Hessisches LAG, Urteil vom 31.10.2011 - 17 Sa 8/11
Fundstelle
openJur 2012, 35205
  • Rkr:

Bei dem Sonderliquidationsverfahren nach Art. 14 A des griechischen Gesetzes Nr. 3429/2005 handelt es sich um ein Insolvenzverfahren nach Art. 16 Abs. 1 EuInsVO (wie LAG Baden-Württemberg 21. Dezember 2010 - 21 Sa 91/09; LAG München 12. April 2011 - 9 Sa 1234/10).

§ 174 BGB findet auf die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG keine Anwendung (gegen LAG Baden-Württemberg 11. März 2011 - 7 Sa 109/10, LAG Berlin-Brandenburg 27. Mai 2011 - 8 Sa 132/11 u. a.).

Fehlerhafte Massenentlassungsanzeige führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn durch bestandskräftigen Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige bestätigt wurde. Hieran ist auch nach der durch die Rspr. des EuGH (27. Januar 2005 - C- 188/03 [Junk] hervorgerufenen Rechtsprechungsänderung festzuhalten. Das unionsrechtliche und grundrechtliche Effektivitätsprinzip hindert nicht die Bindung der Arbeitsgerichte an eine inzidente Feststellung der Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige durh die Arbeitsverwaltung (gegen LAG Düsseldorf 15. September 2010 - 12 Sa 627/10 und LAG Düsseldorf 10. November 2010 - 12 Sa 1321/10)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08. September 2010, 2 Ca 240/10, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug über die Wirksamkeit einer Kündigung.

Wegen des erstinstanzlich unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gegenüber der Beklagten zu 1) und Berufungsbeklagten zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 141 bis 145 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage gegenüber der Beklagten zu 1) durch am 08. September 2010 verkündetes Teil-Urteil, 2 Ca 240/10, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte zu 1) sei für die gestellten Anträge die richtige Beklagte, da mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergehe, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein zuständiges Gericht eines Mitgliedsstaates in allen Mitgliedsstaaten anerkannt werde, es sich bei dem Sonderliquidationsverfahren nach Art. 14 A des G Gesetzes Nr. 3429/2005, hinzugefügt durch Gesetz Nr. 3710/2008, um ein Insolvenzverfahren nach Art. 2 lit. a EulnsVO handele und das A Berufungsgericht für die Eröffnung des Verfahrens zuständig gewesen sei, wobei selbst bei Zweifeln an der Zuständigkeit die Wirkung der Eröffnungsentscheidung nicht durch nationales Recht beseitigt oder aberkannt werden könne. Auf die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf den Arbeitsvertrag und das Arbeitsverhältnis finde deutsches Recht Anwendung. Die Kündigung der Beklagten zu 1) sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, da diese sich zur Betriebsstilllegung entschlossen habe und diese im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen habe. Zum Vorbringen der Beklagten zu 1) im Hinblick auf eine etwaige Sozialauswahl bezogen auf die Arbeitnehmer B, C, D und E habe der Kläger sich nicht geäußert, einer weitergehenden Auskunft zur Sozialauswahl habe es nicht bedurft, da allen Arbeitnehmern der in N gelegenen Betriebe gekündigt worden sei. Die Kündigungsfrist bestimme sich nach § 113 InsO und sei gewahrt. Der Kläger habe die Kündigung nicht nach § 174 BGB zurückweisen können, da dem Kündigungsschreiben unstreitig eine Originalvollmacht auf den die Kündigung erklärenden Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) beigefügt war und der die Vollmacht unterzeichnende Verwaltungsrat F Alleinvertretungsmacht habe und zur Erteilung von Untervollmächten bevollmächtigt sei. Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. In der Betriebsratsanhörung seien auch die Sozialdaten des Klägers, soweit sie der Beklagten zu 1) bekannt gewesen seien, zutreffend beschrieben, wobei sie nicht gehalten gewesen sei, wegen der Richtigkeit der aus der Lohnsteuerkarte entnommenen Daten Nachforschungen zu betreiben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 145 bis 153 d.A.).

Gegen dieses ihm am 01. Dezember 2010 zugestellte Teil-Urteil hat der Kläger am Montag, den 03. Januar 2011 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund Antrags vom 26. Januar 2011 erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 01. März 2011 am 01. März 2011 begründet.

Er bestreitet, dass die mit der Kündigung vom 24. Dezember 2009 vorgelegte Vollmacht vom Verwaltungsratsmitglied F unterzeichnet wurde, und führt aus, aus der Unterschrift selbst sei nicht ansatzweise erkennbar, welchen Namenszug sie darstellen solle; außerdem falle auf, dass diese Unterschrift nicht mit derjenigen auf der für die Verhandlungen mit dem Betriebsrat vorgelegten Vollmacht (Anlage B 8, Bl. 75 d.A.) übereinstimme.

Außerdem sei F weder befugt noch rechtlich in der Lage gewesen, für die Beklagte zu 1) wirksam eine entsprechende Vollmacht auf deren Prozessbevollmächtigten auszustellen. Denn im Kündigungszeitpunkt sei F nicht mehr alleinvertretungsberechtigt gewesen. Nachdem sich die personelle Zusammensetzung des Verwaltungsrats der Beklagten zu 1) ausweislich der Veröffentlichung der G Regierungszeitung vom 09. November 2009, Bl. 13081 verändert habe, in dieser Veröffentlichung aber der Hinweis auf eine Alleinvertretungsberechtigung F’ fehle, ergebe sich nach G Recht die Rechtsfolge, dass F weder alleinvertretungsberechtigt habe handeln können noch als geschäftsführendes Vorstandsmitglied anzusehen gewesen sei. Mit der Veröffentlichung vom 09. November 2009 seien vielmehr sämtliche F erteilten Handlungs- und Vertretungsvollmachten erloschen.

Der Kläger hält daran fest, der Betriebsrat sei zur Kündigung vom 24. Dezember 2009 nicht ordnungsgemäß angehört worden. Er verweist darauf, dass der Betriebsrat ausweislich seiner Stellungnahme vom 21. Dezember 2009 gerügt hatte, der Bevollmächtigte der Beklagten zu 1) habe seine behauptete Bevollmächtigung gegenüber dem Betriebsrat nicht ordnungsgemäß nachgewiesen, und vertritt die Auffassung, damit sei die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht in Gang gesetzt worden.

Er bestreitet, dass die Beklagte zu 1) den Betriebsrat im Rahmen der Anhörung oder im Rahmen der Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan über die Details der Stilllegungsabsicht informiert habe. Selbst wenn dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung das Schreiben vom 01. Dezember 2009 nochmals in Kopie überreicht worden sein sollte, folge auch hieraus keine ordnungsgemäße Information, da sich weder aus dem Schreiben noch aus dem bisherigen Vortrag ergäbe, weshalb der Bedarf für die Beschäftigung des Klägers gerade zum 31. März 2010 entfallen sei. Außerdem hätte dem Betriebsrat erläutert werden müssen, welche verbleibenden Restarbeiten noch von einzelnen Mitarbeitern über den 31. März 2010 hinaus hätten erledigt werden müssen.

