Hessisches LSG, Urteil vom 21.05.2010 - L 7 AL 108/09
Fundstelle
openJur 2012, 33014
  • Rkr:

1. Zum Sperrzeitbeginn bei einer Freistellung des Arbeitnehmers ; Abgrenzung zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Freistellung.

2. Ein Arbeitnehmer setzt eine wesentliche Ursache für das Eintreten der Beschäftigungslosigkeit nicht nur dann, wenn er die Freistellung bereits in dem Aufhebungsvertrag mit vereinbart, sondern auch dann, wenn er eine wenige Tage später "einseitig" durch den Arbeitgeber ausgesprochene Freistellung widerspruchslos hinnimmt.

3. Die Gewährung von Arbeitslosengeld ist an einen konkreten Leistungszeitraum gebunden; eine etwaige Leistungserbringung für spätere Zeiträume führt nicht zur Erfüllung des Anspruchs analog § 362 BGB.

Anmerkung: Rechtsmittel eingelegt, BSG-Az: B 11 AL 27/10 R

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid desSozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. Juni 2009 wirdzurückgewiesen. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger vom 1.Januar bis 25. März 2006 Arbeitslosengeld zu bezahlen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigenaußergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages.

Der 1948 geborene Kläger war seit 1. Juli 1977 bei der C. GmbH, zuletzt als Außendienstmitarbeiter mit einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 5.200,00 €, beschäftigt. Die Kündigungsfrist betrug 6 Monate zum Ende des Vierteljahres. Am 21. Juni 2005 schloss der Kläger mit seinem Arbeitgeber eine Aufhebungsvereinbarung, in der unter Ziffer 1 folgendes vereinbart wurde:„Die Parteien schließen diese Aufhebungsvereinbarung zur Vermeidung einer arbeitgeberseitigen, betriebsbedingten Kündigung. Sie sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.12.2005 beendet wird…..“

In Ziffer 3 der Aufhebungsvereinbarung wurde festgehalten, dass der Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes gemäß §§ 9,10 KSchG und § 3 Nr. 9 Einkommensteuergesetz eine Abfindung in Höhe von 239.500,00 € brutto erhält.

In einem gesonderten Schreiben vom 29. Juni 2005 stellte die C. GmbH den Kläger mit Wirkung zum 4. Juli 2005 unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeitsleistung frei. In dem Schreiben heißt es weiter:„Auf die Freistellung werden der Ihnen noch zustehende Urlaub und eventuell geleistete Mehrarbeitszeiten angerechnet. Damit gelten Resturlaub und Mehrarbeitszeiten als abgegolten.“

Am 28. September 2005 meldete sich der Kläger bei der Beklagten mit Wirkung zum 1. Januar 2006 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. In dem am 8. Oktober 2005 eingereichten „Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Kündigung durch den Arbeitnehmer oder Abschluss des Aufhebungs-/Auflösungsvertrages“ führte der Kläger aus, dass der Abschluss des Aufhebungsvertrages wegen Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung wegen Personalabbau (120 Personen) erfolgt sei. Eine Entlassung während der ersten Entlassungswelle bereits im Oktober 2004 habe er noch durch freiwilligen Wechsel aus dem Management in den Außendienst verhindern können. Die Alternative nunmehr wäre eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung zum 31. Dezember 2005 ohne Abfindung gewesen.

Mit Bescheid vom 19. Januar 2006 stellte die Beklagte in der Folgezeit den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 1. Januar bis 25. März 2006 fest, da der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis bei der Firma C. GmbH durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages ohne wichtigen Grund selbst gelöst habe. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Gleichzeitig mindere sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld um 240 Tage (ein Viertel der Anspruchsdauer). In dem dagegen erhobenen Widerspruch vom 14. Februar 2006 machte der Kläger nochmals geltend, dass ihm eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung zum gleichen Zeitpunkt gedroht hätte, was auch der Betriebsratsvorsitzende, Herr D., bezeugen könne. Zudem seien mit ihm weitere ca. 35 Mitarbeiter gekündigt worden, wobei ihm kein einziger Fall bekannt sei, in welchem die Agentur für Arbeit in ähnlicher Weise reagiert habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Ob das Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis auch durch rechtmäßige Kündigung habe beendet werden können, sei für die Entscheidung über das Vorliegen eines Auflösungssachverhaltes bei abgeschlossenen Verträgen unerheblich; entscheidend sei allein, dass der Aufhebungsvertrag gegen den Willen des Arbeitslosen nicht habe zustande kommen können; darin liege die freiwillige Arbeitsaufgabe im Sinne der Sperrzeitvorschrift. Auch ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar.

