LG Berlin, Urteil vom 20.01.2009 - 27 O 1204/08
Fundstelle
openJur 2009, 141
  • Rkr:
Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 25. November 2008 wird bestätigt.

2. Von den weiteren Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 1) und 2) jeweils 2/5 und der Antragsteller zu 3) 1/5.

Tatbestand

Auf seiner Website "dfb.de" veröffentlichte der Antragsgegner zu 1. unter der Überschrift "DFB missbilligt Diffamierung von Dr. Theo Zwanziger" die nachfolgend in Kopie wiedergegebene vom Antragsgegner zu 2. verfasste Pressemitteilung vom 14. November 2008, die sich mit seinen Streitigkeiten mit dem als Sportjournalist tätigen Antragsteller befasst und in der auch der Antragsgegner zu 3. mit der aus dem Verfügungstenor zu 2. ersichtlichen Äußerung zu Wort kommt:

[Screenshot dfb.de; redaktionell entfernt]

Die Streitigkeiten der Parteien gehen zurück auf kritische Äußerungen des Präsidenten des Antragsgegners zu 1. zu einer jüngst ergangenen Entscheidung des Bundskartellamtes, das Vermarktungsmodell der DFL für die Bundeliga-TV-Rechte zu untersagen, die den Antragsteller zu folgendem Kommentar auf der Webseite "direkter-freistoss.de" veranlasst hatten:

[Textausschnit; redaktionell entfernt]

Erfolglos hatte Herr Zwanziger vor der angerufenen Kammer den Antragsgegner wegen der Bezeichnung als "unglaublicher Demagoge" im Verfahren 27 0 908/08 - 9 W 123/08 auf Unterlassung in Anspruch genpmmen. Hinsichtlich des zurückweisenden Beschlusses der insoweit von einer zulässigen Meinungsäußerung ausgehenden Kammer und des Beschlusses des Kammergerichts wird auf die Anlagen ASt 11 und 12 verwiesen.

Der Antragsteller, der sich durch die aus dem Verfügungstenor ersichtlichen Äußerungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, nimmt die Antragsgegner auf Unterlassung in Anspruch. Die Bezeichnung des Herrn Zwanziger als "unglaublicher Demagoge" habe sich ausschließlich auf dessen Äußerungen in Bezug auf die Entscheidung des Bundeskartellamtes bezogen und mithin einen ganz konkreten Anlass gehabt. Angesichts des Verschweigens der diesbezüglich

ergangenen Gerichtsentscheidungen handele es sich bei der unter Ziffer 2 beanstandeten Äußerung nicht um eine Meinungsäußerung, sondern um eine unwahre Tatsachenbehauptung.

Er hat die einstweilige Verfügung vom 25. November 2008 erwirkt, durch die den Antragsgegnern zu 1) und 2) unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten worden ist,

a) wörtlich und/oder sinngemäß zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen,

der Antragsteller habe den DFB-Präsidenten Theo Zwanziger ohne Anlass als "unglaublichen Demagogen" bezeichnet,

wie in der Pressemitteilung 180 des Antragsgegners zu 1) vom 14. November 2008 geschehen;

b) durch die Formulierung

"Unmittelbar vor der Erhebung einer auf Unterlassung und Widerruf abzielenden Klage Dr. Zwanzigers gegen Weinreich hat der Berliner Journalist jedoch nunmehr über seinen Anwalt am 11. November 2008 dem DFB eine Erklärung zukommen lassen, die Dr. Zwanziger als ausreichende Entschuldigung und Eingeständnis eines Fehlverhaltens von Weinreich akzeptiert."

den Eindruck zu erwecken, der Antragsteller habe zur Vermeidung einer von Dr. Theo Zwanziger angekündigten Klage auf Widerruf und Unterlassung über seinen Anwalt am 11 . November 2008 eine entschuldigende Erklärung abgeben lassen;

c) wörtlich und/oder sinngemäß zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen:

"Im Zuge der Weinreich eingeräumten Frist auf Widerruf seiner diffamierenden Beleidigung von Dr. Zwanziger erfüllte der Berliner Journalist damit die vom DFB-Präsidenten gestellten Bedingungen, damit die vorbereitete Klage nicht eingereicht wird."

und den Antragsgegnern zu 1), 2) und 3) unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt worden ist,

im Zusammenhang mit der Bezeichnung des Dr. Theo Zwanziger als "unglaublichen Demagogen" durch den Antragsteller zu äußern und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

"Die Grenzen der Meinungsfreiheit wurden hier eindeutig überschritten",

ohne zugleich darauf hinzuweisen, dass sowohl das Landgericht Berlin (Beschluss vom 9. September 2008 - 27 0 908/08 -) als auch das Kammergericht (Beschluss vom
10. Oktober 2008 - 9 W 123/08 -) die Äußerung des Antragstellers als eine zulässige Meinungsäußerung angesehen und den auf Unterlassung gerichteten Antrag Dr. Theo Zwanzigers zurückgewiesen haben.

