Hessischer VGH, Beschluss vom 08.10.1996 - 14 TG 3852/96
Fundstelle
openJur 2012, 21124
  • Rkr:
Tatbestand

Der Antragsteller wehrt sich gegen Lärmbeeinträchtigungen durch die S Altstadtkirmes. Er ist Eigentümer und mit seiner Familie Bewohner des Grundstücks in der dortigen Altstadt, das in einem Bereich mit überwiegender Wohnbebauung, einem landwirtschaftlichen Anwesen und einer Schule liegt.

Vor einigen Jahren erwarb die Antragsgegnerin das westlich unmittelbar an das Grundstück des Antragstellers angrenzende und vormals landwirtschaftlich genutzte Anwesen ließ alle aufstehenden Gebäude bis auf das jetzt als Gemeinschaftshaus genutzte Wohngebäude abreißen, vorhandene Pflaster aufnehmen, die große Wiesenfläche und den Bewuchs entfernen und die entstandene Freifläche schottern. Diese sollte nach einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 7. Juli 1994 zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 63 "Dorfplatz" als Dorf- bzw. Festplatz genutzt werden.

Bereits seit 1993 läßt die Antragsgegnerin jährlich im Oktober dort durch die Beigeladene die Altstadtkirmes veranstalten. Etwa seit der Jahrhundertwende war die Kirmes stets am zweiten Sonntag nach dem 29. September, dem Fest des heiligen Michael, auf einem Platz in der Dorfmitte und in den Tanzsälen und den bis zur Mitte der 60er Jahre noch fünf Gaststätten des alten Dorfes der Kernstadt gefeiert worden, in der heute nur noch die Gaststätte der Beigeladenen existiert. Diese führte die Festveranstaltung zunächst noch auf dem Gelände ihrer Gaststätte durch und dann ab 1993 in einem unmittelbar an der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Antragstellers und etwa 40 m von seinem Wohnhaus entfernt aufgestellten Festzelt auf dem hier fraglichen Dorfplatz, auf dem jeweils außer dem Festzelt auch zwei Karussells und Buden aufgestellt werden.

Im August 1995 beantragte der Antragsteller erstmals beim Verwaltungsgericht Gießen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel, die Altstadtkirmes auf dem Dorfplatz ganz zu verhindern oder jedenfalls auf ein erträgliches Maß zu beschränken, weil ein Festplatz in dem allgemeinen Wohngebiet schon planungsrechtlich nicht zulässig und dafür auch keine Baugenehmigung erteilt worden sei und weil die Altstadtkirmes aufgrund der unzumutbaren Lärmbelastungen gegen die Hessische Lärmschutzverordnung und das Bundes-Immissionsschutzgesetz verstoße. Mit Beschluss vom 27. September 1995 - 8 G 1275/95 (1) - setzte das Verwaltungsgericht Gießen im Wege der einstweiligen Anordnung für Musikveranstaltungen bei der Altstadtkirmes in Anwendung der sogenannten LAI-Hinweise Lärmgrenzwerte für seltene Störereignisse von tagsüber 70 dB (A) und nachts ab 22.00 Uhr von 55 dB (A) fest und lehnte den Antrag im übrigen ab. Im Rahmen des dagegen von beiden Parteien eingeleiteten Beschwerdeverfahrens schlug der erkennende Senat mit Beschluss vom 5. Oktober 1995 - 14 TG 3325/95 - eine von beiden Parteien angenommene vergleichsweise Regelung vor, in der sich die Antragsgegnerin verpflichtete, der Beigeladenen Auflagen aufzuerlegen, deren Einhaltung zu überwachen und gegebenenfalls durchzusetzen, wonach am Freitag, an dem bisher im Zelt jeweils eine Techno-Disco durchgeführt worden war, auf dem Festplatz keine Veranstaltung stattfinden sollte, die Veranstaltungszeit an den folgenden Tagen von Samstag bis Montag zeitlich begrenzt und im übrigen die bereits vom Verwaltungsgericht festgesetzten Lärmrichtwerte um bestimmte Zuschläge ergänzt wurden.

