LG Berlin, Urteil vom 05.04.2007 - 62 S 338/06
Fundstelle
openJur 2012, 5823
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das am 13. November 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg – 11 C 288/06 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 Prozent abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

III. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil, welches dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 16. November 2006 zugestellt worden ist, wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Die Feststellungen werden wie folgt ergänzt:

Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihre Ansprüche auf Rückzahlung von 2.898.- Euro nebst Zinsen weiter. In dieser Höhe belaufen sich die an die Beklagte, die frühere Vermieterin, im Zeitraum von Dezember 1996 bis einschließlich August 2005 gezahlten Schönheitsreparatur-kostenpauschalen von 27,60 Euro monatlich, deren Rückerstattung die Kläger, nachdem sie die Schönheitsreparaturen selbst durchgeführt haben, nunmehr verlangen.

Die Beklagte dagegen begehrt die Zurückweisung der Berufung. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass etwaige Ansprüche der Kläger jedenfalls verjährt seien. Sie behauptet, dass die neue Eigentümerin der Wohnung am 21. Februar 2006 in das Grundbuch eingetragen worden sei. Die kurze Verjährung des § 548 Abs. 2 BGB, der ihrer Ansicht nach die Ansprüche der Kläger unterliegen, habe demnach am 22. Februar 2006 begonnen und am 21. August 2006 um 24.00 Uhr geendet. Sie weist darauf hin, dass die Klageschrift erst am 22. August 2006 bei Gericht eingegangen ist.

Die Kläger dagegen vertreten auch in der Berufungsinstanz die Ansicht, § 548 BGB sei nicht einschlägig; zudem sei die Verjährung gemäß § 203 Abs. 1 BGB durch die Verhandlungen zwischen dem Mieterverein und der Beklagten vom 4. April 2006 bis zum 30. Mai 2006 gehemmt gewesen. Jedenfalls aber gelte die kurze Verjährung des § 548 BGB nicht für bereicherungsrechtliche Ansprüche. Die Beklagte verhalte sich schließlich treuwidrig, wenn sie die Gelder nicht auskehren wolle, obwohl sie als Mieter ihren Verpflichtungen nachgekommen seien.

II.

Die gemäß § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte Berufung der Kläger ist form- und fristgerecht eingelegt worden und damit zulässig, §§ 513, 517, 519, 520 ZPO.

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Denn die Beklagte hat zu Recht die Einrede der Verjährung erhoben und kann die Erstattung der im streitgegenständlichen Zeitraum gezahlten Schönheitsreparaturkostenpauschalen daher gemäß § 214 Abs. 1 BGB verweigern. Sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte sind, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, verjährt.

7Bei dem sich aus der Zusatzvereinbarung vom 1. September 1969 ergebenden Anspruch auf Auskehr der in der Miete enthaltenen Schönheitsreparaturkostenpauschale im Falle mieterseitiger Renovierung handelt es sich um einen Aufwendungsersatzanspruch im Sinne der §§ 539 Abs. 1, 548 Abs. 2 BGB, der der kurzen Verjährung von sechs Monaten unterliegt (LG Ravensburg WuM 1992, 128), nicht dagegen um einen den allgemeinen Verjährungsregeln unterliegenden Rückerstattungsanspruch im Sinne des § 547 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen des nicht abgewohnten Teils einer im Voraus entrichteten Miete. Zwar heißt es in der Zusatzvereinbarung, dass der Mieter einen Anspruch auf Auszahlung "des hierfür in der Miete vorgesehenen Betrages" hat, so dass es dem Wortlaut nach nahe liegen könnte, die nunmehr von den Klägern zurückgeforderten Gelder als "im Voraus entrichtete Miete" im Sinne des § 547 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verstehen. Weil aber die Zahlungen nach dem Willen der Parteien erkennbar für die Durchführung der grundsätzlich dem Vermieter obliegenden Schönheitsreparaturen geleistet wurden und dem Vermieter die Verwendung dieser Gelder gerade nicht freigestellt sein sollte, ist § 547 BGB hier nicht einschlägig. Vorausbezahlte Miete i. S. d. § 547 Abs. 1 Satz 1 BGB ist im Gegensatz dazu jede Mieterleistung zur vollständigen oder teilweisen Erbringung der Miete für eine bestimmte Zeit (BGH NJW 2000, 2987), die nicht vereinbarungsgemäß zu Bau- oder Instandsetzungsarbeiten an der vermieteten Sache geleistet wird und deren Verwendung dem Vermieter freigestellt ist (Palandt – Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., Einführung vor § 535 BGB, Rz. 112).

