Hessischer VGH, Beschluss vom 30.07.1992 - 3 N 686/88
Fundstelle
openJur 2012, 19825
  • Rkr:
Tatbestand

Die Antragstellerin ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke im Geltungsbereich der Verordnung über das Naturschutzgebiet "W-Altarm bei S (VO) vom 27.02.1987 (StAnz. S. 659) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 12.05.1992 (StAnz. S. 1242). Gemäß § 2 VO ist Zweck der Unterschutzstellung die Erhaltung eines im Naturraum seltenen, mit typischer Vegetation bestandenen W-Altarmes, der mit seiner ausgeprägten Röhrichtzone für eine Vielzahl gefährdeter und vom Aussterben bedrohter Vogelarten ein wichtiges Rast-, Nahrungs- und Brutbiotop darstelle. § 3 Nr. 6 VO verbietet es u.a., wildlebenden Tieren nachzustellen, wobei § 4 Nr. 3 VO von diesem Verbot lediglich die Ausübung der Einzeljagd auf Schalenwild ausnimmt. § 3 Nr. 8 VO verbietet es, das Naturschutzgebiet außerhalb der Wege zu betreten.

Mit dem am 15.02.1988 gestellten Normenkontrollantrag wendet sich die Antragstellerin gegen die genannte Verordnung, soweit sie das Betreten des Naturschutzgebietes außerhalb der Wege uneingeschränkt verbietet und die Ausübung der Einzeljagd auf "Raubwild und Raubzeug" untersagt. Zur Antragsbefugnis verweist sie auf das Behördenprivileg des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Im übrigen habe sie dadurch einen Nachteil erlitten, daß sie aufgrund der streitbefangenen Verbote ihren Bürgern das seit altersher übliche Schlittschuhlaufen auf dem Altarm der W zur Winterszeit nicht mehr gestatten dürfe und im übrigen als Mitglied der Jagdgenossenschaft nicht mehr zur uneingeschränkten Verpachtung der Jagd in diesem Jagdbezirk berechtigt sei. Der Antrag sei auch begründet. Falle der Altarm der W als natürliche Eislauffläche fort, bestünde die Notwendigkeit, im Rahmen des § 19 HGO eine andere Sportstätte zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen des Ausweisungsverfahrens sei ihren entsprechenden Bedenken ohne sachlich gerechtfertigte Gründe nicht Rechnung getragen worden. Das Eislaufen werde die Naturschutzbelange nicht in nennenswertem Umfang nachteilig beeinflussen. Man betrete vernünftigerweise die Eisfläche dort, wo sie unmittelbar an das Ufer heranreiche und zerstöre nicht überflüssigerweise Röhrichtbestände. Insgesamt habe eine ordnungsgemäße Abwägung nicht stattgefunden. Dieser Vorwurf treffe auch die Einschränkung der Jagd. Die Bejagung von Raubwild erfolge nicht regelmäßig nur mittels Fallen- oder Hundeeinsatz. Man hätte die Raubwildjagd auf die Einzeljagd beschränken können, der grundsätzliche Ausschluß der Bejagung von Raubwild verletze das Übermaßverbot. Ein Abwägungsdefizit liege darin, daß man sich mit den fachlichen Einwendungen einer dort ansässigen Rittergutsverwaltung vom 13.05.1985 inhaltlich nicht auseinandergesetzt habe.

Die Antragstellerin, die den Normenkontrollantrag nach Inkrafttreten der Änderungsverordnung vom 12.05.1992 aufrechterhalten hat, beantragt sinngemäß,

die Verordnung über das Naturschutzgebiet "W-Altarm bei S" vom 27.02.1987 (StAnz. S. 659) in der Fassung vom 12.05.1992 (StAnz. S. 1242) insoweit für nichtig zu erklären, soweit sie das Betreten des Naturschutzgebiets außerhalb der Wege - uneingeschränkt - verbietet sowie die Ausübung der Einzeljagd auf "Raubwild und Raubzeug" untersagt.

