VG Berlin, Urteil vom 11.06.2008 - 80 A 17.07
Fundstelle
openJur 2012, 8750
  • Rkr:
Tenor

Die Beamtin wird in das Amt einer Steueroberinspektorin versetzt.

Dem Land Berlin werden die Kosten und notwendigen Auslagen der Beamtin zur Hälfte auferlegt; im Übrigen trägt die Beamtin die Kosten des Verfahrens und Auslagen.

Gründe

I.

Die 1957 in B. geborene Beamtin begann nach dem Abitur eine Ausbildung in der Steuerverwaltung des Landes Berlin. Sie wurde 198... zur Steuerinspektorin ernannt und ist seit 198... Beamtin auf Lebenszeit. Zuletzt wurde sie 1993 zur Steueramtfrau befördert. Seitdem arbeitete sie als qualifizierte Umsatzsteuer-Sonderprüferin beim F. im Außendienst. Ihre dienstlichen Leistungen wurden in der Zeit zwischen 1997 bis 2003 mit „bewährt“, zeitweilig „besonders bewährt“, beurteilt.

Die disziplinarrechtlich nicht vorbelastete Beamtin war von 198... bis 198... verheiratet. Aus der Ehe ging ein im Jahr 198... geborener Sohn hervor. Sie hat einen zweiten Sohn, der 198... geboren wurde und in ihrem Haushalt lebt. Die Beamtin erhält Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 11. Sie bewohnt eine Eigentumswohnung. Ihre monatlichen laufenden Ausgaben belaufen sich auf insgesamt rund 1.200 €, darin sind 102 € für Schuldentilgung enthalten. Die Beamtin befindet sich seit 2006 in der Privatinsolvenz. Hintergrund ihrer Verschuldung ist der Erwerb einer Eigentumswohnung im Jahr 198... gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten. Nachdem dieser sich 199... von der Beamtin getrennt hatte und nicht mehr zur Finanzierung der ihm zur Hälfte gehörenden Wohnung beitrug, wurde die Wohnung verkauft und die Beamtin zog 199... aus. Wegen Zahlungsunfähigkeit des Käufers musste der Verkauf rückabgewickelt werden. Die Beamtin zog im Dezember 200... wieder in die Wohnung ein.

Der Präsident der damaligen Oberfinanzdirektion Berlin leitete gegen die Beamtin nach Beteiligung der Frauenvertreterin und des Personalrats mit Verfügung vom 18. März 2004, ausgefertigt unter dem 19. März 2004 und ihr zugestellt am 24. März 2004, das förmliche Disziplinarverfahren ein, setzte dieses zugleich in Hinblick auf strafrechtliche Ermittlungen gegen den damaligen Verlobten der Beamtin, Herrn A., aus, enthob die Beamtin vorläufig des Dienstes und kürzte ihre Bezüge. Mit Beschluss vom 18. August 2004 bestätigte die Disziplinarkammer die Dienstenthebung, hob aber die Anordnung der Kürzung der Bezüge auf. Aufgrund erneuten Kürzungsbescheids, den die Beamtin nicht angriff, werden die Bezüge der Beamtin seit August 2004 um 50 v.H. gekürzt ausgezahlt. Im Jahr 2005 begann die Untersuchung im behördlichen Disziplinarverfahren. Nach deren Durchführung legte der Vertreter der Einleitungsbehörde der Beamtin mit der Anschuldigungsschrift vom 18. Juli 2007 zur Last,

dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass sie,

1.zumindest seit 27. Januar 2003 eine ungenehmigte Nebentätigkeit, u.a. im Salon E., P. Straße, 1... Berlin, ausgeübt hat,2.der unter Ziffer 1. aufgeführten Nebentätigkeit nachgegangen ist, obwohl sie vom 30. November 2002 bis 22. Januar 2004 dienstunfähig erkrankt war.II.

