LG Cottbus, Urteil vom 12.04.2006 - 3 O 130/05
Fundstelle
openJur 2012, 3486
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, der Zusammenveranlagung zur Einkommenssteuer der Klägerin und ihres Ehemannes K. für die Veranlagungszeiträume 2002, 2003 und 2004 Zug um Zug gegen Abgabe einer Erklärung zuzustimmen, mit der sich die Klägerin bindend verpflichtet, die aus der Anrechnung des zugunsten ihres Ehemannes zum 31.12.2001 festgestellten Verlustvortrages erlangten Steuervorteile an den Beklagten auszuzahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zustimmung zur Zusammenveranlagung zur Einkommenssteuer.

Das Amtsgericht Cottbus eröffnete mit Beschluss vom 18.06.1999 das Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn K. wegen Zahlungsunfähigkeit. Zum Insolvenzverwalter benannte es den Beklagten.

Die Klägerin ist die Ehefrau des Herrn K.

Im Jahre 2001 erklärten die Eheleute K. die Zusammenveranlagung zur Einkommenssteuer. Zu Gunsten des Herrn K. wurde zum 31.12.2001 ein Verlustvortrag i.H.v. 392.019,00 Euro festgestellt.

Für das Jahr 2002 erfolgte eine getrennte Veranlagung zur Einkommenssteuer. Mit Bescheid vom 14.06.2004 setzte das Finanzamt Cottbus für das Jahr 2002 eine von der Klägerin zu zahlende Einkommenssteuer nebst Solidaritätszuschlag i.H.v. 4.244,26 Euro fest. Die Klägerin legte mit Datum vom 22.06.2004 Einspruch gegen den Steuerbescheid für das Jahr 2002 ein.

Für die Jahre 2003 und 2004 gab die Klägerin bislang keine Einkommenssteuererklärung ab. Die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb sind für das Jahr 2003 vorläufig i.H.v. 80.634,00 Euro zu bemessen. Die festzusetzende Einkommenssteuer einschließlich Solidaritätszuschlag würde voraussichtlich 24.593,10 Euro betragen. Für das Jahr 2004 bemessen sich die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb vorläufig auf 105.000,- Euro. Die hieraus folgende Steuerschuld beträgt ca. 32.102,59 Euro.

Im Fall der Zusammenveranlagung besteht unter Berücksichtigung des Herrn K. zustehenden Verlustvortrages für die Jahre 2002, 2003 und 2004 keine Steuerschuld der Klägerin.

Für den Schuldner und die Insolvenzmasse kann der Verlustvortrag für die Jahre 2002, 2003 und 2004 keine Berücksichtigung finden, da auch ohne Berücksichtigung dessen keine Steuerlast aus den vorhandenen Einkünften besteht.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, der Zusammenveranlagung zur Einkommenssteuer der Klägerin und ihres Ehegatten K. für die Veranlagungszeiträume 2002, 2003 sowie 2004 zuzustimmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, er könne die Zustimmung zu einer Zusammenveranlagung beider Ehegatten von der Auskehr der aus der  Berücksichtigung des Verlustvortrages erlangten Vermögensvorteile abhängig machen. Die aus der Verwendung des Verlustvortrages resultierenden Steuervorteile ständen im Innenverhältnis beider Ehegatten ausschließlich Herrn K. zu und seien damit als sog. Neuvermögen der Masse zuzuweisen.

Mit Beschluss vom 02.02.2006 hat die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung übernommen. Mit Beschlussfassung vom 24.02.2006 ist das schriftliche Verfahren angeordnet worden. Der 22. März 2006 ist zu dem Zeitpunkt bestimmt worden, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht.

Gründe

Die Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg.

Grundsätzlich trifft die Ehegatten bei intakter Ehe die Pflicht zur Zustimmung zur  Zusammenveranlagung im Rahmen  des § 1353 Abs. 1 BGB, wenn die Gesamtbelastungssteuer dadurch geringer wird. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nach dem unstreitigen Sach- und Streitstand gegeben.

17Das Recht eines Ehegatten, die Art der steuerlichen Veranlagung nach § 26 EStG zu wählen ist ein reines Vermögensrecht, welches im Fall der Insolvenz eines Ehegatten zur Insolvenzmasse gehörig ist. Die Zustimmung zur Zusammenveranlagung ist gemäß § 80 Abs. 1 InsO nach Anordnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter zu erklären (ebenso AG Essen, veröffentlicht in ZIP 2004, S. 1164).

Die Zustimmung zur Zusammenveranlagung zur Einkommenssteuer kann von Bedingungen, insbesondere dem Ausgleich von Steuernachteilen, abhängig gemacht werden (BGH, FamRZ 2005, S. 182; OLG Hamm, FamRZ 1998, S. 241; LG Gießen, FamRZ 2001, 97; OLG Oldenburg, FamRZ 2003, S. 1159).

19Das Gericht vertritt unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung die Auffassung, dass der Beklagte die Zustimmung zur Zusammenveranlagung davon abhängig machen kann, dass die Klägerin sich verpflichtet, die durch die Zusammenveranlagung entstehenden Steuervorteile, bedingt durch den Verlustvortrag, für die streitgegenständlichen Jahre an die Insolvenzmasse auszukehren.  

