Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 02.01.2007 - 9 UF 159/06
Fundstelle
openJur 2012, 5102
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag des Beklagten vom 5. Dezember 2006 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der unselbstständig eingelegten Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

II. Dem Beklagten wird zu seinem Antrag vom 5. Dezember 2006 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Berufung des Klägers aufgegeben, binnen einer Frist von 4 Wochen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Mutter zur Prüfung eines Prozesskostenvorschussanspruches vorzutragen.

III. Zu gütlichen Beilegung des Rechtsstreits unterbreitet der Senat den Parteien folgenden Vergleichsvorschlag gemäß § 278 Abs. 6 ZPO.

1. Die Jugendamtsurkunde des Landkreises E… vom 6. März 2001 (Urk.-Reg.-Nr. 161/01) wird dahingehend abgeändert, dass der Kläger dem Beklagten

- für Dezember 2005 Unterhalt von 212 Euro,

- ab dem 1. Januar 2006 bis 31. März 2006 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 80 Euro,

- ab dem 1. April 2006 bis 30. Juni 2006 einen monatlichen Unterhalt von 46 Euro und

- ab dem 1. Juli 2006 laufend einen monatlichen Unterhalt von 60 Euro

zahlt.

Der laufende Unterhalt ist monatlich im Voraus, spätestens bis zum 3. Werktag eines jeden Monats, fällig.

2. Mit diesem Vergleich sind alle in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche der Parteien erledigt.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 1/4 der Kläger und zu 3/4 der Beklagte; die Kosten des Vergleiches werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Eine Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter gemäß § 523 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt nicht.

Gründe

A.

Hinsichtlich des Antrages des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann der Senat die Bedürftigkeit des Beklagten derzeit nicht abschließend prüfen. Insoweit ist offen, ob diesem ein Prozesskostenvorschussanspruch analog § 1360a Abs. 4 BGB gegen seine Mutter zusteht. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Mutter sind insoweit nicht vollständig geklärt, wofür auch auf die nachfolgenden Ausführungen in der Sache selbst Bezug genommen wird.

Insoweit war dem Beklagten Gelegenheit zu einer ergänzenden Stellungnahme zu geben.

Hinsichtlich des Antrages des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der unselbstständig eingelegten Anschlussberufung fehlt es dagegen zudem an den Erfolgsaussichten in der Sache gemäß §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO, weshalb dieser Antrag gemäß den nachfolgenden Ausführungen abzulehnen ist.

B.

Die Parteien streiten um Volljährigenunterhalt für den zu 100 % schwerbehinderten Beklagten.

Der am ... 1987 geborene Beklagte ist der ehelich geborene Sohn des Klägers. Die Ehe des Klägers mit der Mutter des Beklagten wurde in 1999 geschieden. Mit Urkunde des Jugendamtes des Landkreises E… vom 6.3.2001 (Urk.-Reg.-Nr. 161/01) verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung von 132,9 % des Regelbetrages gemäß § 2 Regelbetrag-VO abzüglich des anzurechnenden Kindergeldes an den Beklagten.

Der am ... 2005 volljährig gewordene Beklagte unternahm am 2.3.2005 einen Suizidversuch; die genauen Motive dafür sind zwischen den Parteien streitig. Seither leidet er unter dem so genannten apallischen Syndrom und einer anoxischen Hirnschädigung; er befindet sich im Wachkoma. Am 21.12.2005 kehrte er in diesem Zustand in den Haushalt seiner Mutter zurück und wird seither u. a. von ihr und ihrem Lebensgefährten gepflegt und versorgt. Die Mutter und ihr Lebensgefährte sind zu Betreuern des Beklagten bestellt worden.

Der Beklagte ist zu 100 % anerkannt schwerbehindert, sein Ausweis trägt das Merkmal "G". Aufgrund der Schwerbehinderung kann der Beklagte die allgemeine Schulausbildung, an der er bis März 2005 teilnahm, nicht mehr absolvieren.

Der Beklagte erhält Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII, zudem wird Pflegegeld nach der Pflegestufe III zu Händen seiner Mutter seit dem 21.12.2005 gezahlt. Hinzu können jährlich 460 Euro als zusätzliche Betreuungsleistungen erstattet werden.

Nach mehrfachen Krankschreibungen in 2005 war die Mutter des Beklagten seit Oktober 2005 wieder vollzeitig erwerbstätig, ab Juli 2006 hat sie aufgrund einer Übereinkunft mit ihrem Arbeitgeber die Tätigkeit auf 30-Wochen-Stunden begrenzt, um den Beklagten besser betreuen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien sowie der Mutter des Beklagten wird auf die Ausführungen zur rechtlichen Würdigung (C.) verwiesen.