Der Antragsgegner beantragt,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist er auf die gesetzlichen Vorschriften, nach denen Naturschutzgebiete der Allgemeinheit lediglich zugänglich gemacht werden könnten, soweit es der Schutzzweck erlaube. Hier könne das Betreten des Schutzgebietes außerhalb der vorhandenen Wege zu erheblichen Beeinträchtigungen des Schilfröhrichts führen. Trittschäden und Bodenverdichtungen gefährdeten Schilfröhrichte besonders, da deren Rhizome samt Vegetationskegeln nur geringfügig unter der Erdoberfläche lägen.

Das sich aus dem allgemeinen Betretungsverbot außerhalb der Wege mittelbar ergebende Verbot des Schlittschuhlaufens sei zum Schutze der Ufervegetation und der überwinternden Fischfauna zwingend geboten. Die im Winter noch nicht sichtbaren Triebe der Schilf-Rhizome würden durch die tief einschneidenden Kufen der Schlittschuhe vor allem bei weichem Boden in Übergangszeiten vollständig zerstört. In dem maximal 1,5 m tiefen Flachgewässer werde die Fischfauna durch Scheucheffekte zu einem höherem Energieverbrauch gezwungen, der zu dieser Jahreszeit bei den vorherrschenden Wassertemperaturen nicht durch Nahrungsaufnahme ersetzt werden könne. Dies führe zu einer Schwächung der Kondition mit nachfolgender Verfilzung und entsprechenden Verlusten im Fischbestand. Die Versalzung und die Fischarmut der W ließen dem im Wtal seltenen Altarm eine besondere Bedeutung als Nahrungsbiotop an einer angestammten Straße des Vogelzuges zukommen. Außerdem stünden den Bürgern der Antragstellerin in der näheren Umgebung ihres Wohnsitzes für den Eissport zahlreiche weitere, allgemein zugängliche Wasserflächen zur Verfügung.

Bei der Jagdbeschränkung sei zu beachten, daß Raubwild im Rahmen der Ansitzjagd nicht systematisch zu bejagen sei. Die Bejagung erfolge regelmäßig mittels Fallen- oder Hundeeinsatz. Das Aufstellen und Kontrollieren der Fallen sowie das Stöbern der Jagdhunde stellten jedoch eine erhebliche Störung der Tierwelt und Gefährdung der Schilfröhrichts dar.

Dem Senat liegen ein Hefter und ein Ordner Aufstellungsunterlagen über die streitbefangene Verfügung vor. Auf ihren Inhalt wird ebenso wie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Gründe

Gemäß § 47 Abs. 6 und § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO kann die Entscheidung durch den Berichterstatter ohne Beschluß ergehen, weil eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist.

Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Der Antragstellerin steht bei der Antragsbefugnis das Behördenprivileg des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zur Seite, so daß es auf einen eigenen rechtlichen Nachteil durch die streitbefangene Verordnung nicht mehr ankommt (vgl. Hess. VGH, Beschluß vom 21.01.1986 - 4 N 2315/85 - ESVGH 36, 165).

Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. Formelle Fehler der streitbefangenen Verordnung sind nicht (mehr) ersichtlich. Nach Verkündung der Änderungsverordnung vom 12.05.1992 mit Text und Karte im Staatsanzeiger liegt kein Veröffentlichungsproblem mehr vor, wie es in vergleichbaren Fällen in früheren Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zur Nichtigkeit der Norm geführt hat (vgl. Hess. VGH, Beschluß vom 27.02.1990 - 3 N 728/84 -; Beschlüsse vom 23.04.1990 - 4 N 2668/85 - und - 4 N 2028/87 -).

In materieller Hinsicht halten die streitbefangenen Festsetzungen des § 3 Nr. 6 und 8 und des § 4 Nr. 3 VO ebenfalls einer rechtlichen Überprüfung Stand. Dabei ist zu beachten, daß die Antragstellerin für den Bereich des betreffenden Altarms der W grundsätzlich von der rechtswirksamen Ausweisung eines Naturschutzgebiets im Sinne des § 12 Abs. 1 i.V.m. § 16 Abs. 3 und § 17 Abs. 1 HENatG ausgeht. Die Antragstellerin stellt den Zweck der Unterstellung in § 2 VO nicht in Frage. Das durch das Abschneiden einer Flußschlinge entstandene Altwasser stellt mit seinen verhältnismäßig flachen Wasserzonen einen der letzten vorhandenen Altarme an der W und damit ein seltenes Biotop dar. Für Hessen mit seiner natürlichen Armut an Stillgewässern (vgl. zu ihrer Bedeutung Kaule, Arten- und Biotopschutz, 1986, S. 73 ff.) handelt es sich um ein hochrangiges Naturgebiet, dessen Schutz mindestens nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 HENatG zur Erhaltung der wildlebenden tierischen und pflanzlichen Artenbestände in diesem angestammten Lebensraum erforderlich ist.