Der Kläger rügt fehlerhafte Massenentlassungsanzeige. Er verweist auf den unbestrittenen Umstand, dass der Massenentlassungsanzeige keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt war, bestreitet, dass die Beklagte zu 1) gegenüber der Arbeitsverwaltung glaubhaft gemacht habe, den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor der Anzeige unterrichtet zu haben, und behauptet, eine umfassende Unterrichtung des H Betriebsrats sei jedenfalls mit dem ausdrücklichen Hinweis auf § 17 KSchG nie erfolgt. Er meint, die fehlerhafte Massenentlassungsanzeige führe auch zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Der Kläger beantragt,

das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08. September 2010, 2 Ca 240/10, abzuändern und

festzustellen, dass das zwischen ihm und der Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 24. Dezember 2009 aufgelöst worden ist,

die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als kommissarischen Flugbetriebsleiter weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, sowohl die dem Kündigungsschreiben beigefügte Vollmacht als auch die als Anlage B 8 in Kopie vorgelegte Vollmacht seien von F unterschrieben. Sie meint, die der Kündigung beigefügte Vollmacht sei wirksam erteilt, und behauptet, die Aktiengesellschaften in I treffende Obliegenheit zur Publikation ihrer Verwaltungsratsbeschlüsse erfasse auch frühere Beschlüsse abändernde Beschlüsse. Sie behauptet, keine die Alleinvertretungsberechtigung F’ abändernden Beschlüsse gefasst zu haben, hieran habe sich weder durch die veränderte personelle Zusammensetzung ihres Verwaltungsrats etwas geändert noch hätte nach G Recht wegen der veröffentlichten veränderten personellen Zusammensetzung die Fortgeltung der Alleinvertretungsbefugnis F’ (erneut) publiziert werden müssen.

Sie meint, der Betriebsrat habe die Anhörung zur Kündigung nicht nach § 174 BGB zurückweisen können, wobei die Vollmachtsrüge im Hinblick auf das durchgeführte Einigungsstellenverfahren, ein Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz und aufgrund des Umstandes, dass ihr Prozessbevollmächtigter dem Betriebsrat aus vorangegangenen gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren als bevollmächtigt bekannt gewesen sei, auch treuwidrig sei. Im Übrigen hält sie daran fest, den Betriebsrat umfassend unterrichtet zu haben.

Sie meint, die Kündigung sei nicht wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam, verweist darauf, dem Betriebsrat in der Anhörung zur Kündigung die Einleitung des Anzeigeverfahrens mitgeteilt zu haben, und meint, die Verfügung der J vom 18. Dezember 2009, wonach die Massenentlassungsanzeige wirksam eingegangen sei, sei bindend.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Gründe

A. Die Berufung des Klägers gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08. September 2010, 2 Ca 240/10, ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

B. Sie ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage gegenüber der Beklagten zu 1) zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist gegenüber der Beklagten zu 1) unbegründet. Die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 24. Dezember 2009 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. März 2010 beendet. Damit steht dem Kläger auch kein Weiterbeschäftigungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 1) zu. Dies hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung erkannt. Es wird festgestellt, dass die Kammer den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils folgt, § 69 Abs. 2 ArbGG. Dies erfolgt mit der Maßgabe, dass die Kammer die Anwendung deutschen Rechts auf das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht aus Art. 8 Abs. 2 Rom I ableitet, sondern aufgrund der von der angefochtenen Entscheidung dargelegten Gründe aus Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, dies weil der Arbeitsvertrag vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurde, Art. 28 Rom I. Im Hinblick auf die Ausführungen in der Berufung ist folgendes zu ergänzen:

I. Die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 24. Dezember 2009 ist nicht gemäß § 1 KSchG unwirksam. Sie ist nicht sozial ungerechtfertigt, sondern durch der Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehende dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

1. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Beklagte zu 1) wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung gekündigt hat, wobei diese bereits greifbare Formen aufwies und aufgrund vernünftiger betriebswirtschaftlicher Betrachtung im Kündigungszeitpunkt davon ausgegangen werden konnte, dass zum Kündigungstermin mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben sein wird. Hiergegen bringt der Kläger in der Berufung nichts weiter vor.

2. Dies gilt auch im Hinblick auf die Ausführungen zur Sozialauswahl, wobei ergänzend darauf hinzuweisen ist, dass der Arbeitnehmer D als Betriebsratsmitglied in eine wegen der Durchführung von Abwicklungsarbeiten durchzuführenden Sozialauswahl (vgl. hierzu BAG 16. September 1982 - 2 AZR 271/80 - AP KO § 22 Nr. 4) aufgrund des Sonderkündigungsschutzes nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG nicht einzubeziehen wäre (BAG 17. November 2005 - 6 AZR 118/05 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 60) und die Arbeitnehmerin K nicht zum 31. März 2010 gekündigt werden konnte, weil zunächst aufgrund ihrer Schwerbehinderung die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen war. Im Übrigen bestimmt sich der Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei Identität des Arbeitsplatzes, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. An einer Vergleichbarkeit fehlt es dagegen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann (BAG 02. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 75; BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98). Sollte es für die Übertragung von Abwicklungsarbeiten darüber hinaus einer Änderung der vertraglichen Bedingungen bedürfen, ist außerdem erforderlich, dass die Arbeitnehmer auch für die Tätigkeit, die Gegenstand des Änderungsangebots wären, wenigstens annähernd gleich geeignet sind; die Austauschbarkeit muss sich damit auch auf den dem Änderungsangebot zugrunde liegenden Arbeitsplatz beziehen (BAG 18. Januar 2007 - 2 AZR 796/05 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 89; BAG 09. September 2010 - 2 AZR 1045/08 - nv, juris). Es ist aber weder ersichtlich, dass der Kläger als Ground OPS Manager oder auch als kommissarischer Flugbetriebsleiter mit Buchhaltern (D und K), der Personalleiterin (C) oder dem Finanzdirektor und kommissarischen N-direktor (E) vergleichbar und für Abwicklungsarbeiten im Bereich der Abwicklung von Miet- und Dienstverhältnissen und der abschließenden Bearbeitungen von Personalangelegenheiten annähernd wie diese geeignet wäre. Flugbetrieb selbst wiederum fand im Kündigungszeitpunkt schon seit ca. drei Monaten nicht mehr statt.

II. Die Kündigung ist nicht gemäß § 174 Satz 1 BGB unwirksam.

Der Kläger konnte die Kündigung nicht mangels Vollmachtsvorlage zurückweisen. Er hat sie auch nicht wegen Mängeln in der Vertretung zurückgewiesen. Solche bestehen auch nicht.

1. Der Kündigung war eine auf den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) ausgestellte Vollmacht im Original beigefügt. Dies ist unstreitig.

2. Die Originalvollmacht wurde ausgestellt durch L F. Dieser ist als Verwaltungsratsmitglied Organvertreter der Beklagten zu 1). Dies folgt aus deren Satzung, veröffentlicht im G Regierungsblatt vom 27. Mai 2009, Bl. 3847 f.

a) Dass die Originalvollmacht durch L F unterschrieben wurde, ist vom Kläger nicht zulässig bestritten. Von daher besteht für die Kammer kein Anlass, dem Beweisantritt der Beklagten zu 1) (Vernehmung des L F) nachzugehen.

b) Als Grundsatz gilt, dass eine Partei, die keine näheren Einblicke in dem Gegner bekannte Geschehensabläufe hat und deren Beweisführung deshalb erschwert ist, auch von ihr nur vermutete Tatsachen behaupten kann. Unzulässig ist ein derartiges prozessuales Vorgehen allerdings, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt und sich deshalb rechtsmissbräuchlich erhält. Dies kann bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte angenommen werden (BAG 28. Mai 1998 - 6 AZR 618/96 - AP TV Ang. Bundespost § 16 Nr. 6; BAG 05. November 2003 - 5 AZR 562/02 - AP BGB § 615 Nr. 106; BGH 13. Dezember 2002 - V ZR 359/01 - NJW-RR 2003, 491; BGH 15. Mai 2003 - III ZR 7/02 - BGHReport 2003, 891; BGH 02. April 2009 - V ZR 177/09 - NJW-RR 2009, 1236).

c) Derartige Anhaltspunkte liegen nicht vor, so dass sich das Bestreiten des Klägers als rechtsmissbräuchlich darstellt. Der Kläger beruft sich für sein Bestreiten ausschließlich darauf, die Unterschriften unter den Vollmachten vom 11. Dezember 2009 (Bl. 105 d.A.) und vom 29. Oktober 2009 (Bl. 75 d.A.) würden nicht übereinstimmen; ein Vergleich der beiden Unterschriften lasse absolut keine Übereinstimmungen feststellen. Dieser Einschätzung schließt sich die Kammer ausdrücklich nicht an. Im Gegenteil weisen die Unterschriften identische Charakteristika auf, ähneln einander und begründen nicht den Eindruck, von unterschiedlichen Urhebern zu stammen, sondern gerade von ein und derselben Person. Weitere Gesichtspunkte, die den Kläger veranlassen, die Urheberschaft F' an der Unterschrift der der Kündigung beigefügten Vollmacht zu bestreiten, hat er auch im Verhandlungstermin nicht vorgebracht. Greifbare Anhaltspunkte für die Annahme, eine dritte Person habe die Unterschrift F' unter der Vollmacht vom 11. Dezember 2009 gefälscht, existieren nicht. Der Kläger nennt keine Gesichtspunkte, aufgrund derer er selbst seine Behauptung für wenigstens wahrscheinlich halten könnte. Der Vortrag dient allein dem Zweck, durch Beweisaufnahme, nämlich durch Vernehmung des von der Beklagten zu 1) benannten L F als Partei oder ggf. Einholung eines Sachverständigengutachtens, auszuforschen, ob die Unterschrift unter der Vollmacht vielleicht doch nicht von einem Verwaltungsratsmitglied der Beklagten zu 1) stammen könnte. Der Vortrag ist damit mangels Anhaltspunkten in unzulässiger Weise auf reine Ausforschung (hierzu KG 14. Februar 2011 - 12 U 67/10- Volltext: juris) gerichtet.

3. Die Beklagte zu 1) ist als Sonderliquidatorin der Arbeitgeberin des Klägers kündigungsberechtigt. Sie ist damit auch berechtigt, Dritte mit dem Ausspruch einer Kündigung zu bevollmächtigten. Bei der Erteilung einer solchen Vollmacht kann sie durch ihren Organvertreter F handeln, und zwar durch diesen allein.

a) Die Beklagte zu 1) ist kündigungsberechtigt, da infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf sie übergegangen ist, denn das Sonderliquidationsverfahren G Rechts nach Art. 14 A des Gesetzes Nr. 3429/2005 ist ein nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 EulnsVO auch in der M N anerkanntes Insolvenzverfahren. Dies hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt. Einwendungen hiergegen werden mit der Berufung auch nicht vorgebracht.

b) F konnte als Organvertreter der damit kündigungsberechtigten Beklagten zu 1) allein eine Kündigungsvollmacht auf deren Prozessbevollmächtigten ausstellen.

aa) Seine Alleinvertretungsberechtigung folgt aus der veröffentlichten Satzung der Beklagten zu 1). Hiernach ist dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats O und dem geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglied F die volle Verwaltungs- und Vertretungsmacht der Beklagten zu 1) übertragen, und zwar mit der Möglichkeit, dass jeder getrennt handelt (Alleinvertretungsbefugnis) und dass jeder der beiden berechtigt ist, die Ausführung konkreter Geschäfte gegenüber Dritten auf andere Personen zu übertragen und diesen Vollmachtsurkunden auszustellen.

bb) Fehlende Alleinvertretungsbefugnis des geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieds F wird vom Kläger angesichts der veröffentlichten Satzung nicht substantiiert behauptet. Sein Vortrag beschränkt sich darauf, nach G Recht hätte nach Veränderung der personellen Zusammensetzung des Verwaltungsrats in einem Regierungsblatt veröffentlich werden müssen, dass F seine bisherige Vollmacht behalte bzw. ihm erneut Alleinvertretungsmacht eingeräumt sei, da mit der Veröffentlichung vom 09. November 2009 sämtliche zuvor mit Veröffentlichung vom 27. Mai 2009 erteilten Handlungs- und Vertretungsvollmachten erloschen seien. Auf welchen gesetzlichen Vorschriften oder von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen dies nach G Recht beruhen soll, wird nicht ansatzweise dargelegt. Vor diesem Hintergrund besteht mangels konkreten Tatsachenvortrags auch keine Veranlassung, gemäß § 293 ZPO zu ermitteln, ob aufgrund überhaupt nicht dargelegter Umstände nach G Recht im Kündigungszeitpunkt keine Alleinvertretungsberechtigung F mehr bestand.

4. Selbst wenn für F nur Gesamtvertretungsberechtigung bestanden hätte, wäre seine Vollmachtserteilung gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und dessen Kündigungserklärung genehmigt, §§ 180 Satz 2, 177 Abs. 1 BGB, dies spätestens mit dem Klageabweisungsantrag.

a) F hat als Organvertreter der Beklagten zu 1) gehandelt und nicht als rechtsgeschäftlicher Vertreter. Auf Organhandeln findet § 174 BGB keine Anwendung (BAG 10. Februar 2005 - 2 AZR 584/03 - AP BGB § 174 Nr. 18; BAG 20. September 2006 - 6 AZR 82/06 - AP BGB § 174 Nr. 19). Der Ausnahmefall, dass sich der gesamtvertretungsberechtigte Organvertreter auf eine Ermächtigung des oder der anderen gesamtvertretungsberechtigten Organvertreter bezieht (hierzu BAG 18. Dezember 1980 - 2 AZR 980/78 - AP BGB § 174 Nr. 4), liegt nicht vor. F nahm Organhandeln mit Alleinvertretungsbefugnis in Anspruch.

b) Lag die Alleinvertretungsbefugnis nicht vor, handelte F als Nichtberechtigter. Damit hätte keine wirksame Vollmachtserteilung vorgelegen und wäre die Kündigung durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) ebenfalls durch einen Nichtberechtigten erfolgt.

