AG Michelstadt, Urteil vom 22.09.2011 - 2 OWi 1400 Js 22301/11
Fundstelle
openJur 2012, 35081
  • Rkr:

Das Ergebnis einer Messung einer Atemalkoholkonzentration mit einem Atemalkoholmessgerät unterliegt nicht deshalb einem Beweisverwertungsverbot, weil der Betroffene vor der Messung nicht darüber belehrt wurde, dass die Teilnahme an dieser Messung freiwillig und nicht erzwingbar ist (entgegen AG Frankfurt a.M., NZV 2010, 266)

Tenor

Der Betroffene ... wird wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,25 mg/l geführt hat zu einer Geldbuße in Höhe von 500,00 Euro verurteilt.

Ihm wird verboten, für die Dauer von 1 Monat Kraftfahrzeuge jeglicher Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwarnung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften: §§ 24 a Abs. 1, 25 StVG; 4 Abs. 3 BKat; Nr. 241 BKat

Gründe

I.

Der Betroffene befuhr am 26.03.2011 gegen 0:40 Uhr in Reichelsheim die Heidelberger Straße mit dem Pkw Audi TT mit dem amtlichen Kennzeichen ERB-... .... Dort wurde er von dem Zeugen POK ... angehalten. Dieser nahm bei dem Betroffenen einen Alkoholgeruch wahr. Der Betroffene räumte sodann auf Nachfrage des Zeugen POK ... den Genuss von Alkohol ein.

Bei dem Betroffenen wurde mit einem nicht geeichten mobilen Atemalkoholmessgerät der Firma Dräger ein Alkoholtest durchgeführt. Ein Test um 00:40 Uhr ergab einen Wert von 0,4 Promille. Eine Messung 5 Minuten später ergab einen identischen Wert.

Der Betroffene wurde sodann durch den Zeugen POK ... als Betroffener in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren belehrt. Ihm wurde durch den Zeugen POK ... aufgezeigt, dass es zwei Möglichkeiten gäbe: nämlich zum einen, dass er freiwillig mitkommt auf die Dienststelle oder aber zum anderen, dass er festgenommen werden müsse.

Der Betroffene wurde schließlich zur Dienststelle in der Polizeistation Erbach gebracht. Dort erfolgte in der Zeit von 01:45 Uhr und 01:48 Uhr eine Messung seiner Atemalkoholkonzentration mit einem Atemalkoholmessgerät Alcotest 7710 Evidential, Typ MK III, welches zuletzt am 07.10.2010 geeicht worden war. Die Gültigkeit der Eichung dauerte bis zum 30.04.2011 an. Der Zeuge POK ... war an diesem Gerät durch die Hessische Polizeischule ausgebildet.

Die beiden Einzelwerte der Messung ergaben eine Atemalkoholkonzentration von 0,486 mg/l bzw. von 0,455 mg/l. Der Durchschnittswert betrug 0,47 mg/l.

Vor Durchführung der Messung wurde der Betroffene durch den Zeugen POK ... vor die Alternative gestellt, entweder diesen Atemalkoholtest an dem Messgerät durchzuführen oder aber dass eine Blutprobe angeordnet werden müsse.

II.

Der Betroffene wendet sich gegen die Verwertbarkeit der auf der Polizeistation in Erbach durchgeführten Messung der Atemalkoholkonzentration. Er sei von dem Zeugen POK ... nicht darüber belehrt worden, dass die Durchführung des Atemalkoholtests freiwillig und nicht erzwingbar sei. Diese fehlende Belehrung führe - unter Hinweis auf ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18.10.2010 (NZV 2010, 266) - zu einem Verwertungsverbot.

Dieser Auffassung folgt das Gericht ausdrücklich nicht. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Selbst wenn man eine Pflicht zur Belehrung über die Freiwilligkeit der Teilnahme an einer Atemalkoholmessung und über den Umstand, das eine Teilnahme an einer solchen Messung nicht erzwingbar ist, annehmen würde, so führt ein Verstoß gegen eine solche Belehrungspflicht nicht automatisch zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der Ergebnisse der dann durchgeführten Messung der Atemalkoholkonzentration.

Denn nach gefestigter und vom Bundesverfassungsgericht gebilligter Rechtssprechung der Strafgerichte ist dem Strafverfahrensrecht und allgemeinen geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsurschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle hierfür bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat. Ein Beweisverwertungsverbot ist daher als Ausnahme nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen nach Abwägung wieder streitenden Interessen im Einzelfall anzuerkennen (BVerfG, Beschluss vom 24.02.2011, DAR 2011, 696 ff.).

Nach der danach durchzuführenden Interessenabwägung ergibt sich, dass die durchgeführte Atemalkoholmessung selbst dann, wenn der Zeuge POK ... den Betroffenen nicht ausdrücklich über die Freiwilligkeit und die nicht Erzwingbarkeit der Teilnahme am der Atemalkoholmessung belehrt hat, verwertbar bleibt.

Das Gericht glaubt nämlich dem Zeugen POK ..., dass er den Betroffenen vor Durchführung der Atemalkoholmessung auf der Polizeistation in Erbach ordnungsgemäß als Beschuldigten einer Ordnungswidrigkeit belehrt hat. Das Gericht glaubt dem Zeugen POK ... auch, dass er den Betroffenen die Alternativen aufgezeigt hat, entweder den Atemalkoholtest durchzuführen oder aber dass er eine Blutentnahme über sich ergehen lassen muss.

Aus vorstehendem ergibt sich, dass eine fehlende Belehrung des Betroffenen über die Freiwilligkeit der Durchführung einer Messung der Atemalkoholkonzentration und die nicht Erzwingbarkeit der selben dem Betroffenen nicht belastet. Denn es sind nur zwei Szenarien denkbar:

Die erste Möglichkeit ist, dass der Betroffene - nachdem ein Verdacht des vorherigen Alkoholkonsums festgemacht werden konnte - nicht ausdrücklich über die Freiwilligkeit und nicht Erzwingbarkeit der Teilnahme an der Atemalkoholkonzentrationsmessung belehrt wird. Dies ist das Szenario, welches vom Betroffenen vorgetragen wird.

Die zweite Möglichkeit ist, dass der Betroffene entsprechend belehrt wird.

Stimmt er der Teilnahme zu, ist die Messung selbstverständlich verwertbar. Stimmt er ihr nicht zu, so wird zwangsläufig eine Blutprobe angeordnet und entnommen werden. Die Blutentnahme ist erzwingbar.

Der Vergleich dieser Szenarien ergibt, dass auch eine Messung der Atemalkoholkonzentration ohne ausdrückliche vorherige Belehrung über die Freiwilligkeit und Nichterzwingbarkeit verwertbar bleibt. Denn der Betroffene wird dadurch nicht schlechter gestellt. Bei dem Verdacht von Alkoholgenuss kommt der Betroffene nicht mehr aus der Sache raus. Entweder er nimmt an der Messung der Atemalkoholkonzentration teil. Oder er nimmt nicht teil. Dann wird eine Blutprobe angeordnet werden. Diese ist erzwingbar.

Mit anderen Worten: Die Teilnahme an der Messung der Atemalkoholkonzentration ist für den Betroffenen die günstigste Alternative. Die Anordnung einer - erzwingbaren - Blutprobe, an der der Betroffene nicht vorbeikommt, wenn der sich weigert, an der Messung der Atemalkoholkonzentration teilzunehmen, ist deutlich eingriffsintensiver.

III.

Ist danach die durchgeführte Messung der Atemalkoholkonzentration verwertbar - an der Ordnungsgemäßheit der Messung im Übrigen bestehen keine Bedenken und wurden von dem Betroffenen auch nicht geäußert - so steht fest, dass der Betroffene zum Tatzeitpunkt ein Kraftfahrzeug führte mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,25 mg/l geführt hat obwohl er hätte dies - er hatte vor dem Zeugen POK ... einen Alkoholkonsum eingeräumt - hätte erkennen können.

IV.

Danach hat sich der Betroffene der fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,25 mg/l geführt hat, schuldig gemacht.

V.

Vor diesem Hintergrund war gegen ihn gemäß den §§ 24 a Abs. 1, 25 StVG, 4 Abs. 3 BKatV, Nr. 241 BKAtV eine Geldbuße in Höhe von 500 € festzusetzen und ein Fahrverbot von 1 Monat Dauer anzuordnen. Gemäß § 25 Abs. 2 a StVG war anzuordnen, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. 465 Abs. 1 StPO.

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