Diese Regelungen übernahm die Antragsgegnerin zwar als Auflage in die der Beigeladenen erteilte gaststättenrechtliche Gestattung vom 6. Oktober 1995 für den Betrieb ihres Festzeltes anläßlich der vom 7. bis 9. Oktober 1995 geplanten Altstadtkirmes. Lärmmessungen nahm die Antragsgegnerin aber nicht vor, wie sie in einem Schreiben ihres Bürgermeisters vom 17. Oktober 1995 auf einen Beschwerdebrief einer anderen Anwohnerin mitteilte, weil sie sich dazu aufgrund des gerichtlichen Vergleichs nicht verpflichtet fühlte. Demgegenüber ließ der Antragsteller durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen in seinem Wohnhaus während der Altstadtkirmes 1995 samstags und montags Lärmimmissionsmessungen durchführen, die schon ohne Berücksichtigung der festgesetzten Zuschläge deutliche Überschreitungen sowohl der Tages- als auch der Nachtgrenzwerte ergaben, und forderte die Antragsgegnerin im Januar 1996 zu einer verbindlichen Erklärung auf, dass das fragliche Nachbargrundstück nicht mehr als Festplatz benutzt werde.

Nachdem die Antragsgegnerin dies abgelehnt und in einem verwaltungsinternen Vermerk vom 22. Februar 1996 festgestellt hatte, dass die Festsetzung und Durchsetzung der fraglichen Lärmgrenzwerte "völlig illusorisch" sei, erhob der Antragsteller am 7. Mai 1996 beim Verwaltungsgericht Gießen eine derzeit noch anhängige Klage - 8 E 666/96 - auf Untersagung, hilfsweise auf Einschränkung der Nutzung des Dorfplatzes für Festveranstaltungen und begründete diese u. a. damit, dass die Antragsgegnerin weder die Immissionsgrenzwerte noch die Veranstaltungszeiten überwacht und durchgesetzt habe.

Mit Bescheiden vom 21. August 1996 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen eine gaststättenrechtliche Gestattung für den Betrieb ihres Festzeltes anläßlich der vom 12. bis 14. Oktober 1996 geplanten Altstadtkirmes und setzte die Veranstaltungs- bzw. Sperrzeiten und Lärmgrenzwerte wiederum entsprechend dem gerichtlichen Vergleich vom 5. Oktober 1995 fest. Mit Bescheid vom 29. August 1996 ordnete sie die sofortige Vollziehung dieser Bescheide an, weil an der sofortigen Durchführung der seit Generationen in nahezu gleicher Form begangenen traditionellen Altstadtkirmes, an der der größte Teil der Altstadtbewohner teilnehme, ein überwiegendes öffentliches Interesse bestehe, zumal dem Interesse des Antragstellers durch die Auflagen ausreichend Rechnung getragen werde.

Bereits zuvor, nämlich am 14. August 1996, hatte der Antragsteller gegen die Altstadtkirmes 1996 beim Verwaltungsgericht Gießen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt und zur Begründung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Nachdem ihm die der Beigeladenen erteilten Bescheide vorlagen, hat er unter dem 3. September 1996 dagegen Widersprüche erhoben und seinen einstweiligen Rechtsschutzantrag entsprechend umgestellt.

Mit Beschluss vom 10. September 1996 - 8 G 1221/96 (1) - hat das Verwaltungsgericht Gießen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederhergestellt, soweit die Sperrzeiten am 12. und 14. Oktober 1996 über 24.00 Uhr hinaus festgesetzt und soweit musikalische Darbietungen mit technischen Tonwiedergabegeräten zugelassen worden sind, und hat den Antrag im übrigen abgelehnt. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, dass für den Antragsteller als Nachbarn zwar eine Rechtsgrundlage für eine gänzliche Untersagung eines Traditionsfestes der vorliegenden Art nicht ersichtlich sei, er aber gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG einen Anspruch auf hinreichenden Lärmschutz habe. Dieser Anspruch könne durch die festgesetzten Lärmgrenzwerte nicht erfüllt werden, weil bei summarischer Betrachtung feststehe, dass diese in Wirklichkeit in keiner Weise eingehalten würden. Es bedürfe deshalb zusätzlicher Einschränkungen durch die Festsetzung früherer Sperrzeiten und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bezüglich der Verwendung technischer Tonwiedergabegeräte.

