VG Lüneburg, Urteil vom 18.06.2003 - 1 A 149/01
Fundstelle
openJur 2012, 133875
  • Rkr:

1. Zu den Anforderungen an eine ärztlichen Verordnung.

2. Ein "Lichttherapiegerät" ist grundsätzlich nicht beihilfefähig.

Tatbestand

Der Kläger, der als Bundesbeamter (Regierungsamtmann) dem Grunde nach Beihilfe berechtigt ist, begehrt die Gewährung einer Beihilfe zu den Aufwendungen für die Anschaffung eines „Lichttherapiegerätes“.

Bei ihm liegt seit Jahren eine rezidivierende depressive Erkrankung vor, die eine deutliche saisonale Abhängigkeit aufweist. Die Behandlungen mit zahlreichen verschiedenen Antidepressiva erbrachten lediglich in begrenztem Ausmaß eine psychische Stabilisierung. Während eines stationären Aufenthalts in der Abteilung Klinische Psychiatrie- und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover im März/April 2000 nahm der Kläger an einer Lichttherapie teil, von der er nach Aussage des behandelnden Arztes „deutlich profitierte“.

In der ärztlichen Bescheinigung vom 18. September 2000 legte der behandelnde Arzt des Klägers dar, dass wegen der deutlichen saisonalen Abhängigkeit der Erkrankung des Klägers diese wohl in den Rahmen der sogenannten saisonalen abhängigen Depressionen (SAD) einzuordnen sei. Als Ursache der SAD werde eine hormonelle Verschiebung im Gehirn vermutet. Diese sei lichtabhängig. Entsprechend wirke bei den betroffenen Patienten oftmals eine Verlängerung der täglichen Lichteinwirkung depressionsvorbeugend und zwar mittels künstlichen Lichts, was der spektralen Zusammensetzung des natürlichen Sonnenlichtes angepasst sei und mindestens die zehnfache Intensität normaler Zimmerbeleuchtung aufweise (2500 Lux). Die Lichtanwendung müsse ca. 1 1/2 Stunden täglich über 2 Wochen, oftmals aber auch erheblich länger erfolgen. Da bei einigen Patienten nach Absetzen der Therapie nach relativ kurzer Zeit mit der alten Symptomatik zu rechnen sei, sei in diesen Fällen die Anwendung über den gesamten Herbst und Winter nötig. Deshalb sei aus Gründen der Praktikabilität im Lebensalltag zu befürworten, Patienten, die einer Lichttherapie bedürften, mit einem eigenen, dauernd zur Verfügung stehenden Gerät zu versorgen. Da der Kläger von der Lichttherapie deutlich profitiert habe, sei diese nebenwirkungsarme Behandlungsform bei Vorliegen einer saisonal abhängigen Depression sehr zu befürworten. Von der Klinik werde deshalb die wohlwollende Prüfung der Kostenübernahme für ein Lichttherapiegerät angeraten und ausdrücklich unterstützt.

Der Kläger kaufte daraufhin ein Lichttherapiegerät, das ihm unter dem 4. Oktober 2000 mit 798,-- DM in Rechnung gestellt wurde. Bei der Wehrbereichsverwaltung II beantragte er für die Kosten dieses Therapiegerätes eine Beihilfe.

Die Wehrbereichsverwaltung II lehnte die Gewährung einer Beihilfe mit Bescheid vom 28. Februar 2001 mit der Begründung ab, bei dem Lichttherapiegerät handele es sich um kein beihilfefähiges Hilfsmittel gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV i.V.m. der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV.

Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, dass die Therapie bei ihm zu erfreulichen Ergebnissen geführt habe. Seine regelmäßig aufgetretene Arbeitsunfähigkeit sei um über 70 % zurückgegangen. Daneben mache die erfolgreiche Anwendung zukünftige Krankenhausaufenthalte überflüssig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2001 (ausgehändigt am 20.4.2001) wies die Wehrbereichsverwaltung II den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung teilte sie im Wesentlichen mit, dass es sich bei Lichttherapiegeräten zur Therapie von SAD nicht um Hilfsmittel im Sinne der BhV handele. Nicht als Hilfsmittel würden solche Gegenstände gelten, die nach Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV nicht notwendig und angemessen, von geringen oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringen Abgabepreis seien oder die der allgemeinen Lebenshaltung unterlägen. Hierzu sei vom Bundesministerium der Verteidigung als Arbeitshilfe zur Beurteilung der Beihilfefähigkeit von Hilfsmitteln ein Hilfsmittelverzeichnis (Erlass BMVg - S II 4 (3) - Az. 21/20/00 v. 29.1.1997) herausgegeben worden, das von den Festsetzungsstellen weisungsgemäß herangezogen werden müsse. Danach gehörten Lichttherapiegeräte nicht zu den beihilfefähigen Hilfsmitteln, da der gleiche Effekt durch entsprechende Ausleuchtung bzw. Gestaltung der Wohnräume erzielt werden könne.

Am 17. Mai 2001 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass die Anschaffung des Gerätes ärztlich verordnet worden sei. Zwar handele es sich hierbei nicht um ein Hilfsmittel, das in Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV aufgeführt sei. Dies stände der Beihilfefähigkeit jedoch nicht entgegen. Denn es könnten auch andere Hilfsmittel berücksichtigt werden, die geeignet seien, die Folgen eines regelwidrigen Körperzustandes zu lindern. Zudem seien die ersparten Behandlungskosten höher als die Anschaffungskosten und die Anschaffung des Gerätes sei dringend geboten und notwendig. Der Effekt eines Lichttherapiegeräts könne nicht durch entsprechende Ausleuchtung bzw. Gestaltung der Wohnräume erzielt werden, da hier nicht hinreichend hohe Lichtwerte erzielt würden. Daneben gehöre das Gerät auch nicht zu den Gegenständen im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV, die von geringen oder umstrittenen Nutzen oder geringen Abgabepreis seien. Ebenso diene das Gerät nicht der allgemeinen Lebenshaltung und zähle nicht zu den Gebrauchsgütern des täglichen Lebens. Es falle auch nicht unter die in Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV genannten Bestrahlungsgeräte/ -Lampen für die ambulante Strahlentherapie. Weiterhin sei die Lichttherapie mit dem medizinischen Therapiegerät auch zur Selbstbehandlung durch den Patienten geeignet.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung II vom 28. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Beihilfe in Höhe von 285,61 EUR (entspricht 558,60 DM) für ein Lichttherapiegerät zu gewähren,

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihre Bescheide im Vorverfahren. Ergänzend trägt sie vor, bei der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung handele es sich nicht um eine ärztliche Verordnung im Sinne der Beihilfeverordnung. Eine medizinische Notwendigkeit der Versorgung des Klägers ergebe sich daraus nicht.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung II vom 28. Februar 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die begehrte Beihilfe für das von ihm angeschaffte Lichttherapiegerät (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO).

In Ausfüllung der in § 79 BBG normierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn erhalten die Bundesbeamten Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen. Maßgebend für die Gewährung sind die zur Zeit der Entstehung der Aufwendungen (hier Oktober 2000) geltenden Beihilfevorschriften vom 10. Juli 1985 (Gemeinsames Ministerialblatt Seite 470), zuletzt geändert durch Änderungsvorschrift vom 11. Januar 1999 (Gemeinsames Ministerialblatt Seite 58) - BhV -.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV sind Aufwendungen nach den folgenden Vorschriften beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für Anschaffungen (ggfs. Miete), Reparatur, Ersatz, Betrieb und Unterhaltung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und zur Selbstkontrolle, Körperersatzstücke sowie die Unterweisung im Gebrauch dieser Gegenstände. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmten sich nach Anlage 3. Dabei kann das Bundesministerium des Innern für einzelne Hilfsmittel Höchstbeiträge und Eigenbehalte festlegen.

Nach diesen Vorschriften sind die Aufwendungen für das vom Kläger gekaufte Lichttherapiegerät bereits deshalb nicht beihilfefähig, weil es an der erforderlichen schriftlichen ärztlichen Verordnungen des Therapiegerätes fehlt. Grundvoraussetzung für den Anspruch auf Beihilfe ist, dass im Zeitpunkt der Anschaffung des Hilfsmittels eine schriftliche ärztliche Verordnung vorliegen muss (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 27.2.2001 - 5 L 5497/98). An dieser fehlt es hier.

22Der Verordnungszwang soll nicht nur die Anschaffung eines fachgerechten Hilfemittels sicherstellen, sondern auch die Notwendigkeit der Anschaffung glaubhaft machen. Diesen Zweck kann die schriftliche ärztliche Verordnung nur erfüllen, wenn sie vor Anschaffung des Hilfsmittels erfolgt und wenn sich aus der ärztlichen Verordnung nicht nur die Notwendigkeit der Anschaffung dem Grunde nach, sondern auch Art und Umfang der Ausstattung des Hilfsmittels ergeben (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 13.10.1992 - 5 L 2413/91 -). Bei der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigung seines behandelnden Arztes der Medizinischen Hochschule Hannover vom 18. September 2000 handelt es sich nicht um die Verordnung eines medizinisch notwendigen Hilfsmittels in diesem Sinne. In der ärztlichen Bescheinigung fehlt eindeutig der besondere Anweisungscharakter der ärztlichen Verordnung (vgl. zu diesem Erfordernis VGH Mannheim, Beschl. v. 7.3.1995 - 4 S 1192/94). Bei der Bescheinigung handelt es sich vielmehr lediglich um eine Empfehlung des behandelnden Arztes zur Anschaffung des Lichttherapiegerätes. Denn in der Bescheinigung stellt dieser nur fest, dass es aus Gründen der Praktikabilität im Lebensalltag zu befürworten sei, Patienten, die einer Lichttherapie bedürften, mit einem eigenen Gerät zu versorgen. Da der Kläger von der Lichttherapie während seines stationären Aufenthalts sehr profitiert habe, rate er eine wohlwollende Prüfung der Kostenübernahme an und unterstütze diese ausdrücklich. Weder aus der Bezeichnung als ärztliche Bescheinigung, noch aus dieser Formulierung lässt sich herleiten, dass ein eigenes Lichttherapiegerät nach Ansicht des ausstellenden Arztes medizinisch notwendig ist, um einen regelwidrigen Körperzustand bei dem Kläger zu beheben. Darüber hinaus fehlen in der ärztlichen Bescheinigung hinreichende Hinweise zu Art und Umfang der Ausstattung des Hilfsmittels.

Wegen des Fehlens einer vorherigen ärztlichen Verordnung ist mithin eine Beihilfegewährung zu den Kosten für das Lichttherapiegerät nicht möglich.

Darüber hinaus handelt es sich bei dem Lichttherapiegerät auch nicht um ein beihilfefähiges Hilfsmittel. Das Lichttherapiegerät gehört eindeutig nicht zu den unter Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV in der sogenannten Positivliste aufgeführten beihilfefähigen Hilfsmittel. Das Lichttherapiegerät ist zwar auch nicht in der unter Nr. 9 der Anlage 3 zu  § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV aufgeführten sogenannten Negativliste enthalten. Das Therapiegerät gehört aber zu den Gegenständen, die nicht notwendig und angemessen im Sinne des  § 5 Abs. 1 BhV sind und deshalb nach Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV nicht als beihilfefähig anerkannt werden können. Aus der ärztlichen Bescheinigung des behandelnden Arztes des Klägers vom 18. September 2000 ergibt sich hinreichend deutlich, dass ein eigenes Lichttherapiegerät medizinisch nicht notwendig ist. Die Anschaffung wird in der Bescheinigung nur deshalb sehr befürwortet, weil die Lichttherapie mit einem eigenen Gerät im Lebensalltag wesentlich praktikabler ist, da die Lichtanwendung ca. 1 1/2 Stunden täglich erfolgen muss. Der schlichte Zeitaufwand begründet aber keine medizinische Notwendigkeit für ein eigenes Gerät. Ob ein Lichttherapiegerät auch deshalb medizinisch nicht notwendig ist, weil es grundsätzlich nicht in die Hand eines Patienten gehört, da Schädigungen nicht auszuschließen sind (vgl. Topka-Möhle, Kommentar zum Beihilferecht, Stand: April 2003, Erläuterung 6.7.11 B zu § 6 Abs. 1 Nr. 4) kann die Kammer letztlich dahinstehen lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.