Soweit sich die Antragstellerin im Rahmen des Betretungsverbots außerhalb der Wege in § 3 Nr. 8 VO lediglich gegen das Verbot des Schlittschuhlaufens wendet, ist ihr entgegenzuhalten, daß nach § 12 Abs. 2 HENatG alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebietes oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, nach Maßgabe der betreffenden Rechtsverordnung über das Naturschutzgebiet verboten sind. Soweit es der Schutzzweck erlaubt, können Naturschutzgebiete der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Für die Allgemeinheit besteht kein Betretungsanspruch für Naturschutzgebiete. Der Eissport hält sich hier auch nicht einmal im Rahmen des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs nach § 32 Abs. 1 HWG, weil es sich bei dem Altwasser und den Verlandungszonen nicht um ein natürlich fließendes Gewässer handelt, wobei das Naturschutzverordnungsrecht selbst einen solchen Gemeingebrauch überlagern könnte.

Der Antragsgegner ist hier zu Recht davon ausgegangen, daß das Schlittschuhlaufen auf dem verhältnismäßig flachen Altwasser den Schutzzweck der Verordnung gefährdet und hat das Ergebnis seiner Überlegungen ausweislich eines in den Behördenakten befindlichen Vermerks vom 17.07.1985 bereits in einem Erörterungstermin in S bekanntgegeben. Ohne die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 12 Abs. 2 Satz 2 HENatG erster Halbsatz stellte sich die Frage einer Ermessensentscheidung über Ausnahmen vom Betretungsverbot außerhalb der Wege nicht, wobei das Wegegebot das Verbot des Schlittschuhlaufens umfaßt (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 07.12.1989 - 3 OVG A 53/88 - zitiert nach Louis, Nds. NatG, Kommentar, Band 1, 1990, § 24 Rdnr. 8). Bei alledem ist für die auf § 12 Abs. 2 Satz 1 HENatG beruhenden Verordnungsbestimmungen von Bedeutung, daß sie mangels ausdrücklicher gesetzlicher Vorgaben keine ausdrückliche Begründung enthalten und die Verordnungsunterlagen auch nicht im einzelnen Aufschluß über den Abwägungsvorgang geben müssen, weshalb sich die gerichtliche Überprüfung im allgemeinen auf das Abwägungsergebnis beschränkt (vgl. für gemeindliche Satzungen OVG Lüneburg, Urteil vom 12.02.1982 - 1 A 231/80 - BauR 1982, 368; Hess. VGH, Urteil vom 30.06.1987 - 3 OE 168/82 - BRS 47 Nr. 121 und Beschluß vom 02.04.1992 - 3 N 2241/89 - sowie zum Abwägungsverbot beim Erlaß von Naturschutzverordnungen VGH Mannheim, Urteil vom 24.09.1987 - 5 S 422/86 - NUR 1988, 191 und Louis DVBl. 1990, 800).