Über die am 24. Juli 2007 beim Verwaltungsgericht eingegangene Disziplinarsache ist nach Maßgabe der Landesdisziplinarordnung – LDO – zu entscheiden, obwohl diese gemäß Art. VIII § 3 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Berliner Disziplinarrechts vom 29. Juni 2004 (GVBl. S. 263) mit dessen In-Kraft-Treten am 1. August 2004 außer Kraft getreten ist. Nach § 49 Abs. 3 des Disziplinargesetzes (Art. I des vorbezeichneten Gesetzes) – DiszG – werden die bei In-Kraft-Treten dieses Gesetzes eingeleiteten förmlichen Disziplinarverfahren nach bisherigem Recht fortgeführt. Für die Anschuldigung und die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens gilt ebenfalls das bisherige Recht. Das förmliche Disziplinarverfahren ist vorliegend im März 2004 eingeleitet worden.

Die Disziplinarkammer hat den für die disziplinarrechtliche Würdigung maßgeblichen Sachverhalt in der Hauptverhandlung auf Grundlage der glaubhaften Einlassung der Beamtin und der weiteren aus dem Protokoll zu ersehenden Beweismittel wie folgt festgestellt:

1. Die Beamtin ist seit 199... trockene Alkoholikerin. Nachdem sich im Jahr 199... ihr langjähriger Lebensgefährte von ihr getrennt hatte, lebte sie mehrere Jahre ohne feste Bindung. In dieser Zeit erkrankte sie erstmals längerfristig an Störungen im psychischen Bereich. Seit dem 5. März 199... war sie dienstunfähig, begann im Januar 199...im Hamburger Modell wieder mit der Arbeit, die sie im Juli 199... voll aufnahm. Im September 200... erkrankte die Beamtin erneut für längere Zeit. Ein erneuter Arbeitsversuch nach dem Hamburger Modell scheiterte im ersten Halbjahr 200..., weil die Beamtin wegen Störungen im Schulterbereich arbeitsunfähig war. Die Schulterbeschwerden wurden durch wiederholte Zertrümmerung von Einlagerungen nur vorübergehend gelindert. Im Januar 200... bescheinigte der Amtsarzt völliges Abklingen der Störungen im psychischen Bereich. Zur Arbeitsaufnahme kam es vor dem Hintergrund des vorliegenden Verfahrens seitdem nicht mehr.

Etwa im Jahr 200... lernte sie in einer von ihr regelmäßig aufgesuchten Selbsthilfegruppe Herrn H. kennen und verliebte sich in diesen. Nachdem jener eine Umschulungsmaßnahme abgebrochen hatte, wollte er seinen Lebensunterhalt damit verdienen, dass er in seiner etwa 60 m 2 großen Zwei-Zimmer-Wohnung in der P. Straße einen Raum als SM-Salon einrichtet. Zunächst bestand die Vorstellung, dass dort Damen sich einmieteten, um Kunden zu empfangen. Als sich keine Damen fanden, die den Raum fest mieteten, wurde der Raum zeitlich befristet nach Vermittlung eines Termins durch Herrn A. vermietet. Um bei der Werbung im Internet eine Stabilität vorzuspiegeln, wurde von Herrn A. als fiktive Domina „Lady Samantha“ erfunden. Die Beamtin ließ sich nach anfänglicher Ablehnung von Herrn A. dazu überreden, Fotos von sich als „Lady Samantha“ fertigen zu lassen. Sie wusste, dass die Fotos im Internet zu Werbezwecken verwendet werden sollten und hat die Internetseiten später gesehen.

Die Internetseite s..., die im November 2002 eingerichtet worden war und seit 6. Oktober 2003 nicht mehr verfügbar ist, gestaltete eine Bekannte von Herrn A.. Auf der Startseite unter der Überschrift „Salon E.“ (Schriftbild ähnlich: ) befinden sich keine Fotos, sondern Hinweise auf den Inhalt der nachfolgenden Seiten und die Aufforderung:

„Wenn Sie nach den Gesetzen Ihres Landes noch nicht volljährig oder sexuelle Darstellungen, insbesondere aus der BDSM Sado Maso Lack Leder Latex Szene Sie in ihren moralischen Gefühlen verletzt, schließen Sie bitte wieder dieses Fenster.“