In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, wem der aus einem Verlustvortrag resultierende Steuervorteil beider Ehegatten im Innenverhältnis zusteht. Eine höchstrichterliche Entscheidung ist - soweit ersichtlich - noch nicht ergangen. Das Gericht schließt sich im Grundsatz der Auffassung an, dass demjenigen der Erstattungsanspruch zusteht, in dessen Unternehmen der Verlust entstanden ist (so auch OLG Köln, NJW-RR 1994, 902; LG Tübingen, NJW-RR 1990, 1221). Dieser Grundsatz kann keine Beschränkung auf Fälle der Erstattung von Steuerzahlungen finden. Vielmehr ist ihm allgemeine Geltung im Hinblick auf Steuervorteile jeglicher Art beizumessen.

Für diese Auffassung sprechen zunächst Sinn und Zweck des Verlustrücktrages nach § 10 d EStG, der dem Unternehmen, welches den Verlust erlitten hat, zugute kommen soll. Zwar hat der Gesetzgeber mit § 10 d EStG vordergründig den hier nicht gegebenen Fall geregelt, dass dem in Schwierigkeiten geratenen Unternehmen diejenigen Steuerbeträge zugute kommen sollen, die es nach Berücksichtigung von Verlustjahren in ertragreichen Jahren zuviel gezahlt hat. Diesem Zweck würde es jedoch widersprechen, im vorliegenden Fall im Anschluss an die Rechtsprechung des OLG Karlsruhe, NJW-RR 1991, 200 der Klägerin diejenigen Steuervorteile zu belassen, die sie aus der Berücksichtigung des ihrem in Insolvenz gefallenen Ehemann zustehenden Verlustvortrages erlangt. § 10 d EStG hat begründet durch die vom Gesetzgeber geschaffene Möglichkeit der Erhaltung der Marktfähigkeit des betroffenen Unternehmens mittelbare Auswirkungen auf wirtschaftliche Vorgänge im nahen Umfeld des Unternehmens, mithin auf die zum Unternehmen gehörenden Gläubiger. Dieser Intention des Gesetzgebers kann das Gericht im vorliegenden Fall nur gerecht werden, wenn die Klägerin zur Auskehr der durch den Verlustvortrag bedingten Steuervorteile an den Insolvenzverwalter im Fall der Zusammenveranlagung verpflichtet wird. Die Klägerin erleidet als Ehepartner keinen Nachteil, da sich für sie nur der Zahlungsempfänger ändert. Die im Fall der getrennten Veranlagung geschuldete Steuerschuld ist bei gemeinsamer Veranlagung an den Beklagten in Form der Auskehr des Steuervorteils abzuführen. Anderenfalls würde der Insolvenzmasse ersatzlos ein Vermögensposten entzogen, der zeitlich unbegrenzt bei Erwirtschaftung entsprechender Einkünfte in Geldwert realisiert werden könnte. Der ersatzlose Entzug des Verlustvortrages ist im Übrigen als der Nachteil im Fall der Zusammenveranlagung zu werten, der es nach der vorangehend genannten Rechtsprechung rechtfertigt, die Zustimmung zur Zusammenveranlagung von der im Tenor beschriebenen Bedingung abhängig zu machen.    

Die Pflicht der Klägerin zur Auskehr der erlangten Steuervorteile folgt im Übrigen auch aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB. Im Rahmen ihrer ehelichen Pflichten hat auch die Klägerin ihrerseits Sorge dafür zu tragen, dass sich die finanziellen Lasten ihres Ehemannes so weit wie möglich minimieren. Entgegen den regelmäßig anzutreffenden Tendenzen in der Praxis trifft die Klägerin hieraus resultierend die Pflicht, in den Grenzen des Möglichen die Insolvenzmasse zur maximalen Schuldentilgung zu mehren. Eine Einschränkung könnte dieser Grundsatz nur in dem Vortrag finden, mit der Verpflichtung zur Auszahlung der Steuervorteile zur Insolvenzmasse wäre der notwendige Lebensunterhalt der Klägerin gefährdet. Anhaltspunkte hierfür sind jedoch nicht erkennbar.

Der Beklagte war daher nur Zug um Zug gegen Verpflichtung zur Auskehrung des durch den Verlustvortrag erlangten Steuervorteils zu verurteilen.

In der Berufung des Beklagten auf diesen Anspruch liegt nach dem Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nicht nur die Berufung auf eine zulässige Bedingung i.S.v. § 158 BGB, sondern die Einrede gem. § 273 ZPO.

Der Insolvenzverwalter will nämlich erkennbar die geschuldete Erklärung erst abgeben, wenn sichergestellt ist, dass der Steuervorteil aus der Zusammenveranlagung auch der Masse zufließt.

Die durch die Klägerin auszukehrenden Steuervorteile sind ausdrücklich auf die durch den Verlustvortrag bedingten Steuervorteile beschränkt worden. Soweit die Klägerin durch die Zusammenveranlagung weitere Steuervorteile erlangt, verbleiben ihr diese bei der gewählten Tenorierung.

Der von der Klägerin nachgereichte Schriftsatz vom 11.04.2006 lässt keine abweichende Beurteilung der Rechtslage zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Gericht hat den Erfolg der Klage nach dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin bewertet.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 S. 1, 2 ZPO.  

Streitwert: 60.939,95 Euro (Steuerschuld 2002, 2003, 2004 bei getrennter Veranlagung)