?rden gema?ß § 161 Abs. 1 Satz 1 und § 163 StPO, so dass die Auskunft der Deutschen Telekom AG rechtma?ßig eingeholt worden ist.

(3) Der Beklagte hat vorgetragen, sein Computer sei zwar WLAN-fa?hig, bei der Installation im Jahre 2003/04 sei diese Funktion aber deaktiviert worden und die Vernetzung u?ber eine strukturierte Verkabelung erfolgt. Das steht indes einer Nutzung des WLAN-Zugangs durch einen Dritten am 8. September 2006 nicht entgegen. Vielmehr konnte das Berufungsgericht durch Bezugnahme auf die landgerichtlichen Feststellungen im Hinblick auf die von der Deutschen Telekom AG erteilte Auskunft davon ausgehen, dass der WLAN-Zugang des Beklagten zum fraglichen Zeitpunkt aktiviert war.

Entgegen dem Vortrag des Beklagten konnte sein WLAN-Router dann auch nicht wa?hrend seines Urlaubs u?ber einen der Stromversorgung seines PC-Systems dienenden Sammelstecker ausgeschaltet gewesen sein.

bb) Der Beklagte hat die ihm als Betreiber eines WLAN-Anschlusses obliegende Pru?fungspflicht hinsichtlich ausreichender Sicherungsmaßnahmen verletzt.

Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts hat der Beklagte allerdings keinen ga?nzlich ungesicherten WLAN-Zugang verwendet. Vielmehr war der Zugang auf seinen Router bei aktivierter WLAN-Unterstu?tzung werkseitig durch eine WPA-Verschlu?sselung geschu?tzt, die fu?r die Einwahl in das Netzwerk des Beklagten einen 16-stelligen Authentifizierungsschlu?ssel erfordert. Mangels anderweitiger Feststellungen kann jedenfalls fu?r September 2006 auch nicht davon ausgegangen werden, dass bei privater WLAN-Nutzung eine Verschlu?sselung nach dem WPA2-Standard verkehrsu?blich und damit geboten war, um unberechtigte Zugriffe Dritter auf das Drahtlosnetzwerk zu verhindern. Es belastete die Verwender dieser Technologie unzumutbar und damit unverha?ltnisma?ßig, wenn sie ihre Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anpassen und dafu?r entsprechende finanzielle Mittel aufwenden mu?ssten.

Die Pru?fpflicht des Beklagten bezieht sich aber auf die Einhaltung der im Kaufzeitpunkt des Rauters fu?r den privaten Bereich marktu?blichen Sicherungen. Diese Pflicht hat der Beklagte verletzt. Der Beklagte hat es nach dem Anschluss des WLAN-Routers bei den werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen belassen und fu?r den Zugang zum Router kein perso?nliches, ausreichend langes und sicheres Passwort vergeben. Der Schutz von Computern, Kundenkonten im Internet und Netzwerken durch individuelle Passwo?rter geho?rte auch Mitte 2006 bereits zum Mindeststandard privater Computernutzung und lag schon im vitalen Eigeninteresse aller berechtigten Nutzer. Sie war auch mit keinen Mehrkosten verbunden.

c) Auch wenn der Beklagte als Sto?rer haftet, kommt eine Verurteilung nach dem bislang gestellten Unterlassungsantrag nicht in Betracht. Denn der Antrag, es dem Beklagten zu verbieten, die Tontra?gerproduktion "Sommer unseres Lebens" im Internet in Tauschbo?rsen zuga?nglich zu machen, verfehlt die konkrete Verletzungsform.

Ein Unterlassungsanspruch steht der Kla?gerin nur insoweit zu, als sie sich dagegen wendet, dass der Beklagte außenstehenden Dritten Rechtsverletzungen der genannten Art ermo?glicht, indem er den Zugang zu seinem WLAN-Anschluss unzureichend sichert. Die Revision macht zwar geltend, dass sich ihr Antrag konkret auf diese Verletzungsform beziehe. Es wird aber nicht deutlich, dass er sich darauf beschra?nkt. Der Antrag bedarf daher der Einschra?nkung, die nur die Kla?gerin selbst vornehmen kann.

Der Umstand, dass der gestellte Unterlassungsantrag die konkrete Verletzungsform nicht erfasst, rechtfertigt andererseits nicht die Abweisung der Klage. Aus der Sicht des Berufungsgerichts bestand kein Anlass, darauf hinzuwirken, dass die Klägerin einen an der konkreten Verletzungsform orientierten Unterlassungsantrag stellt (§ 139 Abs. 1 ZPO). Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es unter diesen Umständen, der Klägerin die Möglichkeit einzuräumen, ihren Antrag auf die konkrete Verletzungsform anzupassen.

3. Hinsichtlich der geltend gemachten Abmahnkosten ist der Rechtsstreit ebenfalls noch nicht zur Entscheidung reif. Das Berufungsgericht hat bislang noch nicht gepru?ft, ob nach dem maßgeblichen Sachverhalt - unzureichende Sicherung eines WLAN-Anschlusses, die zum einmaligen öffentlichen Zugänglichmachen eines einzelnen Titels auf einer Tauschbörse gefu?hrt hat - die vom Vertreter der Kla?gerin angesetzte Gescha?ftsgebu?hr auf der Grundlage eines Streitwerts von 10.000 € zu berechnen ist (vgl. etwa LG Hamburg ZUM 2007, 869).