Gegen den am 12. September 1996 zugestellten Beschluss haben alle Beteiligten am 16., 18. und 20. September 1996 Beschwerden eingelegt.

Der Antragsteller macht über seinen bisherigen Vortrag hinaus noch geltend, die Vorverlegung der Sperrzeiten am 12. und 14. Oktober 1996 auf 24.00 Uhr sei nicht ausreichend, weil die Antragsgegnerin deren Einhaltung ebenso wie die der Immissionsgrenzwerte nicht durchsetzen, das Fest vielmehr wieder seinen freien Lauf nehmen werde, so dass es insgesamt zu untersagen sei; jedenfalls hätte der Antragsgegnerin die Überwachung und Durchsetzung der Auflagen unter Androhung von Ordnungsmitteln auferlegt werden müssen.

Der Antragsteller beantragt - sinngemäß -,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Gießen vom 10. September 1996 - 8 G 1221/96 (1) - die aufschiebende Wirkung seiner Widersprüche vom 3. September 1996 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 21. August 1996 betreffend die gaststättenrechtliche Gestattung an die Beigeladene für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft anläßlich der Altstadtkirmes vom 12. bis 14. Oktober 1996 und betreffend die Verkürzung und Festsetzung der Sperrzeit anläßlich der Altstadtkirmes wiederherzustellen, andernfalls der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, auf dem Dorfplatz in der Zeit vom 12. bis 14. Oktober 1996 die sogenannte Altstadtkirmes/Kirchweihfest abzuhalten bzw. durch Dritte abhalten zu lassen,

hilfsweise,

die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers insoweit wiederherzustellen, als die Antragsgegnerin durch die angefochtenen Bescheide auch Musikdarbietungen durch Kapellen und/oder technische Tonwiedergabegeräte und Restauration durch gaststättenartigen Ausschank alkoholischer Getränke zugelassen hat,

hilfsweise,

die aufschiebende Wirkung der Widersprüche insoweit anzuordnen, als die festgesetzte Veranstaltungszeit am Montag, dem 14. Oktober 1996, über 23.00 Uhr hinausgeht,

hilfsweise,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die im Gestattungsbescheid vom 21. August 1996 festgesetzten Immissionszeiten und Immissionsgrenzwerte zu überwachen und gegebenenfalls sofort durchzusetzen, und ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zum Betrage von 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, anzudrohen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Zur Begründung macht sie ergänzend geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien die ursprünglich entsprechend dem vor dem Hess. VGH geschlossenen Vergleich festgesetzten Sperrzeiten für eine sinnvolle Durchführung der Altstadtkirmes erforderlich und dem Antragsteller auch zumutbar, weil er am Sonntag ausschlafen könne und der Montagabend den traditionellen Ausklang des Altstadtfestes darstelle. Auch der Einsatz von Mikrofonen und elektrischen Verstärkern für die Musikdarbietungen sei bei einer erwarteten Zuhörermenge von 600 bis 700 Personen unbedingt erforderlich. Eine Überwachung und Einhaltung der Immissionsrichtwerte sei ihr nicht möglich, dies sei vielmehr Sache der Beigeladenen. Im übrigen sei sie bestrebt und habe auch schon erste dahingehende Maßnahmen ergriffen, den Standort der Altstadtkirmes zu verlegen; dass dies bereits 1997 erfolgen könne, sei eher unwahrscheinlich, damit könne aber im Folgejahr gerechnet werden.

