OLG Hamburg, Urteil vom 14.11.2006 - 7 U 100/06
Fundstelle
openJur 2009, 1297
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung der Antragsgegner gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Geschäftsnummer 324 O 902/05, vom 7.2.2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner tragen die Kosten der Berufung.

Gründe

1. Mit der Berufung wenden sich die Antragsgegner gegen ein Urteil, welches eine einstweilige Verfügung bestätigt hat, mit der ihnen verboten worden ist, in Bezug auf den Antragsteller zu behaupten:

„Der Ex-Bauunternehmer, so der Vorwurf, soll mit frisierten Geschäftszahlen Bankkredite über rund 150 Millionen Euro ergaunert haben. (Den Vorwurf bestreitet er bis heute). Der Fall brachte ihm eine Haftstrafe von 5 Jahren wegen Beihilfe zur Untreue ein – und das Kreditinstitut an den Rand des Ruins. Vor gut zwei Jahren wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen(...).“

Anlass für diese einstweilige Verfügung war ein von dem Antragsgegner zu 2) verfasster Artikel, der in dem von der Antragsgegnerin zu 1) verlegten Wochenmagazin DER S... vom 14.11.2005 erschienen war, und der sich mit nicht aufgeklärten Verlusten einer Hamburger Firma VA T... befasste, deren stellvertretender Geschäftsführer bis Sommer des Jahres 2005 der in dem Artikel als „Matthias S“ bezeichnete Sohn des Antragstellers war. Zum Sachverhalt im Einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen den Antragsteller sowie gegen seinen Sohn laufen bei der Hamburger Staatsanwaltschaft wegen des Gesamtkomplexes Ermittlungsverfahren.

Die Antragsgegner beantragen,

das Urteil des Landgerichts abzuändern, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Zum Vorbringen im Übrigen wird auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze verwiesen

2. Die zulässige Berufung ist nicht begründet, da das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung einen Anspruch des Antragstellers aus §§ 823 Abs.1, 1004 Abs.2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs.1, 2 Abs.1 des Grundgesetzes für begründet erachtet hat.

Die Berufungsbegründung bietet keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

Die angegriffene Passage verletzt nämlich den Antragsteller in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. In ihr wird in identifizierender Weise über eine frühere Straftat des Antragstellers berichtet, wegen der der Antragsteller 4 ½ Jahre vor der Veröffentlichung rechtskräftig zu einer 5-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, weswegen er bis etwa 2 Jahre vor Veröffentlichung in Haft war.

a) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lässt sich anhand der Erstmitteilung die Person des Antragstellers durch eine Vielzahl von Personen identifizieren. Zwar trifft es zu, dass sein Name nicht erwähnt wird, und dass sein Sohn, dessen Nachnamen nur abgekürzt genannt wird, einen anderen Familiennamen trägt, als er, so dass dessen Anfangsbuchstaben nicht mit denjenigen des Namens des Antragstellers übereinstimmen. Der Artikel enthält jedoch weitere Zusatzinformationen, die die Identifikation ermöglichen bzw. erleichtern. So wird der Name und die genaue Anschrift der Firma VA T... genannt und ferner mitgeteilt, dass die Mutter des „Matthias S.“ Geschäftsführerin und Gesellschafterin mehrerer unter derselben Adresse residierender namentlich genannter Firmen sei, für die auch der Antragsteller tätig gewesen sei.

Auf Grund dieser Angaben konnten Personen, die diese Firmen kannten, für die der Ehemann der Geschäftsführerin tätig war, und die ihm bereits in dieser Eigenschaft begegnet waren, unschwer erkennen, von wem die Rede war. Gleiches gilt für alle diejenigen Personen, denen der Sohn des Antragstellers, dessen frühere Funktion in der Firma VA T... in dem Artikel zutreffend beschrieben wird und dessen Identität dadurch für sie feststeht, seinen Vater vorgestellt hatte. Auch Personen, denen gegenüber der Antragsteller die Position seines Sohnes in der genannten Firma erwähnt hatte, konnten anhand der Erstmitteilung ohne Weiteres auf die Person des Antragstellers als derjenigen rückschließen, von dessen früherer Verurteilung die Rede war. Darüber hinaus war es anhand des Artikels auch möglich, unter der genannten Adresse Erkundigungen über die Person des Ehemannes der Geschäftsführerin der genannten Firmen einzuholen. Damit war für eine unbestimmte Zahl von Lesern der Erstmitteilung die darin genannte Person des Antragstellers mühelos identifizierbar, die möglicherweise zuvor von der Verstrickung des Antragstellers in den österreichischen Bankenskandal keine Kenntnis gehabt hatten.

b) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, führt hier die Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Allgemeinheit und dem Persönlichkeitsrecht des Antragstellers zum Vorrang des Schutzes des Antragstellers. Auch der Senat geht dabei zunächst von dem Grundsatz aus, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Straftäter keinen Anspruch vermittelt, nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne überhaupt nicht mehr mit der Tat in der Öffentlichkeit konfrontiert zu werden. Ebenso führt auch die Verbüßung der Strafhaft nicht als solche dazu, dass der Betreffende unter allen Umständen „mit seiner Tat alleingelassen werden“ müsste, da die Verbüßung der Strafe lediglich dem Strafanspruch des Staates genüge leistet, nicht aber das Verhältnis des Täters zu Dritten berührt. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 25.11.1999 („Lebach II“; AfP 2000, 160 ff) ausgeführt hat, sind vielmehr im Einzelfall das Interesse des Betroffenen, insbesondere sein Interesse an der Wiedereingliederung in die Gesellschaft, welche zugleich im öffentlichen Interesse liegt, abzuwägen gegen das Berichterstattungs- oder Unterhaltungsinteresse. Dem gemäß hat das Bundesverfassungsgericht in dem genannten Fall kein überwiegendes Interesse des strafrechtlich Verurteilten jedenfalls deshalb angenommen, weil seinerzeit über diesen nicht identifizierbar berichtet werden sollte. Das Ergebnis der in jenem Verfahren vorgenommenen Abwägung kann aber nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden, weil hier, wenn auch nicht unter Namensnennung, die Person des Betroffenen für Personen, die die Familienverhältnisse innerhalb der namentlich genannten Firmen kennen, erkennbar ist.

Im vorliegenden Verfahren spricht zwar die Schwere der Vorwürfe, die zu der Vorverurteilung geführt hatten, und die Höhe des dadurch ausgelösten Schadens für ein erhebliches Informationsinteresse der Allgemeinheit. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand verblasst indessen auch dieses Interesse, wobei noch zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass der Schaden aufgrund der Taten, die damals zur Verurteilung führten, vor allem im Ausland eingetreten ist und damit die deutsche Öffentlichkeit weniger berührt haben. Auf der anderen Seite steht das Interesse des Antragstellers, wieder unbelastet am gesellschaftlichen Leben und am Geschäftsleben teilnehmen zu können, was bei Bekanntwerden der Tat und insbesondere der Höhe der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe auch noch Jahre nach Abschluss des Strafverfahrens in hohem Maße gefährdet wäre. Diesem Interesse gebührt der Vorrang, sofern es keinen konkreten aktuellen Anlass zu einer identifizierenden Berichterstattung gibt. Ein solcher Anlass ist hier nicht zu erkennen. Zwar schwingt in dem Artikel selbst der vage Verdacht mit, der Antragsteller könne mit den im Zuge der Überprüfung der Firma VA Tech zutage gekommenen Unregelmäßigkeiten irgendetwas zu tun haben. Irgendwelche belastenden Tatsachen, die einen solchen Zusammenhang nahe legen, haben die Antragsgegner jedoch nicht dargetan. Allein der Umstand, dass bei der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren auch gegen den Antragsteller geführt wird, und dass die nunmehr bestehenden Vorwürfe denjenigen nicht ganz unähnlich sind, die dem Antragsteller seinerzeit vorgeworfen worden waren, genügt dem nicht, solange keine konkreten Verdachtsmomente vorgetragen und glaubhaft gemacht werden. Dass allein die verwandtschaftlichen Beziehungen zu einem der Geschäftsführer der VA T... oder geschäftliche Verbindungen zu dieser Firma hierfür nicht ausreichen, liegt auf der Hand.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.

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