Das Wegegebot mit dem Verbot des Schlittschuhlaufens verletzt nicht die Anforderungen an das Abwägungsgebot. Auf der einen Seite waren hier die gemeindlichen Eigentümerinteressen und die Erholungsinteressen der Allgemeinheit zu berücksichtigen, die die Gemeinde zu unterstützen hat (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 11, 4 Satz 3, 28 BNatschG, 20 HENatG), auf der anderen Seite der Schutz eines Feuchtgebiets und der Ufervegetation, insbesondere der Röhrichtbestände (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 BNatschG, 1 Abs. 2 und 23 Abs. 1 Nr. 5 HENatG). Die eissportlichen Freizeitaktivitäten konnten hier abwägungsfehlerfrei zurückgesetzt werden. Den Erholungsinteressen der Allgemeinheit als Teil der Lebensgrundlagen des Menschen im Sinne des § 1 Abs. 1 BNatschG dienen nur Handlungen, bei denen es um die Erholung durch Natur und Landschaft geht, nicht um Natur und Landschaft beeinträchtigende Erholungsaktivitäten (vgl. OVG Münster, Urteil vom 05.09.1985 - 7 A 2523/84 - NuR 1986, 213, 214 und Louis, Nds NatG, a.a.O., § 1 Rdnr. 10). Gerade in einem Naturschutzgebiet sollen die Tier- und Pflanzengemeinschaften in ihren vorfindlichen Beständen geschützt werden, womit der Naturschutzverordnung eine konservierende Zielsetzung zukommt (vgl. für Landschaftsschutzverordnung Hess. VGH, Urteil vom 08.05.1985 - 3 OE 63/83 - ESVGH 35, 212). Im vorliegenden Fall geht es insbesondere um den Schutz der in § 23 HENatG als besonderer Lebensraum bewerteten Röhrichtbestände als Teil der Ufervegetation, die in der ortsnahen Lage bei intensiver eissportlicher Tätigkeit der Bevölkerung nicht unerheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt wäre. Dazu hat der Antragsgegner naturschutzfachlich plausibel vorgetragen, daß die nicht tief unter der Erdoberfläche befindlichen Rhizome, d.h. das Sproßwurzelwerk des Röhrichts mit seinen Vegetationskegeln, durch Trittschäden und Bodenverfestigungen beeinträchtigt würde. Es entspricht der Lebenserfahrung, daß die naturschutzfachlich nicht vorgebildete und nicht sensibilisierte Allgemeinheit diesen Gesichtspunkten beim Betreten der Eisfläche regelmäßig kein besonderes Augenmerk widmet, den Zugang zur Eisfläche auch nicht auf wenige Zugangskorridore beschränkt, so daß der Uferbewuchs erheblich störenden Beeinträchtigungen durch die Allgemeinheit ausgesetzt ist. Berücksichtigt man darüber hinaus, daß es sich bei der eissportlichen Freizeitaktivität nicht um eine wirtschaftliche Notwendigkeit handelt und nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Antragsgegners auf Seite 5 seines Schriftsatzes vom 11.10.1988 (Blatt 26 GA) in der näheren Umgebung zahlreiche weitere, allgemein zugängliche Wasserflächen für den Eissport zur Verfügung stehen, konnten die entsprechenden gemeindlichen Interessen hier abwägungsfehlerfrei zurückgesetzt werden.

Dasselbe gilt für das gemeindliche Interesse an einer Zulassung der Jagd auf Raubwild und Raubzeug, bei der es sich angesichts des Rückgangs der beruflichen Jägerei ebenfalls um eine Freizeitaktivität handelt. Bei Raubwild und Raubzeug handelt es sich um bis zum Inkrafttreten des 2. Änderungsgesetzes von 1976 ursprünglich in § 23 BJG ausdrücklich im Zusammenhang damit genannte jagdrechtliche Begriffe, daß der Jagdschutz nach näherer Bestimmung durch die Länder auch den Schutz des Wildes vor Raubwild und Raubzeug umfaßt. Nunmehr heißt es in § 24 HessAGBJG in der Fassung vom 24.05.1978 (GVBl. I S. 286) noch, daß der Jagdschutz u.a. auch den Schutz des Wildes vor Raubwild und anderen jagdschädlichen Tierarten umfaßt. Unter Raubwild versteht man dem Jagdrecht unterliegende Tiere, die nahrungssuchend anderes Wild töten (vgl. Mitzschke/Schäfer, BJG, Kommentar, 4. Aufl. 1982, § 23 Anm. 2). Dazu gehören aus dem Katalog der dem Jagdrecht unterliegenden Tierarten des § 2 BJG Wildkatze, Luchs, Fuchs, Stein- und Baummarder, Iltis, Hermelin, Mauswiesel, Dachs, Fischotter, die Greifen und Falken, nach Maßgabe des Landesrechts (§ 1 Abs. 1 der Verordnung über die Bestimmung weiterer Tierarten, die dem Jagdrecht unterliegen, und über die Änderung der Jagdzeiten vom 13.05.1977 - GVBl. I S. 222) in Hessen zusätzlich Waschbär, Marder, Hund und Sumpfbiber, wobei nicht für alle Tierarten bundesrechtlich eine Jagdzeit festgesetzt ist (vgl. Mitzschke/Schäfer, a.a.O., § 23 Rdnr. 4). Bei Raubzeug handelt es sich um nicht dem Jagdrecht unterliegende Tiere, die als Beutegreifer für das Wild gefährlich sind. Dazu zählten vor Erlaß der Bundesartenschutzverordnung vom 25.08.1980 (BVBl. I S. 1565) Eichhörnchen, Hamster, Dohlen, Häher, Krähen und Elstern (vgl. Mitzschke/Schäfer, a.a.O., § 23 Rdnr. 5), wobei verschiedene dieser Tierarten inzwischen unter besonderen Naturschutz gestellt worden sind und im Rahmen des Jagdschutzes nicht mehr erlegt werden dürfen.

Das Jagdverbot des streitbefangenen § 3 Nr. 6 VO, von dem gemäß § 4 Nr. 3 nur die Ausübung der Einzeljagd auf Schalenwild (vgl. die Legaldefinition in § 2 Abs. 3 BJG) ausgenommen ist, verletzt nicht die Anforderungen an das Abwägungsgebot. Im Rahmen eines artenreichen Wildbestandes (§ 1 Abs. 2 BJG) haben auch sogenanntes Raubwild und andere jagdschädliche Tierarten im Haushalt der Natur ihre Bedeutung, wobei das Naturschutzrecht hier den Jagdschutz verdrängt. Angesichts der nicht unerheblichen Störungen und Beeinträchtigungen des hochwertigen Naturschutzgebiets mit Altwasser und Verlandungszonen ist die Beschränkung des Jagdrechts auf Schalenwild gerechtfertigt. So hat die ortsansässige Rittergutsverwaltung, auf deren Einwendungen die Antragstellerin sich bezieht, in ihrem Schreiben vom 30.05.1985 an die frühere Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in Kassel mitgeteilt, daß sie laufend Fallen stelle, um Fuchs, Marder, Wiesel und anderes Raubzeug von der Jungbrut fernzuhalten. In der Verwendung von Fallen, die auch zur Vermeidung unnötiger Leiden für die gefangenen Tiere einer täglichen Überwachung bedürfen, hat dagegen die Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland in ihrem Schreiben vom 08.08.1985 zu Recht eine erhebliche Beunruhigung für das Naturschutzgebiet gesehen, die dem Schutzzweck zuwiderlaufe. Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen das Übermaßverbot darin sieht, daß nicht einmal die Einzeljagd auf Raubwild ohne Fallen- oder Hundeeinsatz zugelassen worden sei, ist ihr entgegenzuhalten, daß auch mit der Einzeljagd optische und akustische Störungen verbunden sind, von denen vor allem Wasservogelbestände betroffen sind. Indirekt beeinträchtigt die Jagd mit ihren optischen und akustischen Störungen auch sensible, nicht bejagte Arten erheblich, da ausreichende Ruhezonen fehlen (vgl. Plachter, Naturschutz, 1991, S. 170, 171). Ein weiterer negativer Nebeneffekt der Jagd ist eine erhöhte Fluchtdistanz dieser Vögel bzw. Vogelarten, die die Besiedelung sonst geeigneter Habitate verhindert. Gerade hier, wo nur ein verhältnismäßig kleines Naturschutzgebiet ausgewiesen worden ist, ist zu befürchten, daß bei ungenügender Flächengröße die Tiere nicht in der Lage sind, ihre individuelle oder artspezifische Fluchtdistanz einzuhalten. Damit hat die Jagdruhe auch einen positiven Einfluß auf die Wasservogelbestände (vgl. Hölzinger, Die Vögel Baden-Württembergs, 1987, Teil 1, S. 166 ff., 168, 169). Die jagdlich bedingten Negativfaktoren für die Tierwelt im Naturschutzgebiet, zu denen das Dezimierungsproblem als solches und die Verschiebung von Räuber- Beute- und Konkurrenzbeziehungen hinzukommen, stellen hier einen so erheblichen Störfaktor dar, daß die streitbefangene Jagdbeschränkung frei von Abwägungsfehlern ist.