Die Beigeladene beantragt,

die Anträge des Antragstellers abzulehnen,

und macht zur Begründung im Wesentlichen geltend, dass es sich bei der Altstadtkirmes um ein Traditionsfest handele. Dessen Charakter würde durch die Einschränkungen des Verwaltungsgerichts völlig in Frage gestellt und diese kämen deshalb nahezu einem Verbot der Festveranstaltung gleich. Zudem habe sie im Vertrauen auf die zwischen den Parteien 1995 geschlossene Vergleichsvereinbarung vertraglich zahlreiche finanzielle Verpflichtungen übernommen; sie könne die ihr erteilten Auflagen auch durch Anweisungen an die Musikkapellen und durch Aushang für die Festzeltbesucher durchsetzen.

Ein den Beteiligten durch Beschluss des Senats vom 7. Oktober 1996 unterbreiteter Vergleichsvorschlag ist daran gescheitert, dass der Magistrat der Antragsgegnerin keine verbindliche Erklärung hat abgeben wollen, dass die Altstadtkirmes - wie auch andere Festveranstaltungen vergleichbarer Größenordnung - ab 1997 nicht mehr auf dem Dorfplatz durchgeführt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Streitakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.

Gründe

II.

Die zulässigen Beschwerden haben jeweils nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, denn dem einstweiligen Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist nur teilweise stattzugeben, wobei von der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu Lasten und zu Gunsten aller Beteiligten abgewichen wird.

Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers gegen die der Beigeladenen gemäß § 12 GastG erteilte Gestattung vom 21. August 1996 und gegen die ergänzende Sperrzeitregelung gleichen Datums ist gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nur teilweise wiederherzustellen. Nach der vorliegend allein gebotenen summarischen Prüfung ist die gaststättenrechtliche Gestattung mit der ergänzenden Sperrzeitregelung nämlich wegen Verletzung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG, soweit diesem nachbarschützender Charakter zukommt (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 18. Mai 1990 - 8 TH 362/90 - GewArch 1990 S. 330 = NVwZ 1991 S. 278), nur insoweit offensichtlich rechtswidrig, als die gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG und § 4 der Hessischen Verordnung über die Sperrzeit vom 19. April 1971 (GVBl. I S. 96) - SperrzeitVO - beigefügten Auflagen und Sperrzeitregelungen nicht hinreichend geeignet sind, die auf den Antragsteller einwirkenden Lärmbeeinträchtigungen auf ein unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zumutbares Maß zu begrenzen.

Zwar kann - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - ein auf § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG beruhender nachbarschaftlicher Anspruch auf Versagung bzw. Aufhebung einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis bzw. Gestattung grundsätzlich bestehen, nämlich dann, wenn der beabsichtigte Gaststättenbetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume nicht ohne Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften erlaubt werden kann, es insbesondere nicht möglich ist, die auf die Nachbarschaft etwa durch Lärmimmissionen einwirkenden schädlichen Umwelteinwirkungen durch Nebenbestimmungen auf ein zumutbares Maß zu begrenzen, ohne dadurch gleichzeitig die Ausübung des Gaststättengewerbes in seiner konkret beantragten Betriebsart durch Beseitigung eines prägenden Merkmals (wirtschaftlich) unmöglich zu machen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 1988 - 1 C 72.86 - BVerwGE 80 S. 259 (264) = NVwZ 1989 S. 258 f. = GewArch 1989 S. 100 f.; Ziff. 2.1 und 2.2.3 der sogenannten LAI-Hinweise, NVwZ 1988 S. 135 f.; Steinberg, Öffentlich-rechtlicher Nachbarschutz im Gaststättenrecht, DÖV 1991 S. 354 (357); vgl. auch BVerwG, Urteil vom 5. November 1985 - 1 C 14.84 - GewArch 1986 S. 96; Hess. VGH, Urteil vom 18. Oktober 1995 - 14 UE 2626/95 - GewArch 1996 S. 251 zur Rechtswidrigkeit einer derart "erdrosselnden" Nebenbestimmung). Diese Voraussetzungen liegen hier bei summarischer Prüfung aber (noch) nicht vor.