In einem weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht Bad Liebenwerda (Az. 22 F 117/06) hat der Kläger die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung für Oktober 2005 in Höhe von 252,07 Euro aus dem vorgenannten Titel (Jugendamtsurkunde) begehrt. Hierüber ist durch Urteil vom 7.6.2006 entschieden worden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, angesichts des Eintrittes der Volljährigkeit des Beklagten könne an dem Unterhaltstitel nicht mehr unverändert festgehalten werden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte durch seinen Suizidversuch sich selbst bedürftig gemacht und daher seinen Unterhaltsanspruch verwirkt habe. Zudem müsse sich der Beklagte die durch ihn bezogenen Leistungen auf Grundsicherung zurechnen lassen; soweit er dabei diese Leistungen nicht vollständig ausgeschöpft, insbesondere einen behinderungsbedingten Mehrbedarf nicht geltend gemacht habe, müsse er sich auch diesen fiktiv bedarfsdeckend zurechnen lassen.

Der Kläger hat beantragt,

in Abänderung der vorgenannten Jugendamtsurkunde festzustellen, dass er seit Dezember 2005 nicht mehr zu Unterhaltszahlungen verpflichtet ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, durch ihn bezogene Einkünfte könnten ihm aufgrund seiner Behinderung nicht bedarfsdeckend zugerechnet werden. Zudem sei die Abänderungsklage nicht die statthafte Klageart für den Einwand der Verwirkung. Hierzu behauptet er, dass der Suizidversuch auf den auf die Trennung und Scheidung seiner Eltern zurückzuführenden Spannungen beruhe.

Mit dem am 24.7.2006 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht Bad Liebenwerda die vorgenannte Jugendamtsurkunde dahingehend abgeändert, dass mit Wirkung ab Dezember 2005 noch ein Unterhalt in Höhe von 198 Euro monatlich zu zahlen sei. Die Abweisung der weitergehenden Klage ist im Tenor nicht enthalten.

Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen beider Parteien, die in Abänderung des Urteils ihre erstinstanzlichen Anträge in Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und in Abänderung der Jugendamtsurkunde festzustellen, dass er seit Dezember 2005 nicht mehr zur Unterhaltszahlung verpflichtet ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der unselbstständig eingelegten Anschlussberufung beantragt der Beklagte,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

C.

Die unselbstständig eingelegte Anschlussberufung des Beklagten hat nach derzeitigem Stand in der Sache keinen Erfolg.

I. Anspruchsgrundlage

Der Unterhaltsanspruch des Beklagten folgt aus den §§ 1601 ff., 1610 BGB. An seiner grundsätzlichen Bedürftigkeit bestehen unter Berücksichtigung seiner 100 %-igen Schwerbehinderung derzeit keine Bedenken.

II. Verwirkung

30Der Unterhaltsanspruch ist auch nicht gemäß § 1611 BGB aufgrund Verwirkung entfallen. Nach dieser Vorschrift ist der Unterhalt entsprechend der Billigkeit zu reduzieren, wenn der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden ist.

31Bei Suizidversuchen kann in Anlehnung an die zu § 1579 Ziffer 3 BGB entwickelten Grundsätze von einem solchen Verschulden nur dann ausgegangen werden, wenn der Berechtigte ein mögliches Fehlschlagen seines Versuchs und als dessen Folge den Eintritt seiner Bedürftigkeit (Erwerbsunfähigkeit) bewusst ins Auge gefasst, gebilligt und sich rücksichtslos und verantwortungslos darüber hinweggesetzt hat (BGH FamRZ 1989, 1054; Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl., 2007, 1579 Rn. 18; Wendl/Staudigl-Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., 2004, § 4 Rn. 692).

Derartige, für ein verantwortungsloses Verhalten des Beklagten sprechende Umstände sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass der Kläger als durch die Annahme der Verwirkung Begünstigter die vollständige Darlegungs- und Beweislast für die hier erhobene Einwendung des § 1611 BGB trägt. Dabei fehlt es an einem ausreichend substantiierten Vortrag des Klägers zu den dargestellten Umständen. Unabhängig hiervon ist zu berücksichtigen, dass die sich in Selbsttötungsversuchen regelmäßig manifestierende Verzweiflungstat indiziell für ein unverschuldetes und damit nicht ein sittlich vorwerfbares Verhalten spricht.

III. Bemessung des Bedarfes

Der Bedarf des Klägers ist entsprechend den üblichen Regeln des Volljährigenunterhaltes unter Berücksichtigung der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (Stand 1.7.2005, Ziffer 13.1 Abs. 1) nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile und der Altersstufe 4 der Unterhaltstabelle zu bemessen. Zusätzlich ist ein behinderungsbedingter Mehrbedarf anzuerkennen.

