OLG Bremen, Beschluss vom 03.09.2008 - 5 WF 37/08
Fundstelle
openJur 2010, 69
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 70 F 200/08
Tenor

I.

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 30. April 2008 aufgehoben.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

II.

Die Gerichtsgebühr wird gemäß Nr. 1812 der Anlage 1 zum GKG auf die Hälfte ermäßigt.

Gründe

Der Antragsgegner wendet sich u. a. gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung.

I.

Mit Beschluss vom 14. Februar 2008 hat das Familiengericht dem Antragsgegner Prozesskostenhilfe bewilligt. Zugleich hat es monatliche Ratenzahlungen von 30,00 € angeordnet.

Gegen die Anordnung von Ratenzahlungen hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt. Nachdem das Familiengericht am 02.04.2008 einen Hinweis an den Antragsgegner verfügt hatte, wonach es beabsichtige den Prozesskostenhilfebeschluss gemäß § 124 Nr. 3 ZPO aufzuheben, hat es mit Beschluss vom 30. April 2008 „auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners“ wie angekündigt die Prozesskostenhilfebewilligung aufgehoben. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, der Antragsgegner verfüge über Grundeigentum und Lebensversicherungen. Die Tatsache, dass der Antragsgegner von Anfang an richtige Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht habe, begründe keinen Vertrauensschutz.

Hiergegen hat der Antragsgegner (erneut) sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567,569 ZPO statthafte und auch im Übrigen in zulässiger Weise, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat, hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Gegenstand der sofortigen Beschwerde des Antragsgegners ist der ursprüngliche Beschluss des Familiengerichts vom 14. Februar 2008 sowie der Beschluss vom 30. April 2008. Bezogen auf das Begehren, die Ratenzahlungsanordnung aufzuheben, ist der Beschluss vom 30. April 2008 als Nichtabhilfebeschluss zu qualifizieren. Hinsichtlich der - über die Ratenzahlungsanordnung hinausgehende - Aufhebung der Prozesskostenhilfe enthält der Beschluss vom 30. April 2008 eine neue Beschwer für den Antragsgegner. Mit seiner zweiten Beschwerde hat der Antragsgegner zum Ausdruck gebracht, dass er auch die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens machen will. Der Sache nach geht der Senat von einer Beschwerdeerweiterung und damit von einem Beschwerdeverfahren aus. Dafür spricht, dass der Antragsgegner mit seiner ursprünglichen Beschwerde ratenfreie Prozesskostenhilfe begehrt hat und dieses Begehren notwendig eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe voraussetzt.

2. Die Beschwerde hat nur insoweit Erfolg, als sich der Antragsgegner mit ihr gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wendet. Soweit er auch die Ratenzahlungsanordnung angreift, ist sie unbegründet.

a) Das Familiengericht hat mit der Aufhebung des Ausgangsbeschlusses gegen das auch im Beschwerdeverfahren nach § 127 ZPO geltende Verbot der reformatio in peius (Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage, § 127 Rn. 37) verstoßen. Danach ist der Rechtsmittelführer davor geschützt, dass er auf sein eigenes Rechtsmittel hin über die mit der angegriffenen Entscheidung vorhandene Beschwer hinaus weiter beeinträchtigt wird. An der Geltung des Verbots der reformatio in peius ändert auch der Umstand nichts, dass ein Aufhebungsverfahren nach § 124 ZPO bei Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen von Amts wegen möglich ist. Denn vorliegend hat das Familiengericht den Beschluss ausdrücklich "auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners" aufgehoben (vgl. den Wortlaut des Beschlusses vom 30. April 2008).

Die vom Familiengericht für seinen Aufhebungsbeschluss herangezogene Entscheidung des Senats aus dem Jahre 1985 (FamRZ 1985, 728) ist hier nicht einschlägig: Seinerzeit hatte der Rechtspfleger die Entscheidung des Familienrichters von Amts wegen zu Lasten des Antragstellers abgeändert; Beschwerde hatte der Antragsteller hingegen nicht eingelegt. Von daher bedarf es hier keiner Entscheidung darüber, ob der Senat an seiner Rechtsprechung festhält, wonach die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachträglich gemäß § 124 Nr. 3 ZPO aufgehoben werden kann, wenn - wie hier - dem Gericht bei der Würdigung vollständiger und richtiger Unterlagen ein Fehler unterlaufen ist (vgl. Senat, FamRZ 1985, 728 – a. A. die ganz h. M.: OLG Hamburg, FamRZ 1996, 874; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 124 Rn. 20, mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage, § 124 Rn. 13; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., § 124 Rn. 4; Musielak/Fischer, ZPO, 4. Aufl., § 124 Rn. 7).

b) Keinen Erfolg hat die sofortige Beschwerde, soweit der Antragsgegner mit ihr die Aufhebung der ursprünglichen Ratenzahlungsanordnung anstrebt. Denn seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse lassen eine monatliche Ratenzahlung von 30,00 € durchaus zu.

c)

Dabei kann dahin stehen, ob seinen – mit Schriftsatz vom 20. März 2008 vorgetragenen – Einwendungen zu folgen ist. Denn selbst wenn seine Einkommensverhältnisse eine Ratenzahlung nicht zuließen, wäre es ihm zumutbar, die Rate aus seinem Vermögen zu bedienen.

Zwar dürfte es dem Antragsgegner entgegen der Auffassung des Familiengerichts vorliegend nicht angetragen werden, seine Miteigentumshälfte an dem von seiner Ehefrau bewohnten Haus zu verwerten (vgl. insoweit auch die Einwendungen des Antragsgegners in der sofortigen Beschwerde vom 26. Mai 2008). Allerdings wäre zu erwägen, ob er gegen die Antragstellerin einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung wegen der Überlassung seines Miteigentumsanteils hat, den er für die Prozesskosten einsetzen könnte.

Jedenfalls ist es ihm zumutbar, eine der beiden bei der A. abgeschlossenen Lebens-versicherungen, die nicht für die Hausfinanzierung eingesetzt sind, für die Prozesskostenhilferate einzusetzen. Diese verfügen über Rückkaufswerte von 10.198,00 € (Vers.-Nr.:..) und 5.198,00 € (Vers.-Nr.: ...). Während sich erstere auf eine (unverbindliche) Gesamtleistung von 28.145,01 € zum 1. Juni 2022 beläuft, beträgt die Gesamtleistung der anderen Lebensversicherung lediglich 9.263 € zum selben Termin. Da der Antragsgegner zugleich noch Miteigentümer des Hausgrundstücks ist und im Rentenfall mit einer monatlichen Rentenzahlung von zwischen 1.072,40 € und 1.620,00 € rechnen kann, ist es ihm zuzumuten, zumindest die geringere Lebensversicherung für die Ratenzahlung einzusetzen.