Angeboten wird ein Button „EXIT“ (im Schriftbild ähnlich und ein Button „Enter“ Über „Enter“ gelangte man augenscheinlich zu einem Bild, das einen Kellerraum mit Kreuzgewölbe und mit einem Wappenschild an einer Wand mit der Aufschrift „S/E“ zeigt. Die Buchstaben werden schräg durch die Darstellung eines Schwertes getrennt. Dieses Keller-Bild steht in keinem realen Zusammenhang mit dem als Salon genutzten Raum in der Wohnung von Herrn A.. Auf dieser Internet-Seite gibt es einen weiteren „ENTER“-Button, über den augenscheinlich die eigentlichen Seiten des Salons erreicht werden konnten. Die Navigation erfolgte ab hier über eine Kopfleiste mit Links zu weiteren Seiten. Unter „Domizil“ gelangte man auf eine Seite, die links ein Foto der Beamtin in der Pose der Domina „Lady Samantha“ zeigt. Diese steht in einem langen, ärmellosen glänzenden Kleid vor einem Vorhang, die rechte Hand fasst in Köpfhöhe in eine herab hängende Handfessel. Um den Hals trägt die Beamtin ein Halsband. Im Text im rechten Seitenbereich heißt es u.a.:

LADY SAMANTHA und IHRE GEFOLGSCHAFTEmpfangen Dich imE.   Tauche ein in das Reich bizarrer Phantasien und erotischer Dominanz.…       Es folgen die Anschrift in der P. Straße, dortige Festnetznummer, eine E-Mail-Adresse und der Hinweis auf „Einlass Mo-Fr 15-21 Uhr“. Diese Daten, ergänzt um eine Lageskizze und Nennung öffentlicher Verkehrsmittel, die zum Salon führen, erscheinen nochmals unter „Kontakt“. Unter „Service“ wird die – nicht abschließende („u.v.m.“) – Palette der angebotenen „Möglichkeiten“ aus dem Bereich BDSM aufgelistet, u.a. Bondage, Wachs, Strom, Sklavenausbildung, Analbehandlung, Natursekt und Kaviar. Unter „EmailErziehung“ wird eine „Fernerziehung“ durch die „Domina Deiner Wahl“ für einen „Obolus i.H.v. 125,-- Euro“ angeboten. Die Seite „Regeln“ enthält unter d) die Mitteilung:

„Der Gast kann uns jederzeit während unserer Öffnungszeiten ohne Anmeldung besuchen oder telefonisch einen Termin vereinbaren.“

Die Seite „Gallery“ zeigt neben „Lady Samantha“, stets dargestellt von der Beamtin, in einem weiteren virtuellen Bilderrahmen eine andere weibliche Person, die als „Madam Leonie“ bezeichnet wird. Die Beamtin ist auf dem Bild von vorne stehend zu sehen, mit einem langen, eng anliegenden Kleid, das im Hüft- und Schulterbereich den Körper frei lässt und dessen sich zum Hals hin verjüngendes Oberteil durch ein schmales Band um den Hals gehalten wird. Sie trägt dabei über die Ellenbogen hinausgehende Handschuhe. Über die „Gallery“ können mindestens sechs weitere Fotos der Beamtin in verschiedenen Posen und szenetypischen Bekleidungen betrachtet werden. Darunter befindet sich ein Bild, auf dem die Beamtin auf einer gepolsterten, etwa hüfthohen Bank liegt, der halb gehobene Oberkörper wird abgestützt auf einem Ellenbogen, eines der unbekleideten Beine ist stark angewinkelt. Die Beamtin trägt ein – auch auf einem anderen Foto zu sehendes – einteiliges, schulterfreies Bekleidungsstück, das nur etwa den halben Oberschenkel bedeckt, hochhackige, offene Schuhe, die mit drei anscheinend nietenbesetzten Bändern, die bis zum Sprunggelenk reichen, gehalten werden. In der einen Hand hält sie eine trapezförmige Klatsche. Im Hintergrund hängen an einer Wandhalterung verschiedene Schlag- und Fessel-Werkzeuge sowie Gürtel. Auf einem anderen Bild ist die Beamtin in Nahaufnahme zu sehen. Ihre Haare, sind, wie auf den meisten Fotos, hochgesteckt. Sie ist stark geschminkt, trägt ein schmales Stachelhalsband und ein armfreies Bekleidungsstück, das vorne V-förmig tief geöffnet ist. Auf allen Seiten taucht der Wappenschild mit den durch ein Schwert getrennten Initialen „S/E“ auf. Die Beamtin zeigt auf allen Bildern eine strenge Miene.

