LG Hamburg, Urteil vom 04.03.2009 - 318 S 93/08
Fundstelle
openJur 2009, 609
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 539 C 6/08
Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 04.06.2008 (Geschäfts-Nr.: 539 C 6/08) hinsichtlich der Kostenentscheidung wie folgt abgeändert:

Die auf Seiten der ursprünglichen Kläger entstandenen Kosten tragen diese selbst. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 3/10 und der Beklagte 7/10 zu tragen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Kosten des erledigten Antrags auf Entfernung der Gegenstände des Beklagten aus dem Zugang zum Keller des Hauses ....barg ..., die erstinstanzlich vom Beklagten anerkannte Verpflichtung, auch seinen abgemeldeten Pkw von seiner Stellplatzfläche zu entfernen, sowie den Antrag auf Unterlassung der Lagerung von persönlichen Dingen des Beklagten im Bereich des Gemeinschaftseigentums.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO).

Der Beklagte trägt vor, dass er entgegen Ziff. II. des Tenors berechtigt sei, seinen Pkw auf dem Stellplatz abzustellen, auch wenn dieser abgemeldet oder gar defekt sein sollte. Es handele sich weder um ein Fahrzeugwrack noch um einen Mülleimer. Das Fahrzeug sei nicht ursächlich für die auf dem Stellplatz erfolgende Zwischenlagerung von Papier, Pappe, Flaschen und Dosen. Diese Gegenstände könnten ebenso gut auf dem leeren oder mit Regalen versehenen Stellplatz gelagert werden. Die Verurteilung gem. Ziff. IV. und V. des Tenors entbehre hinsichtlich der Wiederholungsgefahr jeder Grundlage. Eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr lasse sich nicht aus vorangegangenen rechtswidrigen Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums der Berufungsbeklagten herleiten. Die Verpflichtungen gem. Ziff. II. und III. des Tenors bezögen sich auf den Stellplatz und das Sondereigentum des Beklagten. Offensichtlich habe das Amtsgericht den Unterlassungstitel hauptsächlich auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Antrag gem. Ziff. I. des Tenors gestützt. Insoweit hätten jedoch die Kosten der Klägerin auferlegt werden müssen, da er den Zugang zu den Kellern bereits Anfang August 2007 vollständig geräumt gehabt habe. Seitdem habe der keine neuen Gegenstände im Keller abgestellt. Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts sei anzupassen, da hinsichtlich Ziff. I. des Tenors die Klägerin die Kosten tragen müsse und die Anträge zu IV. und V. abzuweisen gewesen wären.

Der Beklagte beantragt,

das am 04.06.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese, Az. 539 C 6/08

1. unter Ziff. II. dahingehend abzuändern, dass sich seine Verpflichtung, bis spätestens 31.12.2008 die sich in der Tiefgarage des Objekts ....barg ... auf dem Stellplatz 21 in seinem Besitz befindlichen Gegenstände zu entfernen, nicht auf das auf dem Stellplatz 21 in seinem Besitz befindliche abgemeldete Fahrzeug mit dem polizeilichen Kennzeichen ... - ... ... bezieht,

2. unter Ziff. IV. und V. aufzuheben und die Klage abzuweisen,

3. unter Ziff. VII. dahingehend abzuändern, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor, dass der Beklagte sein Fahrzeug entfernen müsse, da der Pkw seinen Charakter als Fahrzeug bereits seit Jahren verloren habe und vom Beklagten als Lagerstelle für Müll verwendet werde. Da der Beklagte weiterhin unter dem Messie-Syndrom leide, sei zu besorgen, dass er das Fahrzeug auch nach einer Räumung erneut vermülle. Die Wiederholungsgefahr im Rahmen des Unterlassungsantrags sei aufgrund der gesamten Vorgeschichte und den dazu eingereichten Schriftstücken (Anl. K 4 – K 7) evident. Der Beweisantritt hinsichtlich der Räumung der Gemeinschaftsfläche sei verspätet. Jedenfalls sei die Gemeinschaftsfläche bereits bis zum Januar 2008 wieder vom Beklagten in Beschlag genommen worden.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat nur in geringem Umfang Erfolg.

1.

Die Berufung ist auch zulässig, soweit sich der Beklagte gegen seine Verurteilung gemäß seinem Anerkenntnis zur Entfernung auch des Pkw von seinem Stellplatz Nr. 21 wendet. Die in der Verurteilung liegende materielle Beschwer ist im Rahmen der §§ 511 ff. ZPO ausreichend (BGH NJW 1955, 545; OLG Koblenz, NJW-RR 1993, 462; Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 26. Auflage, Vor § 511 Rdnr. 19a).

2.

Die Klägerin hat gem. § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. §§ 15 Abs. 3, 13, 14 Ziff. 1 WEG einen Anspruch gegen den Beklagten auf Entfernung des seit Jahren abgemeldeten und nicht fahrtüchtigen Pkw von dessen Stellplatzfläche.

a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der Beseitigungsanspruch steht zwar grundsätzlich jedem Wohnungseigentümer alleine zu und ist nicht von einer vorherigen Beschlussfassung der Eigentümerversammlung abhängig (Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Auflage, § 15 Rdnr. 16). Allerdings hat die Klägerin die Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs aufgrund des auf der Eigentümerversammlung vom 14.05.2007 unter TOP 6 gefassten Beschlusses an sich gezogen und damit zu einer Gemeinschaftssache gemacht, woraus sich gem. § 10 Abs. 6 S. 3 2. Hs. WEG die Aktivlegitimation ergibt (vgl. Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 10 Rdnr. 63).

b) Die derzeitige Nutzung des Kfz-Stellplatzes durch den Beklagten entspricht nicht dem Gesetz (§§ 13, 14 Ziff. 1 WEG), den Vereinbarungen und den Beschlüssen der Parteien. Auch wenn der Beklagte über ein Sondernutzungsrecht an dem Stellplatz Nr. 21 verfügt, darf er davon nur in den genannten Grenzen Gebrauch machen (Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 13 Rdnr. 34).

In der Teilungserklärung finden sich in § 4 Abs. 7 keine Benutzungsregelungen für die Tiefgarage. Die Teilungserklärung enthält lediglich die Zweckbestimmung „Kfz-Stellplätze“. Auch in der Hausordnung finden sich keine die Stellplätze betreffenden Nutzungsregelungen. Solche sind auch – soweit ersichtlich – von den Wohnungseigentümern nicht durch Beschluss getroffen worden.

Bei der Auslegung der Zweckbestimmung „Kfz-Stellplatz“ in der Teilungserklärung ist – entsprechend der Auslegungsgrundsätze für den Grundbuchinhalt – auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie es sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (BGH NJW 1994, 2950; Bärmann-Wenzel, WEG. 10. Auflage, § 10 Rdnr. 130; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 10 Rdnr. 25). Demnach dient ein Kfz-Stellplatz zum vorübergehenden Abstellen eines im Straßenverkehr zugelassenen Kraftfahrzeugs, nicht aber zur dauerhaften – hier jahrelangen – Lagerung eines abgemeldeten und nicht fahrtüchtigen Kraftfahrzeugs. Die Kammer verkennt nicht, dass Motorräder bzw. z.B. Oldtimer oder Cabriolets häufig nicht ganzjährig, sondern nur zeitweise angemeldet sind. Von einem derartigen Fall des üblichen und vorübergehenden Abstellens eines abgemeldeten Fahrzeugs ist hier aber nicht auszugehen. Der Beklagte behauptet selbst nicht, dass er konkret plant, das Fahrzeug wieder fahrbereit zu machen und als Pkw zu nutzen. Im Gegenteil verwendet der unter dem Messie-Syndrom leidende Beklagte das Fahrzeug seit Jahren durchgängig als Behältnis für Papier, Pappe, Flaschen und Dosen, mag auch der Befüllungsgrad des Fahrzeugs schwanken. Seine Behauptung, dass er diese Gegenstände zum Altpapier- bzw. Altglascontainer transportieren wolle, ist nicht nachvollziehbar, da der Pkw nicht fahrtüchtig ist und ohnehin nicht in Betrieb gesetzt werden könnte, weil der Fahrersitz ebenfalls mit Gegenständen vollgestapelt ist. Darauf, ob von dem abgemeldeten Fahrzeug des Beklagten Gefahren oder Immissionen ausgehen, kommt es nach Auffassung der Kammer nicht an.

Der Beklagte kann dagegen nicht mit Erfolg einwenden, dass der nicht fahrbereite Pkw nicht kausal für das Ablagern von Müll auf der Stellplatzfläche sei, da er diesen sonst anderweitig (z.B. in Regalen) dort unterbringen könnte. Denn an der zweckbestimmungswidrigen Nutzung des Stellplatzes ändert sich nichts dadurch, dass der Beklagte die von ihm angesammelten Gegenstände in einem jedenfalls grundsätzlich nutzungskonformen Behältnis (Kraftfahrzeug) lagert oder die Fläche sonst durch die direkte Ablagerung von Gegenständen zweckentfremden würde.

3.

