Bayerischer VGH, Urteil vom 29.07.2009 - 11 BV 08.481
Fundstelle
openJur 2009, 986
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. M 23 K 06.4245
Öffentliches Recht Verkehrsrecht Verwaltungsrecht Verfassungsrecht
§ 45 StVO; Art. 12 GG; §§ 42, 58, 70 VwGO; § 43 BayVwVfG
Tenor

I. Die Berufungen werden zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten der beiden Berufungsverfahren.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen Verkehrsbeschränkungen auf der Bundesautobahn (BAB) A 8 Ost in Form von Lkw-Überholverboten.

Der Kläger befährt als Spediteur den streitgegenständlichen Streckenabschnitt. Dort ist zwischen km 97,65 bis km 125 in Richtung Salzburg und zwischen km 123,2 bis km 87,2 in Richtung München eine sogenannte Streckenbeeinflussungsanlage (SBA) aufgestellt, die - gestützt auf eine verkehrsrechtliche Anordnung des Beklagten vom 4. Dezember 2001 - am 1. März 2000 zunächst in Probebetrieb und später in Dauerbetrieb genommen wurde. Zur Harmonisierung des Verkehrsablaufs wird durch diese Vorrichtung zeitweise ein Lkw-Überholverbot in Abhängigkeit von der Verkehrsbelastung angeordnet. Gemäß den Algorithmen der SBA werden Überholverbote für Lkw automatisch angezeigt, sobald folgende Einschaltgrenzwerte für die Richtungsfahrbahn überschritten werden: Die Verkehrsstärke von 2.700 Pkw-E/h und ein Lkw-Anteil von 15 %. Die erste Schaltung des Zeichens 277 StVO erfolgte im April 2000.

Darüber hinaus sind im Bereich von km 97,65 bis km 100,9 und km 122 bis km 125 in Richtung Salzburg und zwischen km 123,2 bis km 87, 2 in Richtung München - gestützt auf verkehrsrechtliche Anordnungen vom 15. Juni 1982, 20. Mai 1996, 25. November 2002 und 26. April 2004 - starre Verkehrsschilder bzw. Prismenwender montiert, die ebenfalls Überholverbote anordnen.

Am 23. August 2001 ließ der Kläger Widerspruch gegen die Anordnung von Lkw-Überholverboten einlegen, über den der Beklagte nicht entschieden hat.

Am 18. Juli 2003 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München, mit der er sich u.a. gegen die Lkw-Überholverbote auf der BAB A 8 Ost wandte. Soweit die Klage die Lkw-Überholverbote in Fahrtrichtung Salzburg zum Gegenstand hatte, erhielt sie zuletzt das Az. M 23 K 06.4245, bezüglich der Lkw-Überholverbote in Fahrtrichtung München zuletzt das Az. M 23 K 06.4246. Im Verfahren Az. M 23 K 06.4245 beantragte der Kläger zuletzt, die Anordnung eines Lkw-Überholverbots mittels Zeichen 277 StVO durch Streckenbeeinflussungsanlage zwischen km 97,65 bis km 125 und durch starre Verkehrszeichen bzw. Prismenwender zwischen km 97,65 bis km 98,95 und km 123 bis km 125 aufzuheben. Im Verfahren Az. M 23 K 06.4246 beantragte er zuletzt, die Anordnung eines Lkw-Überholverbots mittels Zeichen 277 StVO durch Streckenbeeinflussungsanlage zwischen km 123,2 bis km 98,9 sowie zwischen km 94,5 und km 87,2 und durch starres Verkehrszeichen zwischen km 94,5 und km 93,6 sowie durch Prismenwender zwischen km 116,5 und km 114,5 und km 112 bis km 109,8 aufzuheben.

Zur Begründung trug der Kläger in beiden Verfahren im Wesentlichen vor, dass die den Überholverboten zugrundeliegenden verkehrsrechtlichen Anordnungen keine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung des Beklagten erkennen ließen. Die Interessen des Lkw-Verkehrs seien nicht berücksichtigt worden. Das Überholverbot sei auch unverhältnismäßig, weil es generell ungeeignet zur Steigerung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sei. Grundsätzliche Auswirkungen des Lkw-Überholverbots auf die Verkehrssicherheit könnten nicht festgestellt werden. Die zahlreichen im Streckenabschnitt vorhandenen Ein- und Ausfahrten würden es überdies erfordern, dass kein Lkw-Überholverbot angeordnet werde, damit durch einen Fahrstreifenwechsel der Lkws das gefahrlose Ein- und Ausscheren der in die Autobahn einfahrenden bzw. ausfahrenden Fahrzeuge ermöglicht werde. Die Anordnung eines Überholverbots sei darüber hinaus nicht erforderlich, weil es ein milderes Mittel darstelle, die Einhaltung der unabhängig von Verkehrsschildern geltenden allgemeinen Verkehrsvorschriften zu überwachen.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beweisbeschluss vom 22. Dezember 2004 Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auf den Inhalt des Beweisbeschlusses und des am 15. November 2005 durch den Sachverständigen Prof. Dr. Keller erstatteten Gutachtens, das in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2006 mit den Beteiligten erörtert wurde, wird Bezug genommen.

Das Verwaltungsgericht wies die Klagen mit Urteilen vom 14. November 2007 ab. Zur Begründung führte es jeweils aus, dass die Klage als Anfechtungsklage statthaft sei. Die SBA ermögliche durch entsprechende Anzeige von (Wechsel-)Verkehrszeichen u.a. Überholverbote und Geschwindigkeitsbeschränkungen in Form einer Allgemeinverfügung. Diese Auffassung könne sich auf entsprechende Hinweise in der höchstrichterlichen Rechtsprechung stützen. Hinsichtlich der starren Verkehrszeichen bzw. Prismenwender sei die Anfechtungsklage auf jeden Fall statthaft.

Auch seien Widerspruchs- und Klagefrist eingehalten. Hinsichtlich der SBA habe am 6. Oktober 2000 eine Änderung der Grundlage für die Schaltvorgänge dahingehend stattgefunden, dass das Überholverbot bereits immer ab einem Verkehrsaufkommen von 2.700 Pkw pro Stunde statt bislang 4.000 Pkw pro Stunde geschaltet werde. Dabei handle es sich um eine wesentliche Änderung, die die Widerspruchsfrist erneut auslöse, so dass die Widerspruchseinlegung im August 2001 die einjährige Widerspruchsfrist gewahrt habe. In Bezug auf die starren Verkehrszeichen von km 97,65 bis km 98,95 in Richtung Salzburg und ab km 94,5 in Richtung München habe der Beklagte vorgetragen, dass die bis zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Zusatzschilder, die das Überholverbot als nur für Lkw von über 7,5 t geltend eingrenzten, am 7. August 2001 entfernt worden seien. Dies stelle ebenfalls eine wesentliche Ände-

rung des verkehrsrechtlichen Regelungsgehalts der Allgemeinverfügung dar, so dass durch die Widerspruchseinlegung am 23. August 2001 die Widerspruchsfrist gewahrt worden sei. Gleiches gelte für die Prismenwender, die als starre Verkehrszeichen behandelt werden müssten. Da über den Widerspruch des Klägers binnen angemessener Frist nicht entschieden worden sei, sei die Klage als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig.

Die Klage sei jedoch unbegründet. Die angegriffenen Lkw-Überholverbote fänden ihre Rechtsgrundlage in § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 9 Satz 1 und 2 StVO. Dass für die fraglichen Streckenabschnitte die örtlichen Verhältnisse, die sich insbesondere bei hohem Verkehrsaufkommen in einer unübersichtlichen, kurvenund steigungsreichen Streckenführung bei schmalem Mittelstreifen und fehlendem Standstreifen äußerten, geeignet seien, eine solche Gefahrenlage zu begründen, bestreite auch der Kläger im Ansatz nicht. Für den Begriff der Erforderlichkeit sei es ausreichend, dass in den fraglichen Streckenabschnitten eine Gefahrenlage herrsche, die ein Eingreifen der Straßenverkehrsbehörde im Wege einer zusätzlichen verkehrlichen Regelung gebiete. Vor dem Hintergrund der Streckenführung, die bei weitem nicht mehr den Anforderungen an heutige Transitstrecken entspreche, des hohen Verkehrsaufkommens und der hohen Unfallzahlen sei davon auszugehen, dass die Behörde gehalten gewesen sei, zusätzlich zu den allgemein auf Autobahnen geltenden Verkehrsvorschriften nach § 45 StVO zu reagieren.