Dieselben Seiten konnten am 1. Oktober 2003 unter der Internet-Adresse „l.“ aufgerufen werden. Gegenüber den im April und Mai 2003 ausgedruckten Seiten ist im Oktober 2003 die Handy-Nummer 0… zusätzlich angegeben.

Den entsprechenden Handyvertrag hatte die Beamtin abgeschlossen. Genutzt wurde das Handy nach den nicht zu widerlegenden Angaben der Beamtin nur von Herrn A.. Sie habe den Vertrag abgeschlossen, weil jener wegen Eintragungen bei der SCHUFA keinen eigenen Handyvertrag habe abschließen können.

Einige der beschriebenen Fotos erschienen am 7. und am 20. Oktober 2003 unter der Seite „...com“ als Werbung für die Dienste von „Lady-Samantha“. Ein Link zu dieser Seite befand sich am selben Tag in einer Anzeige vom 28. Juni 2003 auf der Seite „SK.com“, in der zum Chatten gegen „Obolus“ aufgefordert wurde. Daraus kann gefolgert werden, dass die Fotos auch bereits im Juni 2003 bei „....com“ eingestellt waren. Der Beamtin war bekannt, dass die von ihr aufgenommenen Fotos von Herrn A. auch für Geld im Internet angeboten wurden. Nennenswerte Einnahmen erzielte dieser dadurch nach Angaben der Beamtin nicht.

Unter „SK.com“ wurde am 29. August 2003 eine weitere Anzeige aufgegeben, die (noch) am 20. Oktober 2003 abrufbar war, in der für Dienste einer „Lady Samantha“ geworben wurde, wobei die o. g. Handynummer für eine Terminvereinbarung angegeben war. Der Beamtin ist nicht zu widerlegen, dass nicht sie diese Anzeigen im Internet unter „SK.com“ aufgegeben hat.

2. Die Disziplinarkammer hat keinen Zweifel daran, dass die Einlassung der Beamtin der Wahrheit entspricht. Sie hat widerspruchsfrei, anschaulich und detailreich den festgestellten Sachverhalt flüssig geschildert. Sie hat im gerichtlichen Disziplinarverfahren eingeräumt, dass es sich auf den Fotos um ihre Person handelt und eine schlüssige Erklärung darüber abgegeben, wie diese zustande kamen. Sie hat glaubhaft dargelegt, nach längerem Alleinsein sehr verliebt und geradezu „blind vor Liebe“ gewesen zu sein. Herr A. sei sehr gut im Reden gewesen und habe so lange auf sie eingeredet, bis sie sich habe fotografieren lassen. Sie habe erst dabei gemerkt, dass sie Vergnügen an Fetischen habe. Fesselungen habe sie dagegen nicht gemocht und nicht praktiziert. Bei einer Pärchenparty im Salon sei sie nach kurzer Zeit gegangen, weil ihr das Geschehen nicht zugesagt habe. Die Beamtin hat dabei offen über ihre, ihr bis dahin nicht bekannte, sexuelle Neigung gesprochen. Es ist glaubhaft, dass ihr die Rolle der Domina nicht behagte und sie nicht bereit war, diese tatsächlich auszuüben. Dass es der ab April 2003 im Hamburger Modell arbeitenden Beamtin tatsächlich möglich war, ab 15.00 Uhr in dem Salon erreichbar zu sein, besagt für sich nichts darüber, ob sie tatsächlich dort war und wenn ja, was sie dort getan hat.

Es ist nachvollziehbar, dass die Fotos, die die Beamtin als Domina zeigen, nur zu Werbezwecken aufgenommen wurden, die Dienste hingegen von anderen Damen erbracht werden sollten. Zweifel daran ergeben sich nicht etwa aus Eintragungen in einem in dem „Salon“ bei einer Durchsuchung im Jahr 2003 sichergestellten Terminkalender und Visitenkarten mit der Bezeichnung „Lady Samantha“ und der Handynummer der Beamtin. Die Bedeutung der Eintragungen in dem Terminkalender blieb in der Hauptverhandlung im Unklaren. Möglicherweise hätten diese durch eine Vernehmung des damaligen Betreibers des Salons, Herrn A., ausgeräumt werden können. Es gibt jedoch keinen Anhalt dafür, dass die Vernehmung des Zeugen weitere entscheidungserhebliche Erkenntnisse bringen könnte. Denn er hat in einer der Disziplinarkammer von dem Verteidiger der Beamtin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 29. Oktober 2007 die Schilderung der Beamtin bereits vollinhaltlich bestätigt, insbesondere dass sie keine sexuellen Dienste erbracht hat, dies nicht beabsichtigt war und die Fotos nur zu Werbezwecken aufgenommen wurden.

III.

1. Nach dem festgestellten Sachverhalt ist die Beamtin von dem Vorwurf freizustellen, eine ungenehmigte Nebentätigkeit, zudem teilweise während krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit, ausgeübt und gegen ihre Gesunderhaltungspflicht verstoßen zu haben. Sie hat keine Nebentätigkeit i.S.v. §§ 29 ff LBG ausgeübt. Weder hat sie selbst ein Gewerbe i.S.v. § 30 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) LBG ausgeübt noch hat sie nachweisbar bei Ausübung des Gewerbes des Herrn A. mitgearbeitet. Die einmalige Aufnahme von Fotos wie auch deren kostenlose Bereitstellung für Werbezwecke im Internet stellt keine Tätigkeit im Sinn der Bestimmungen des Nebentätigkeitsrechts dar. Dabei handelt es sich vielmehr vom Umfang her um Unterstützungsleistungen für einen Lebensgefährten, wie sie auch als Familienhilfe denkbar und anerkannt sind. Dasselbe gilt für das Abheften von Belegen für das Gewerbe ihres damaligen Lebensgefährten. Das erst in der Hauptverhandlung durch die Angaben der Beamtin bekannt gewordene entgeltliche Angebot von Fotos im Internet ist nicht Gegenstand der Anschuldigungsschrift.

2. Durch die Bereitstellung der von ihr aufgenommenen Fotos zur Veröffentlichung im Internet in Verbindung mit dem Angebot sexueller Dienstleistungen gegen Entgelt, mithin Prostitution, hat die Beamtin jedoch gegen ihre Verpflichtung zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten auch außerhalb des Dienstes verstoßen (§ 20 Satz 3 LBG) und sich einer außerdienstlichen Pflichtverletzung schuldig gemacht (§ 40 Abs. 1 Satz 1 des Landesbeamtengesetzes – LBG –). Ihr Verhalten ist in besonderem Maß geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für ihr Amt und das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 40 Abs. 1 Satz 3 LBG). Die bildliche Darstellung der Beamtin in der Pose einer Domina im Internet in Verbindung mit dem Angebot sexueller Dienste in einem Salon der BDSM-Szene ließ in gesteigertem Maß an Konkretheit eine Beeinträchtigung des Vertrauens in ihr Amt als Steuerprüferin erwarten, deren Ausmaß deutlich über das Maß hinausgeht, das ohnehin bei jeder außerdienstlichen Pflichtverletzung gegeben ist (zu den Anforderungen an Maß und Bedeutsamkeit vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 8. Mai 2001 – 1 D 20.00 –, NJW 2001, 3565 m.w.N.). Die Veröffentlichungen im Internet ließen erwarten und sie zielten darauf, wahrgenommen zu werden. Die Beamtin musste damit rechnen, dabei erkannt zu werden – was auch tatsächlich eintrat.

Wenngleich die allgemeinen Anschauungen über geschlechtsbezogenes Verhalten in den letzten Jahrzehnten in zunehmendem Maß liberaler geworden sind, überschreitet eine öffentliche Werbung in der hier vorliegenden Art für sado-masochistische Praktiken die Grenze dessen, was den sozialethischen Wertvorstellungen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung entspricht. Sie verletzt nach wie vor erheblich das sexuelle Anstandsgefühl der Öffentlichkeit. Dies bestätigt der warnende Hinweis auf der Startseite des Salons. Der Begriff BDSM, der sich aus den Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism zusammensetzt, umschreibt eine sehr vielgestaltige Gruppe von meist sexuellen Verhaltensweisen, die unter anderem mit Dominanz und Unterwerfung, spielerischer Bestrafung, Lustschmerz oder Fesselungsspielen in Zusammenhang stehen können. Mit Natursekt und Kaviar werden Fäkalien umschrieben, bei denen allgemein Ekel- und keine Lustgefühle hervorgerufen werden.Derartige Handlungen bringen eine Sexualität zum Ausdruck, die den Einzelnen als Objekt zeigt, das entweder körperliche Gewalt hinzunehmen oder auszuüben hat (vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 26. Februar 2003 – D 6 B 221/01 – bei juris, Rdn. 38). Eine Domina bietet sexuelle Dienstleistungen aus dem Bereich BDSM entgeltlich an. Das Angebot sexueller Dienste jedenfalls in diesem Bereich ist – ungeachtet der dem Schutz von Prostituierten dienenden Regelung ihrer Rechtsverhältnisse durch Gesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, S. 3983) – mit dem Bild einer im Außendienst tätigen Steuerbeamtin schlechthin unvereinbar. Diese machte sich dadurch erpressbar.

Da die Beamtin gewusst und gewollt hat, was sie getan hat, hat sie vorsätzlich gehandelt.

Der Feststellung eines Dienstvergehens steht nicht entgegen, dass in der Anschuldigungsformel als Dienstvergehen die Ausübung einer ungenehmigten Nebentätigkeit „u. a. im Salon E.“ zum Vorwurf gemacht wird. Ein in der Anschuldigungsformel nicht genannter Vorwurf ist gleichwohl wirksam angeschuldigt, wenn sich aus dem übrigen Inhalt der Anschuldigungsschrift eine ausreichende Substantiierung ergibt und auch der Anschuldigungswille der Einleitungsbehörde erkennbar ist (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. April 1996 – 1 D 54.95 – [bei juris]; Claussen/Janzen, BDO, 8. Aufl., § 65 Rz. 13 b; GKÖD, Bd. II, K § 65 Rz. 55). In der Anschuldigungsschrift ist der Vorwurf achtungs- und vertrauensunwürdigen Verhaltens sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht ausreichend konkretisiert (s. S. 14 f der Anschuldigungsschrift: „Prostitution ... anbietet“).

IV.

Unter Abwägung aller Umstände des Tatgeschehens stellt sich die Dienstgradherabsetzung (§ 5 Abs. 1, § 9 Abs. 1 LDO) als erforderliche und angemessene Maßnahme dar. Das Dienstvergehen wiegt nicht so schwer, dass das für eine weitere Zusammenarbeit erforderliche Vertrauen des Dienstherrn wie auch der Allgemeinheit in die Integrität der Beamtin endgültig zerstört, ihre Entfernung aus dem Dienst unabweisbar ist (§ 10 LDO).

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn eine Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände ergibt, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder habe durch sein Fehlverhalten eine erhebliche, nicht wieder gutzumachende Ansehensbeeinträchtigung des Berufsbeamtentums herbeigeführt. Unter diesen Voraussetzungen ist er als Beamter nicht mehr tragbar (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 – 2 C 12.04 –, BVerwGE 124, 252, 258 ff. m.w.N.; Urteil vom 3. Mai 2007 – 2 C 9.06 – juris Rn. 12 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. November 2007 – OVG 80 D 5.06 – UA S. 11 f.).

Die Gesamtwürdigung der Pflichtverletzung nach diesem Maßstab ergibt keinen endgültigen Vertrauensverlust.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe des Disziplinarrechts ist, auf sittlichem, insbesondere sexuellem Gebiet eigene Verhaltensnormen aufzustellen oder einen Beamten in ethischer oder moralischer Hinsicht zu einem Mustermenschen erziehen zu wollen. Das Disziplinarrecht nimmt keine moralische Bewertung des sexuellen Verhaltens vor, sondern befasst sich mit den Auswirkungen dieses Verhaltens auf die Amtsführung, auf Achtung und Vertrauen in die Amtsführung eines Beamten sowie auf das persönliche Ansehen des Beamten und der Beamtenschaft (vgl. hierzu Bayerischer VGH, Urteil vom 17. Februar 1999 – 16 D 97.3727 – bei juris, Rdn. 71).

Das Dienstvergehen wiegt schwer. Die Beamtin hat öffentlich den Eindruck erweckt, sie stehe als Domina gegen Bezahlung für alle denkbaren sexuellen Handlungen der SM-Szene zur Verfügung. Sie hat sich damit in hohem Maße anstößig verhalten; denn das Angebot verletzte das sittliche Wertempfinden der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung. Mit dem Ansehen einer Steuerbeamtin ist eine Nebentätigkeit als Prostituierte unvereinbar. Dieser Eindruck entfiel nicht deshalb, weil die Beamtin die angebotene Prostitution tatsächlich nicht ausübte. Von Steuerbeamten wird in besonderem Maß Integrität und Korrektheit in jeder Hinsicht erwartet. Sittlich anstößiges Verhalten schadet diesem Ansehen. Allein schon die Darstellung der Beamtin im Internet begründete zudem die Gefahr ihrer Erpressung. Gab sie doch (scheinbar) zu erkennen, außerdienstlich im „Bereich bizarrer Phantasien“ käuflich zu sein. Da es sich um eine „Tätigkeit“ handelte, deren Bekanntwerden der Beamtin höchst unangenehm war (was es auch noch immer ist), musste sie damit rechnen, dass sich dies ein Steuer-„Kunde“ bei einer Außenprüfung zu Nutze machen könnte. Erschwerend kommt hinzu, dass die Beamtin zu einer Zeit im Internet (scheinbar) persönliche Dienste anbot, in der sie dienstunfähig krank geschrieben war und zeitweilig mit verminderter Stundenzahl im „Hamburger Modell“ arbeitete. Ihr öffentliches Auftreten war geeignet, den Eindruck zu erwecken, sie widme sich nicht mit voller Hingabe dem Beruf. Tatsächlich ist ihr Internet-Auftritt in ihrer Dienststelle bekannt geworden.

Zu Gunsten der Beamtin spricht, dass sie die angebotene Tätigkeit als Prostituierte nicht tatsächlich ausgeübt hat und die Initiative zu den Fotoaufnahmen und deren Verwendung zu Werbezwecken im Internet nicht von ihr ausging, sie sich vielmehr dazu von ihrem Lebensgefährten überreden ließ. Dabei erhielt sie weder ein Honorar noch versprach sie sich mittelbare Vorteile. Sie tat ihrem damaligen Lebensgefährten aus Liebe einen Gefallen.

Die Beamtin hat durch ihr Verhalten den durch die Rechtsordnung allgemein eingeräumten Freiraum nicht überschritten. Prostitution, die von Erwachsenen freiwillig und ohne kriminelle Begleiterscheinungen angeboten bzw. ausgeübt wird, ist nach heute anerkannten sozialethischen Wertvorstellungen in unserer Gesellschaft – unabhängig von der moralischen Beurteilung – auch im Sinne des Ordnungsrechts nicht (mehr) als sittenwidrig anzusehen (vgl. Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 1. Dezember 2000 – 35 A 570.99 –). Dies besagt allerdings nichts darüber, wie solches Verhalten auf das dienstliche Verhältnis wirkt.

Schließlich befand sich die Beamtin in einer schwierigen Lebenslage. Sie hatte nach der Trennung ihres langjährigen Lebensgefährten (und Vaters ihres jüngeren Sohns) von ihr persönliche und vor allem finanziell existenzbedrohende Schwierigkeiten. Hinzu kamen die Belastungen wegen der Drogenprobleme ihres älteren Sohns. Sie war psychisch labil, deshalb seit längerem krank. Sie wollte arbeiten, vermochte dies jedoch lange nicht. Die Beziehung zu Herrn A. machte sie in gewisser Weise „blind“. Dies alles entschuldigt das Fehlverhalten der Beamtin nicht, mindert jedoch das Gewicht des Dienstvergehens.

Insgesamt erscheint die Beamtin für den Dienst in der Steuerverwaltung noch tragbar, allerdings nicht in der gehobenen Stellung als Amtfrau. Die Disziplinarkammer hielt deshalb eine Dienstgradherabsetzung für erforderlich, aber auch ausreichend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 106 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 LDO, die Entscheidung über die Auslagen auf § 108 Abs. 2 LDO. Da die Beamtin von einem erheblichen Vorwurf freigestellt wurde, wobei es nur wegen des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens nicht zu einem Teilfreispruch kommen konnte, wäre es unbillig, ihr die gesamten Kosten und Auslagen aufzuerlegen (vgl. § 106 Abs. 3 LDO). Angemessen erscheint eine Kostenteilung.

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