Gegen die Ziffern 1.a) und 2. richtet sich der Teilwiderspruch der Antragsgegner. Sie halten die einstweilige Verfügung für nicht ordnungsgemäß vollzogen, weil ihnen deren berichtigte Fassung nur per Fax, aber nicht im Original mit EB zugestellt worden sei. Bei beiden Äußerungen handele es sich klassische Meinungsäußerungen. Die Wertung zu 1.a) beziehe sich auf die unwahre Behauptung des Antragstellers, Herr Dr. Zwanziger habe auf dem Kongress des Olympischen Sportbundes mehrfach fast wörtlich behauptet, das Bosman-Urteil sei schuld an allen Problemen des Fußballs, des DFB im Allgemeinen und der DFL im Besonderen. Der Vorsitzende des Antragsgegners habe vielmehr sehr differenziert und ausführlich verschiedenste Ursachen aufgezählt, die die Probleme des deutschen Fußballsystems verursachten. Hinsichtlich der im Einzelnen genannten

Gründe wird auf die Seite 3 der Widerspruchsschrift und das als Anlage AG 2 eingereichte Wortprotokoll der entsprechenden Diskussionsrunde 1, Profit und Profil: Wie wertvoll ist Sport? verwiesen. Aus der Meldung gehe eindeutig hervor, dass es sich bei der unter Ziffer 2 beanstandeten Äußerung um ihre höchstpersönliche Auffassung handele. Die offizielle Auffassung der Gerichte habe nicht mitgeteilt werden müssen.

Die Antragsgegner beantragen,

die einstweilige Verfügung im angefochtenen Umfang aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag insoweit zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung ist auf den Teilwiderspruch zu bestätigen, weil sie zu Recht ergangen ist, §§ 925,936 ZPO.

Die einstweilige Verfügung ist nicht wegen veränderter Umstände aufzuheben. Zwar liegt in der Versäumung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO ein Umstand i.S.d. § 927 ZPO, der die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung rechtfertigt. Vorliegend hat der Antragsteller die Vollziehungsfrist aber nicht versäumt, weil er innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO die einstweilige

Verfügung an den Antragsgegnervertreter zugestellt und damit vollzogen hat. Unstrittig hat der Antragsteller die berichtigte Fassung des Beschlusses am 3. Dezember 2008 per Fax gegen Empfangsbekenntnis zugestellt und damit den Anforderungen des § 174 Abs. 2 ZPO genügt.

Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegner aus §§ 823, analog 1004 Abs.1 S.2 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu. Er ist durch die beanstandeten Aussagen, die als unwahre Tatsachenbehauptungen nicht mehr am Schutz des Artikels 5 Abs.1 Grundgesetz teilnehmen, rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht

verletzt.

Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Auch eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, kann sich als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen

wird. Wo Tatsachenbehauptungen und Wertungen zusammenwirken, wird grundsätzlich der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst. Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Werturteil und Meinungsäußerung in vollem Umfang vom genannten Grundrecht geschützt. Im Fall einer derart engen Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen und ihrer Bewertung darf der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird (BGH NJW 1996, 1131, 1133 m. w. Nachw.).

Der Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit wird verkannt, wenn der Verurteilung eine Äußerung zugrundegelegt wird, die so nicht gefallen ist, wenn ihr ein Sinn gegeben wird, den sie nach dem festgestellten Wortlaut objektiv nicht hat oder wenn ihr unter mehreren objektiv möglichen Deutungen eine Auslegung gegeben wird, ohne die anderen unter Angabe überzeugender Gründe auszuschließen. Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind ferner verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft ist mit der Folge, dass sie dann nicht im sei ben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfG NJW 1992, 1439, 1440 m. w. Nachw.).

Der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen endet erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Die erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptung wird nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst (BVerfG a.a.O.).