Bei der BAB A 8 Ost bestehe im fraglichen Streckenabschnitt aufgrund des Fehlens von Übergangsbögen, der erheblichen Höhenunterschiede, der nicht erreichten Haltesichtweiten, der dichten Abfolge von Anschlussstellen, des Fehlens von Standstreifen bei nur zwei Fahrspuren pro Fahrtrichtung und des hohen Verkehrsaufkommens eine Gefahrenlage, die durch den kontinuierlichen Anstieg des durchschnittlichen täglichen Verkehrsaufkommens noch erhöht werde. Schließlich werde die über das allgemeine Risiko für Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern deutlich hinausgehende Gefahrenlage durch die überdurchschnittlichen Unfallraten belegt. Bei dem somit gebotenen Eingreifen der Behörde müsse bei mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten die von ihr gewählte Verkehrsregelung aus Sicht des Gerichts oder des Klägers nicht optimal sein. Vielmehr sei das Tatbestandsmerkmal "zwingend geboten" dahingehend auszulegen, dass das konkrete Mittel bzw. die konkrete Regelung im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung (auch) geeignet und verhältnismäßig sein müsse, bei zwingend gebotenem Einschreiten die bestehende Gefahrenlage zu entschärfen. Dies wäre nur dann anders, wenn sich anstelle der Anordnung eines Überholverbots für Lkw eine andere Maßnahme als deutlich geeigneter, effizienter und weniger einschneidend für die Gesamtheit der Verkehrsteilnehmer aufdrängen würde.

Der Kläger bestreite zwar bereits die Geeignetheit der Anordnung eines Überholverbots für Lkw für eine Entschärfung der bestehenden erhöhten Gefahrensituation auf dem fraglichen Streckenabschnitt. Diese Auffassung werde jedoch durch das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten widerlegt, das schlüssig, nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei sei und deshalb der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt werden könne. Nach der Aussage des Gutachters führe die Anordnung von Lkw-Überholverboten auf den fraglichen Streckenabschnitten zu einer Erhöhung der Sicherheit und Ordnung des Verkehrsablaufs. Das sei durch Messungen der Geschwindigkeiten der Pkws und Lkws sowie durch Unfalluntersuchungen von Strecken mit und ohne Lkw-Überholverbot belegt. Dieses Ergebnis gehe auch aus der vom Gutachter vorgelegten Auswertung von Erhebungen zur Auswirkung von Lkw-Überholverboten auf die Verkehrssicherheit diverser Autobahnabschnitte in Bayern der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom (zuletzt) 21. September 2007 hervor. Die Anordnung eines Lkw-Überholverbots müsse nicht das einzig mögliche Mittel zur Entschärfung der Gefahrenlage darstellen.

Der Auffassung des Klägers, dass die Anordnung eines durchgehenden Tempolimits auf dem fraglichen Streckenabschnitt für alle Verkehrsteilnehmer das deutlich mildere Mittel und zudem effizienter zur Verbesserung und Sicherung des Verkehrsflusses insgesamt sei, vermöge sich das Gericht nicht anzuschließen. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass die durch Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung möglicherweise zu erreichende Absenkung der Unfallrate im Vergleich zu der durch die Anordnung von Lkw-Überholverboten zu erreichenden Absenkung signifikant höher wäre. Hinzu komme, dass sich eine weitgehende Störungsfreiheit des Verkehrs auch dadurch erreichen lasse, dass die Fahrzeugpopulationen auf den jeweiligen Fahrstreifen weitgehend homogen seien, was durch die Anordnung eines Lkw-Überholverbots eher erreicht werde als durch die Anordnung einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung. Zudem stelle deren Anordnung für alle Verkehrsteilnehmer die für den gesamten Verkehrsfluss deutlich einschneidendere Maßnahme dar. Hinsichtlich der notwendigen Ermessensausübung sei festzustellen, dass das den Straßenverkehrsbehörden eingeräumte Ermessen grundsätzlich weit gefasst und gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbar sei. Wenn die im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung getroffene Regelung geeignet und verhältnismäßig sei, könnten an die Ermessensausübung der Behörde keine weiteren Anforderungen gestellt werden.

Gegen diese Urteile legte der Kläger jeweils die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ein.

Zu ihrer Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass für die angeordneten Überholverbote die notwendigen Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 StVO nicht vorlägen. Die vom Beklagten festgestellte bewegte Topografie sei allenfalls ein Indiz für eine abstrakte Gefahr, nicht aber eine örtliche Besonderheit im Sinne von § 45 Abs. 9 StVO. Das Verwaltungsgericht zeige keine erheblich über dem allgemeinen Risiko bundesdeutscher Autobahnen liegenden Unfallzahlen auf. Noch weniger würden Auswertungen von Unfalltypensteckkarten benannt, aus denen sich ergeben könnte, dass die nun verbotenen Überholvorgänge der Lkw-Fahrer vorher Unfallursache gewesen seien. Dass die von dem Verbot Betroffenen Störer im Sinne des Gefahrenabwehrrechts wären, habe das Gericht selbst nicht festgestellt.