Dies führt vorliegend dennoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 180 Satz 1 BGB iVm. § 134 BGB, da diese noch genehmigungsfähig war.

aa) Die Frage der Genehmigungsfähigkeit bestimmt sich nach § 180 BGB. Nach § 180 Satz 2 BGB finden die Vorschriften über Verträge und damit die Genehmigungsfähigkeit Anwendung, wenn derjenige, dem gegenüber das einseitige Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die vom Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme nicht beanstandet hat oder er damit einverstanden gewesen ist.

bb) Auch die Kündigungserklärung als einseitige, empfangsbedürftige rechtsgestaltende Willenserklärung ist genehmigungsfähig (BAG 02. Mai 1957 - 2 AZR 469/55 - AP BGB § 180 Nr. 1; BAG 11. Dezember 1997 - 8 AZR 699/96 - AuR 1998, 202, Volltext: juris; Kammerurteil vom 10. Januar 2011 - 17 Sa 1338/10 - nv., juris; KR- Friedrich, 9. Aufl., KSchG, § 13 Rn 357 mwN; aA LAG Köln 16. November 2005 - 8 Sa 832/05 - LAGE BGB 2002 § 180 Nr. 1; LAG Köln 20. Juni 2007 - 8 Sa 1287/06 - nv., juris; offen gelassen in BAG 10. Februar 2005 - 2 AZR 584/03 - aaO; vgl. aber auch BAG 26. März 2009 - 2 AZR 403/07 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 70).

cc) Eine Genehmigung nach §§ 180 Satz 2, 177 BGB ist nicht ausgeschlossen, da der Kläger den Mangel der Vertretungsmacht nicht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts beanstandet hat. Die Beanstandung iSd. § 180 Satz 2 BGB ist wie nach §§ 111, 174 BGB im Sinne einer Zurückweisung zu verstehen, hier im Hinblick auf die Vertretungsmacht. Im Fall einer Erklärung unter Abwesenden hat sie entsprechend § 174 BGB unverzüglich zu erfolgen (Staudinger/Schilken, Stand Juli 2009, BGB, § 180 Rn. 7 mwN.). Die Zurückweisung mit Schreiben vom 05. Januar 2010 erfolgte „wegen Vollmachtsvorlage“ und „wegen sonstigen Unwirksamkeitsgründen“. Hierin mag trotz ggf. missverständlicher Formulierung eine Zurückweisung wegen fehlender Vollmachtsvorlage gesehen werden. Unter diesem Aspekt bestand aber keine Zurückweisungsmöglichkeit. Das Schreiben vom 05. Januar 2010 lässt jedoch nicht erkennen, dass die Zurückweisung auch wegen fehlender Vertretungsmacht der die Vollmacht unterzeichnenden Person erfolgt. Die Beanstandung iSd. § 180 Satz 2 BGB muss jedoch gerade auf die fehlende Vertretungsmacht gestützt werden und zum Ausdruck bringen, dass man das Geschäft eben aus diesem Grund nicht gelten lassen will; andere Begründungen reichen nicht aus (Staudinger/Schilken, aaO). Das Rügeschreiben bezieht sich aber nicht ausdrücklich auf Mängel in der Vertretung.

dd) Die damit mögliche Genehmigung der Kündigung durch die Beklagte zu 1) kann konkludent erfolgen (BAG 11. Dezember 1997 - 8 AZR 699/96 - aaO) und liegt spätestens im Klageabweisungsantrag im vorliegenden Rechtsstreit (LAG Düsseldorf 17. Januar 2008 - 13 Sa 1988/07 - nv., juris).

III. Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

1. Dass die Betriebsratsanhörung inhaltlich nicht zu beanstanden ist, hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Die hiergegen in der Berufung vorgebrachten Argumente überzeugen nicht.

a) Dass dem Betriebsrat die Stilllegungsabsicht mitgeteilt wurde, folgt bereits aus dem der Anhörung beigefügten Schreiben vom 01. Dezember 2009. Dass dieses Schreiben unabhängig von der Übergabe im Rahmen der mit dem Gesamtbetriebsrat vor der Einigungsstelle geführten Interessenausgleichsverhandlungen auch dem örtlichen Betriebsrat mit der Kündigungsanhörung übergeben wurde, folgt aus dem vom Betriebsrat insoweit nicht beanstandeten Anhörungsschreiben vom 14. Dezember 2009 wird vom Kläger nicht substantiiert bestritten.

b) Die Betriebsratsanhörung ist nicht deshalb fehlerhaft, weil die Beklagte zu 1) dem Betriebsrat nicht mitgeteilt hätte, aus welchen Gründen sie gerade eine Betriebsstilllegung zum 31. März 2010 beabsichtigte. Im Zeitpunkt der Betriebsratsanhörung fand vielmehr bereits seit ca. drei Monaten kein Flugbetrieb der Arbeitgeberin von und nach N mehr statt. Entsprechende Kenntnis des Betriebsrats kann die Kammer unterstellen. Die Beklagte zu 1) hat ferner, worauf das Arbeitsgericht auch in anderem Zusammenhang zutreffend hingewiesen hat, alle in N unterhaltenen Miet-, Leasing- und Wartungsverträge gekündigt und das Mobiliar der Station entsorgt oder an Mitarbeiter zu Sonderkonditionen veräußert. Die Beklagte zu 1) hat nicht wegen punktgenau zum 31. März 2010 durchzuführenden Betriebsschließung gekündigt, sondern wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung, wobei allerdings die dargelegten Tatsachen hinreichend greifbare Anhaltspunkte dafür lieferten, dass zum beabsichtigten Kündigungstermin, dies war beim Kläger und bei der ganz überwiegenden Anzahl der Arbeitnehmer der 31. März 2010, der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben sein würde. Diese Einschätzung war zum 31. März 2010 mangels Flugbetriebs in N, mangels Betriebsräumen in N und mangels materieller Betriebsmittel in N realistisch. Erkennbar dient der 31. März 2010 nicht der Feststellung des von der Beklagten zu 1) beabsichtigten Zeitpunkts der Betriebsstilllegung, sondern der Feststellung der gegenüber den Arbeitnehmern nach § 113 InsO einzuhaltenden Kündigungsfrist, sofern nicht in Einzelfällen zuvor noch die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen war. Die Beklagte zu 1) musste dem Betriebsrat daher nicht mitteilen, warum sie gerade zum 31. März 2010 und nicht beispielsweise zum 03. April 2010 oder auch 30. April 2010 eine Betriebsstilllegung beabsichtigte, sondern dass aufgrund greifbarer Umstände im Zusammenhang mit der beabsichtigten Betriebsstilllegung zum 31. März 2010 das Beschäftigungsbedürfnis mit einiger Sicherheit entfallen sein wird.

c) Angaben zur Sozialauswahl, auch im Zusammenhang mit noch zu erledigenden Restarbeiten waren nicht erforderlich. Abgesehen davon, dass die Beklagte zu 1) nach ihrem Vortrag zunächst allen Arbeitnehmern unter Einhaltung der Kündigungsfrist nach § 113 Satz 2 InsO gekündigt hat, ist die Betriebsratsanhörung subjektiv determiniert. Wenn die Beklagte zu 1) die Auffassung vertreten hat, wegen der Kündigung aller Arbeitnehmer des H Betriebs keine Sozialauswahl durchführen zu müssen, hatte sie dem Betriebsrat im Rahmen der Kündigungsanhörung auch keine Kriterien einer nicht durchgeführten Sozialauswahl mitzuteilen.

d) Die Beanstandung, dem Betriebsrat hätte im Rahmen der Anhörung auf eine Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber seiner Tochter mitgeteilt werden müssen, hält der Kläger in der Berufung nicht aufrecht. Das Arbeitsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte zu 1) sich bei der Anhörung hierbei auf die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte des Klägers verlassen konnte. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass dem Betriebsrat die gegenüber der Tochter bestehende Unterhaltsverpflichtung ohnehin bekannt war. Dies zeigt die Stellungnahme des Betriebsrats vom 21. Dezember 2009.

e) Die Betriebsratsanhörung ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG durch die Beklagte zu 1) nicht ordnungsgemäß eingeleitet wurde, es hierzu der Vorlage einer auf den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) ausgestellten Originalvollmacht bedurft hätte und der Betriebsrat deshalb zur Zurückweisung der Anhörung entsprechend § 174 BGB berechtigt gewesen wäre.

aa) Aus dem Vortrag der Parteien bzw. den eingereichten Unterlagen (Stellungnahme des Betriebsrats vom 21. Dezember 2009, Bl. 101 f d.A.) lässt sich entnehmen, dass mit der Betriebsratsanhörung zur beabsichtigten Kündigung des Klägers vom 14. Dezember 2009 keine Originalvollmacht auf den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) vorgelegt wurde. Eine Bezugnahme auf die im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen und dem Verfahren vor der Einigungsstelle - im Übrigen mit dem Gesamtbetriebsrat und nicht dem örtlichen Betriebsrat - vorgelegte Urkunde würde keine Originalvollmacht ersetzen. Diese Vollmacht ermächtigt zu „Verhandlungen mit dem Betriebsrat bezüglich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen“ - die Einschränkung, wonach zwei Personen zu entscheiden haben, betrifft das Innenverhältnis - wobei offen bleiben kann, ob hiermit auch die Einleitung von Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG erfasst wird. Sie ist jedenfalls ausweislich des Protokolls der Einigungsstelle vom 04. Dezember 2009 auch nicht im Original vorgelegt worden, sondern in Telekopie. Abstimmungsverhalten der Mitglieder der Einigungsstelle, auch wenn insoweit Personalunion mit zwei Mitgliedern des örtlichen Betriebsrats H am P - darunter dessen Vorsitzender - besteht, führt auch nicht zur Annahme, der örtliche Betriebsrat sei von der Beklagten zu 1) darüber in Kenntnis gesetzt, ihr Prozessbevollmächtigter sei allgemein zur Einleitung von Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG befugt. Dies gilt auch dann, wenn man unterstellt, dass diese Mitglieder der Einigungsstelle ihren Kenntnisstand dem Gremium des örtlichen Betriebsrats im Rahmen der Beschlussfassung zur Betriebsratsanhörung mitzuteilen hatten und mitteilten. Dieser Kenntnisstand besteht dann darin, dass die vorgelegte Vollmacht ausweislich des Protokolls der Einigungsstelle bereits im Einigungsstellenverfahren beanstandet wurde. Die Reaktion des Betriebsrats wäre dann schließlich auch noch unverzüglich erfolgt, nämlich zeitgleich mit seiner Stellungnahme vom 21. Dezember 2009 innerhalb der Frist des § 102 Abs. 1 BetrVG, wobei zu berücksichtigen ist, dass auch zur Frage der Zurückweisung der Anhörung zunächst ein Betriebsratsbeschluss zu fassen war.

bb) Der Betriebsrat war dennoch nicht zur Zurückweisung der Betriebsratsanhörung berechtigt. Denn § 174 BGB findet auf die Betriebsratsanhörung keine Anwendung (aA LAG Baden-Württemberg 11. März 2011 - 7 Sa 109/10 - aaO; LAG Baden- Württemberg 12. Mai 2011 -21 Sa 119/10-nv., juris; LAG Berlin-Brandenburg 27. Mai 2011 - 8 Sa 132/11 - nv., juris; LAG Berlin-Brandenburg 27. Mai 2011 - 8 Sa 2653/11 - nv., juris; LAG Berlin-Brandenburg 29. Juni 2011 - 15 Sa 735/11 - nv., juris; HaKo/Nägele, 3. Aufl., BetrVG; § 102 Rn 52; vgl. auch LAG Baden-Württemberg 25. März 2011 - 7 Sa 8/11 - nv., juris).

(1) Eine unmittelbare Anwendung des § 174 BGB scheidet aus, denn bei der Betriebsratsanhörung handelt es sich weder um ein Rechtsgeschäft noch überhaupt um eine Willenserklärung (aA BAG 05. Februar 1981 - 2 AZR 1135/78 - AP LPVG NW § 72 Nr. 1; BAG 19. August 1975 - 1 AZR 565/74 - AP BetrVG 1972 § 105 Nr. 1; BAG 02. März 1989 - 2 AZR 280/88 - AP BGB § 626 Nr. 101: atypische bzw. nichttypische Willenserklärung). Die Willenserklärung im Sinne der Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB ist die Äußerung eines Willens, der unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichtet ist; sie bringt einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck, dh. einen Willen, der auf die Begründung, inhaltliche Änderung oder Beendigung eines privaten Rechtsverhältnisses abzielt (BGH 17. Oktober 2000 - X ZR 97/99 - BGHZ 145, 343). Sie ist Betätigung der Privatautonomie. Die Betriebsratsanhörung zielt dagegen nicht final auf und führt nicht unmittelbar zu einem Rechtserfolg. Sie führt zu keiner Beendigung des Arbeitsverhältnisses, zu dessen Kündigung die Anhörung erfolgt. Sie ist eine gesetzlich vorgegebene Verpflichtung, deren Missachtung unabhängig von Willensbildung und Willensäußerung zur Unwirksamkeit einer dennoch ausgesprochenen Kündigung führt. Sie dient damit nicht unmittelbar der Herbeiführung privatautonom gestalteter Rechtsfolgen, sondern allenfalls mittelbar der Vermeidung gesetzlich sonst vorgegebener Rechtsfolgen.