Nach dem Mietvertrag war der Vermieter zur Durchführung der gewöhnlichen Schönheitsreparaturen verpflichtet; die Kosten dafür hatten die Mieter zu tragen. Mit der Zusatzvereinbarung aus dem Jahr 1969 kamen die Mietvertragsparteien später sodann überein, dass die Mieter – abgesehen von außerordentlichen Schönheitsreparaturen, die gemäß § 16 Abs. 2 des Mietvertrages ohnehin gesondert geregelt waren, - auch die gewöhnlichen Schönheitsreparaturen selbst ausführen durften und dann dafür den monatlich entrichteten Pauschbetrag zurückerhalten sollten. Wie sich aus dem Schreiben der damaligen Hausverwaltung vom 22. Mai 1995 (Bl. 9 d. A.) ergibt, wurde diese Vereinbarung bis zuletzt dahingehend gelebt, dass regelmäßig die Mieter die erforderlichen Schönheitsreparaturen durchführten, die Vermieterseite sich von der fachgerechten Ausführung der Arbeiten überzeugte und dann nach dem Berechnungsmodus der Zusatzvereinbarung die entsprechenden Beträge zurückerstattete bzw. – wie es dort wörtlich heißt – "vergütete". Auch die Vermieterseite ging demnach davon aus, dass es sich bei der Rückzahlung um den Ersatz mieterseitiger Aufwendungen auf die Mietsache handelte. Für die Rechtsnatur dieses Anspruchs macht es keinen Unterschied, ob der Mieter die ihm tatsächlich entstandenen Kosten ersetzt verlangt oder aber einen zur Kostendeckung der Schönheitsreparaturen ursprünglich an den Vermieter entrichteten Pauschalbetrag zurückverlangt.

Demnach unterlag die Klageforderung der kurzen Verjährung des § 548 Abs. 2 BGB.

Entgegen der Einwände der Kläger gilt § 548 BGB auch für etwaige konkurrierende Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, Deliktsrecht oder Bereicherungsrecht. Dem Mieter, dessen mietrechtliche Ansprüche verjährt sind, soll durch den weiten Anwendungsbereich von § 548 BGB ebenso wie dem Vermieter verwehrt werden, auf andere Ansprüche aufgrund desselben Sachverhalts auszuweichen (Schmidt-Futterer – Gather, Mietrecht, 9. Aufl., § 548 BGB, Rz. 58). Abgesehen davon kommen Bereicherungsansprüche nach § 812 Abs. 1 BGB hier nicht in Betracht. Der Mietvertrag war Rechtsgrund für die Mietzinszahlungen der Kläger. Es liegt auch kein Fall vor, in welchem der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt. Ein solcher Bereicherungsanspruch kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um eine Zweckbestimmung handelt, die über den mit jeder Leistung notwendigerweise verfolgten Zweck hinausgeht (Palandt – Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., § 812 BGB, Rz. 86). Wie alle Mieter haben die Kläger hier den Mietzins gezahlt, um sich damit die vereinbarten Gegenleistungen des Vermieters zu "erkaufen". Dazu gehörten auch die von der Beklagten als damaliger Vermieterin zu erbringenden Schönheitsreparaturen. Insoweit handelte es sich lediglich um eine normale Leistung, die im Rahmen des Vertrages blieb (LG Ravensburg WuM 1992, 128).

11Die Kläger dringen auch mit dem Einwand, § 548 Abs. 2 BGB sei deswegen nicht einschlägig, weil das Mietverhältnis nicht beendet worden sie, sondern mit der neuen Eigentümerin fortdauere, nicht durch. Hierzu hat der BGH bereits im Jahr 1965 entschieden (NJW 1965, 1225), dass mit der Veräußerung eines Pachtgegenstandes das Pachtverhältnis hinsichtlich der Ansprüche des Pächters auf Ersatz von Verwendungen im Sinne des § 558 Abs. 2 BGB (a. F.) ende. Unter der Beendigung des Mietverhältnisses ist demnach nur die rechtliche, nicht die tatsächliche Beendigung des Mietverhältnisses zu verstehen (BGH, aaO); bei Veräußerung des Mietgrundstücks endet das Mietverhältnis i. S. d. § 548 Abs. 2 BGB also trotz §§ 566, 578 BGB mit dem Eintritt des neuen Vermieters, da die Ansprüche, die schon vorher entstanden sind, sich nur gegen den Veräußerer richten.

12Dementsprechend hat das Amtsgericht für den Beginn der Verjährung zutreffend auf die Eintragung der neuen Eigentümerin im Grundbuch, die am 21. Februar 2006 erfolgte, abgestellt. Dabei schadet es nicht, dass die Kläger über die Eintragung als solche nicht weiter informiert wurden. Die Hausverwaltung hatte bereits am 20. September 2005 den Verkauf der Wohnung und den Besitzübergang zum 31. August 2005 mitgeteilt. Das lässt der BGH (aaO) ausdrücklich genügen. Mit Kenntnis von der Veräußerung muss der Mieter mit der baldigen Eintragung in das Grundbuch rechnen und sich im Hinblick auf den Lauf der Verjährungsfrist im Zweifel wegen des Eintragungszeitpunktes erkundigen. Auf schutzwürdiges Vertragen kann er sich dann nicht mehr berufen.