1. Allgemeines

36Für die Ermittlung des Bedarfes des behinderten volljährigen Kindes kommen zwei grundsätzliche Vorgehensweisen in Betracht. Einerseits hat das Kind die Möglichkeit, seinen Bedarf gemäß den allgemeinen, auch für nicht behinderte Kinder geltenden Regeln in abstrakter Form zu bemessen. Insoweit wird regelmäßig auf den sich aus der Unterhaltstabelle ergebenden Tabellenbetrag, möglicherweise auch auf den Festsatz für Volljährige abzustellen sein. Hinzu kann ein behinderungsbedingter Mehrbedarf treten.

37In besonders gelagerten Fällen kommt darüber hinaus auch die konkrete Bedarfsbestimmung in Betracht. Diese ist insbesondere dann angemessen, wenn unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Behinderung eine konkrete Darlegung der insoweit anfallenden besonderen Kosten geboten erscheint. Unter diesen Voraussetzungen besteht ein Wahlrecht des behinderten Kindes, nach welcher Methode es seinen Bedarf ermittelt (Götsche, Der Unterhaltsanspruch behinderter Kinder, FamRB 2004, 264, 265 f m. w. N.).

2. konkrete Bedarfsbemessung

Eine konkrete Bedarfsbemessung des Beklagten kommt im vorliegenden Fall schon deshalb nicht in Betracht, weil er insoweit nicht einen ausreichenden Sachvortrag geleistet hat. Hierfür hätte es der Darstellung sämtlicher tatsächlich anfallender Kosten bedurft, die der Beklagte zur Deckung seines Bedarfes benötigt (vgl. dazu Götsche, a.a.O., S. 266). Der Beklagte hat dagegen allein die behinderungsbedingten Mehrkosten konkret dargetan. Da er insoweit die Darlegungslast für die Höhe der konkreten Bedarfsbemessung bzw. der insoweit tatsächlich anfallenden Kosten trägt (allgemein dazu: Götsche, a.a.O., S. 266), scheidet die konkrete Bedarfsbemessung aus.

3. abstrakte Bedarfsbemessung

Soweit der Beklagte sich dagegen auf einen pauschalisierten Unterhaltsbedarf zzgl. eines durch ihn dargelegten behinderungsbedingten Mehrbedarfes berufen hat, ist dies nach den vorstehenden Ausführungen zwar grundsätzlich zulässig, begegnet hier aber gleichwohl Bedenken.

a) Höhe des abstrakten Bedarfssatzes

Der allgemeine Bedarf des Beklagten ist – wie bereits ausgeführt – nach dem zusammengerechneten Elterneinkommen unter Beachtung der 4. Altersstufe der Unterhaltstabelle der Leitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zu bestimmen.

44Der abstrakte Unterhaltsbedarfs ist dagegen entgegen der durch den Beklagten vertretenen Auffassung nicht mit der Höhe des notwendigen Selbstbehaltes eines nicht erwerbstätigen Unterhaltsschuldners gleichzusetzen. Zwar gilt für das behinderte Kind schon aufgrund des Diskriminierungsverbotes des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, dass seine Bedarfsermittlung allgemeinen Grundsätzen zu folgen hat. Hat das behinderte Kind eine verselbstständigte Lebensstellung erreicht, kann es wie jeder Erwachsene einen den Eigenbedarfssätzen eines Ehegatten gleichgestellten Mindestbedarf geltend machen (Brandenburgisches OLG FamRB 2004, 287 f [ Götsche ]), aktuell damit 710 Euro (Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Ziffer 21.2 S. 3). Diese aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz resultierende Gleichstellung kann aber nur insoweit zutreffen, als tatsächlich gleiche Sachverhalte vorliegen. Hier ist zu beachten, dass der Beklagte im Haushalt seiner Mutter lebt und von dieser betreut und versorgt wird. Damit gebietet es der Gleichbehandlungsgrundsatz allein, ihn wie einen nicht behinderten Volljährigen, der im Haushalt eines Elternteils lebt, zu behandeln.

Gemäß den vorangestellten Ausführungen führt dies dazu, dass sein regelmäßiger Bedarf entsprechend dem zusammengerechneten Elterneinkommen unter Beachtung der 4. Altersstufe der Unterhaltstabelle der Leitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zu bestimmen ist. Wegen der hierbei maßgebenden Elterneinkünfte und der damit zusammenhängenden Berechnungen wird auf die nachstehenden Ausführungen (IV. und V.) verwiesen.

b) behinderungsbedingter Mehrbedarf

Hinzu tritt ein behinderungsbedingter Mehrbedarf, den der Beklagte in substantiierter Form im Rahmen der unselbstständig eingelegten Anschlussberufungsschrift vom 4.12.2006 dargetan hat.

Insoweit ist jedoch zu beachten, dass der Kläger zur Anschlussberufung bislang noch keine Gelegenheit zu einer Stellungnahme hatte. Mit dieser Maßgabe legt der Senat für die nachfolgenden Ausführungen und Berechnungen zunächst das Vorbringen des Beklagten als zutreffend zugrunde.

49Aus dem nunmehr substantiierten Vorbringen des Beklagten folgt, dass diesem ein monatlicher Mehrbetrag in Höhe von 150 Euro regelmäßig entsteht. Mehrbedarf ist ein regelmäßig über einen längeren Zeitraum anfallender Bedarf, der den Normalbedarf übersteigt (Götsche, FamRB 2004, 264, 265). Insoweit bestehen auch keine Bedenken, dass dieser Bedarf nicht aufgrund anderweitiger Leistungen - insbesondere solcher aus der Pflegeversicherung - gedeckt wird. Die nach dem SGB XII gezahlten Pflegegelder stellen sich als Sozialleistungen infolge eines Körper-/Gesundheitsschadens dar, weshalb gemäß § 1610 a BGB vermutet wird, dass die entsprechenden Kosten der Aufwendungen nicht geringer als die Höhe dieser Sozialleistungen sind (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1610 a, Rn. 4). Mit den an die Mutter infolge Heimunterbringung des Beklagten gezahlten Geldern wird im Wesentlichen der durch die Mutter selbst bzw. ihren Lebensgefährten anstelle staatlicher Einrichtung geleistete, erhöhte Pflege- und Betreuungsaufwand gedeckt. Besondere Sachleistungen, die daneben anfallen, werden vom Zweck dieser Gelder dagegen nicht erfasst. Bei dem durch den Beklagten geltend gemachten Mehrbedarf handelt es sich aber im Wesentlichen um besondere Sachmittel wie beispielsweise Lebensmittel, Thrombosestrümpfe, Medikamentenkosten usw., die auch ansonsten nicht erstattet werden.

Hinzu tritt der Umstand, dass der Umfang des Mehrbedarfes durch das Gericht nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung nachvollziehbarer Angaben und Zugrundelegung von Erfahrungswerten geschätzt werden kann (Götsche, FamRB 2004, 264, 265). Die durch den Beklagten gesondert dargestellten Mehraufwendungen sind angesichts seiner 100 %-igen Behinderung nachvollziehbar. Zumindest soll im Rahmen der summarischen Prüfung innerhalb des Prozesskostenhilfeverfahrens von der Richtigkeit des Vorbringens ausgegangen werden.

IV. Einkommen der Eltern

Da sich der abstrakte Bedarf des Beklagten nach den Einkünften beider Elternteile richtet, sind diese im Einzelnen zu bestimmen.

1. Einkommen des Klägers

Für den Kläger liegen die Lohnbescheinigungen für die Zeit von Januar 2005 bis einschließlich April 2006 vor. Insoweit kann das Jahr 2005 insgesamt beurteilt werden; für die weitere Zeit ist dagegen eine Durchschnittsrechnung für den Zeitraum Mai 2005 bis einschließlich April 2006 vorzunehmen.

Es wird darauf hingewiesen, dass bislang offen ist, ob der Kläger neben den Erwerbseinkünften noch weitere berücksichtigungsfähige Einkünfte bezogen hat. Zu Vermögenseinkünften

o. Ä. ist bislang nichts vorgetragen. Vergleichbares gilt hinsichtlich eventuell geflossener Einkommenssteuerrückerstattungen. Mit Ausnahme des für den Veranlagungszeitraum 2004 in 2006 zugestellten Einkommenssteuerbescheides liegen weitere Steuerbescheide des Klägers nicht vor. Den Bescheid für 2004 hat der Senat jedoch unberücksichtigt gelassen, da insoweit nur eine äußerst geringe und damit letztendlich nicht fallrelevante Rückerstattung daraus folgt ist (8 Euro Einkommenssteuerrückerstattung, 2,64 Euro Rückerstattung Solidaritätszuschlag), zumal insoweit auch eine Verrechnung des Finanzamtes stattgefunden hat.

Berücksichtigungsfähig sind die dem Kläger unstreitig entstehenden Fahrtkosten von monatlich 95,83 Euro. Damit ergibt sich nach derzeitigem Stand folgende Berechnung:

Jahr 2005                bis April 2006        Januar 20051.576,87 Euro        Mai 20051.576,87 EuroFebruar 20051.140,03 Euro        Juni 20052.404,29 Euro        353,97 Euro        Juli 20051.565,36 EuroMärz 20051.591,11 Euro        August 20051.565,36 EuroApril 20051.576,87 Euro        September 20051.565,36 EuroMai 20051.576,87 Euro        Oktober 20051.565,36 EuroJuni 20052.404,29 Euro        November 20052.145,48 EuroJuli 20051.565,36 Euro        Dezember 20051.565,36 EuroAugust 20051.565,36 Euro        Januar 20061.564,61 EuroSeptember 20051.565,36 Euro                57,37 EuroOktober 20051.565,36 Euro        Februar 20061.621,98 EuroNovember 20052.145,48 Euro        März 20061.621,98 EuroDezember 20051.565,36 Euro        April 20061.621,98 EuroSumme20.192,29 Euro        Summe20.441,36 EuroMonatsdurchschnitt  1.682,69 Euro        Monatsdurchschnitt  1.703,45 EuroFahrtkosten- 95,83 Euro        Fahrtkosten- 95,83 Euroergibt1.586,86 Euro        ergibt1.607,62 Euro2. Einkommen der Kindesmutter

a) Erwerbstätigkeit

Auf Seiten der Mutter des Beklagten sind zunächst deren tatsächlich bezogene Erwerbseinkünfte zu berücksichtigen. Hierbei ist auf die Zeit ab Dezember 2005 abzustellen, d. h. ihrer zunächst vollschichtigen und ab Juli 2006 sodann teilschichtigen Erwerbstätigkeit.

Soweit die Mutter des Beklagten vor Dezember 2005 über mehrere Monate hinweg Krankengeld erhalten hat, hat dies unberücksichtigt zu bleiben. Mit dem Wiedereintritt in die vollschichtige Erwerbstätigkeit ist eine erhebliche Zäsur eingetreten, die es rechtfertigt, insoweit die sodann bezogenen Einkünfte neu zu bemessen. Entsprechend ist es der Mutter aber dann auch nicht vorwerfbar, dass sie seit Juli 2006 lediglich teilschichtig erwerbstätig ist. Unter Beachtung des für den Beklagten entstehenden Betreuungsaufwandes, der in erheblichem Maße von der Mutter wahrgenommen wird, stellt sich diese Reduzierung des Umfanges ihrer Erwerbstätigkeit nicht als ein vorwerfbares Verhalten dar. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Bedarfsbemessung des volljährigen Kindes eine Zurechnung fiktiver Einkünfte eines Elternteils ausscheidet.

b) berufsbedingte Aufwendungen

Von den Erwerbseinkünften sind die bei der Kindesmutter unstreitig anfallenden berufsbedingten Aufwendungen abzuziehen, hier in pauschalierter Form von 5 %.

c) Mieteinkünfte; Wohnvorteil?

Darüber hinaus bezieht sie Mieteinkünfte in Höhe von 296,55 Euro. Auch insoweit handelt es sich um anrechenbares unterhaltsrelevantes Einkommen.

Abzüge hiervon, insbesondere aufgrund der mit dem Erwerb des Wohnhauses verbundenen Darlehensaufnahme und zu zahlenden Zinsen, sind nicht vorzunehmen. Insoweit ist zu beachten, dass der Mutter das von ihr bewohnte und teilvermietete Wohnhaus zu Alleineigentum zusteht. Da sie hierin wohnt, ist ihr ein Wohnvorteil zuzurechnen. Zu der Höhe dieses Wohnvorteils fehlt es an einem ausreichend substantiierten Vortrag des auch insoweit darlegungsbelasteten Beklagten.

Dies führt nach derzeitigem Stand zum Entfallen des Unterhaltsanspruches, da weder der Bedarf des Beklagten noch die auf den jeweiligen Elternteil entfallende Quote mangels ausreichender Darlegung der Einkünfte seiner Mutter ermittelt werden können. Unter Berücksichtigung dessen, dass hier zunächst der vorläufige Verfahrensstand dargestellt werden soll, wird davon ausgegangen, dass dem Wohnvorteil zumindest die anfallenden Zinslasten entgegenzurechnen sind, weshalb insoweit für die nachfolgenden Berechnungen kein Ansatz erfolgt.

Gleiches gilt hinsichtlich der weiteren, mit dem Haus verbundenen und durch den Beklagten geltend gemachten Kosten. Insoweit kann nicht beurteilt werden, inwieweit diese Kosten nicht ebenfalls mit dem Wohnvorteil im Zusammenhang stehen, weshalb ein gesonderter Abzug dieser Kosten - unabhängig von der generellen Frage ihrer Abzugsfähigkeit - jedenfalls derzeit entfällt.

Nach alledem können derzeit folgende Einkünfte der Mutter des Beklagten festgestellt werden:

Einkünfte bis Juni 2006        Nettolohn1.292,28 Euroberufsbedingte Aufwendungen (5 %)  - 64,61 EuroMieteinkünfte296,55 EuroWohnvorteil- 0 EuroZinsen- 0 Euroweitere Kosten          - 0 Euroergibt  1.524,22 Euro                Einkünfte ab Juli 2006        Nettolohn1.040,00 Euroberufsbedingte Aufwendungen (5 %)- 52,00 EuroMieteinkünfte296,55 EuroWohnvorteil- 0 EuroZinsen- 0 Euroweitere Kosten          - 0 Euroergibt1.284,55 EuroV. Höhe des Bedarfes und Haftungsquote der Eltern

Es ergibt sich hiernach folgende grundlegende Rechnung für den abstrakten Bedarf des Beklagten sowie die prozentuale Haftungsquote seiner Eltern:

Hinzu tritt der Mehrbedarf von 150 Euro monatlich.

VI. Bedarfsdeckung und Quotenanteil des Klägers

Auf den so festgestellten Bedarf sind die eigenen Einkünfte des Beklagten anzurechnen.

1. Kindergeld

Dies gilt zunächst für das Kindergeld in Höhe von 154 Euro, das dem Beklagten vollständig bedarfsdeckend anzurechnen ist (allgemein dazu BGH, FamRZ 2006, 99).

2. Grundsicherungsleistungen

Darüber hinaus muss sich der Beklagte auch die durch ihn bezogenen Grundsicherungsleistungen zurechnen lassen.

a. Allgemeines

82Grundsicherungsleistungen nach den §§ 41 ff. SGB XII bezwecken die Sicherstellung einer würdigen und unabhängigen Existenz des Bedürftigen. Der Hintergrund der gesetzlichen Regelung dieser Leistungen liegt im Zusammenhang von Unterhalts- und Sozialhilferecht und der Furcht gerade älterer Menschen vor dem Unterhaltsrückgriff des Sozialhilfeträgers auf ihre Kinder; vergleichbar ist die Lage bei dauerhaft voll Erwerbsgeminderten (vgl. insgesamt Klinkhammer, FamRZ 2002, 997 ff.). Privilegiert sind dabei Unterhaltsansprüche von Kindern gegen ihre Eltern (Kindesunterhalt) und von Eltern gegen ihre Kinder (Elternunterhalt), sofern das jährliche Einkommen des Unterhaltspflichtigen unter 100.000 Euro liegt (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XII).

83In diesen Fällen wird der Unterhaltsanspruch nicht auf die Grundsicherungsrente angerechnet. Damit sind die Leistungen auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Verhältnis privilegierter Unterhaltsbeziehungen anders als Sozialhilfe und ALG II nicht eine subsidiäre, im Verhältnis zum Unterhaltsanspruch nachrangige Leistung. Der eigene Bedarf muss deshalb zunächst durch den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach den §§ 41 ff. SGB XII gedeckt werden; insoweit besteht sogar ein Vorrang der Leistungen auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gegenüber dem Unterhaltsanspruch.

Nimmt der Unterhaltsberechtigte ihm zustehende Grundsicherungsleistungen nicht in Anspruch, sind ihm diese daher fiktiv bedarfsdeckend zuzurechnen (Brandenburgisches OLG, FamRB 2004, 287 [Götsche] ). Die Darlegungslast trägt insoweit der Unterhaltsberechtigte.

b. tatsächlich bezogene Grundsicherungsleistungen

Danach ist festzustellen, dass sich der Beklagte die von ihm tatsächlich bezogenen Grundsicherungsleistungen jedenfalls bedarfsdeckend zuzurechnen hat.

c. fiktive Zurechnung von Grundsicherungsleistungen

Darüber hinaus muss er auch solche ihm zustehenden, aber tatsächlich nicht bezogenen Grundsicherungsleistungen bzw. Teile davon, fiktiv zurechnen lassen.

aa. Dezember 2005

Eine fiktive Zurechnung für diesen Monat scheidet aus. Ausweislich des durch den Beklagten eingereichten Bescheides hätte er zwar bereits im Dezember 2005 grundsätzlich Anspruch auf den in den Folgemonaten dann tatsächlich geflossenen vollen Betrag an Grundsicherungsleistungen von 339,27 Euro gehabt. Der ausgezahlte Betrag von 87,20 Euro in Dezember 2005 beruht jedoch darauf, dass hier der noch titulierte Unterhalt aus der Jugendamtsurkunde in Höhe von anteiligen 252,07 Euro Anrechnung gefunden hat. Die Zurechnung einer fiktiven Grundsicherungsleistung ist damit nicht gerechtfertigt.

Die Zurechnung fiktiver Einkünfte in Höhe der Grundsicherungsleistungen ist nur dort gerechtfertigt, wo dem Unterhaltsberechtigten wegen der Nichtinanspruchnahme der Grundsicherung ein Obliegenheitsverstoß anzulasten ist. Dies ist bei beantragten Grundsicherungsleistungen aber nicht der Fall. Hat der Unterhaltsberechtigte einen Antrag auf Leistungsbezug gestellt, so hat er grundsätzlich alle Mitwirkungspflichten erfüllt, die ihm für eine erfolgreiche Bewilligung obliegen; eine fiktive Anrechnung von Grundsicherungsleistungen kommt dann nicht in Betracht (OLG Nürnberg FamRB 2004, 389 [Götsche] ). Gleiches gilt, wenn dem Beklagten hier aufgrund seines Antrages reduzierte Grundsicherungsleistungen zuerkannt werden. Auch titulierte Unterhaltsansprüche in privilegierten Verhältnissen, deren Realisierung zu erwarten ist bzw. auf der Hand liegt, sind anzurechnen(OLG Nürnberg FamRB 2004, 389 [Götsche] ). Selbst wenn die titulierten Unterhaltsansprüche nicht mehr gezahlt werden, liegt die Inanspruchnahme des Verpflichteten durch den Berechtigten nahe, weshalb es bei der Zurechnung als Einkommen verbleibt. Erst mit der Einreichung der Abänderungsklage des Klägers ist der Grund für diese Zurechnung entfallen, weshalb dann auch zu Recht dem Beklagten ab Januar 2006 Unterhaltsleistungen bei der Berechnung der Höhe der Grundsicherungsleistungen nicht mehr zugerechnet worden sind.

bb. Mehrbedarf gemäß §§ 42 S. 1 Nr. 3 i. V. m. § 30 Abs. 1 SGB XII

Etwas anderes gilt aber, soweit der Beklagte aus den Grundsicherungsleistungen keinen Mehrbedarf gemäß §§ 42 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 30 Abs. 1 SGB XII erhalten hat. Da er einen mit dem Merkmal "G" versehenen Schwerbehindertenausweis besitzt, liegen die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 SGB XII nach derzeitigem Stand vor. Auf die dem Beklagten zustehende Regelleistung (80 % des Regelsatzes von zunächst 331 Euro = 265 Euro) hätte daher noch ein Mehrbedarf von 17 % durch ihn geltend gemacht werden müssen, gegebenenfalls im Wege des Widerspruchs gegen den entsprechenden Bescheid. Hierzu fehlt jedes Vorbringen des Beklagten. Insoweit hat eine fiktive Zurechnung des Mehrbedarfs zu erfolgen.

Da dieser Mehrbedarf in dem vorgelegten Bescheid nicht ausgewiesen ist, sind insoweit 45,05 Euro (17 % von 265 Euro) zunächst bis zumindest März 2006 fiktiv anzurechnen.

Ob auch danach (ab April 2006) eine Anrechnung fiktiv zu erfolgen hat, ist derzeit offen. Der insoweit darlegungsbelastete Beklagte hat die entsprechenden Bescheide über die bezogenen Grundsicherungsleistungen nicht vorgelegt, weshalb nicht bestimmt werden kann, ob in den erhöhten Grundsicherungsleistungen dieser Mehrbetrag enthalten ist. Jedoch spricht die erhebliche Erhöhung der Grundsicherungsleistungen von März 2006 (339,27 Euro) zu April 2006 (446,33 Euro) eher dafür, dass die insoweit erhöhten Leistungen aus diesem Mehrbedarf resultieren. Für die vorläufigen Berechnungen geht der Senat damit ab April 2006 nicht mehr von einer Zurechnung eines fiktiven Mehrbedarfes aus.

Vorsorglich sei aber an dieser Stelle auf Folgendes hingewiesen:

Seit dem 1.7.2006 beträgt der Regelsatz, an dem auch der 80 %-ige Anteil des Beklagten für die Grundsicherungsleistungen zu bemessen ist, bundeseinheitlich 345 Euro (vgl. auch Götsche, FamRB 2006, 373). Insoweit ist offen, ob nicht ab Juli 2006 dem Beklagten ein neuerlicher Grundsicherungsbescheid mit daraus folgenden erhöhten Grundsicherungsleistungen zugestellt worden ist. Auch insoweit ist das Vorbringen des Beklagten unsubstantiiert, was seinen Unterhaltsanspruch aufgrund der ihn insoweit treffenden Darlegungslast nach derzeitigem Stand nicht berechenbar macht. Für die nachfolgenden Berechnungen, die insbesondere dem Herbeiführen einer gütlichen Einigung der Parteien dienen, mag dies dahinstehen.