Es habe keine Verhältnismäßigkeitsprüfung gegeben. Es sei nicht ersichtlich, dass ein Lkw-Überholverbot überhaupt geeignet sei, die Verkehrssicherheit auf Autobahnen zu verbessern. Das Verwaltungsgericht lege das Merkmal "zwingend geboten" in § 45 Abs. 9 StVO so aus, dass jede geeignete und verhältnismäßige Maßnahme erlaubt sei, wenn nur das Einschreiten als solches zwingend geboten sei. Das verkenne Wortlaut, Systematik, Geschichte und Sinn der Regelung. Es komme nicht darauf an, ob sich eine andere Maßnahme als deutlich geeigneter, effizienter und weniger einschneidend für die Gesamtheit der Verkehrsteilnehmer "aufdrängen" würde. Das vom Verwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten sei für die Geeignetheit der angefochtenen Maßnahme unergiebig. Es führe an keiner Stelle aus, dass die besonders hohe Sicherheit von Autobahnen mit einem Lkw-Überholverbot zu tun haben solle. Die in dem Gutachten behaupteten Verbesserungen der Verkehrssicherheit durch Lkw-Überholverbote auf nicht näher bezeichneten Autobahnabschnitten hätten mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun. Das vom Gutachter benutzte Zahlenwerk der "Zentralstelle für Verkehrssicherheit der Straßenbauverwaltung" (künftig: Zentralstelle) enthalte nicht die in dem Gutachten behaupteten Zahlen. Es blieben die Jahre 2003 und 2004 unberücksichtigt, wodurch der Unterschied von Vorher- zu Nachherzeiträumen erheblich erscheine. Unter Einbeziehung aller Jahre ergebe sich tatsächlich eine gleichmäßig fallende Zahlenreihe von 2001 bis 2006, ohne dass sich eine Zäsur zur Zeit der Anordnung des Lkw-Überholverbotes erkennen ließe. Das Gutachten gehe damit von falschen Zahlen aus und sei in sich unschlüssig. Die vom Gutachten verwendete Aussage der Zentralstelle, wonach als Folge der Anordnung von Lkw-Überholverboten die Gesamtzahl der Unfälle um 22,5 %, die Anzahl der Unfälle mit schwerem Personenschaden um 19,3 % und die Anzahl der Unfälle mit Beteiligung schwerer Lkw um 23,0 % zurückgegangen sei, sei unzutreffend, weil sie auf die Anwendung statistisch unzulässiger Methoden zurückzuführen sei. Bei Anordnungen, die nur für bestimmte Tageszeiten gelten (z.B. 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr), seien nur die Stunden, in denen das Verbot wirksam sei, in die Untersuchung einbezogen worden. Die übrigen Stunden seien zur Kontrollgruppe hinzugerechnet worden - also demjenigen Streckenanteil, auf dem in den Vorherund Nachher-Zeiträumen gleichermaßen kein Verbot gelte. Dieses Vorgehen setze aber voraus, dass das Ereignis "ein Unfall ereignet sich außerhalb des Maßnahmenzeitraums" (also z.B. in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr) auf solchen Strecken unabhängig von der Anordnung des Verbots im Maßnahmenzeitraum (z.B. 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr) eintritt. Das sei aber nicht der Fall. Die statistisch fehlerhafte Methode habe Auswirkungen auf das Untersuchungsergebnis. Von den im Vorher-Nachher-Vergleich untersuchten zweistreifigen Richtungsfahrbahnen mit einer Länge von insgesamt 298,803 km sei das Verbot auf 178,139 km nur für bestimmte Tageszeiten angeordnet worden, auf 120,664 km hingegen ganztags, also von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr. Berücksichtige man nur diese Verbotsstrecke von 120,664 km, auf der sich der Verlagerungseffekt des Lkw-Verkehrs auf die Nachtstunden nicht (oder allenfalls in geringem Umfang) habe auswirken können, ergebe sich ein ganz anderes Bild als das vom Gutachter unterstellte. Die Unfallzahlen der Vorher- bzw. Nachher-Zeiträume für die Strecken mit ganztägigem Lkw-Überholverbot addierten sich zu 291/28/113 (vorher, PS+SS+LS/SP/PS+SS+LS mit Lkw) bzw. 265/30/100 (nachher, ebenfalls PS+SS+LS/SP/PS+SS+LS mit Lkw). Die Veränderung vom Vorher- zum Nachher-Zeitraum betrage somit - 8,9 %/+ 7,1 %/- 11,5 %. Vergleiche man diese Veränderungen mit der Kontrollstrecke, auf der die Veränderung nach derselben Aufstellung - 10,8 %/- 27,4 %/+ 5,4 % betrage, zeige sich, dass von einer Verbesserung des Unfallgeschehens als Folge der Anordnung von Lkw-Überholverboten keine Rede sein könne. Lediglich hinsichtlich der Unfälle mit Beteiligung schwerer Lkw sei eine Verbesserung eingetreten. Die Gesamtzahl der Unfälle sei auf den Verbotsstrecken nicht so stark zurückgegangen wie auf den Vergleichsstrecken. Die Anzahl der Unfälle mit schwerem Personenschaden sei auf den Verbotsstrecken geringfügig angestiegen, auf der Kontrollstrecke ohne Lkw-Überholverbot hingegen deutlich zurückgegangen. Da das Gutachten ausdrücklich auf diesen Zahlen beruhe, sei es in sich unschlüssig.

Das von der Zentralstelle vorgelegte Zahlenwerk enthalte auch einen Abschnitt der A 8 Ost (Bad Aibling - Irschenberg, Fahrtrichtung München), auf dem sich die Anordnung von Lkw-Überholverboten den Zahlen zufolge deutlich positiv ausgewirkt habe. In den Vorher-Zeiträumen hätten sich addiert 36/4/10 Unfälle ereignet, in den Nachher-Zeiträumen seien es 29/1/12 Unfälle gewesen. Als Vollzugsdatum der Anordnung nenne die Tabelle den 28. April 2004. Tatsächlich seien auf diesem Streckenabschnitt jedoch zu keinem Zeitpunkt in den (angeblichen Nachher-)Jahren 2005 und 2006 Lkw-Überholverbotszeichen aufgestellt gewesen. Auch heute stünden keine derartigen Zeichen dort. Das Verbot sei mithin den Verkehrsteilnehmern nicht wirksam mitgeteilt worden. Dennoch sei laut Tabelle die gleiche - positive - Wirkung auf die Verkehrsteilnehmer erzielt worden.

Ferner umfasse die Kontrollstrecke das gesamte Autobahnnetz. Selbst wenn Lkw-Überholverbote auf den streitgegenständlichen Strecken ausnahmsweise doch dazu geeignet wären, die Gefahren zu mindern, hätte noch nach milderen Mitteln gesucht werden müssen. Das setze eine sorgfältige Bestandsaufnahme und Bewertung derjenigen Umstände voraus, die die als korrekturbedürftig eingeschätzte Situation begründen. Daran fehle es hier. Die Überholverbote verstießen auch gegen das Erforderlichkeitsgebot, da sich die Steigerung der Verkehrssicherheit auch mit anderen, milderen Mitteln erreichen lassen würde. Die Frage nach der Notwendigkeit der Maßnahme tue das Gericht mit der Bemerkung ab, es gebe keine Optimumskontrolle. Dabei übersehe es, dass die Verwaltung an Gesetze gebunden sei. Die Notwendigkeitsprüfung bedeute lediglich das rechtsstaatlich Notwendige.

Soweit das Verwaltungsgericht damit argumentiere, dass ein Tempolimit alle Verkehrsteilnehmer treffen würde, das Lkw-Überholverbot hingegen nur die Lkw-Fahrer, übersehe es, dass es hier um Grundrechtseingriffe gehe und diese nicht abzählbar seien. Gefahrenabwehr sei keiner Mehrheitsbildung zugänglich. Darüber hinaus ziehe das Gericht nicht in Betracht, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung unter Umständen auch deshalb besser geeignet sein könne, gerade weil sie eine größere Zahl von Verkehrsteilnehmern betreffe.

Im Ergebnis liefen die Anordnungen auf eine Privilegierung der Pkw-Fahrer hinaus und verstießen damit klar gegen das grundsätzliche Privilegierungsverbot der Straßenverkehrsordnung. Die darin liegende Zuweisung des halben Verkehrsraums an eine bestimmte Nutzergruppe zur bevorzugten Nutzung sei zudem widmungswidrig.

Das Urteil enthalte auch keinerlei Hinweis, warum denn gerade bei dem Erreichen der in der Anlage hinterlegten Schwellenwerte eine Gefahr im Sinne von § 45 Abs. 9 StVO vorliegen solle. Es fehle insoweit an jedweder Gefahr, nicht nur an einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden, wie sie § 45 Abs. 9 StVO fordere.

Der Kläger beantragt im Verfahren Az. 11 BV 08.481,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 14. November 2007 zu ändern und die Anordnung eines Lkw-Überholverbots mittels Zeichen 277 StVO durch Streckenbeeinflussungsanlage auf der Bundesautobahn A 8 Ost zwischen km 97,65 bis km 125 und durch starre Verkehrszeichen bzw. Prismenwender zwischen km 97,65 bis km 98,95 und km 123 bis km 125 aufzuheben.

Im Verfahren Az. 11 BV 08.482 beantragt er ebenfalls, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. November 2007 zu ändern und entsprechend seinem im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Angesichts der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 5.4.2001 VerkMitt 2002 Nr. 8) sei der Ansatz des Verwaltungsgerichts, wonach zwischen Gefahrenlage (Anlass des Einschreitens) und Gefahrenbekämpfung (Art des Einschreitens) zu unterscheiden sei, zutreffend. Die in der Berufungsbegründung vorgenommene Vermengung dieser Gesichtspunkte widerspreche der angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Besondere örtliche Verhältnisse habe das Verwaltungsgericht überzeugend in der Streckencharakteristik (Steigungs- und Gefällstrecken, geringe Kurvenradien, dichte Abfolge der Anschlussstellen), Straßenausstattung (Fehlen der Standstreifen bei nur zwei Fahrspuren) und dem hohen Verkehrsaufkommen gesehen.

Das erheblich erhöhte Risiko einer Beeinträchtigung wichtiger Rechtsgüter liege in den überdurchschnittlichen Unfallzahlen begründet. Entgegen den Ausführungen der Berufung sei die Risikoerhöhung nicht schon in der besonderen Topografie (Steigungs- und Gefällstrecken) als solcher gesehen worden. Vielmehr seien als Folge (auch) dieser besonderen Topografie überdurchschnittliche Unfallzahlen zu verzeichnen.

Die aus den örtlichen Verhältnissen und dem erhöhten Risiko einer Beeinträchtigung wichtiger Rechtsgüter abgeleiteten Maßnahmen seien auch ermessensfehlerfrei getroffen worden. Bei ihnen handle es sich um Lkw-Überholverbote, die differenziert durch Streckenbeeinflussungsanlage, starre Verkehrszeichen und Prismenwender angeordnet würden. Eine automatische Anzeige des Lkw-Überholverbotes durch die SBA setze dabei u.a. einen Lkw-Anteil von 15 % am Verkehrsaufkommen voraus.

Gerade durch die Differenzierungen werde die Suche nach einem situationsangepasst geringstmöglichen Eingriff und damit die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes belegt. Deshalb sei nicht ersichtlich, weshalb die vom Kläger favorisierte allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung, für die er keinen konkreten Wert nenne, ein milderes Mittel zur Gefahrminderung sein solle.

Hierauf erwiderte der Kläger mit Schriftsatz vom 20. April 2009, dass der Beklagte weiterhin nichts zur Geeignetheit des Lkw-Überholverbots zur Abwehr der von ihm behaupteten Gefahren vortrage, mit der sich auch das Verwaltungsgericht nicht eingehend befasst habe. Die Rechtsauffassung des Beklagten, wonach die Straßenverkehrsbehörde zur Anordnung von Maßnahmen nach relativ freiem Belieben ermächtigt sei, sofern die Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 StVO erfüllt seien, sei nicht vertretbar. Denn erforderlich sei ein Verkehrszeichen nur dann, wenn die Behörde sich vorher vergewissert habe, dass die angeordnete Verkehrsbeschränkung die beste Lösung für das vorliegende Problem darstelle. Das vom Beklagten lange unter Verschluss gehaltene Zahlenmaterial der Zentralstelle beweise auf eindrucksvolle Weise, dass die Anordnung bereits im Ansatz zu ungeeigneten Maßnahmen, unter Umständen sogar zu einer Verschlechterung der Verkehrssicherheit führen könne.

Der Beklagte behaupte nicht einmal, dass die nach seiner Ansicht überdurchschnittlich hohen Unfallzahlen nach der Anordnung der Verbote nicht mehr überdurchschnittlich hoch gewesen seien.

Die Anordnung der Lkw-Überholverbote sei schon deshalb fehlerhaft, weil es sowohl im Zeitpunkt der Anordnung als auch des Verwaltungsgerichtsurteils keinerlei Erkenntnisse darüber gegeben habe, dass "wichtige Rechtsgüter" damit hätten geschützt werden können. Die gesamte Forschungsliteratur belege die Ungeeignetheit der Lkw-Überholverbote. Die grundlegende Studie von Otfried Drews (verkehrliche Auswirkungen der Anordnung von Überholverboten für Lkw auf Autobahnen, Bochum 1996) komme zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass grundsätzliche Auswirkungen des Lkw-Überholverbots auf die Verkehrssicherheit nicht hätten festgestellt werden können. Auch eine jüngere Studie der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen komme zu dem Ergebnis, dass sowohl "generelle" Lkw-Überholverbote als auch "zeitlich und örtlich begrenzte Überholverbote" nicht gerechtfertigt seien (Kai Assing, Unfallgeschehen mit schweren Lkw über 12 t, BASt-Studie M 156, Bergisch-Gladbach 2004).

Eine allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung stelle sich als milderes Mittel dar, weil sie nicht einer ganzen Gruppe von Verkehrsteilnehmern eine fortwährend fremdbestimmte Fahrweise aufzwinge, und weil sie die Störer in Anspruch nehme statt der Nichtstörer. Vor allem sei sie ein geeigneteres Mittel, weil die Streckentopografie und der Ausbauzustand der Straße einerseits kurze Haltesichtweiten bedingten und andererseits wenig Raum, um bei unerwartet auftretenden Hindernissen ausweichen zu können. Sollte es infolge einer Überschreitung der teilweise deutlich unter 100 km/h liegenden sicheren Geschwindigkeiten zu Unfallhäufungen kommen, dränge sich die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung geradezu auf. Der Beklagte habe anscheinend die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung überhaupt nicht in Erwägung gezogen, so dass ein Ermessensfehler vorliege.

Auf Anfrage des Senats teilte der Beklagte unter dem 29. Mai 2009 noch mit, dass in Fahrtrichtung Salzburg aus Gründen der Verkehrssicherheit von km 107,615 bis km 123,768 durch die SBA eine maximale Geschwindigkeit von 120 km/h unabhängig vom konkreten Verkehrsfluss über 24 Stunden pro Tag vorgegeben sei. Ebenfalls aus Gründen der Verkehrssicherheit bestehe im Bereich des Grenzübergangs in beiden Fahrtrichtungen die auch auf der österreichischen Seite geltende Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h.

Die maximalen Geschwindigkeiten, die die SBA bei Betrieb erlaube, lägen gemäß der Anordnung vom 4. Dezember 2001 aus den Gründen „Harmonisierung“ (Nr. 2 Buchst. a) und „Geschwindigkeitsbegrenzungen gekoppelt mit Lkw-Überholverbot“ (Nr. 2 Buchst. e) grundsätzlich bei 120 km/h, bei ungünstigen Witterungsverhältnissen (Nr. 2 Buchst. c) bei 100 km/h. Diese Höchstwerte würden verkehrs- und witterungsabhängig entsprechend der vorherrschenden Situation weiter nach unten abgesenkt.

In der mündlichen Verhandlung des Senats am 27. Juli 2009 wurden die beiden Verwaltungsstreitsachen Az. 11 BV 08.481 und Az. 11 BV 08.482 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Der Senat vernahm den Sachverständigen Prof. Dr. Keller zur Erläuterung des Abschnitts 4.1.4 seines Sachverständigengutachtens vom 15. November 2005 ein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Verbindung der beiden Verwaltungsstreitsachen zur gemeinsamen Entscheidung beruht auf § 93 Satz 1 VwGO.

Die Berufungen sind zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Die Klagen sind unzulässig, soweit sie sich gegen die durch Prismenwender bekanntgegebenen Überholverbote richten. Denn die durch Prismenwender bekannt gegebenen Überholverbote waren bei Klageerhebung am 18. Juli 2003 bereits bestandskräftig geworden. Der Verwaltungsgerichtshof geht zunächst mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die durch Prismenwender angezeigten Überholverbote ebenso wie starre Verkehrszeichen Verwaltungsakte in der Form von Allgemeinverfügungen sind. Ein derartiger Verwaltungsakt wird gemäß Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe erfolgt nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung durch Aufstellung eines Verkehrsschilds (vgl. insbesondere § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 4 StVO). Dies ist eine besondere Form der öffentlichen Bekanntgabe. Wie bei anderen öffentlichen Bekanntmachungen äußern Verkehrszeichen ihre Rechtswirkungen gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, wenn sie so aufgestellt oder angebracht sind, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt erfassen kann, unabhängig davon, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (BVerwG vom 11.12.1996 BVerwGE 102, 316 m.w.N.). Betroffen ist ein Verkehrsteilnehmer von einem solchen Verwaltungsakt erst dann, „wenn er sich erstmalig der Regelung des Verkehrszeichens gegenüber sieht“. Damit beginnt für ihn die Anfechtungsfrist zu laufen (BVerwG vom 13.12.1979 BVerwGE 59, 221; Hessischer VGH vom 15.5.2009 Az. 2 A 2307/07; OVG Hamburg vom 4.11.2002 NZV 2003, 351; Hentschel, StVR, 40. Aufl. 2009, RdNr. 274 zu § 41 StVO; a.A. VGH Baden-Württemberg vom 2.3.2009 JZ 2009, 738).

Die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (a.a.O.) vertretene Auffassung, wonach die regelmäßig einjährige Frist für die Anfechtung eines Verkehrszeichens für alle Verkehrsteilnehmer unabhängig von ihrer konkreten Betroffenheit bereits mit dessen ordnungsgemäßer Aufstellung als einer besonderen Form der öffentlichen Bekanntgabe beginnt, teilt der Senat nicht. Diese Auffassung lässt sich insbesondere nicht auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 1996 (a.a.O.) stützen, weil das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Entscheidung seine frühere Rechtsprechung, insbesondere im Urteil vom 13. Dezember 1979 (a.a.O.), nicht grundlegend geändert hat, sondern an ihr festhalten wollte.

Der Kläger hat die hier einjährige Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 2, § 58 Abs. 2 VwGO für die durch Prismenwender bekanntgegebenen Lkw-Überholverbote nicht eingehalten. Mit seinem Widerspruchschreiben vom 21. August 2001 hat sich der Kläger zwar gegen die Lkw-Überholverbote durch die SBA und durch starre Verkehrsschilder gewandt, dagegen nicht gegen die Überholverbote durch Prismenwender. Da er nicht einmal behauptet hat, in dem letzten Jahr vor der Widerspruchseinlegung an Lkw-Überholverboten in Gestalt von Prismenwendern vorbeigefahren zu sein, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er sich während dieses Zeitraums erstmalig der Regelung durch dieses Verkehrszeichen „gegenüber gesehen hat“.

2. Dagegen hat das Verwaltungsgericht die Klagen zu Recht als zulässig angesehen, soweit sie sich gegen die durch die SBA und durch starre Verkehrsschilder bekannt gegebenen Lkw-Überholverbote richten. Der Verwaltungsgerichtshof ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass es sich bei der am 6. Oktober 2000 vorgenommenen Änderung der Ein- und Ausschaltgrenzwerte für die SBA um eine wesentliche Änderung des Inhalts der zugrunde liegenden verkehrsrechtlichen Anordnung handelt. Denn während das Überholverbot bis zu diesem Zeitpunkt erst ab einem Verkehrsaufkommen von 4000 Pkw pro Stunde geschaltet wurde, war dies danach bereits ab einem Verkehrsaufkommen von 2.700 Pkw pro Stunde der Fall. Die wesentliche Inhaltsänderung der der SBA konkludent zugrunde liegenden Anordnung löst erneut die Widerspruchsfrist des § 58 Abs. 2, § 70 Abs. 2 VwGO von einem Jahr ab Bekanntgabe des Überholverbots aus mit der Folge, dass die Widerspruchseinlegung am 23. August 2001 fristgerecht erfolgte. Einer nochmaligen Widerspruchseinlegung gegen die am 4. Dezember 2001 erlassene schriftliche verkehrsrechtliche Anordnung bedurfte es nicht.

Das gleiche Ergebnis gilt bezüglich der Anfechtung der durch starre Verkehrszeichen bekannt gegebenen Lkw-Überholverbote. Die am 7. August 2001 vorgenommene Entfernung der an diesen Verkehrszeichen angebrachten Zusatzschilder, die das Überholverbot auf Lkw von mehr als 7,5 t Gesamtgewicht begrenzten, beinhaltete eine inhaltliche Neuregelung des Lkw-Überholverbots, die die Widerspruchsfrist von einem Jahr ab Bekanntgabe erneut auslöste. Der am 23. August 2001 eingelegte Widerspruch, der sich ausdrücklich auch gegen die durch starre Verkehrszeichen bekanntgegebenen Überholverbote richtete, war deshalb fristgerecht.

Auch die Klagebefugnis des Klägers ist insoweit gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Klagebefugnis für eine Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 2 VwGO) gegen verkehrsregelnde Anordnungen dann zu bejahen, wenn das Klagevorbringen eines Verkehrsteilnehmers es zumindest als möglich erscheinen lässt, dass ihn die angefochtene Maßnahme in eigenen Rechten verletzt. Als Rechtsverletzung kann ein Verkehrsteilnehmer geltend machen, die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für eine auch ihn treffende Verkehrsbeschränkung seien nicht gegeben. Hinsichtlich der verkehrsbehördlichen Ermessensausübung kann er allerdings nur verlangen, „...dass seine eigenen Interessen ohne Rechtsfehler abgewogen werden mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Einführung der Verkehrsbeschränkung sprechen“ (BVerwG vom 27.1.1993 BVerwGE 93, 32).

Danach ist die Klagebefugnis des Klägers in seiner Eigenschaft als Führer eines Lastkraftwagens, der die Bundesautobahn A 8 Ost nach seinen glaubhaften Angaben sehr häufig befährt und von den Überholverboten durch die SBA und durch starre Verkehrszeichen konkret betroffen ist, zu bejahen, weil nicht offensichtlich ist, dass die von ihm behaupteten Rechte nicht bestehen oder ihm nicht zustehen können.

3. Der Kläger wird durch die mittels SBA und starre Verkehrszeichen bekannt gegebenen Lkw-Überholverbote nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anordnung dieser Beschränkungen des fließenden Verkehrs gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Sätze 1 und 2 StVO vorliegen, die angefochtenen Anordnungen verhältnismäßig sind und ermessensfehlerfrei getroffen wurden.

Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die zuständigen Straßenverkehrsbehörden „...die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken“. Hieran hat sich mit der Anfügung des Absatzes 9 in § 45 StVO durch die Verordnung vom 7. August 1997 (BGBl I S. 2028) nichts geändert. Der Senat hält in diesen Fällen und deshalb auch hier § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO für anwendbar, wonach Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen sind, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Diese Voraussetzung kann in Anlehnung an § 39 Abs. 1 StVO so verstanden werden, dass sie dann erfüllt ist, wenn die allen Verkehrsteilnehmern obliegende Verpflichtung zur Beachtung der Verhaltensvorschriften der Straßenverkehrsordnung nicht ausreicht, um einer konkreten Gefahrenlage zu begegnen, und deshalb die örtliche Anordnung eines Verkehrszeichens geboten ist. Die Vorschrift kann aber auch so interpretiert werden, dass die Anordnung eines Verkehrszeichens aufgrund der besonderen Umstände immer dann zwingend geboten ist, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO erfüllt sind. Der Senat lässt offen, welche der beiden Auslegungsmöglichkeiten vorzugswürdig ist, da der Tatbestand des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO bei jeder von ihnen hier erfüllt ist. Aufgrund der noch darzustellenden besonderen Umstände genügt die Verpflichtung der Verkehrsteilnehmer zur Beachtung der ihnen nach der Straßenverkehrsordnung obliegenden Verhaltenspflichten nicht, um der hier bestehenden konkreten Gefahr für die Verkehrssicherheit zu begegnen. Auch liegen hier die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vor, wie noch dargestellt werden wird.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 5.4.2001 a.a.O.) ergibt sich aus Wortlaut und Systematik der Vorschriften, dass § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO, der spezielle Bestimmungen für die Beschränkung des fließenden Verkehrs trifft, die allgemeine Ermessensgrundlage des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO zwar modifiziert und konkretisiert, aber nicht ersetzt. Das bedeutet insbesondere, dass auch Maßnahmen im Regelungsbereich des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO prinzipiell im Ermessen der zuständigen Straßenverkehrsbehörden liegen, sofern die dort bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind (BVerwG vom 5.4.2001 a.a.O.). § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit Abs. 9 Satz 2 StVO setzt zur Beschränkung des fließenden Verkehrs eine Gefahrenlage voraus, die - erstens - auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und -zweitens - das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in § 45 StVO genannten Rechtsgüter - hier insbesondere Leben und Gesundheit der Verkehrsteilnehmer sowie öffentliches und privates Sacheigentum - erheblich übersteigt.