Hiergegen hat der Kläger am 11. Juli 2006 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Anfechtungsklage erhoben und nochmals darauf hingewiesen, dass es auch ohne die Aufhebungsvereinbarung zum gleichen Zeitpunkt zu einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber gekommen wäre. Dies ergebe sich auch schon aus der Aufhebungsvereinbarung. Hätte er es auf eine Kündigung ankommen lassen, hätte er eine Abfindung im Arbeitsgerichtsverfahren erstreiten müssen, wobei er es für ausgeschlossen halte, dass er nach den üblichen Sätzen in einem solchen Verfahren dann eine Abfindung in der vereinbarten Höhe von 239.500,00 € hätte erstreiten können. Von diesem Geld habe er bis zum Rentenbeginn leben müssen.

Für die Zeit vom 26. März 2006 bis zum 24. März 2008 (vgl. Leistungsnachweis der Beklagten vom 25. März 2008) hat die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung eines täglichen Bemessungsentgelts in Höhe von 170,96 €, Lohnsteuerklasse III und Kindermerkmal 0 in Höhe von kalendertäglich 62,76 € gewährt. Unter Berücksichtigung der festgestellten Minderung des Anspruchs um 240 Tage war danach der Anspruch erschöpft.

Am 16. Februar 2009 hat eine mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main stattgefunden, in der es zum Abschluss eines Vergleichs auf Widerruf gekommen war, der in der Folgezeit von der Beklagten fristgerecht widerrufen wurde. Die Beklagte hält daran fest, dass die angegriffenen Bescheide rechtmäßig seien. Es bestehe auch keine Möglichkeit, die Sperrzeit von zwölf auf sechs Wochen herabzusetzen. Auch sei der Beginn der Sperrzeit richtig berechnet. Da es sich nur um eine widerrufliche Freistellung des Klägers gehandelt habe, beginne die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, nicht mit dem ersten Tag der Freistellung.

Mit Gerichtsbescheid vom 2. Juni 2009 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main in der Folgezeit den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2006 (richtig: 5. Juli 2006) aufgehoben und im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Beklagte den Beginn der Sperrzeit falsch bestimmt habe.

Unter Verweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 25. April 2002 (B 11 AL 65/01 R) hätte die Sperrzeit vorliegend bereits am Tag der Freistellung, also dem 4. Juli 2005 beginnen müssen und wäre daher am 25. September 2005 abgelaufen. Da die Beklagte den Sperrzeitbeginn auf den 1. Januar 2006 festgelegt habe, liege die von ihr festgestellte Sperrzeit komplett außerhalb des tatsächlichen Sperrzeitzeitraums und sei daher in vollem Umfang rechtswidrig festgestellt. Das Argument der Beklagten, der Kläger sei nicht unwiderruflich freigestellt, das Beschäftigungsverhältnis damit nicht schon vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses beendet worden, überzeuge nicht. Eine Freistellung könne vertraglich vereinbart oder einseitig ausgesprochen werden. Bei der Freistellung des Klägers von seiner Arbeitsleistung handele es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der die Arbeitgeberin sich von ihrer Beschäftigungspflicht befreite. Dabei sei bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Nach § 145 BGB, der generell für empfangsbedürftige Willenserklärungen anzuwenden sei, sei der Erklärende an die Willenserklärung gebunden, es sei denn, er hätte die Gebundenheit, z.B. mittels eines Widerrufsvorbehalts, ausgeschlossen. Einen solchen Widerrufsvorbehalt enthalte das Schreiben des Arbeitgebers vom 29. Juni 2005 jedoch nicht. Indem die Arbeitgeberin sich nicht vorbehalte, die Arbeitsleistung des Klägers zwischen dem 4. Juli 2005 und dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 2005 auch wieder in Anspruch zu nehmen, vielmehr auch die Anrechnung von Urlaub und Mehrarbeitszeiten regele, handele es sich um eine endgültige Regelung durch die Arbeitgeberin. Somit sei die Freistellung mangels ausdrücklichen Ausschlusses der Gebundenheit und mangels eines Vorbehalts des Widerrufs unwiderruflich. Das entspreche auch der höchstrichterlichen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Danach liege in der Freistellung des Arbeitnehmers unter Anrechnung von Urlaub, wenn sich der Arbeitgeber den Widerruf der Urlaubsgewährung nicht vorbehalten habe, eine unwiderrufliche Freistellung, auch wenn die Unwiderruflichkeit nicht explizit zum Ausdruck komme (Verweis auf BAG, Urteil vom 14. März 2006, Az.: 9 AZR 11/05). Überdies habe der Kläger glaubhaft vorgetragen, dass ab 4. Juli 2005 keiner der Arbeitnehmer, die einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hatten, mehr in der Firma arbeitete, also auch tatsächlich in keinem Fall eine suspendierte Arbeitsleistung von der Arbeitgeberin wieder in Anspruch genommen worden sei.