Ob die zum Zwecke der Nutzung als Dorf- bzw. Festplatz erfolgte Befestigung der Freifläche des Grundstücks durch Aufbringen der Schotterung gemäß § 62 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 HBO einer Baugenehmigung bedurft hätte und ob deshalb wegen formeller Illegalität eine bauaufsichtliche Nutzungsuntersagung gemäß § 78 Abs. 1 HBO ergehen könnte, oder ob dem die Beschränkung der Nutzung als Festplatz auf lediglich einmal im Jahr entgegensteht, wie offensichtlich die hier zuständige Bauaufsichtsbehörde des Landkreises meint, bedarf vorliegend keiner Prüfung, weil die Rechtmäßigkeit einer Gaststättenerlaubnis oder -gestattung nicht davon abhängt, ob eine für den beabsichtigten Gaststättenbetrieb erforderliche Baugenehmigung erteilt worden ist oder nicht (vgl. VGH Bad.- Württ., Beschluss vom 7. Januar 1985 - 14 S 2918/84 - GewArch 1985 S. 300; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1989 - 1 C 18.87 - NVwZ 1990 S. 559 (560) = GewArch 1990 S. 29 ff.; Steinberg a. a. O. S. 359 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats dürften für die rechtliche Beurteilung der von dem Festzelt auf die Nachbarschaft ausgehenden Störungen zwar grundsätzlich auch bauplanungsrechtliche Vorschriften einzubeziehen sein, weil danach nur einer bereits erteilten Baugenehmigung eine "sperrende" Bindungswirkung für die Gaststättenbehörde hinsichtlich der typischen Immissionen der beantragten Betriebsart zukommt (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Oktober 1988 und 17. Oktober 1989 a. a. O.; Hess. VGH, Beschluss vom 2. Juli 1991 - 14 TH 3563/90 - GewArch 1992 S. 32 f., Urteil vom 18. Oktober 1995 a. a. O. und Beschluß vom 8. November 1995 - 14 TG 3375/95 - GewArch 1996 S. 252 f.; a. A. Sternberg a. a. O. S. 359). Die Einbeziehung bauplanungsrechtlicher Vorschriften hinsichtlich der entscheidungserheblichen Fragen führt hier aber zu keiner anderen als der unten getroffenen Beurteilung. Ein Dorf- bzw. Festplatz ist nämlich als Anlage für kulturelle und soziale Zwecke in Dorfgebieten und auch in allgemeinen Wohngebieten gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 7 und § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO generell zulässig und die in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO für den Einzelfall aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen stimmen mit denen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG überein, soweit es - wie hier - um die mit einem Gaststättenvorhaben in bestimmter örtlicher Umgebung verbundenen Immissionen geht (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 1988 a. a. O.; Hess. VGH, Beschlüsse vom 2. Juli 1991 und 8. November 1995 a. a. O.), wobei die Gaststättenbehörde lediglich über die typisierende Betrachtungsweise der Baugenehmigungsbehörde hinaus auch im Einzelfall bestehende besondere Betriebseigentümlichkeiten einschließlich der Person des Gaststättenbetreibers zu berücksichtigen hat.