Eine Gefahrenlage, die auf besondere örtliche Verhältnisse i.S. des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO zurückzuführen ist, liegt entgegen der Auffassung des Klägers tatsäch- lich vor. Dafür maßgeblich ist zum einen die Streckencharakteristik der BAB A 8 Ost, die im streitgegenständlichen Bereich erhebliche Höhenunterschiede zwischen 450 m über N.N. (vor dem Angererberg bei km 123,200) und 700 m über N.N. (am Teisenberg bei km 108,400) überwindet und entsprechende Steigungs- und Gefällstrecken aufweist. So beträgt das maximale Gefälle bis zu 7,5% in Fahrtrichtung Salzburg und die maximale Steigung bis zu 6,5% im Bereich des Bernauer Bergs in Fahrtrichtung München. Die deshalb vorhandenen Kuppen- und Wannenhalbmesser bedingen in Verbindung mit den teilweise engen Radien, die in dem Streckenabschnitt Angererberg/Daxlberg stellenweise nur 800 m betragen, dass die erforderlichern Haltesichtweiten nicht erreicht werden. Ein weiteres Charakteristikum der Strecke ist die dichte Abfolge der Anschlussstellen (Traunstein/Siegsdorf bei km 99,751, Schweinbach bei km 98,656, Grabenstätt bei km 90,228 und Übersee bei km 87,562). Zu den besonderen örtlichen Verhältnissen gehört auch die Straßenausstattung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Autobahn im streitgegenständlichen Bereich nur zwei Fahrspuren pro Fahrtrichtung aufweist, keine Standstreifen besitzt und der Mittelstreifen zum Teil weniger als 1 m breit und deshalb nicht begrünt ist. Diese besonderen örtlichen Verhältnisse bewirken zusammen mit dem überdurchschnittlich hohen Verkehrsaufkommen auf dieser Strecke eine konkrete Gefahrenlage i.S. des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO.

Das überdurchschnittliche Verkehrsaufkommen geht u.a. aus den DTV-Werten für die Streckenabschnitte zwischen den einzelnen Anschlussstellen hervor, die für die Jahre 1991 bis 1993 größtenteils über dem DTV-Durchschnitt aller bayerischen Autobahnen von 38.800 Kfz/24 h lagen (vgl. Tabelle 1 des Vorentwurfs vom 7.7.1995, S. 9, Bl. 313 d. Gerichtsakte d. Verfahrens Az. M 23 K 03.6603). Dass es sich insoweit um eine längerfristige, andauernde Entwicklung handelt, ergibt die Abbildung 2 des Vorentwurfs (a.a.O. Bl. 312). Danach sind die Verkehrszahlen an der Zählstelle Schweinbach (km 98,4) von 16.349 Kfz/24 h im Jahr 1970 auf 42.152 Kfz/24 h im Jahre 1994 angestiegen. Es ist gerichtskundig, dass die Verkehrszahlen auf der BAB A 8 Ost seit 1994 weiter stark zugenommen haben, was von der Klagepartei auch nicht bezweifelt worden ist.

Auch die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO, wonach die bestehende Gefahrenlage das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den voranstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigen muss, liegt hier vor. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn alsbald mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermehrt Schadensfälle eintreten würden, sähe die zuständige Straßenverkehrsbehörde von jeglicher gefahrvermindernder Tätigkeit ab, womit das Vorliegen einer konkreten Gefahr belegt ist (BVerwG vom 5.4.2001 a.a.O.; vom 4.7.2007 Az. 3 B 79/06 ).

Die Annahme einer konkreten Gefahrenlage setzt dabei vor allem eine sorgfältige Prüfung der Verkehrssituation voraus (vgl. BVerwG vom 13.12.1974 Az. VII C 19.71), in deren Rahmen der Unfallhäufigkeit besondere Bedeutung zukommt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob für vergleichbare Autobahnabschnitte ähnliche oder andere Unfallzahlen zu verzeichnen sind. Entscheidend ist vielmehr, ob gerade bezogen auf den Streckenabschnitt, für den die angegriffene Verkehrsbeschränkung gilt, eine entsprechende konkrete Gefahr besteht.

Zur Unfallhäufigkeit auf den streitgegenständlichen Autobahnabschnitten hat der Beklagte im Vorentwurf für die SBA vom 7. Juli 1995, S. 10 ff., detaillierte Angaben gemacht. Aus ihnen ergibt sich, dass die Unfallraten (Unfälle pro Mio. Kfz-km) in den Jahren 1991 bis 1993 sowohl in Fahrtrichtung München als auch in Fahrtrichtung Salzburg für Unfälle mit Personenschaden und Sachschaden (zusammengerechnet) deutlich über dem Bayern-Durchschnitt lagen (vgl. Abbildung 4 und Abbildung 5 d. Vorentwurfs vom 7.7.1995), wobei dies in verstärktem Maße für den Bereich der A 8 Ost mit nur zwei Fahrstreifen gilt (Unfallraten von 0,58 bzw. 0,59 gegenüber 0,18 bzw. 0,19). Auch wenn man die Unfälle mit Personenschaden für sich genommen betrachtet, ergibt sich jedenfalls in Fahrtrichtung München eine Unfallrate von 0,19 gegenüber dem Bayern-Durchschnitt von 0,17. Aus diesen zwischen den Beteiligten nicht streitigen Unfallraten und der weit überdurchschnittlichen Verkehrsbelastung (s.o.) folgt, dass auf den streitgegenständlichen Streckenabschnitten die konkrete Gefahrenlage das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigt.

Den auf den streitgegenständlichen Streckenabschnitten der BAB A 8 Ost bestehenden Unfallgefahren ist der Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit der Anordnung der angefochtenen Überholverbote für Lkw entgegengetreten. Bei der Auswahl der Mittel, mit denen eine erkannte konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, steht der zuständigen Verkehrsbehörde ein Ermessen zu. Dabei ist allerdings der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigten, der verletzt ist, wenn die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch weniger weitgehende Anordnungen gewährleistet werden kann (vgl. BVerwG vom 5.4.2001 a.a.O; vom 13.12.1974 a.a.O.). Eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch den Beklagten kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht festgestellt werden.

Der Beklagte stützt die angefochtenen Lkw-Überholverbote maßgeblich auf den Gesichtspunkt der Verbesserung der Verkehrssicherheit, wie der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung des Senats erklärt hat.

Die Lkw-Überholverbote sind entgegen der Auffassung des Klägers dazu geeignet, die Verkehrssicherheit auf den streitgegenständlichen Autobahnabschnitten zu verbessern. Dies folgt insbesondere aus der Darstellung der Unfallentwicklung in der vom Beklagten vorgelegten Studie der Zentralstelle für Verkehrssicherheit der Straßenbauverwaltung (ZVS) vom 21. September 2007 mit dem Titel „Auswirkung von Lkw-Überholverboten auf die Verkehrssicherheit der Autobahnabschnitte in Bayern“. In dieser Untersuchung, die mit Ausnahme der hier streitgegenständlichen Autobahnabschnitte alle von Lkw-Überholverboten betroffenen Autobahnabschnitte in Bayern mit einer Gesamtlänge von 298,3 km umfasst, wird ein Vorher-Nachher-Vergleich der Unfallzahlen vorgenommen. Dabei wurden als Vergleichszeiträume die Jahre 2001 bis 2002 (vorher) und 2005 bis 2006 (nachher) herangezogen, während die beiden Jahre 2003 und 2004, in denen die Beschilderung vor Ort angebracht wurde, unberücksichtigt blieben. Für das Unfallgeschehen wurden die Unfälle mit Personen- oder Sachschaden sowie alle Unfälle mit schwerem Personenschaden = U(SP) ermittelt. Darüber hinaus wurden alle Unfälle mit Personen- oder Sachschaden = U(PS + SS + LS) mit Lkw-Beteiligung erfasst. Bei den Unfällen mit Personen- oder Sachschaden ergibt sich im Vorher-Nachher-Vergleich eine Verringerung von 976 auf 756, d.h. um 22,5%. Auch bei den Unfällen mit schwerem Personenschaden zeigt sich eine Abnahme von 83 auf 67 und damit um 19,3%. Schließlich ergibt der Vorher-Nachher-Vergleich für Unfälle mit Personen- oder Sachschaden bei Lkw-Beteiligung eine Verringerung von 335 auf 258 derartiger Unfälle und damit um 23%. Da sich neben dem Lkw-Überholverbot auch andere Einflüsse auf die Unfallentwicklung zwischen den beiden Untersuchungszeiträumen ausgewirkt haben könnten, hat die ZVS zur Kontrolle die Unfallentwicklung im übrigen Autobahnnetz (d.h. ohne Autobahnabschnitte mit Lkw-Überholverbot) herangezogen. Insoweit wurde bei zeitlich befristeten Lkw-Überholverboten das Unfallgeschehen in der Zeitspanne, für die das Lkw-Überholverbot nicht gilt, in die Kontrollgruppe einbezogen. Die Unfallentwicklung im sonstigen Autobahnnetz in Bayern ergab für alle Unfälle mit Personen- oder Sachschaden eine Verringerung von 20.426 Unfällen auf 18.218 Unfälle, d.h. um 10,8%. Die Unfälle mit schwerem Personenschaden nahmen von 2.026 auf 1.471 ab (minus 27,4%). Die Unfälle mit Personen- und Sachschaden bei Lkw-Beteiligung stiegen dagegen von 5.864 auf 6.181 an, d.h. um 5,4%. Daraus resultiert eine Differenz bei den Personen- oder Sachschaden verursachenden Unfällen mit Lkw-Beteiligung von 28,4% zwischen den Überholverbotsstrecken und den sonstigen Autobahnabschnitten im Vorher-Nachher-Vergleich. Aus der Untersuchung der ZVS vom 21. September 2007 ergibt sich außerdem, dass die Unfälle mit Personen- oder Sachschaden insgesamt sowie die Unfälle mit Personen- oder Sachschaden bei Lkw-Beteiligung durch die Lkw-Überholverbote statistisch relevant gesenkt wurden (vgl. Tabelle 3 der Untersuchung).

Aus dieser Untersuchung geht somit deutlich hervor, dass die Anordnung von Lkw-Überholverboten eine Verbesserung der Verkehrssicherheit bewirkt, weil sie zu der beschriebenen Verringerung der Unfallzahlen führt. Dieses Ergebnis kann auch für die streitgegenständlichen Autobahnabschnitte mit Lkw-Überholverbot zu Grunde gelegt werden, weil keinerlei Gründe ersichtlich sind, weshalb für diese Autobahnabschnitte etwas anderes gelten sollte, als dies für das übrige bayerische Autobahnnetz mit statistischer Signifikanz nachgewiesen wurde.

Der Einwand des Klägers, die Unfallzahlenuntersuchung vom 21. September 2007 beruhe auf der Anwendung statistisch unzulässiger Methoden, ist nicht begründet.

Der Kläger vertritt insoweit die Auffassung, dass bei Lkw-Überholverboten, die nur für bestimmte Tageszeiten gelten (z.B. von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr), das Unfallgeschehen während der außerhalb der Verbotszeiten liegenden Stunden nicht zur Kontrollgruppe hinzugerechnet werden dürfe, weil dieses Unfallgeschehen nicht unabhängig von der Anordnung des Verbots im Maßnahmezeitraum sei. Dieser Auffassung hat der vom Verwaltungsgerichtshof hierzu angehörte gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung des Senats ausdrücklich widersprochen. Nach seinen Angaben kann es zwar nicht ausgeschlossen werden, dass sich ein Teil des Lkw-Verkehrs in überholverbotsfreie Zeiten verlagert. Das bedeute jedoch nicht, dass sich dadurch die Unfallzahlen in einer Weise verändern würden, die die Aussagekraft des angestellten Vergleichs verringere. Der Sachverständige wandte sich dagegen, dass man bei dem angestellten Vergleich die Unfallzahlen auf den Strecken weglasse, die nur während eines Teils des Tages mit einem Überholverbot bedacht worden seien. Da auch die SBA nur temporäre Überholverbote anordne, habe eine Berücksichtigung der Unfallzahlen einschließlich derjenigen für die Straßen mit temporären Überholverboten viel eher mit dem streitgegenständlichen Fall zu tun.

Zu dem weiteren Einwand des Klägers, dass auf den Kontrollstrecken ohne Lkw-Überholverbot Geschwindigkeitsbeschränkungen angeordnet gewesen seien, hat der Sachverständige erklärt, dass diese sowohl vorher (2001 und 2002) als auch nachher (2005 und 2006) gegolten hätten, wodurch sich deren Effekt gleichsam neutralisiert habe.

Der Verwaltungsgerichtshof folgt den Ausführungen des Sachverständigen aufgrund eigener Überprüfung und legt sie seiner Überzeugungsbildung zugrunde.

Soweit der Kläger bemängelt, dass in der Untersuchung der ZVS vom 21. September 2007 auch der Autobahnabschnitt Bad Aibling - Irschenberg, Fahrtrichtung München, enthalten sei, auf dem in den Jahren 2005 und 2006 keine Lkw-Überholverbotszeichen aufgestellt gewesen seien, bedarf diese Tatsachenbehauptung keiner Nachprüfung, weil der Vorher-Nachher-Vergleich nicht wesentlich anders ausfällt, wenn die auf dieser Autobahnstrecke verzeichneten Unfallzahlen außer Betracht bleiben. Anstelle der Verringerung der Unfallzahlen bei U (PS + SS + LS) um 22,5% ergibt sich dann eine Verringerung um 22,66%. Bei Unfällen mit schweren Personenschäden verringert sich der Prozentsatz von 19,3% auf 16,46% und bei Schadensfällen mit Lkw-Beteiligung erhöht er sich sogar von 23,0% auf 24,31%.

Schließlich wird die Eignung der streitgegenständlichen Lkw-Überholverbote zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auch nicht durch die beiden vom Kläger angeführten wissenschaftlichen Studien von Kai Assing, Unfallgeschehen mit schweren Lkw über 12 Tonnen, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft M 156, Januar 2004 und Otfried Drews, Verkehrliche und ökologische Auswirkungen der Anordnung von Überholverboten für Lkw auf Autobahnen, März 1996, in Frage gestellt. Zwar enthält die Studie von Kai Assing die Aussage, dass „ein generelles Überholverbot für schwere Lkw durch die absoluten Zahlen und die relativ niedrige Unfallschwere im Vergleich zu anderen Unfallsituationen nicht als gerechtfertigt angesehen wird“. Streitgegenstand der beiden Berufungsverfahren sind jedoch nicht generelle, sondern örtlich begrenzte Überholverbote, die zum überwiegenden Teil (soweit durch die SBA angeordnet) auch zeitlich begrenzt sind.

In der Studie von Otfried Drews wird zwar als Ergebnis zusammenfassend ausgeführt, dass „grundsätzliche Auswirkungen des Lkw-Überholverbots auf die Verkehrssicherheit nicht festgestellt werden konnten“ (S. 140). Dieser Aussage liegt eine Analyse des Unfallgeschehens im Vorher- und Nachher-Vergleich auf drei außerbayerischen Autobahnen mit 430 km Länge der Richtungsfahrbahnen zugrunde, was gegen eine generelle Übertragbarkeit auf alle bayerischen Autobahnen spricht. Vor allem aber räumt der Autor ein, dass sich eine günstige Auswirkung der Lkw-Überholverbote auf die Verkehrssicherheit bei besonderen Rahmenbedingungen erwarten lasse. Dazu gehörten u.a. starke Steigungen. Überholverbote in sehr starken Steigungsstrecken (größer als 3 bis 4%) seien mit dieser Sicherheitsanalyse nicht abgedeckt. Die streitgegenständlichen Autobahnstrecken weisen jedoch wiederholt Steigungsstrecken ab 3%, in sieben Bereichen sogar zwischen 4,0% und 7,5% auf (vgl. Schreiben d. Obersten Baubehörde d. Staatsministerium d. Innern vom 1.8.1995 [Bl. 290/291 d. VG-Akte Az. M 23 K 03.6603]), für die die Studie von Otfried Drews aufgrund der zitierten Einschränkung deshalb keine Geltung beansprucht.

