LG Kassel, Beschluss vom 20.04.2007 - 13 T 20/06
Fundstelle
openJur 2012, 28592
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerinnen wird der Beschluss des Amtsgerichts Fritzlar vom 08.11.2006 aufgehoben.

Das Amtsgericht wird angewiesen, durch Zwischenverfügung die Beschwerdeführerinnen aufzufordern, die Schlussbilanz 2006 vorzulegen.

Der Beschwerdewert wird auf Euro 3.000,00 festgesetzt.

Gründe

Unter dem 20.10.2006 – beim Genossenschaftsregistergericht am 06.11.2006 eingegangen – meldete die W B eG zur Eintragung in das Genossenschaftsregister an:

Die Vertreterversammlung der G eG ... hat am 30.08.2006 und die Vertreterversammlung der W B eG hat am 25.09.2006 die Verschmelzung der G eG ..., ..., ... (übertragende Genossenschaft) mit der W B eG, ..., ... (übernehmende Genossenschaft) beschlossen.

Der Anmeldung waren beigefügt:

1. Der Verschmelzungsvertrag in notarieller Beurkundung

2. Der Verschmelzungsbericht mit Originalunterschrift

3. Das Gutachten des Prüfverbandes in Urschrift

4. Die Niederschrift des Verschmelzungsbeschlusses der Vertreterversammlung der G eG ... vom 30.08.2006 und der Vertreterversammlung der W B eG vom 25.09.2006 in notarieller Form

5. Ein Schreiben des Betriebsrates der G eG ... vom 19. Juli 2006 und eine Empfangsbestätigung des Betriebsrates der W B eG vom 30. Juni 2006.

Ferner teilte die Antragstellerin zu 2. dem Amtsgericht mit, dass die dem Verschmelzungsvertrag zugrunde liegende Schlussbilanz per 31.12.2006 der G eG ... (übertragende Genossenschaft) noch zu erstellen und im Rahmen der ordentlichen Vertreterversammlung im Jahre 2007 als Jahresabschluss per 31.12.2006 festzustellen sei. Nach Beschlussfassung durch die Vertreterversammlung werde die Schlussbilanz per 31.12.2006 als weitere Eintragungsvoraussetzung dem Registergericht ergänzend zu diesem Eintragungsantrag nachgereicht.

Mit Beschluss vom 08.11.2006 hat das Amtsgericht die Anmeldung und Eintragung der Verschmelzung zurückgewiesen. Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, Grundlage der Verschmelzung im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Verschmelzung am 30.08. und 25.09.2006 sei die Schlussbilanz per 31.12.2006 gewesen, die – zwangsläufig – im Zeitpunkt der Beschlussfassung aber noch nicht vorgelegen habe. Eine Beschlussfassung – so das Amtsgericht – über eine noch zu erstellende Schlussbilanz sei schon begrifflich nicht möglich, weshalb erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der in den Vertreterversammlungen gefassten Beschlüsse bestehe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerinnen mit Schriftsatz vom 17.11.2006, beim Amtsgericht am 21.11.2006 eingegangen. Zur Begründung führen die Beschwerdeführerinnen aus, das Umwandlungsgesetz verlange nicht, dass bei der Beschlussfassung in der Generalversammlung/Vertreterversammlung die Schlussbilanz bereits vorliege; das folge aus § 80 Abs. 2 Umwandlungsgesetz. Erst bei der Anmeldung müsse gemäß § 17 Umwandlungsgesetz die Schlussbilanz vorgelegt werden, wobei die der Anmeldung beizufügenden Unterlagen auch noch nachgereicht werden könnten. Der Zeitpunkt der Anmeldung der Verschmelzung beim Genossenschaftsregister sei für die übertragende Genossenschaft wichtig, um steuerliche Verlustvorträge zu nutzen. Nur eine Anmeldung noch im Jahre 2006 gewähre die steuerlichen Vorteile.

Das gemäß § 19 Abs. 2 FGG zulässige Rechtsmittel, die Beschwerde, hat auch in der Sache Erfolg.

Das Amtsgericht hätte die Anmeldung der Verschmelzung deshalb nicht zurückweisen dürfen, weil diese lediglich unvollständig war.

Der Stichtag der Schlussbilanz ist insoweit von Belang, als das Registergericht die Verschmelzung nur eintragen darf, wenn die Schlussbilanz, die zum Register des Sitzes jedes der übertragenden Rechtsträger einzureichen ist, auf einen höchstens 8 Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden ist (§ 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG).

Dem Wortlaut des Gesetzes ist nicht entnehmen, dass die Schlussbilanz bereits zu dem Zeitpunkt vorliegen muss, in dem die General- oder Vertreterversammlung der übertragenden Genossenschaft den Verschmelzungsbeschluss nach § 13 UmwG fasst. Aber auch eine historische und systematische Auslegung steht im Einklang mit der Auslegung des Gesetzeswortlauts.

Nach §§ 362 Abs. 3, 366 Abs. 3, 386 Abs. 2 Aktiengesetz a. F., 11 Nr. 1, 24 Abs. 2 Nr. 2 lit. a UmwG 1969 musste die Schlussbilanz der Versammlung der Anteilsinhaber von Rechtsträgern anderer Rechtsform als der Genossenschaft vorliegen, wenn der Verschmelzungsbeschluss gefasst wurde. Jedoch hat der Gesetzgeber diese ausdrückliche Regelung nicht in das Umwandlungsgesetz 1994 übernommen. Auch das zeigt mit aller Deutlichkeit, dass die Schlussbilanz auf der Grundlage des Umwandlungsgesetzes 1994 gerade nicht mehr bereits dann vorliegen muss, wenn die Versammlung der Anteilsinhaber über die Verschmelzung beschließt.

Aber auch eine systematische Auslegung des Gesetzes führt zu diesem Ergebnis. Denn das Umwandlungsgesetz erwähnt die Schlussbilanz weder in den Vorschriften über den Verschmelzungsvertrag (§§ 4 – 7) noch beim Verschmelzungsbeschluss (§ 13), sondern erst in § 17 abs. 2 als Anlage der Anmeldung. Dieser eindeutige Regelungsort innerhalb des sorgfältig vorbereiteten Umwandlungsgesetzes wäre nicht gewählt worden, wenn die Schlussbilanz Gegenstand oder Anlage des Verschmelzungsvertrages oder -beschlusses hätte sein sollen (so Beuthien/Wolff in: Beuthien, Genossenschaftsgesetz mit Umwandlungsrecht, 13. Auflage 2000, §§ 2 ff. Umwandlungsgesetz Rn. 55; siehe auch Luther § 5 Umwandlungsgesetz Rn. 31).

Diese systematische Auslegung des Gesetzes verkennt nicht, dass sich bei eingetragenen Genossenschaften die Geschäftsguthaben im übertragenden Rechtsträger zwingend aus dessen Schlussbilanz ergeben (§§ 87 Abs. 3, 1 Abs. 3 Satz 1 UmwG).

Daraus lässt sich aber nicht herleiten, dass die Schlussbilanz spätestens mit dem Verschmelzungsbeschluss von der Generalversammlung festgestellt werden muss. Hierzu führt Beuthien zu Recht aus, dass es den Genossen frei steht, die Unsicherheit einer noch nicht erstellten Schlussbilanz auf sich zu nehmen (Beuthien, Betriebsberater, 2001, 2126).

Nach alledem regelt § 17 Abs. 2 Satz 4 nur den – spätestens – Stichtag der Aufstellung der Schlussbilanz, nicht dagegen, wann sie dem Gericht vorgelegt werden muss. Geschieht das nicht – wie vorliegend – mit der Anmeldung, ist diese unvollständig. Die Schlussbilanz ist dann nach Zwischenverfügung (so Bork in Luther Rn. 7) nachzureichen, ehe der Anmeldung entsprochen werden kann. Ist die Bilanz prüfungspflichtig, die Prüfung aber noch nicht abgeschlossen, kann sie auch noch nach Ablauf der Achtmonatsfrist abgeschlossen und der Prüfungsvermerk nachgereicht werden.

Nach alledem hat das Amtsgericht durch Zwischenverfügung die Beschwerdeführer aufzufordern, die Schlussbilanz 2006 vorzulegen, ehe die Eintragung der Verschmelzung dann durchgeführt werden kann.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2, 31 Abs. 1 Satz 2 KostO.

Zitate0
Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte