OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.04.2005 - 19 W 9/05
Fundstelle
openJur 2012, 26099
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der ihm Prozesskostenhilfe versagende Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 1. März 2005 aufgehoben.

Dem Beklagten wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt A, O1, ...straße ... zur Wahrnehmung seiner Rechte beigeordnet.

Gründe

Die Klägerin nahm den Beklagten als Geschäftsführer und Alleingesellschafter der X ... GmbH mit bestandskräftigen Haftungsbescheid vom 8.1.1997 wegen nicht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge für die Monate Juni bis August 1996 auf Zahlung von 66.992,94 DM in Anspruch. Mit Beschluss vom 4. 6. 2004 wurde über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 16. 6. 2004 meldete die Klägerin u. a. Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagebeträge vom 17. 6. 1996 bis 31. 8. 1996 in Höhe von 32.708,02 € zur Insolvenztabelle an und trug vor, in diesem Betrag seien Arbeitnehmeranteile in Höhe von 15.430,51 € enthalten, die der Beklagte im Wege der unerlaubten Handlung vorsätzlich nicht abgeführt habe. Der Beklagte hat der Feststellung des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung widersprochen.

Die Klägerin begehrt mit der am 25. 10. 2004 eingegangenen Klage die Feststellung, dass der Widerspruch des Beklagten gegen die Anmeldung der Forderung über 15.430,51 € unter dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten unbegründet ist.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und beantragt, ihm zur Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Diesen Antrag hat das Landgericht mit dem Beklagten am 3. 3. 2005 zugestellten Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beklagte am 7. 3. 2005 sofortige Beschwerde eingelegt.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 127 Abs. 2, 569 ZPO).

Sie ist auch begründet, da die beabsichtigte Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Der Widerspruch des Beklagten gegen die Eintragung der Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung in die Tabelle ist begründet, weil die festzustellende Forderung verjährt ist.

Nach § 302 Nr. 1 InsO werden von der Restschuldbefreiung Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht berührt, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 beim Insolvenzverwalter angemeldet hat. Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen wie ein rechtskräftiges Urteil (§§ 178 Abs. 3, 201 Abs. 2 InsO). Der Gläubiger kann die Zwangsvollstreckung aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil betreiben. Diese Wirkung entfällt erst bei einem Widerspruch des Schuldners gegen die Insolvenzforderung, wenn der Widerspruch nicht durch ein entsprechendes Feststellungsurteil beseitigt ist.

Der Widerspruch des Schuldners ist begründet, wenn ihm eine materielle Einwendung gegen den Grund, die Höhe oder die Durchsetzbarkeit des Anspruchs, dessen Feststellung beantragt ist, zusteht (Braun InsO 2. A. § 302 RZ 4; Ahrens in Frankfurter Komm. zur InsO 3. A. § 302 RZ 6; Stephan in Münchener Komm. zur InsO § 302 RZ 17).

Dies ist der Fall. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung ist verjährt. Gemäß § 852 Abs. 1 BGB a. F. (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB) verjährt der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung (hier: §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 a StGB) entstandenen Schadens innerhalb von drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Dies war hier bereits im Januar 1997 der Fall. Spätestens zu der Zeit, als sie den Haftungsbescheid erließ, hatte die Klägerin Kenntnis davon, dass der Beklagte als Geschäftsführer der GmbH Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht abgeführt hatte.

Verjährung des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung war damit im Januar 2000 eingetreten.

Der Lauf der Verjährungsfrist ist durch den Erlass des Haftungsbescheides nicht unterbrochen worden. Ebenso wie eine Klage nur die Verjährung für Ansprüche in der Gestalt und dem Umfang, wie sie in ihr geltend gemacht wurden, unterbricht (BGHZ 104, 6ff), konnte auch der Haftungsbescheid eine unterbrechende Wirkung nur für die Verpflichtung zur Beitragszahlung entfalten, nicht aber für den jetzt geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung.

Gegenstand des Haftungsbescheides waren allein Ansprüche auf Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge. Der jetzt geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung beruht demgegenüber auf einem anderen Lebenssachverhalt. Für die Anwendbarkeit des § 266 a StGB kommt es nicht nur darauf an, dass die Zahlung von Arbeitnehmeranteilen ausgeblieben ist, es tritt vielmehr hinzu, dass dem Handlungspflichtigen die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflicht im Zeitpunkt der Beitragsfälligkeit möglich und zumutbar gewesen ist (BGH ZIP 2003, 921ff). Zudem ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens, bei dessen Bemessung es auch darauf ankommt, ob Zahlungen vom Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH angefochten worden wären (BGH ZIP 2001, 80ff), und nicht auf Erfüllung einer Beitragspflicht gerichtet. Schließlich hätte ein Anspruch auf Schadensersatz auch nicht im Wege eines Verwaltungsaktes festgesetzt werden können (OLG Dresden, ZInsO 2004, 622ff mit zustimmender Anmerkung von Kahlert ZInsO 2005, 192ff).

§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV findet lediglich auf Ansprüche auf Beiträge, nicht aber auf einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung Anwendung (BGH ZIP 2003, 34ff). Es handelt sich bei der Vorschrift des § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV lediglich um eine verjährungsrechtliche Besonderheit. Eine besondere Anspruchsgrundlage entsteht dadurch nicht (vgl. auch OLG Dresden, ZInsO 2004, 622ff).

Die Verjährung war auch nicht nach §§ 202, 203 BGB a. F. gehemmt. Der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches stand kein materiell-rechtliches Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten entgegen. Die Klägerin war auch nicht gehindert, den Schadensersatzanspruch in unverjährter Zeit gerichtlich geltend zu machen. Die Klägerin hätte jedenfalls eine Klage auf Feststellung, dass ihr ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung in Höhe der nicht gezahlten Arbeitnehmerbeiträge zusteht, erheben können. Der Bundesgerichtshof geht in BGH Z 152, 148f und ZVI 2002, 422f davon aus, dass es dem Gläubiger, der über einen Titel verfügt, in dem nur eine vertragliche Anspruchsgrundlage genannt ist, zuzumuten ist, eine Klage auf Feststellung, dass der titulierte Anspruch auch auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht, zu erheben, um dem Schuldner, der bisher keinen Anlass hatte, sich gegen den Vorwurf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung zu wehren, eine sachgerechte Verteidigung vor dem Prozessgericht zu ermöglichen. Das Rechtsschutzinteresse für eine solche Feststellungsklage folgt aus der verschärften Haftung des Schuldners bei einer Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung (§ 850 f ZPO).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.