Die Anordnung der Überholverbote für Lkw und der mit dieser verkehrsbeschränkenden Maßnahme vom Beklagten verfolgte Zweck stehen auch in einem angemessenen Verhältnis zueinander. Weniger weitgehende Beschränkungen des fließenden Verkehrs, die die Sicherheit in gleichem Maße gewährleisten, drängten sich für den Beklagten nicht auf. Dies gilt insbesondere für die vom Kläger als weniger belastend empfundene Anordnung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung. Nur wenn der Kläger zumindest ansatzweise den Nachweis geführt hätte, dass es sich bei dem Lkw-Überholverbot um eine ersichtlich sachfremde und damit unvertretbare Maßnahme handeln würde, könnte berechtigterweise davon die Rede sein, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hier verletzt sei, weil sich die Straßenverkehrsbehörde nicht mit dem für den Kläger und andere Lkw-Fahrer milderen Mittel einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung begnügt habe. Diesen Nachweis hat der Kläger jedoch nicht geführt. Deshalb bleibt es der Ermessensausübung der Straßenverkehrsbehörde vorbehalten, aufgrund ihres Sachverstands und ihres Erfahrungswissens zu entscheiden, welche von mehreren in Betracht zu ziehenden Verkehrsbeschränkungen den bestmöglichen Erfolg verspricht (vgl. BVerwG vom 5.4.2001 a.a.O.). Damit ist zugleich dem aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abzuleitenden Gebot der Erforderlichkeit der Maßnahme Genüge getan.

Die Straßenverkehrsbehörde hat auch die nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO von ihr vorzunehmenden Ermessenserwägungen bezüglich einer Anordnung der

streitgegenständlichen Lkw-Überholverbote angestellt. Diese Ermessenserwägungen ergeben sich im Einzelnen zwar nicht aus dem Text der verkehrsrechtlichen Anordnungen vom 15. Juni 1982, 20. Mai 1996, 4. Dezember 2001, 25. November 2002 und 26. April 2004. Jedoch hat die zuständige Autobahndirektion Südbayern in ihrem Schreiben vom 9. März 2004 an die Regierung von Oberbayern - Prozessvertretung (Bl. 182 d. VG-Akte Az. M 23 K 03.6605) die Notwendigkeit einer Anordnung der Lkw-Überholverbote im Einzelnen begründet. Abgesehen hiervon ist das Ermessen der Straßenverkehrsbehörde bei Erfüllung des Tatbestands des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO in dem Sinne intendiert, dass sie eine verkehrsbeschränkende Maßnahme erlassen darf, aber nicht muss. In der unterbliebenen Erörterung der Möglichkeit einer allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkung auf den streitgegenständlichen Autobahnabschnitten liegt deshalb kein Ermessensfehler in Form einer Ermessensunterschreitung, der zur Aufhebung der angefochtenen Anordnungen führen würde.

Die Ermessensentscheidung des Beklagten verletzt den Kläger auch nicht in seinen Grundrechten. Abwägungserheblich sind insofern nur qualifizierte Interessen des Klägers, also solche, die über das Interesse jedes Verkehrsteilnehmers, in seiner Freiheit möglichst wenig beschränkt zu werden, hinausgehen. Damit zugunsten eines Verkehrsteilnehmers von einer qualifizierten Betroffenheit ausgegangen werden kann, ist eine spezielle, über das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr hinausgehende grundrechtliche Betroffenheit erforderlich (BVerwG vom 27.1.1993 BVerwGE 92, 32). Derartige qualifizierte Interessen des Klägers sind nicht ersichtlich und ergeben sich insbesondere auch nicht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die Anordnung von Überholverboten für Lkw betrifft die Berufsausübung des Klägers (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) und hat ihren sachlichen Grund in der Notwendigkeit, den Kraftfahrzeugverkehr auf den betroffenen Abschnitten der BAB A 8 Ost zur Verminderung vorhandener Gefahrenlagen zu beschränken. Der Kläger ist mit seinem Fuhrunternehmen dem „Schicksal“ der öffentlichen Straßen unterworfen, auf denen er sein Gewerbe ausübt. Er muss deshalb Verkehrsregelungen grundsätzlich hinnehmen, mit denen die öffentlichen Straßen den sich wandelnden Bedürfnissen des Verkehrs und seiner Sicherheit und Leichtigkeit angepasst werden (vgl. BVerwG vom 25.4.1980 Az. 7 C 19.78 Buchholz 442.451 § 45 StVO Nr. 8). Dies könnte nur dann anders zu beurteilen sein, wenn die (veränderte) Verkehrsregelung ganz außergewöhnlich oder ihre Folgen bei einer wirtschaftlichen Betrachtung so erheblich wären, dass sie die Existenz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs unmittelbar bedrohten. Eine solche Existenzgefährdung durch die angefochtenen Lkw-Überholverbote hat der Kläger weder substantiiert behauptet noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich.

Die vom Kläger beanstandete Zuweisung des halben Verkehrsraums an die Nutzergruppe der Lkw-Fahrer stellt keine Beschränkung der straßenrechtlichen Widmung zulasten des Schwerlastverkehrs dar. Grundsätzlich sind die Straßenverkehrsbehörden der Länder auch in Bezug auf die Bundesfernstraßen zu allen Anordnungen gemäß § 45 StVO berechtigt. Unabhängig davon, dass die streitgegenständlichen Überholverbote für bestimmte Autobahnabschnitte anders als sog. „statusnahe“ straßenverkehrsbehördliche Anordnungen, wie z.B. Lkw-Nachtfahroder Durchfahrverbote für Mautausweichstrecken, ihrem Gehalt nach wesentlich geringer in die Widmung von Bundesfernstraßen gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 FStrG eingreifen, kann grundsätzlich auch ein widmungsgemäßer Verkehr bzw. eine widmungsgemäße Verkehrsart durch straßenverkehrsbehördliche Maßnahmen und Anordnungen ausgeschlossen werden, sofern die vom Bund vorgegebene Konzeption des Fernstraßenverkehrs dadurch nicht in Frage gestellt wird. Hiervon ist bei der auf einzelne Abschnitte einer Autobahn begrenzten Anordnung eines Überholverbots für Lkw nicht auszugehen (vgl. HessVGH vom 15.5.2009 a.a.O.) Die Anordnung von Überholverboten für Lkw stellt auch keine unzulässige Privilegierung zugunsten von Pkw dar. Zwar verbessert eine solche verkehrsbeschränkende Maßnahme die Leichtigkeit des Pkw-Verkehrs. Dies ist aber ein bloßer Reflex der verkehrsrechtlichen Maßnahme eines Überholverbots für Lkw und nicht ihre Zielsetzung, die darin besteht, besonderen Unfallgefahren in einer verkehrlich erforderlichen Weise zu begegnen (vgl. Schleswig-Holsteinisches OVG vom 27.4.2006 Az. 4 LB 7/05).

Soweit der Kläger schließlich vorbringt, dass nicht ersichtlich sei, warum denn gerade bei dem Erreichen der in die Anlage eingespeisten Schwellenwerte eine Gefahr i.S. von § 45 Abs. 9 StVO vorliegen solle, stellt dies die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Anordnung ebenfalls nicht in Frage. Mit diesem Einwand wendet sich der Kläger gegen das der Straßenverkehrsbehörde zustehende Auswahlermessen bezüglich der Mittel, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll. Dass hier aber eine konkrete Gefahr i.S. des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorliegt, wurde bereits oben dargelegt, worauf verwiesen werden kann.

Nach alledem sind die Berufungen mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 708 Nr. 11, § 711 ZPO, § 167 VwGO.

Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

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