(2) Bei der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG mag es sich um eine geschäftsähnliche Handlung handeln (HaKo/Nägele, aaO). Auf geschäftsähnliche Handlungen finden die Vorschriften über Willenserklärungen grundsätzlich entsprechende Anwendung. Bei der Frage, in welchem Umfang die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften auf geschäftsähnliche Handlungen anzuwenden sind, ist allerdings jeweils den spezifischen Eigenarten und der Interessenlage bei der in Frage stehenden Handlung Rechnung zu tragen (BGH 17. Oktober 2000 - X ZR 97/99 - aaO), wobei auch der mit der entsprechenden Vorschrift verfolgte Zweck zu berücksichtigen ist. Dementsprechend findet beispielsweise § 174 BGB auf die Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist keine Anwendung (BAG 14. August 2002 - 5 AZR 341/01 - AP BGB § 174 Nr. 16).

(3) § 174 BGB bezweckt die Wahrung der Gewissheitsinteressen des Dritten (BAG 14. August 2002 - 5 AZR 341/01 - aaO). Die Vorschrift dient der Vermeidung einer ungünstigen Lage eines Erklärungsempfängers, der mit einem einseitigen Rechtsgeschäft, zB. einer Kündigung, konfrontiert wird, das als Bevollmächtigter im Namen eines anderen vorgenommen wird, ohne sich über die erteilte Vollmacht auszuweisen, und die daraus resultiert, dass der Erklärungsempfänger keine Gewissheit darüber hat, ob das Rechtsgeschäft von einem wirklich Bevollmächtigten ausgeht und der Vertretene es für bzw. gegen sich gelten lassen muss (BAG 10. Februar 2005 - 2 AZR 584/03 - aaO; BAG 20. September - 6 AZR 82/06 - aaO). Die Regelung steht darüber hinaus im Sachzusammenhang mit dem Verbot vollmachtlosen Handelns bei einseitigen Rechtsgeschäften, § 180 Satz 1 BGB (BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 - NZA 2011, 683).

(4) Die entsprechende Anwendung des § 174 BGB auf die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG ist nicht gerechtfertigt. Die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG hat über die reine Unterrichtung hinaus den Sinn, diesem Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zu der Kündigungsabsicht aus Sicht der Arbeitnehmervertretung zur Kenntnis zu bringen. Die Sanktion der Unwirksamkeit nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG verfolgt den Zweck, den Arbeitgeber zu veranlassen, vor jeder Kündigung den Betriebsrat zu hören, will er nicht Gefahr laufen, dass die Kündigung von vornherein unwirksam ist. Die Anhörung soll ferner in geeigneten Fällen dazu beitragen, dass es gar nicht erst zum Ausspruch einer Kündigung kommt. Die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG zielt dagegen nicht darauf ab, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen, sondern beschränkt sich darauf, im Vorfeld der Kündigung auf den Willensbildungsprozess des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen (BAG 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 68). Die Vorschrift dient ferner individualrechtlichen Zwecken, indem sie dem Arbeitnehmer im Fall des ordnungsgemäßen Widerspruchs einen Weiterbeschäftigungsanspruch einräumt, § 102 Abs. 5 BetrVG, gleichermaßen kollektiven Interessen, indem sie den Einfluss des Betriebsrats auf die Zusammensetzung der Belegschaft gewährleistet (BAG 09. November 1977 - 5 AZR 132/76 - EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 31), und weist insoweit präventiven Charakter auf (Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier; BetrVG, 25. Aufl., § 102 Rn 34; DKKW/Bachner, BetrVG,12. Aufl., § 102 Rn 3). Die Vorschrift dient dagegen nicht der Schaffung eines weiteren Unwirksamkeitsgrundes für Kündigungen, sie dient auch nicht einer umfassenden Prüfung der Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Kündigung durch den Betriebsrat.

(5) Die mit § 102 BetrVG verfolgten Zwecke werden auch mit einer Betriebsratsanhörung durch einen bevollmächtigten Vertreter, der keine Vollmachtsurkunde vorlegt, gewahrt. Die Ungewissheit, ob die Anhörung durch einen wirklich Bevollmächtigten erfolgt, ist zwar ebenso vorhanden wie in allen Fällen der fehlenden Vollmachtsvorlage. Der Betriebsrat hat aber kein durch § 174 BGB zu schützendes Interesse, unverzüglich klare Verhältnisse zu schaffen. Die Betriebsratsanhörung allein wirkt noch nicht auf Rechte ein, weder auf solche des Betriebsrats noch auf solche des betroffenen individuellen Arbeitnehmers. Die Anhörung, auch wenn sie ohne Vollmachtsvorlage erfolgt, führt dazu, dass dem Betriebsrat die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers bekannt ist und ihm die hierfür in Anspruch genommenen Gründe mitgeteilt werden. Damit ist dem Betriebsrat die Möglichkeit eröffnet, seinerseits argumentativ auf die Kündigungsabsicht einzugehen und ggf. auf den Willensbildungsprozess des Arbeitgebers einzuwirken. Seine Argumentationsmöglichkeiten werden hierbei in keiner Weise eingeschränkt. Seine Möglichkeit, die individuelle Position des betroffenen Arbeitnehmers durch einen qualifizierten Widerspruch zu stärken, wird durch die fehlende Vollmacht nicht beeinträchtigt. Eine rechtliche Prüfung, ob die Person, die die Betriebsratsanhörung durchführt ggf. auch kündigungsbefugt wäre, hat durch den Betriebsrat nicht zu erfolgen, wobei ohnehin nicht feststeht, ob auch die Kündigung durch diese Person erfolgen würde. Die durch die fehlende Vollmachtsvorlage hervorgerufene Ungewissheit erschöpft sich darin, dass ungewiss ist, ob überhaupt eine Reaktion des Betriebsrats erforderlich ist, wobei eine Rechtspflicht zur Stellungnahme ohnehin nicht besteht. Die Stellungnahmefristen des § 102 Abs. 2 BetrVG werden hierbei in keiner Weise beeinträchtigt. Das Risiko des Betriebsrats erschöpft sich damit darin, dass er zur mitgeteilten Kündigungsabsicht eine Beschlussfassung und eine Stellungnahme vornimmt, deren Notwendigkeit ungewiss ist. Stellt sich dann heraus, dass sie notwendig war, weil die Betriebsratsanhörung in Vollmacht des Arbeitgebers erfolgte, ist den Zwecken des § 102 Abs. 2 BetrVG gedient. Stellt sich heraus, dass die Stellungnahme überflüssig war, weil überhaupt keine Betriebsratsanhörung des Arbeitgebers und keine Kündigungsabsicht vorlagen, wird in aller Regel eine Kündigung ohnehin unterbleiben. Ziele des § 102 BetrVG werden dadurch nicht beeinträchtigt. Der Inhalt der Stellungnahme des Betriebsrats wird schließlich nicht dadurch beeinflusst, ob der Anhörung eine Vollmacht beigefügt war oder nicht. Die durch § 174 BGB geschützten Gewissheitsinteressen haben damit keinen Einfluss auf den Inhalt der Reaktion des Betriebsrats auf die mitgeteilte Kündigungsabsicht. § 174 BGB dient dagegen nicht dem Zweck, bestimmte Rechtsgeschäfte oder geschäftsähnliche Handlungen zu verzögern oder zu verhindern.

(6) § 174 BGB steht darüber hinaus im Zusammenhang mit dem Verbot vollmachtlosen Handelns bei einseitigen Rechtsgeschäften (BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 - aaO). Er steht damit aber auch in Zusammenhang nicht nur mit § 180 Satz 1 BGB, sondern auch mit § 180 Satz 2 BGB. Entsprechende Anwendung des § 174 BGB auf die Betriebsratsanhörung müsste dann konsequenter Weise auch zur entsprechenden Anwendung der Genehmigungsmöglichkeit nach § 180 Satz 2 BGB bei Durchführung der Betriebsratsanhörung durch einen Nichtberechtigten führen, ggf. auch durch konkludentes Handeln, beispielsweise durch Unterzeichnung des Kündigungsschreibens (so LAG Berlin 12. März 2004 - 6 Sa 2593/03 - nv., juris). Dies wiederum kommt aber nach Auffassung der Kammer schon allein aus Gründen der Rechtssicherheit und im Hinblick auf die mit der Betriebsratsanhörung in Gang gesetzte Stellungnahmefrist nach § 102 Abs. 3 BetrVG nicht in Betracht. Dies führt letztlich dazu, dass in Zweifelsfällen der Arbeitgeber die Berechtigung zur Durchführung der Betriebsratsanhörung im Rechtsstreit darzulegen und ggf. nachzuweisen hat.

(7) Ob auf das Zustimmungsersuchen nach § 103 BetrVG die Vorschrift des § 174 BGB entsprechende Anwendung findet (LAG Hessen - 29. Januar 1998 - 5 Ta BV 122/97 - ARST 1998, 196), ist in diesem Zusammenhang unerheblich und gibt keinen Aufschluss über die entsprechende Anwendung auch auf das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG. Die Beteiligungsverfahren sind unterschiedlich ausgestaltet, insbesondere hat aber im Anwendungsbereich des § 103 BetrVG nicht nur die Durchführung des Anhörungsverfahrens durch den Arbeitgeber sondern auch die Reaktion des Betriebsrats unmittelbare Auswirkungen auf die Zulässigkeit einer Kündigung, so dass bereits von daher eine unterschiedliche Interessenlage besteht.

IV. Die Kündigung ist nicht gemäß § 17 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam.

1. Der Kläger ist nicht nach § 6 Satz 1 KSchG gehindert, den Unwirksamkeitsgrund des § 17 KSchG iVm. § 134 BGB noch im Berufungsverfahren geltend zu machen, auch wenn er ihn erstinstanzlich nicht geltend gemacht hat. Denn das Arbeitsgericht hat keinen Hinweis nach § 6 Satz 2 KSchG erteilt. In diesem Fall ist der Arbeitnehmer nicht gehindert, den erstinstanzlich nicht geltend gemachten Unwirksamkeitsgrund noch im Berufungsverfahren einzuführen, wobei eine Sachentscheidungsbefugnis des Landesarbeitsgerichts und kein Zurückverweisungserfordernis besteht (vgl. zu §§ 17 Satz 2 TzBfG, 6 KSchG: BAG 04. Mai 2011 - 7 AZR 252/10 - NZA 2011, 1178).

2. Die Beklagte zu 1) hat vor Ausspruch der Kündigung eine Massenentlassungsanzeige bei der J erstattet.

3. Das Verfahren im Rahmen der Massenentlassungsanzeige war nach dem zugrunde zu legenden Parteivortrag fehlerhaft. Dies führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, denn die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige wird aufgrund des Bescheids der J vom 18. Dezember 2009 im vorliegenden Rechtsstreit nicht überprüft.

a) Die Beklagte zu 1) hat den Betriebsrat vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige jedenfalls formal nach § 17 Abs. 2 KSchG beteiligt. Sie hat die Betriebsratsanhörung zur Kündigung auch als „Mitteilung im Sinne von § 17 Abs. 2 KSchG“ bezeichnet. Damit war dem Betriebsrat erkennbar, dass die Beklagte zu 1) jedenfalls den Versuch unternehmen wollte, ihrer Pflicht zur Unterrichtung des Betriebsrats nach dieser Vorschrift nachzukommen.

b) Dies ist allerdings nicht vollständig gelungen. Das Anhörungsschreiben vom 14. Dezember 2009 enthält nicht die in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 6 KSchG geforderten Angaben. Inwieweit dem Betriebsrat diese Angaben auf andere Weise mitgeteilt worden sein sollten, ist nicht dargelegt. Beratungen iSd. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG mit dem örtlichen Betriebsrat haben nicht stattgefunden. Solche Beratungen sind jedenfalls nicht dargelegt.

c) Die Beklagte zu 1) hat auch nicht iSd. § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG gegenüber der J glaubhaft gemacht, dass sie den örtlichen Betriebsrat zwei Wochen vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet hätte und den Stand der Beratungen dargelegt. Vortrag hierzu liegt nicht vor. Im Übrigen kann die Beklagte zu 1) Verstreichen der Zweiwochenfrist nicht glaubhaft gemacht haben, wenn das Verfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG gegenüber dem örtlichen Betriebsrat erst gemeinsam mit der weniger als zwei Wochen vor der Massenentlassungsanzeige erfolgten Betriebsratsanhörung zur Kündigung durchgeführt wurde.

aa) Die Rechtsfolgen fehlerhafter Massenentlassungsanzeigen auf die Wirksamkeit der Kündigung sind nach der durch die Rechtsprechung des EuGH (EuGH 27. Januar 2005 - C-188/03 - NZA 2005, 213 [Junk]) vorgegebene Änderung der Rechtsprechung des BAG noch nicht abschließend geklärt (vgl. BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - EzA KSchG § 17 Nr. 21).