VII. Berechnung

Nach derzeitigem Stand ergibt sich zunächst folgende Berechnung des ungedeckten Bedarfes des Beklagten sowie für die auf den Kläger grundsätzlich entfallende Quote:

        Dez 05   Jan. - März 06   April - Juni 06ab Juli 06Bedarf536,00 Euro536,00 Euro536,00 Euro536,00 EuroMehrbedarf150,00 Euro150,00 Euro150,00 Euro150,00 EuroKindergeld- 154,00 Euro- 154,00 Euro- 154,00 Euro- 154,00 EuroGrundsicherungsleistungen- 87,20 Euro- 339,27 Euro- 446,33 Euro   - 446,33 Eurofiktiver Mehrbedarf, § 30 I SGB XII  - 45,05 Euro- 45,05 Euro- 0 Euro- 0 Euroungedeckter Bedarf399,75 Euro147,68 Euro85,67 Euro85,67 Euro                                        Quote Kläger: 53 %   211,87 Euro                        Quote Kläger: 54 %        79,75 Euro46,26 Euro        Quote Kläger: 69 %                        59,11 EuroVIII. Wertende Verschiebung der Haftungsquote

Hinsichtlich der festgestellten, auf den Kläger bzw. die Mutter des Beklagten entfallenden Quote ist aber zu beachten, dass hier die Behinderung des Beklagten und insoweit geleisteten Betreuungs- und Pflegeleistungen der Mutter eine anderweitige quotenmäßige Verteilung rechtfertigen.

1. Allgemeines

Bei der Ermittlung der auf die Eltern entfallenden Quote der Beteiligung am Unterhalt finden die Betreuungsleistungen eines Elternteils gegenüber dem behinderten Kind keine Berücksichtigung, da keine Monetarisierung der Betreuung stattfinden soll (allg. dazu BGH FamRZ 1982, 779; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rn. 903; Götsche, FamRB 2004, 264, 268). Dies ist angesichts der erhöhten Belastungen, die gerade mit der Betreuung behinderter Kinder regelmäßig verbunden sind, unangemessen. Erbringt ein Elternteil trotz einer Fremdbetreuung des behinderten Kindes noch Betreuungsleistungen, so ist allgemein anerkannt, dass der zuvor ermittelte Haftungsanteil wertend zu verändern ist (BGH, FamRZ 1983, 689; Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1602, Rn. 15; Götsche, FamRB 2004, 264, 268).

Das Ausmaß dieser wertenden Veränderung des allein nach den finanziellen Verhältnissen ermittelten Haftungsanteils zugunsten des wegen der Betreuung zusätzlich belasteten Elternteils ist abhängig vom Umfang der tatsächlich erforderlichen und zu erbringenden Betreuungsleistungen (BGH FamRZ 1985, 917; OLG Nürnberg FamRZ 1993, 837; Wendl/Staudigl/ Scholz, a.a.O., Rn. 290, 296, 301; Götsche, FamRB 2004, 264, 268; wohl auch: Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O. Rn. 306;). Wegen der regelmäßig erhöhten Betreuungslasten hängt die wertende Veränderung nicht davon ab, ob dass Kind minderjährig oder bereits volljährig ist (s. auch BGH, FamRZ 1985, 917; OLG Hamm, FamRZ 1996, 303; Wendl/Staudigl-Scholz, § 2, Rn. 450; Göppinger/Wax-Kodal, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rn. 1565; Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rn. 902.; Götsche, FamRB 2004, 264, 268).

2. Betreuungsleistungen der Mutter des Beklagten

Hier erfordert der erhebliche Betreuungs- und Pflegeaufwand, den die Mutter des Beklagten erbringt, eine wertende Verschiebung der prozentualen Quote, d. h. es ist eine höhere Unterhaltsquote durch den Kläger als zuvor errechnet bis hin zu 100 % festzulegen. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Kindesmutter Pflegegelder und insoweit zumindest einen teilweisen finanziellen Ausgleich für ihre Leistungen erhält. Angesichts der 100 %-igen Schwerbehinderung des Beklagten kommt aber möglicherweise gleichwohl die vollständige Auferlegung der Kostenlast auf den Kläger in Betracht.

Letztendlich lässt der Senat die genaue Zuweisung im hiesigen summarischen Verfahren offen.

D.

Der Senat unterbreitet den Parteien zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits einen Vergleichsvorschlag.

Grundlage des im Tenor enthaltenen Vergleichsvorschlages ist die Überlegung, dass zwar nach derzeitigem Stand sich auf beiden Seiten Risiken für den Ausgang des Rechtsstreits ergeben, derzeit aber das Risiko für den zunächst in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten schwerer wiegt. Insoweit erscheint es gerechtfertigt, zunächst allein von den bislang dargestellten Berechnungen des Senates auszugehen, ohne dabei eine wertende Verschiebung der Quoten vorzunehmen. Dafür hat der Senat die festgestellten, auf den Kläger entfallenden Anteile jeweils leicht ab- bzw. aufgerundet und schlägt den Parteien dieses Ergebnis zur gütlichen Beilegung vor.