Nach den danach hier einheitlich anwendbaren immissionsschutzrechtlichen Maßstäben ist die der Beigeladenen erteilte Gestattung zum Betrieb ihres Festzeltes im Rahmen der Altstadtkirmes 1996 nicht insgesamt, sondern nur hinsichtlich der beigefügten Auflagen und sonstigen Nebenbestimmungen insoweit offensichtlich rechtswidrig, als diese nur mit den vom Senat durch teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bewirkten zeitlichen Einschränkungen der Musik- und Veranstaltungsdauer und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der vorliegenden Festveranstaltung noch hinreichend geeignet erscheinen können, die auf den Antragsteller und seine Familie einwirkenden Lärmimmissionen auf ein gerade noch zumutbares Maß zu beschränken. Zwar muß angesichts der Erfahrungen der letztjährigen Veranstaltung davon ausgegangen werden, dass auch dieses Jahr die nach den hier anwendbaren LAI-Hinweisen zugrundezulegenden Immissionsgrenzwerte für seltene Störereignisse nicht eingehalten werden und bei Wahrung des Charakters dieser Festveranstaltung angesichts der unmittelbaren Nachbarschaft zum Wohngrundstück des Antragstellers auch nicht eingehalten werden können, so dass eine Untersagung der Veranstaltung insbesondere wegen der aufgrund seiner Lage grundsätzlich stark eingeschränkten Eignung des Festplatzes insgesamt naheliegen könnte (vgl. zu einem ähnlichen Fall BGH, Urteil vom 23. März 1990 - V ZR 58/89 - BGHZ 111 S. 63 ff. = NJW 1990 S. 2465 ff. = DVBl. 1990 S. 771 ff.). Andererseits sind die Richtwerte der LAI-Hinweise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze nicht schematisch, sondern lediglich als Entscheidungshilfe im Rahmen einer wertenden Abwägung des Betreiberinteresses und gegebenenfalls - wie hier - des Allgemeininteresses an der Durchführung gemeinschaftsfördernder sozialer und/oder kultureller Veranstaltungen gegenüber dem nachbarschaftlichen Interesse an ruhigen Wohnverhältnissen insbesondere in Zeiten der Nachtruhe anzuwenden. Danach sind dem Antragsteller und seiner Familie Überschreitungen der obigen Lärmrichtwerte während der vom Senat eingeschränkten Veranstaltungszeiten noch zumutbar, wobei der Senat davon ausgeht, dass sich diese Überschreitungen aufgrund entsprechender Maßnahmen der Beigeladenen und der Antragsgegnerin auf die vom Senat im Vergleichsvorschlag vom 7. Oktober 1996 genannten 10 dB (A) unter Nichtberücksichtigung der besonderen Zuschläge beschränken. Bei der zur Ermittlung der Zumutbarkeitsgrenze vorzunehmenden Einzelfallabwägung war vorliegend nämlich zu berücksichtigen, dass die Festveranstaltung anläßlich der Altstadtkirmes in der derzeitigen Form in einem Festzelt auf dem hier fraglichen Festplatz zwar einerseits erst seit 1993 veranstaltet wird und das Grundstück des Antragstellers deshalb nicht traditionell mit der Nachbarschaft dieser Veranstaltung belastet ist, dass dieses Kirchweihfest mit Kirmes in der Altstadt aber andererseits eine Tradition etwa seit der Jahrhundertwende hat und offensichtlich nur deshalb nicht mehr wie früher in Tanzsälen und Gaststätten der Altstadt durchgeführt werden kann und in ein Festzelt auf dem hier fraglichen Dorfplatz verlegt werden mußte, weil in der Altstadt nur noch eine Gaststätte existiert und ein anderer, geeigneterer Festplatz, wie möglicherweise der Marktplatz, (noch) nicht zur Verfügung steht. Hinzu kommt, dass dieses der Pflege der dörflichen Gemeinschaft dienende Fest nur einmal jährlich und seit 1995 nicht mehr an vier, sondern nur noch an drei aufeinanderfolgenden Tagen stattfindet (vgl. zur Beschränkung auf drei Tage OVG NW, Urteile vom 29. Juli 1983 - 4 A 1063/82 - NVwZ 1984 S. 531 f., vom 23. Mai 1985 - 4 A 1645/84 - NVwZ 1986 S. 64 ff. und vom 25. Juni 1987 - 21 A 1136/87 - NVwZ 1988 S. 178 f.); zudem wird die Altstadtkirmes auch nicht in der Sommerzeit, sondern im Winterhalbjahr veranstaltet, in dem nicht nur die Neigung der Besucher zum abendlichen Aufenthalt im Umfeld des Festzeltes, sondern insbesondere auch das Bedürfnis der Anwohner sich abends im Freien aufzuhalten und ihre Fenster insbesondere nachts geöffnet zu halten, deutlich geringer sein dürfte als im Sommer (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 2. Juli 1991 a. a. O.). Auch ansonsten werden auf dem Dorf- bzw. Festplatz keine anderen vergleichbaren Veranstaltungen durchgeführt, so dass sich die Veranstaltungsdauer hier auf drei Tage im Jahr beschränkt, während die Lärmimmissionsgrenzwerte der LAI-Hinweise für seltene Störereignisse von maximal 5 % der Tage oder Nächte eines Jahres, also von 18 Tagen ausgehen (vgl. Ziff. 4.2 a. a. O. S. 137). Für die Frage der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen sind aber die Dauer, die zeitlichen Abstände, wie etwa eine Konzentration in der Sommerzeit, und die Häufigkeit der störenden Ereignisse von erheblicher Bedeutung, so dass vorliegend auch zu berücksichtigen ist, dass angesichts der aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlichen Bemühungen und der auch im vorliegenden gerichtlichen Verfahren abgegebenen Absichtserklärungen der Antragsgegnerin davon ausgegangen werden kann, dass die Altstadtkirmes möglicherweise 1997, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aber ab 1998 nicht auf dem Festplatz in unmittelbarer Nachbarschaft des Wohngrundstücks des Antragstellers stattfinden wird. Die diesjährige Altstadtkirmes kann unter diesen Voraussetzungen als eine sehr seltene und nahezu einmalige bzw. letztmalige Veranstaltung angesehen werden, für die die hier zu erwartenden Überschreitungen des Lärmimmissionsgrenzwertes von 55 dB (A) auch nach 22.00 Uhr im Interesse der Kontinuität der traditionellen dörflichen Gemeinschaftspflege ausnahmsweise während der vom Senat vorgegebenen zeitlichen Grenzen noch hingenommen werden können (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13. Dezember 1993 - 8 S 1800 /93 - NVwZ-RR 1994 S. 633 (635); Nds. OVG, Urteil vom 15. September 1994 - 7 L 5328/92 - GewArch 1995 S. 173 (175); OVG Bremen, Urteil vom 14. November 1995 - OVG 1 BA 13/95 - GewArch 1996 S. 390 ff.). Mit der gestaffelten zeitlichen Vorverlegung des Endes der Musikdarbietungen bzw. der Veranstaltung insgesamt am Samstag und Montag, dem 12. und 14. Oktober 1996, verfolgt der Senat unter Berücksichtigung der zu erwartenden Lärmgrenzwertüberschreitungen den Zweck, unter Wahrung des typischen Erscheinungsbildes eines dörflichen Volksfestes, wozu bei einer erwarteten Teilnehmerzahl von 600 bis 700 Personen und beabsichtigten Tanzveranstaltungen auch laute Musik gehört, dem Antragsteller und seiner Familie wenigstens durch zeitliche Beschränkungen ein Mindestmaß an Nachtruhe zu sichern (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 5. Juni 1990 - 22 CS 90.1522 - GewArch 1990 S. 419 f., Urteil vom 19. August 1991 - 22 B 88.3570 - GewArch 1992 S. 31). Deshalb soll zwar am Samstag über Mitternacht hinaus bis sonntags um 2.00 Uhr gefeiert werden dürfen, weil das Fest an diesem Tage erst abends um 20.00 Uhr beginnt und derartige Feste mit Tanz, Musik und Geselligkeit an diesem Tage üblicherweise lange andauern und weil am Sonntagmorgen ausgeschlafen werden kann; andererseits soll die Musik eine Stunde vor dem Veranstaltungsende eingestellt werden, um die Lautstärke schon zu diesem Zeitpunkt um etwa 10 dB (A) zu vermindern und die Einhaltung der verkürzten Sperrzeit um 2.00 Uhr zu erleichtern. Da das Fest am Montag traditionsgemäß bereits um 11.00 Uhr beginnt, der Antragsteller also schon tagsüber von erheblichen Lärmimmissionen betroffen sein wird, und der nachfolgende Dienstag ein Werk- bzw. Schultag ist, erscheint es dagegen angemessen, an diesem Abend spätestens ab 24.00 Uhr eine Nachtruhe zu ermöglichen.

Eine weitergehende zeitliche Beschränkung der lärmverursachenden Altstadtkirmes war auch nicht nach der Hessischen Gefahrenabwehrverordnung gegen Lärm vom 16. Juni 1993 (GVBl. S. 257) - LärmVO - geboten. Dabei spricht schon viel dafür, dass deren Anwendbarkeit gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 LärmVO schon deswegen ausgeschlossen ist, weil die vorliegende Lärmquelle durch Vorschriften des Bau- und Gaststättenrechts abschließend geregelt ist. Jedenfalls aber kann in der gaststättenrechtlichen Gestattung mit ihren Nebenbestimmungen die Zulassung einer Einzelfallausnahme gemäß § 9 Abs. 3 LärmVO gesehen werden (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 29. Juli 1994 - 14 TG 2077/94 -).

Angesichts des sich bei summarischer Prüfung aus dem Akteninhalt ergebenden Verhaltens der Beigeladenen und der Antragsgegnerin hinsichtlich der Einhaltung der für die letztjährige Altstadtkirmes festgesetzten Lärmgrenzwerte und Veranstaltungszeiten sah sich der Senat genötigt, zur Absicherung der durch die teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche des Antragstellers geregelten gestaffelten Schlußzeiten die Antragsgegnerin gemäß § 80 a Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO i. V. m. § 172 VwGO bzw. § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 888 ZPO unter Androhung von Zwangsgeld zur Überwachung und gegebenenfalls Durchsetzung der Einhaltung dieser Rechtspflichten der Beigeladenen zu verpflichten (vgl. dazu OVG NW, Beschluss vom 8. September 1992 - 11 B 3495/92 - NVwZ 1993 S. 383 ff.). Der Senat hat demgegenüber im Rahmen seiner Ermessensentscheidung davon abgesehen, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO darüber hinaus unter Androhung eines Zwangsgeldes zu verpflichten, die der Beigeladenen weiterhin auferlegten Lärmimmissionsgrenzwerte durchzusetzen, weil der Senat nach den obigen Ausführungen davon ausgeht, dass diese Grenzwerte bei Wahrung des Charakters der vorliegenden Festveranstaltung nicht eingehalten werden können und er sich im Rahmen der vorliegenden streitigen Entscheidung rechtlich außerstande sieht, diese Grenzwerte - etwa in Anlehnung an die vergleichsweise vorgeschlagene Regelung - zu Lasten des Antragstellers zu verändern. Im übrigen hat die Antragsgegnerin dem Gericht gegenüber fernmündlich zugesagt, Lärmmessungen durchzuführen und sich gegebenenfalls um Lärmreduzierung bemühen zu wollen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens nach der auch den § 154 Abs. 3 VwGO verdrängenden Sondervorschrift des § 155 Abs. 5 VwGO wegen Verschuldens je zur Hälfte zu tragen, weil sie durch Nichterfüllung des letztjährigen Vergleichs den vorliegenden Rechtsstreit um die Altstadtkirmes 1996 schuldhaft verursacht haben; insoweit sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig erklärt worden. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind demgegenüber gemäß § 155 Abs. 1 VwGO gegeneinander aufzuheben, weil nicht nur die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen hinsichtlich der Verwendung technischer Tonwiedergabegeräte und der Vorverlegung der Sperrzeiten auf 24.00 Uhr am 12. und 14. Oktober 1996, sondern auch die Beschwerde des Antragstellers hinsichtlich der Beendigung der Musikdarbietungen am Montag, dem 14. Oktober 1996, um 23.00 Uhr erfolgreich waren.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 20 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.