Dies gilt auch für die Frage, ob Fehler in der Massenentlassungsanzeige auch dann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, wenn die J durch bestandskräftigen Verwaltungsakt bestätigt, dass eine wirksame Massenentlassungsanzeige vorlag.

bb) Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG (BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 895/95 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 8; vgl. auch BAG 11. März 1998 - 2 AZR 414/97 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43; BAG 13. April 2000 - 2 AZR 215/99 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13) konnten Fehler der Massenentlassungsanzeige durch bestandskräftigen Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung geheilt werden, in dem die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige bestätigt wurde. Hiernach waren die Arbeitsgerichte grundsätzlich verpflichtet, einen Verwaltungsakt, der nicht nichtig ist, als gültig anzuerkennen, solange er nicht von Amts wegen oder auf einen Rechtsbehelf in dem dafür vorgesehenen Verfahren aufgehoben worden ist.

cc) Umstritten ist, ob hieran auch im Anschluss an die durch die Entscheidung des EuGH vom 27. Januar 2005 hervorgerufene Rechtsprechungsänderung festzuhalten ist (bejahend - jedenfalls bei Einhaltung der Zweiwochenfrist - LAG Rheinland-Pfalz 15. Januar 2008 - 3 Sa 634/07 - ZinsO 2008, 1392; Volltext juris; bejahend auch: APS/Moll, 3. Aufl., KSchG, § 17 Rn 136; SPV/Vossen, 10. Aufl., Rn 1654; Küttner/Kreitner, Personalbuch 2011, 300 „Massenentlassung“, Rn 24; wohl auch Krieger/Ludwig, NZA 2010, 919 [921]; einschränkend ErfK/Kiel, 11. Aufl., KSchG, § 20 Rn 6; KR/Weigand, 9 Aufl., KSchG; § 20 Rn 12 und 73; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl., § 18 Rn 17 und § 20 Rn 26; verneinend LAG Düsseldorf 15. September 2010 - 12 Sa 627/10 - ZinsO 2011, 1167; LAG Düsseldorf 10. November 2010 - 12 Sa 1321/10 - ZinsO 2011, 871; Reinhard, RdA 2007, 207 [214]; Niklas/Koehler, NZA 2010, 913 [918]).

dd) Die Kammer folgt nicht der Auffassung, wonach das unionsrechtliche und grundrechtliche Effektivitätsprinzip die Bindung der Arbeitsgerichte an eine inzidente Feststellung der Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige durch die Arbeitsverwaltung hindert (so LAG Düsseldorf 15. September 2010 - 12 Sa 627/10 - aaO; LAG Düsseldorf 10. November 2010 - 12 Sa 1321/10 - aaO). Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob die Arbeitsgerichte auch an die Auffassung der Arbeitsverwaltung gebunden sind, die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Pflicht zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige lägen nicht vor (hierzu ErfK/Kiel, aaO; KR/Weigand, aaO; Rn 72; v.Hoyningen-Huene/Linck, aaO, § 20 Rn 26). Auch wenn man der Auffassung folgt, dass die §§ 17 f KSchG auch der Verstärkung und Ausgestaltung des individuellen Kündigungsschutzes dienen (LAG Sachsen-Anhalt 18. November 2009 - 5 Sa 179/09 - nv., juris), bezweckt die Anzeigepflicht nach wie vor nicht primär einen Schutz der Arbeitnehmer vor Entlassung, sondern dient dem Ziel einer effektiven Verwaltung der Massenentlassung und -arbeitslosigkeit und damit vor allem arbeitsmarktpolitischen Zwecken (BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21). Die J soll in die Lage versetzt werden, vorausschauend Arbeitsvermittlungs- und andere Maßnahmen einzuleiten, um Folgen der Massenentlassungen von den betroffenen Arbeitnehmern möglichst abzuwenden. Dies entspricht auch Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (Massenentlassungsrichtlinie, MERL), wonach der Zweck der Anzeige darin besteht, es der zuständigen Behörde zu ermöglichen, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen. Nach diesem Gesetzeszweck hat dann aber ein Fehler im Zusammenhang mit der Erstattung der Massenentlassungsanzeige im Zusammenhang mit den Beratungen mit dem Betriebsrat jedenfalls dann keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Anzeige, wenn die J nachträglich zu erkennen gibt, dass sie aufgrund der vom Arbeitgeber gemachten Angaben und der von ihm mitgeteilten Unterrichtung des Betriebrats in der Lage war, sich ein ausreichendes Bild von den geplanten Massenentlassungen zu machen, um erforderliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu ergreifen bzw. Entscheidungen nach § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 KSchG zu treffen. Nach § 20 Abs. 3 KSchG hat der Entscheidungsträger der J vor seiner Entscheidung Arbeitgeber und Betriebsrat anzuhören und sind diese verpflichtet, die für die Beurteilung des Falles erforderlich gehaltenen Auskünfte zu erteilen, wodurch die J sich selbst, wenn sie dies für erforderlich hält, ein Bild von dem Stand der Beratungen verschaffen kann. Wenn die gesetzlichen Anforderungen an die Anzeige in erster Linie dazu dienen, der Behörde eine ordnungsgemäße Erledigung ihrer Aufgaben zu ermöglichen oder diese zumindest zu erleichtern und sie sich aufgrund der vom Arbeitgeber mit der Massenentlassungsanzeige erteilten Informationen in der Lage sieht, die Anzeige sachlich zu prüfen, die im Zusammenhang mit der beabsichtigten Massenentlassung aufgeworfenen Probleme zu beurteilen und dem Arbeitgeber die Wirksamkeit der eingegangenen Massenentlassungsanzeige zu bestätigen anstatt ergänzende Informationen zu fordern, besteht vom Gesetzeszweck kein Anlass, von einer unwirksamen Massenentlassungsanzeige auszugehen, dies wiederum mit der Folge der Unwirksamkeit der darauf erklärten Kündigungen (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370). Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitsverwaltung möglicherweise fehlerhaft die Darlegung beendeter wenn auch gescheiterter Interessenausgleichsverhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat als hinreichende Darlegung eines mit dem örtlichen Betriebsrat durchgeführten Konsultationsverfahrens gewertet hat. Es geht damit auch um die Frage der Überprüfung der Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige trotz potentiellen Fehlers als solcher und nicht um die Frage der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für Fehlerhaftigkeit bzw. Fehlerfreiheit der Massenentlassungsanzeige nach Vorliegen einer Entscheidung durch die J (so Reinhard, RdA 2007, 207 [214]).

V. Das Arbeitsgericht hat schließlich zutreffend erkannt, dass auch die einzuhaltende Kündigungsfrist gewahrt ist und diese aus § 113 Satz 2 InsO folgt.

Bei dem Sonderliquidationsverfahren nach Art. 14 A des Gesetzes Nr. 3429/2005 handelt es sich um ein nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 EulnsVO anerkanntes Insolvenzverfahren. Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Arbeitsvertrag gilt deutsches Recht als das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht, Art. 10 EulnsVO. § 113 InsO hat arbeitsrechtlichen Regelungscharakter und findet damit auch im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedsstaat aufgrund des Vertragsstatuts Anwendung (Göpfert/Müller, NZA 2009, 1059 [1060, 1061] mwN).

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ist die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Außerdem weicht die vorliegende Entscheidung insoweit in entscheidungserheblicher Weise von den Entscheidungen des LAG Baden- Württemberg vom 11. März 2011 (7 Sa 109/10) und 12. Mai 2011 (21 Sa 119/10), des LAG Berlin-Brandenburg vom 27. Mai 2011 (8 Sa 132/11 und 8 Sa 2653/11) und 29. Juni 2011 (15 Sa 735/11) sowie des LAG Düsseldorf vom 15. September 2010 (12 Sa 627/10) und 10. November 2010 (12 Sa 1321/10) ab, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.

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