Gegen den der Beklagten am 17. Juni 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 1. Juli 2009 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Der Auffassung des Sozialgerichts könne nicht gefolgt werden. Das angeführte Urteil des Bundesarbeitsgerichts betreffe die Erfüllung von Urlaubsansprüchen durch den Arbeitgeber und stelle insoweit fest, dass es hierfür der unwiderruflichen Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht bedarf. Hieraus könne jedoch nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass es sich bei der Erklärung eines Arbeitgebers, er stelle den Arbeitnehmer unter Anrechnung noch zustehenden Urlaubs frei, um eine unwiderrufliche Freistellung handelt.

Im Ergebnis komme es allerdings nicht darauf an, ob eine einseitige widerrufliche oder eine einseitige unwiderrufliche Freistellung ausgesprochen werden sollte. Die Sperrzeit beginne mit dem Tag nach dem Ereignis, dass die Sperrzeit begründet. Das Ereignis sei hier der Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 21. Juni 2005 zum 31. Dezember 2005 und die damit verbundene Beschäftigungslosigkeit ab 1. Januar 2006. Im Unterschied zu dem von dem 11. Senat des Bundessozialgerichts in dem Urteil vom 25. April 2002 entschiedenen Fall sei hier die Freistellung nicht zusammen mit dem Aufhebungsvertrag und auch nicht einvernehmlich vereinbart worden. Vielmehr habe der Arbeitgeber einige Tage nach Abschluss des Aufhebungsvertrages einseitig die Freistellung zum 4. Juli 2005 erklärt. Eine Mitwirkung des Klägers hieran sei nicht erkennbar. Nach Auffassung der Beklagten beginne die Sperrzeit in diesen Fällen mit dem Tag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Aufhebungsvertrag, mithin am 1. Januar 2006.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. Juni 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar bis 25. März 2006 Arbeitslosengeld zu bezahlen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Vor der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages am 21. Juni 2005 habe es ein Gespräch mit der Geschäftsführung, dem unmittelbaren Vorgesetzten, der Personalchefin und dem Betriebsratsvorsitzenden gegeben, indem man ihm unmissverständlich klar gemacht habe, dass, soweit er den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet, zum gleichen Termin die Kündigung ausgesprochen würde. Eine Abfindung wäre dann nicht in Betracht gekommen. Schon deshalb sei von einem wichtigen Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrages auszugehen.

Zudem sei auch eine wirksame Verrechnung eines Urlaubes in einer Freistellungsphase nur denkbar, wenn die Freistellung unwiderruflich erfolgt. Somit könne eine Freistellung ohne Nutzung des Wortes „widerruflich“, aber unter Verrechnung des Urlaubs, nur so ausgelegt werden, dass die Parteien unwiderruflich freistellen wollten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz -SGG-); Ausschlussgründe liegen nicht vor. Durch die Aufhebung der Sperrzeit sind für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 25. März 2006 Leistungen (= 84 Tage x 62,76 €/Tag) zu erbringen, deren Wert750,00 € übersteigt.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung den die Sperrzeit feststellenden Bescheid vom 19. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2006 aufgehoben (1). Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides verwiesen werden (vgl. § 153 Abs. 2 SGG). Dabei ist unschädlich, dass im Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung der 15. Juli 2006 als Datum des Widerspruchsbescheides benannt wurde. Dabei handelt es sich erkennbar um einen Schreibfehler, da im Tatbestand des Gerichtsbescheides ausdrücklich der Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2006 aufgeführt ist und es einen Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2006 nicht gibt.

Nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides ist die Beklagte auch verpflichtet, für den Zeitraum der fehlerhaft festgestellten Sperrzeit vom 1. Januar bis 25. März 2006 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang an den Kläger zu zahlen. Dies gilt unabhängig davon, dass der Anspruch zwischenzeitlich bereits aufgebraucht ist (2). Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens – von der Beklagten unwidersprochen – sein ursprüngliches reines Anfechtungsbegehren zulässigerweise um den erforderlichen Leistungsantrag für den streitigen Zeitraum ergänzt (vgl. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 SGG).

(1) Mit dem 1. Januar 2006 hat die Beklagte den Sperrzeitbeginn rechtswidrig festgestellt. Der von ihr festgestellte Sperrzeitzeitraum (1. Januar 2006 bis 25. März 2006) liegt vollständig außerhalb des tatsächlichen Sperrzeitzeitraumes, der auch nach Auffassung des Senats vorliegend bereits am 4. Juli 2005 mit der Freistellung des Klägers begonnen hat. Maßgebend ist also insoweit allein die tatsächliche Beschäftigungslosigkeit des Klägers. Damit ist das Ende des Beschäftigungsverhältnisses nicht notwendigerweise mit dem arbeitsrechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses identisch. Insbesondere beginnt die Sperrzeit bei einer Freistellung eines Arbeitnehmers bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts bereits mit dem Tag der Freistellung, und nicht erst mit dem arbeitsrechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt auch und gerade, wenn die Freistellung unter Anrechnung auf den Jahresurlaub erfolgt; denn der Arbeitgeber hat durch diese Freistellung auf die Wahrnehmung seiner Verfügungsmöglichkeit über den Arbeitnehmer und damit sein Weisungsrecht verzichtet (vgl. Karmanski, in: Niesel/Brand, SGB III Kommentar, 5. Auflage 2010, § 144 Rdnr. 145 mit Hinweis auf BSG-Rspr.).

Dass es sich hierbei – wie von der Beklagten vorgetragen – um eine bloß widerrufliche Freistellung gehandelt hat, ist weder dem Schreiben der Firma C. GmbH vom 29. Juni 2005 noch den sonstigen Umständen zu entnehmen. Will jedoch jemand eine an einen anderen gerichtete Willenserklärung nur unter Vorbehalt oder unter sonstigen Bedingungen oder Einschränkungen abgeben, so muss er dies entsprechend zum Ausdruck bringen. Das insoweit offene Schreiben des Arbeitgebers vom 29. Juni 2005 enthält jedoch weder einen Widerrufsvorbehalt noch sonstige Vorbehalte. Folglich ist ohne Weiteres von einer unwiderruflichen Freistellung des Klägers auszugehen.

Zwar handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bei einer Erklärung ohne weitere Zusätze wie Urlaubsanrechnung oder Ähnliches „nur“ um eine widerrufliche Freistellung (vgl. BAG vom 14. März 2006, NZA 2006, 1008; BAG vom 30. Mai 2006, NZA 2006, 1122). Aber auch nach dieser Rechtsprechung liegt eine unwiderrufliche Freistellung dagegen vor, wenn sich durch Auslegung der Erklärung ergibt, dass sie unwiderruflich gewollt ist. Dies sei dann der Fall, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer – wie vorliegend geschehen – unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen freistellt (BAG vom 14. März 2006, NZA 2006, 1008; so auch Bauer, NZA 2007, 409).

Unbeachtlich ist nach Auffassung des Senats dabei auch, dass die Freistellung nicht bereits in der Aufhebungsvereinbarung vom 21. Juni 2005 – einvernehmlich – vereinbart wurde, sondern erst wenige Tage später mit Schreiben des Arbeitgebers vom 29. Juni 2005 – einseitig – erklärt wurde. Insoweit besteht jedenfalls sowohl ein enger zeitlicher als auch sachlicher Zusammenhang zwischen der einseitig erklärten – von dem Kläger im Übrigen auch nicht widersprochenen – Freistellung durch den Arbeitgeber und der zuvor abgeschlossenen Aufhebungsvereinbarung. Dieser Zusammenhang rechtfertigt es somit auch, die vorzeitige Herbeiführung der Beschäftigungslosigkeit ab 4. Juli 2005– zumindest mittelbar – auf eine Mitwirkungshandlung des Klägers zurückzuführen. Insoweit ist nämlich zu beachten, dass ein Arbeitnehmer als Ausprägung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Arbeitsverhältnis nicht nur einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung, sondern auch auf tatsächliche Beschäftigung hat (BAG, NJW 1985, 2968 = NZA 1985, 702). Eine allein einseitig erklärte Freistellung durch den Arbeitgeber hätte der Kläger daher gar nicht hinnehmen müssen.

