AG München, Schlussurteil vom 17.03.2011 - 213 C 917/11
Fundstelle
openJur 2012, 42848
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert wird auf EUR 2.849,00 festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht Schmerzensgeld und Schadensersatz sowie die Rückabwicklung des Vertrages anlässlich einer an ihr durch den Beklagten vorgenommenen Tätowierung geltend.

Der Beklagte betreibt ein Tätowierstudio in der ...str. in München. Am 14.07.2010 beauftragte die seinerzeit 17-jährige Klägerin ohne Einwilligung ihrer Eltern den Beklagten, ihr gegen ein Entgelt von EUR 50,00 auf die Innenseite eines Handgelenks ein sogenanntes koptisches Kreuz zu tätowieren, was durch den Beklagten entsprechend ausgeführt wurde. Die Klägerin entrichtete das Entgelt von EUR 50,00.

Nach Ablauf eines Zeitraums von etwas mehr als einer Woche suchte die Klägerin den Beklagten in seinen Geschäftsräumen auf und erklärte, die Tätowierung sei schief und müsse durch den Beklagten mittels eines Lasers entfernt werden, was der Beklagte ablehnte.

Der Vertragsschluss wurde weder durch die Eltern noch durch die Klägerin nach Eintritt der Volljährigkeit genehmigt.

Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 30.07.2010 ließ die Klägerin den Beklagten auffordern, das Entgelt von EUR 50,00 zurückzubezahlen und zu erklären, dass er die Behandlungskosten für die Entfernung der Tätowierung tragen werde. Der Beklagte kam der Aufforderung nicht nach.

Ausweislich eines Kostenvoranschlags der ... vom 26.11.2010 kostet die Entfernung einer derartigen Tätowierung mittels Laserbehandlung EUR 799,00.

Die Klägerin ist der Auffassung, eine Nachbesserung der Tätowierung durch den Beklagten sei ihr nicht zuzumuten gewesen. Es handle sich um rechtswidrige Körperverletzung, so dass Schadensersatz und Schmerzensgeld geschuldet seien.

Die Klägerin beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 849,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 50,00 seit 09.08.2010 und aus EUR 799,00 seit 11.12.2010 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu bezahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 120,67 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Die Tätowierung sei in der Weise angebracht worden, wie die Beklagte sie gewünscht habe. Bei ihrem Besuch in den Geschäftsräumen des Beklagten im Nachgang zu der vorgenommenen Tätowierung habe der Beklagte festgestellt, dass die Tätowierung extrem ausgewaschen und an einigen Stellen noch mit dicken Krustenstücken versehen gewesen sei, so dass die Klägerin vermutlich mit untauglichen Mitteln versucht habe, die Tätowierung abzukratzen, wodurch sie zerstört worden sei. Eine Nachkorrektur sei möglich gewesen, sei jedoch durch die Klägerin abgelehnt worden. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Darstellung in der Klageerwiderung vom 14.02.2011 verwiesen.

Die Tätowierung wurde in der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2011 in Augenschein genommen und die Klägerin diesbezüglich persönlich angehört. Wegen des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Das für die Tätowierung bezahlte Entgelt von EUR 50,00 kann nicht wegen Unwirksamkeit des Vertrages (§ 108 Abs. 1 BGB) nach Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) zurückgefordert werden.

Zwar ist ein Vertrag, den ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger ohne Einwilligung oder Genehmigung des gesetzlichen Vertreters abschließt, unwirksam; die Genehmigung wurde im vorliegenden Fall auch verweigert.

Eine Ausnahme gilt für Verträge, die der Minderjährige mit eigenen Mitteln erfüllen kann, die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind, § 110 BGB.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend erfüllt, da die Klägerin nach eigenen Angaben aus ihrer Erwerbstätigkeit bei einer Eisdiele monatliche Einkünfte von etwa EUR 200,00 bezog, die ihr frei zur Verfügung standen. Das Entgelt von EUR 50,00 für die Tätowierung konnte die Klägerin somit aus eigenen Mitteln ohne weiteres bezahlen.

Der Vertrag mit dem Beklagten ist demnach wirksam zustande gekommen.

II.

Die Klägerin kann das für die Tätowierung geleistete Entgelt auch nicht nach §§ 634 Nr. 3, 638 BGB mindern oder nach §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB Schadensersatz, insbesondere für die Kosten der in Aussicht genommenen Laserbehandlung, verlangen.

Bei dem Tätowiervertrag handelt es sich um einen Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB, so dass der Klägerin die Rechte nach § 634 Ziff. 3 und 4 BGB grundsätzlich zustehen.

Voraussetzung beider Ansprüche ist jedoch, dass dem Beklagten zuvor eine Frist zur Nachbesserung gesetzt wird (vgl. § 280 Abs. 1 BGB bzw. § 323 Abs. 1 BGB). Der Beklagte war nach unbestrittenen eigenen Angaben zur Nachbesserung bereit.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Nachbesserung der Klägerin im vorliegenden Fall unzumutbar gewesen wäre (§ 636 BGB) gibt es nicht.

Wie die Klägerin bei ihrer persönlichen Anhörung anlässlich der Inaugenscheinnahme der Tätowierung ausgeführt hat, beanstandet sie an der Tätowierung in erster Linie uneinheitliche Proportionen. Es erscheint naheliegend, dass eine Nachbesserung diesbezüglich unkompliziert möglich ist.

Die Unzumutbarkeit ergibt sich auch nicht aus dem Sachvortrag, wonach es sich bei einer Tätowierung um eine dauerhafte Gestaltung des Körpers handele, nachdem diese dauerhafte Gestaltung grundsätzlich dem Wunsch der Klägerin entsprach und es bei der Nachbesserung gerade darum geht, die dauerhafte Gestaltung in einer der Klägerin gefälligen Art und Weise auszuführen.

III.

Letztlich steht der Klägerin auch kein Schmerzensgeldanspruch zu. Ein derartiger Anspruch würde eine widerrechtliche Verletzung des Körpers der Klägerin durch den Beklagten voraussetzen (§ 253 Abs. 2 BGB).

Der Eingriff des Beklagten in die körperliche Unversehrtheit der Klägerin ist jedoch durch dei Einwilligung der Klägerin gerechtfertigt.

Unerheblich ist, dass diese zum damaligen Zeitpunkt erst 17 Jahre alt war und die Erziehungsberechtigten nicht eingewilligt hatten. Insoweit ist allein die natürliche Einsicht - und Urteilsfähigkeit, nicht jedoch die Geschäftsfähigkeit nicht maßgeblich (vgl. Palandt/Ellenberger, 70. Auflage 2011, Überblick vor § 104 BGB Rdnr. 8; Palandt/Sprau, § 823 BGB Rdnr. 38; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, 28. Auflage 2010, Vor § 32 StGB Rdnr. 39).

Anhaltspunkte, an der natürlichen Einsichts- und Urteilsfähigkeit der Klägerin, die damals drei Monate vor dem Eintritt der Volljährigkeit stand und bereits eine Erwerbstätigkeit ausübte, zu zweifeln, ergeben sich weder aus der Aktenlage noch aus dem persönlichen Eindruck, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hinterließ.

IV.

Die Klage war danach insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.