Zu Unrecht wendet sich der Beklagte auch gegen seine Verurteilung, die Lagerung seiner persönlichen Gegenstände in den im Gemeinschaftseigentum stehenden Teilen der Wohnanlage ....barg ... - ... ohne wirksame Genehmigung zu unterlassen.

a) Der Beklagte hat unstreitig wiederholt im Keller im Bereich vor seinem Verschlag sowie im Bereich des Treppenabsatzes vor der Kellerzugangstür seine persönlichen Gegenstände gelagert. Nach seinem eigenen Vortrag hatten sich im Vorfeld der Besichtigung durch den Klägervertreter am 09.11.2004 auf dem Fußboden vor seinem Kellerverschlag „etwas mehr“ Gegenstände angesammelt. Diese will der Beklagte mit Hilfe des Pflegedienstes im Januar 2005 entfernt haben. Zudem räumt der Beklagte ein, unter dem Treppenabsatz vor der Zugangstür zum Keller Gegenstände aus seiner Wohnung zwischengelagert zu haben, wobei sich durch seine Schwierigkeiten im Jahre 2006, weiterhin Hilfe durch den Pflegedienst zu erhalten, dort „immer mehr Umzugskartons samt Inhalt“ angesammelt hätten. Aus den eingereichten Fotos (Bl. 13 ff. d.A.) ergibt sich, dass der Beklagte Gegenstände auch im Bereich des Fahrradkellers gelagert hatte, mag auch der ebenfalls auf den Fotos abgebildete Rollwagen nicht ihm gehören (Bl. 14 oben d.A.). Anfang August 2007 will der Beklagte die Gegenstände entfernt haben.

b) Es kann dahinstehen, ob der Beklagte danach – jedenfalls bis zum 24.01.2008 – erneut die Gemeinschaftsfläche zur Lagerung seiner Sachen in Anspruch genommen hat. Denn schon aufgrund seines eigenen Vortrags ist von der im Rahmen des § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB erforderlichen Wiederholungsgefahr auszugehen. Wiederholungsgefahr ist die auf objektive Tatsachen gegründete objektive ernstliche Besorgnis weiterer Störungen (Palandt-Bassenge, BGB, 66. Auflage, § 1004 Rdnr. 32). Der Beklagte rügt zwar zu Recht, dass das amtsgerichtliche Urteil in diesem Punkt außerordentlich knapp ist. Er verkennt aber, dass eine vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung in der Regel eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr begründet (BGH NJW 2004, 1035), an deren Widerlegung hohe Anforderungen zu stellen sind (BGH NJW 1999, 356; Palandt-Bassenge, a.a.O.).

Der Beklagte hat in der Vergangenheit mehrfach ohne Genehmigung seine Gegenstände auf der Gemeinschaftsfläche abgestellt und gelagert. Dass die übrigen Mitglieder der Klägerin dies eine Zeit lang stillschweigend geduldet haben, lässt die Rechtswidrigkeit nicht entfallen. Der Beklagte leidet nach wie vor unter dem Messie-Syndrom. Von daher ist nicht ersichtlich, dass weitere rechtswidrige Störungen zukünftig ausgeschlossen sind. Das bloße Versprechen des Beklagten, die störende Handlung nicht mehr vorzunehmen, ist in keinem Fall ausreichend. Unerheblich ist auch, ob der Beklagte zum Zeitpunkt der Klagerhebung seine Sachen noch auf der Gemeinschaftsfläche gelagert hat oder nicht.

4.

Aus den genannten Gründen kann auch die Berufung des Beklagten gegen die Androhung von Ordnungsgeld / -haft bei Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungstitel keinen Erfolg haben.

5.

Die Einwände des Beklagten gegen die erstinstanzliche Kostenentscheidung sind insoweit berechtigt, als das Amtsgericht ihm die gesamten Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Antrags zu 1) auferlegt hat. Der Beklagte hatte in seiner materiellen Klagerwiderung vom 10.04.2008 bestritten, dass die auf den Fotos abgebildeten Gegenstände sich dort noch befänden, und behauptet, er habe diese bereits in den allerersten Tagen des August 2007 entfernt. Die Klägerin hat in der Replik vom 08.05.2008 Zeugenbeweis des Hausmeisters dafür angeboten, dass der auf den Fotos abgebildete Zustand am 24.01.2008 noch bestanden habe.

Aufgrund der bei streitiger Fortsetzung des Rechtsstreits erforderlichen Beweisaufnahme hätte das Gericht die auf den Antrag zu 1) entfallenden Kosten nach billigem Ermessen hälftig teilen müssen. Unter Zugrundelegung des Streitwerts von € 650,- für den Klagantrag zu 1) und eines Gesamtstreitwerts von € 3.000,- war die amtsgerichtliche Kostenentscheidung um 10 % zu Gunsten des Beklagten auf die tenorierte Kostenquote zu korrigieren.

6.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, da das Urteil mit seiner Verkündung rechtskräftig wird (vgl. § 62 Abs. 2 WEG).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.