Es kann jedoch für die Bewertung im Ergebnis keinen Unterschied machen, ob der Arbeitnehmer eine wesentliche Ursache für das Eintreten der Beschäftigungslosigkeit dadurch gesetzt hat, dass er die Freistellung bereits in dem Aufhebungsvertrag mit vereinbart hat, oder dass er eine wenige Tage später „einseitig“ ausgesprochene Freistellung widerspruchslos hinnimmt.

Da somit der Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2006 schon wegen der vollständig außerhalb des tatsächlichen Sperrzeitzeitraumes festgestellten Sperrzeit rechtswidrig ist, bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob dem Kläger zum Abschluss der Aufhebungsvereinbarung ein wichtiger Grund zur Seite stand. Entgegen der Andeutung des Sozialgerichts in dem angefochtenen Gerichtsbescheid sowie entgegen der Auffassung der Beklagten dürfte jedoch das Vorliegen eines wichtigen Grundes vorliegend nicht ohne Weiteres zu verneinen sein.

Über das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist nach der Rechtsprechung des BSG unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Diese dient dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor Risikofällen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat. Eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (zuletzt BSGE 99, 154 = SozR 4-4300 § 144 Nr. 17 Rdnr. 35 m.w.N.).

Im Falle der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag hat das BSG seine Rechtsprechung dahingehend konkretisiert, dass sich ein Arbeitnehmer auf einen wichtigen Grund berufen kann, wenn ihm der Arbeitgeber mit einer nach Arbeitsrecht objektiv rechtmäßigen betriebsbedingten Kündigung zu dem Zeitpunkt droht, zu dem er das Arbeitsverhältnis löst, und ihm die Hinnahme dieser Kündigung nicht zuzumuten ist (BSGE 89, 243, 246 ff = SozR 3-4300 § 144 Nr. 8; BSG SozR 3-4300 § 144 Nr. 12; BSGE 92, 74 = SozR 4-4300 § 144 Nr. 6; BSGE 95, 232 = SozR 4-4300 § 144 Nr. 11).

Des Weiteren kommt nach der Rechtsprechung des BSG bei Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag ein wichtiger Grund keineswegs nur in Fällen in Betracht, in denen die Unzumutbarkeit des Abwartens der arbeitgeberseitigen Kündigung darauf beruht, dass Nachteile für das berufliche Fortkommen zu befürchten sind; dies ist vielmehr nur einer der in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkte (vgl. etwa die Urteile des BSG vom 12. April 1984 - 7 RAr 28/83 - und vom 25. April 2002 - B 11 AL 100/01 R -, jeweils veröffentlicht in juris). Demgemäß können auch sonstige Umstände zu einem wichtigen Grund führen (vgl. BSGE 89, 243, 248 = SozR 3-4300 § 144 Nr. 8 mit Hinweis auf das verfassungsrechtliche Übermaßverbot; BSG SozR 3-4300 § 144 Nr. 12 S. 34, 36; BSG-Urteil vom 2. September 2004 - B 7 AL 18/04 R - veröffentlicht in juris).

Zwar ist nach der bisherigen Rechtsprechung das Interesse, eine Abfindung zu erhalten, für sich allein nicht geeignet, die Annahme eines wichtigen Grundes zu rechtfertigen (vgl. etwa BSGE 66, 94, 98 = SozR 4100 § 119 Nr. 36; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 12 S. 25 f). Umgekehrt ist jedoch eine Abfindung auch kein Ausschlussgrund für die Annahme eines wichtigen Grundes. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Gesetzgeber an anderer Stelle eine Entlassungsentschädigung nur dann als für den Anspruch auf Arbeitslosengeld schädlich ansieht, wenn die für den Arbeitgeber geltende ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten ist (§ 143a SGB III), was beim Kläger nicht der Fall war. Es bedarf daher in der vorliegenden Konstellation keiner weiteren besonderen Umstände, die ein Abwarten der Kündigung unzumutbar erscheinen lassen. Denn es besteht im Hinblick auf den ohnehin nicht zu vermeidenden Eintritt der Beschäftigungslosigkeit kein Interesse der Versichertengemeinschaft daran, den Arbeitnehmer von der Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen abzuhalten (vgl. bereits in anderem Zusammenhang - Abwicklungsvertrag - BSGE 92, 74, 81 = SozR 4-4300 § 144 Nr. 6 Rdnr. 17).