Soweit die Kläger aber in dem im Termin am 1. März 2007 nachgelassenen Schriftsatz vom 22. März 2007 nunmehr erneut bestreiten, dass die neue Eigentümerin am 21. Februar 2006 im Grundbuch eingetragen wurde, war diesem Vorbringen nicht mehr nachzugehen. Denn der Klägerseite war für den Fall des Widerrufs des Vergleichs lediglich nachgelassen worden, zum Schriftsatz der Gegenseite vom 26. Januar 2007 und zum Zeitpunkt der letzten Renovierung vor September 2005 schriftsätzlich Stellung zu nehmen. Auf die Frage des Ob und Wann der Grundbucheintragung erstreckte sich dieser Schriftsatznachlass nicht. Vielmehr hatte die Kammer, wie sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt, im Termin am 1. März 2007 ausdrücklich darauf hingewiesen, sie gehe davon aus, dass die Eintragung am 21. Februar 2006 nunmehr unstreitig sei, ohne dass die Klägerseite darauf reagiert hätte, obgleich der Zeitpunkt der Eintragung bereits in erster Instanz streitig war und es für die rechtliche Würdigung - auch für die Klägerseite erkennbar - maßgeblich auf den genauen Zeitpunkt ankam. Die Kläger müssen sich auch entgegenhalten lassen, dass sie nicht gemäß § 320 ZPO die Berichtigung des Tatbestandes des erstinstanzlichen Urteils betrieben haben, das auf Seite 2 (Bl. 64 d. A.) unten die Eintragung am 21. Februar 2006 als unstreitig ausweist.

Das Amtsgericht hat auch das Ende der Verjährungsfrist korrekt ermittelt. Danach endete die Verjährungsfrist am 21. August 2005 um Mitternacht, so dass die unstreitig erst tags darauf beim Amtsgericht eingegangene Klage die Verjährung nicht mehr gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu hemmen vermochte.

Die Verjährungsfrist war auch nicht gemäß § 203 BGB zwischenzeitlich gehemmt. Zwar ist nach höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung der Begriff des "Verhandelns" i. S. d. § 203 BGB sehr weit auszulegen (BGH Urteil vom 26. Oktober 2006 – VII ZR 194 / 05; OLG Schleswig Urteil vom 18. Juli 2006 – 3 U 162/05). Für die Annahme von verjährungshemmenden Verhandlungen ist jedoch dann kein Raum, wenn die Verhandlungen sofort erkennbar abgelehnt werden. So aber verhielt es sich hier. Auf das erste Schreiben des Mietervereins vom 4. April 2006 an die vormalige Hausverwaltung antwortete diese per Email vom 24. April 2006 lediglich, man habe das Schreiben an die neue Eigentümerin weitergeleitet. Damit hat die vormalige Hausverwaltung – unabhängig von der Frage, ob sie dazu noch berechtigt bzw. von der Beklagten bevollmächtigt war, - Ansprüche gegen die Beklagte erkennbar zurückgewiesen, wie dies die Bevollmächtigte der Beklagten auf das zweite Schreiben des Mietervereins vom 26. Mai 2006 mit Antwortschreiben vom 30. Mai 2006 nochmals ausdrücklich wiederholt hat. Damit konnten die Kläger zu keiner Zeit davon ausgehen, dass seitens der Beklagten der geltend gemachte Anspruch noch geprüft werde, wie dies nach der Rechtsprechung zwingende Voraussetzung für verjährungshemmende Verhandlungen i. S. d. § 203 BGB ist.

Es sind auch keine Gründe dafür ersichtlich, dass die Berufung auf die Verjährung hier ausnahmsweise im Widerspruch zu Treu und Glauben steht. Die Verjährung bringt es regelmäßig mit sich, dass auch begründete Ansprüche unabhängig vom Willen der Parteien kraft Gesetzes nicht mehr geltend gemacht werden können. Die Rechtsordnung sieht dies zum Schutz des Rechtsfriedens als grundsätzlich gerechtfertigt an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wird vor allem im Hinblick darauf, dass die Frage, ob der Anspruch eines Mieters auf Erstattung der mit der Miete gezahlten Schönheitsreparatur-kostenpauschale – wie hier vertreten – der kurzen Verjährung des § 548 Abs. 2 BGB unterliegt oder aber gemäß § 547 Abs. 1 BGB nach den allgemeinen Vorschriften verjährt, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen.