KG, Beschluss vom 25.07.2011 - 25 W 33/11
Fundstelle
openJur 2012, 15606
  • Rkr:

1. Wird im Rahmen eines Antragsverfahrens in einem mit notariellem Schreiben eingeleiteten Beschwerdeverfahren der Name des Beschwerdeführers nicht angegeben, so gilt die Beschwerde im Zweifel als im Namen aller beschwerdebefugten Antragsberechtigten bzw. -verpflichteten eingelegt, für die der Notar tätig geworden ist.

2. Die Vorschrift des § 4a GmbHG muss auch bei der förmlichen Sitzverlegung der GmbH gewahrt bleiben.

3. Ein Satzungsänderungsbeschluss, der gegen § 4a GmbHG verstößt, ist analog § 241 Nr. 3 Fall 3 AktG nichtig und darf nicht ins Handelsregister eingetragen werden; vielmehr bleibt der ursprünglich festgelegte Sitz weiterhin gültig.

4. Hat die Beteiligte bei Anmeldung der Sitzverlegung bereits die eidesstattliche Versicherung abgegeben, kann das Registergericht auf größere wirtschaftliche Schwierigkeiten der Beteiligten und darauf schließen, dass sie nicht mehr über hinreichende liquide Mittel verfügt, um eine werbende Tätigkeit auszuüben.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten vom 24.03.2011 gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Charlottenburg vom 28.02.2011 wird zurückgewiesen.

2. Der Verfahrenswert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Beteiligte meldete am 09.02.2011 eine Satzungsänderung vom 04.02.2011 an. Der Sitz der Gesellschaft wurde von Buchholz nach Berlin verlegt.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat mit Zwischenverfügung vom 28.02.2011 u.a. gerügt, das Amtsgericht Tostedt habe mitgeteilt, dass die Beteiligte zum Az. 11 M 52/11 die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Dies lasse den Schluss zu, dass sie nicht mehr über hinreichende liquide Mittel verfüge, um eine werbende Tätigkeit auszuüben. Eine Sitzverlegung sei unter diesen Umständen rechtsmissbräuchlich.

Gegen diese Zwischenverfügung hat der anmeldende Notar insoweit am 24.03.2011 Beschwerde eingelegt und beantragt, ihm zur Begründung eine Frist von zwei Monaten einzuräumen. Das Amtsgericht Charlottenburg hat die Begründungsfrist bis zum 21.04.2011 gesetzt. Nach ergebnis-losem Fristablauf hat es der Beschwerde mit Beschluss vom 03.05.2011 nicht abgeholfen.

Eine Beschwerdebegründung ist auch weiterhin nicht eingegangen.

B.

Die Beschwerde der Beteiligten hat keinen Erfolg.

I)

Die Beschwerde ist zulässig. Zwar handelt es sich bei der hier angegriffenen Zwischenverfügung um keine Endentscheidung gemäß § 58 Abs. 1 FamFG, so dass dagegen nur dann eine Be-schwerde möglich ist, wenn diese gesetzlich zugelassen ist. Diese Zulassung ist für das Handels-registerverfahren in § 382 Abs. 4 FamFG vorgesehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.11.2010, 20 W 333/10, zitiert nach juris, Rn. 22). Sie ist nach § 382 Abs. 4 FamFG statthaft und gemäß §§ 63, 64 FamFG form- und fristgemäß eingereicht. Die Beteiligte ist nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdebefugt. Zwar hat der die Beschwerde einreichende Notar nicht mitgeteilt, ob er das Rechtsmittel namens der Beteiligten oder im eigenen Namen als beurkundender Notar einlegt. Wird aber im Rahmen eines Antragsverfahrens in einem mit notariellem Schreiben eingeleiteten Beschwerdeverfahren der Name des Beschwerdeführers nicht angegeben, so gilt die Beschwerde im Zweifel als im Namen aller beschwerdebefugten Antragsberechtigten bzw. -verpflichteten eingelegt, für die der Notar tätig geworden ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.04.2011, 12 W 631/11), hier für die Beteiligte.

Richtet sich die Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung des Registergerichts gemäß § 374 Nr. 1, § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG hinsichtlich eines Eintragungsantrages einer GmbH, so ist die Gesellschaft beschwerdeberechtigt, mangels Verletzung eigener Rechte aber nicht der die Be-schwerde einlegende Notar (OLG Nürnberg, a.a.O.). Letzterer wird lediglich als Bevollmächtigter (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, § 378 Abs. 2 FamFG) tätig (OLG Nürnberg a.a.O.).

Hier ist zu Gunsten der Beteiligten davon auszugehen, dass der Notar die Beschwerde in ihrem Namen einlegen wollte.

II)

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Die Beteiligte hat – nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor dem für den bisherigen Gesellschaftssitz zuständigen Amtsgerichts Tostedt am 12.01.2011 zum Az. 11 M 52/11 durch Satzungsänderungsbeschluss vom 04.02.2011 den Gesellschaftssitz von Buchholz nach Berlin verlegt. Die dazu gem. § 13h Abs. 1 HGB notwendige Eintragung ins Handelsregister muss jedoch unterbleiben, weil die materiellen Sitzbestimmungsanforderungen des § 4a nicht vorliegen.

Nach § 4a GmbHG ist Sitz der GmbH der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. Dabei muss die Sitzwahl nicht mehr zwingend in örtlichem Zusammenhang mit Betrieb, Ge-schäftsleitung oder Verwaltung der Gesellschaft stehen (Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 4a Rn. 4). Jedoch darf sie nicht missbräuchlich ausgeübt werden (Baumbach/ Hueck/Fastrich a.a.O.). Die Vorschrift des § 4a GmbHG muss auch bei der förmlichen Sitz-verlegung gewahrt bleiben (vgl. zum früheren § 4a Abs. 2 GmbHG: BayObLG, Beschluss vom 08.09.2003, 1Z AR 86/03, zitiert nach juris Rn. 9; Thüringisches OLG, Beschluss vom 08.11.2005, 6 W 206/05, zitiert nach juris Rn. 20). Ein Satzungsänderungsbeschluss, der gegen § 4a GmbHG verstößt, ist folglich analog § 241 Nr. 3 Fall 3 AktG nichtig (Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O., § 4a Rn. 7 m.w.N.) und darf nicht ins Handelsregister eingetragen werden (BayObLG a.a.O.); vielmehr bleibt der ursprünglich festgelegte Sitz weiterhin gültig (BayObLG a.a.O.; Baumbach/ Hueck/Fastrich a.a.O., § 4a Rn. 7 m.w.N.).

Hier hatte die Beteiligte bei Anmeldung der Sitzverlegung bereits die eidesstattliche Versicherung vom 12.01.2011 vor dem Amtsgericht Tostedt (11 M 52/11) abgegeben. Die Abgabe der eides-stattlichen Versicherung durch eine GmbH deutet aber darauf hin, dass diese sich in größeren wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Daraus konnte das Amtsgericht Charlottenburg zu Recht schließen, dass die Beteiligte nicht mehr über hinreichende liquide Mittel verfügt, um eine wer-bende Tätigkeit auszuüben. Damit aber war auch der Verdacht berechtigt, dass die Beteiligte die Sitzverlegung nur dem Zweck einer "missbräuchlichen Zuständigkeitsbegründung" für ein mögliches Insolvenzverfahren im Rahmen einer "gewerbsmäßigen Firmenbestattung" diente (vgl. BayObLG a.a.O., Rn. 10 m.w.N.), womit sich die Beteiligte dem ausschließlich zuständigen ge-setzlichen Richter zum Nachteil ihrer Gläubiger entziehen würden. Das ist im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht hinnehmbar (vgl. BayObLG a.a.O.).

Zwar kann eine GmbH auch dann, wenn sie sich im Stadium der Abwicklung befindet, ihren Ge-sellschaftssitz wirksam verlegen (vgl. Thüringisches OLG, a.a.O.; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 4a Rn. 8), jedoch nur in den sich aus dem Wesen der Liquidation ergebenden Grenzen (Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O., § 69 Rn. 20). Diese Grenzen waren aber nicht mehr gewahrt, nachdem das Registergericht zu Recht zu dem Verdacht gelangt war, dass die Beteiligte sich im Stadium der Abwicklung befand und nicht mehr werbend am Markt tätig war (s.o.).

Um die in einem solchen Fall berechtigten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Sitzverlegung zu beheben, ist die Beteiligte jedoch gemäß § 27 FamFG verpflichtet, dem Amtsgericht die notwen-digen Informationen dafür vorzutragen, dass die Sitzverlegung rechtlich zulässig war, weil die Gesellschaft auch weiterhin liquide und werbend am Markt tätig war. Diese Mitwirkung ist bislang unterblieben.

C.

Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 KostO (BayObLG a.a.O., Rn. 21).