Wie das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 25. April 2002 (BSGE 89, 243, 248 = SozR 3-4300 § 144 Nr. 8) ausgeführt hat, unterliegt im Übrigen das Vorgehen der Beklagten, die Arbeitnehmern anscheinend grundsätzlich zumuten will, die drohende Kündigung des Arbeitgebers abzuwarten, unter Beachtung des Zwecks der Sperrzeit und des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots durchgreifenden Bedenken. Es wird vielmehr umgekehrt bei einer drohenden rechtmäßigen Arbeitgeberkündigung im Regelfall - also nicht nur bei leitenden Angestellten (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 17. November 2005, B 11a/11 AL 69/04 R) - ein wichtiger Grund anzunehmen sein (anders wohl 7. Senat in BSG SozR 3-4300 § 144 Nr. 12 S. 36 mit Hinweis u.a. auf Urteil vom 12. April 1984 - 7 RAr 28/83 - DBlR 2959 zu § 119 AFG, wobei jedoch der letztgenannten Entscheidung keine drohende rechtmäßige Kündigung zu Grunde lag).

Vor diesem Hintergrund dürfte dem Kläger bei Abschluss der Aufhebungsvereinbarung vom 21. Juni 2005 durchaus ein wichtiger Grund zur Seite gestanden haben; einer abschließenden Klärung bedarf dies jedoch – wie bereits oben ausgeführt – an dieser Stelle nicht.

(2) Demnach ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar bis 25. März 2006 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Dem steht nach Auffassung des Senats insbesondere nicht die Tatsache entgegen, dass – infolge der Minderung der Anspruchsdauer, bei der es aufgrund des bloß geänderten Sperrzeitzeitraumes bei Verneinung eines wichtigen Grundes ja verbleibt – der dem Kläger zustehende Gesamtanspruch (960 Tage – 240 Tage =720Tage) durch die Gewährung von Arbeitslosengeld vom 26. März 2006 bis 24. März 2008 (= 730 Tage) bereits verbraucht ist.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger Arbeitslosengeld nicht losgelöst von einem konkreten Leistungszeitraum zusteht. Dieser Zeitraum beginnt vorliegend – was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist – nach Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen am 1. Januar 2006 nach dem arbeitsrechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. Januar bis 25. März 2006 ist somit gerade nicht erfüllt (vgl. § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Dass die Beklagte demgegenüber „am Ende“ Leistungen für Zeiträume erbracht hat, für die keine Leistungen mehr zugestanden haben, muss insoweit unberücksichtigt bleiben (vgl. insoweit schon angedeutet von BSG, Urteil vom 17. November 2005, B 11a/11 AL 69/04 R, juris-Rdnr. 10, obiter dictum:„Ihr Einwand, eine Klaglosstellung sei gleichwohl nicht geboten, weil wegen der späteren Zahlung von Alg von einer Erfüllung analog § 362 BGB auch schon für die Zeit ab 1. April 2000 auszugehen sei, dürfte nicht durchgreifen. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da….“; wohl auch schon BSG, Urteil vom 25. April 2002, B 11 AL 65/01 R, wo das BSG den Leistungsanspruch des Klägers in einer vergleichbaren Fallkonstellation ohne Weiteres als gegeben angesehen hat, weil die Sperrzeit jedenfalls nicht in dem von der BA verfügten Zeitraum eingetreten sei; a.A. wohl LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Januar 2006, L 12 AL 34/05, juris, wobei dort jedoch eine andere Fallkonstellation – Ruhen des Anspruchs wegen Urlaubsabgeltung – betroffen ist).

Für deren Rückabwicklung sind ggf. – da die Leistungen ab 26. März 2006 auch nicht vorläufig (vgl. § 328 SGB III) bewilligt worden sind – die hierfür maßgeblichen Aufhebungs- und Erstattungsvorschriften (§§ 45 ff., 50 SGB X) zu prüfen. Allein dadurch kann der durch die Überschreitung der Höchstanspruchsdauer eingetretene gesetzwidrige Zustand ggf. korrigiert werden (so auch Bienert, SGB 2009, Heft 10, S. 576, 580).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Der Senat hat im Hinblick auf die höchstrichterlich noch nicht (abschließend) geklärte Rechtsfrage, ob sich die Beklagte in vorliegenden Fallkonstellationen auf Erfüllung analog § 362 BGB berufen kann, wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.