Maßgebend für die rechtliche Beurteilung der Äußerung ist zunächst das Verständnis des unbefangenen Durchschnittsempfängers (BGH NJW 1982, 2246, 2247). Dabei kommt es für das Verständnis über die Bedeutung, den Aussagegehalt und das Gewicht einer Äußerung nicht allein auf deren Wortlaut und auf deren Betrachtung losgelöst von ihrem Hintergrund an. Vielmehr ist die Äußerung im Zusammenhang und unter Berücksichtigung ihrer zugleich mitgeteilten Umgebung

zu sehen, in die sie gestellt ist. Denn es ist dieser Kontext, der ihren Inhalt prägt und damit ihr Verständnis bestimmt (vgl. BGH NJW 1996, 11331, 1133 m. w. Nachw.; Kammergericht, Urteil vom 9. März 1993, 9 U 714/92).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist hinsichtlich der angegriffenen Äußerungsbestandteile folgendes festzustellen:

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Antragsteller den Präsidenten des Antragsgegners zu 1. allein wegen dessen vorangegangener Äußerungen zur jüngsten, den Antragsgegner zu 1. betreffenden Entscheidung des Bundeskartellamts als "unglaublichen Demagogen" bezeichnet hat. Es ist demnach davon auszugehen, dass er aktuellen Anlass für seine - wenn auch nach dem Dafürhalten der Antragsgegner schmähende - Bewertung hatte. Zwar kann es den Antragsgegnern nicht verwehrt werden, diese Bewertung wiederum einer kritischen Würdigung zu unterziehen und die harsche Kritik des Antragstellers wiederum zu bewerten. Nichtsdestotrotz stellt sich die beanstandete Äußerung zu 1. a vorliegend - und zwar anders als die vorangegangene Bewertung - nicht als zulässige Meinungsäußerung dar. Die Kammer verkennt nicht die wertenden Elemente der beanstandeten Äußerung; in dem Kontext, in dem sie gefallen ist, ist sie dennoch als Tatsachenbehauptung, und zwar als unwahre, anzusehen.

Mit der Pressemitteilung, mit der die Antragsgegner ausführlich und detailreich auf ihre Streitigkeiten mit dem Antragsteller, die zunächst avisierte Klageerhebung gegen selbigen, dessen angebliche Entschuldigung, eingehen, bringen die Antragsgegner nicht nur ihre Missbilligung des Verhaltens des Antragstellers zum Ausdruck, sondern schildern den Hergang und die Entwicklung

der Unstimmigkeiten mit dem Antragsteller bewusst einseitig und verfälschend unter Verschweigen essentieller Umstände. Dass sowohl die angerufene Kammer als auch das Kammergericht den Unterlassungsantrag ihres Präsidenten abschlägig beschieden hatte, wird mit keinem Wort erwähnt, ebenso wenig wie die eigentlichen und naheliegenderen Motive, weshalb sie offensichtlich von einer wenig erfolgversprechenden Klageerhebung Abstand genommen haben. Dass - anders als die Meldung Glauben machen will - der Antragsteller mitnichten eine entschuldigende Erklärung abgegeben bzw. auf Bedingungen der Antragsgegner zur Vermeidung einer Klageeinreichung eingegangen ist, stellen die Antragsgegner nicht mehr ernsthaft in Abrede. Gegen jene Äußerungen wenden sie sich mit ihrem Widerspruch nicht. Dass die Gerichte bei Verneinung des Unterlassungsanspruchs hinsichtlich der Bezeichnung "unglaublicher Demagoge" wegen der Äußerungen

des Herrn Zwanziger zur Entscheidung des Bundeskartellamts sehr wohl einen Sachbezuggesehen und festgestellt haben, fällt gänzlich unter den Tisch. Angesichts der bewusst unvollständigen Pressemeldung muss der Leser die beanstandete Äußerung im Gesamtkontext dahingehend verstehen, der Antragsteller hätte den Präsidenten des Antragsgegners zu 1. ohne jeglichen

Anlass mit seiner Kritik überzogen, was nicht der Wahrhert entspricht. Dass die Antragsgegner den vom Antragsteller benannten Anlass für ungerechtfertigt halten, ist insoweit unerheblich. Die Äußerung war, weil im konkreten Fall trotz wertender Elemente die unwahre Tatsachenbehauptung im Vordergrund steht, zu untersagen.

Gleiches gilt bezüglich der unter Ziffer 2. beanstandeten Äußerung. Mag auch jene Äußerung unverkennbar eine Bewertung der Antragsgegner wiedergeben, war es ihnen verwehrt, jene isoliert und ohne Verweis auf die ausdrücklich anderweitige Rechtsansicht der mit der Sache befassten Pressegerichte in den Raum zu stellen. Die Äußerung kann nämlich in dem Kontext, in dem sie

gefallen ist, nicht anders verstanden werden, als sei die als eindeutig vertretene Rechtsposition bisher von keinem Gericht einer Überprüfung unterzogen worden, schon gar keiner abschlägigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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