VerfG des Landes Brandenburg, Urteil vom 15.09.1994 - 3/93
Fundstelle
openJur 2012, 733
  • Rkr:
Gründe

A.

Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen ihre durch §§ 12 und 13 des Gesetzes zur Neugliederung der Kreise und kreisfreien Städte im Land Brandenburg (Kreisneugliederungsgesetz - KNGBbg) vom 24. Dezember 1992 (GVBl. I S. 546) bewirkte Eingliederung in die Landkreise Oder-Spree und Spree-Neiße sowie die von § 14 KNGBbg angeordnete Zuweisung der Gemeinde Rüdersdorf zum Kreis Märkisch-Oderland. Sie beantragen, §§ 12, 13 und 14 KNGBbg für verfassungswidrig - nichtig zu erklären, soweit die Beschwerdeführer betroffen sind.

I.

1. Die Beschwerdeführer gehörten zu den ursprünglich 38 Kreisen des Landes Brandenburg. Im Rahmen der Kreisgebietsreform beschloß der Landtag das am 24. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Neugliederung der Kreise und kreisfreien Städte. Dieses ordnete das Land in 14 Kreise und 4 kreisfreie Städte. Durch § 12 KNGBbg wurde aus den Kreisen Cottbus-Land und Forst und den beschwerdeführenden Kreisen Guben und Spremberg der Landkreis "Spree-Neiße" gebildet. Aus dem beschwerdeführenden Kreis Eisenhüttenstadt-Land, dem Kreis Beeskow (ohne die Stadt Lieberose und die Gemeinden des Amtes Lieberose und die Gemeinde Plattkow), dem Kreis Fürstenwalde (ohne die Gemeinden Wernsdorf und Rüdersdorf) sowie der bisher kreisfreien Stadt Eisenhüttenstadt wurde durch § 13 KNGBbg der Landkreis "Oder-Spree" geschaffen. Aufgrund von § 14 KNGBbg wurde die vormals zum Kreis Fürstenwalde gehörende Gemeinde Rüdersdorf dem aus den Kreisen Bad Freienwalde, Strausberg und Seelow gebildeten Kreis "Märkisch-Oderland" zugeordnet. Im Landkreis Spree-Neiße leben ca. 151.000 Einwohner auf einer Gesamtfläche von 1.666 qkm, im Landkreis Oder-Spree ca. 187.000 Einwohner auf 2.244 qkm und im Landkreis Märkisch-Oderland ca. 171.000 Einwohner auf 2.128 qkm.

Im Vorfeld der Kreisgebietsneugliederung beschloß die Landesregierung am 29. Januar 1991 die Vorbereitung eines entsprechenden Gesetzentwurfes. Am 1. April 1991 erstellte das Ministerium des Innern einen (ersten) Vorschlag zur Neugliederung. Dieser sah die Zusammenfassung der Kreise Cottbus-Land, Forst, Guben und Spremberg zu einem Kreis und - abweichend von der späteren Gesetzesfassung - die Verbindung von Stadt und Kreis Eisenhüttenstadt sowie dem Kreis Beeskow zu einem zweiten und der Kreise Fürstenwalde, Seelow und Strausberg zu einem weiteren Kreis vor.

Durch Runderlaß des Ministeriums des Innern vom 25. April 1991 erhielten die Landräte Gelegenheit, zu diesem Entwurf Stellung zu nehmen. Die Kreise Eisenhüttenstadt und Guben und die Stadt Eisenhüttenstadt sprachen sich nach entsprechenden Beschlüssen ihrer Vertretungsorgane für ihren Zusammenschluß zu einem Oder-Neiße-Kreis aus. Tragende Gründe für dieses Neugliederungsmodell waren die Stärkung einer gemeinsamen Wirtschaftsregion im Grenzbereich zu Polen, die Wiederherstellung historischer Verbindungen sowie die Belebung und Aufrechterhaltung kultureller Beziehungen, der Aufbau neuer Strukturen im Naturschutzpark Oder-Neiße und schließlich die Vorgaben des Braunkohletagebaus.

Im Mai 1991 setzte der Minister des Innern die Arbeitsgruppe "Kreisgebietsreform" ein, die im Oktober 1991 die verschiedenen Regionen Brandenburgs bereiste, öffentliche Anhörungen - unter anderem in Cottbus - durchführte und die Neugliederungsvorschläge mit den Vertretern der Landkreise und kreisfreien Städte erörterte. In ihrem Abschlußbericht vom 13. Dezember 1991 empfahl die Arbeitsgruppe die schließlich Gesetz gewordene Verbindung der Kreise Cottbus-Land, Spremberg, Forst und Guben einerseits sowie der Kreise Beeskow, Fürstenwalde und Eisenhüttenstadt und der Stadt Eisenhüttenstadt andererseits. Dabei ließ sich die Arbeitsgruppe leiten von einer angestrebten Mindesteinwohnerzahl von 120.000 und dem Prinzip der Sektoralkreisbildung sowie der Vermeidung einer Grenzkreislosung wegen fehlender Wachstumsimpulse und einer industriellen Monostruktur.

Am 28. Januar 1992 vereinbarten die Stadt und der Kreis Eisenhüttenstadt und der Kreis Guben die wechselseitige Information und Kooperation ihrer Verwaltungen. In einer von der Mittelstandsvereinigung Guben initiierten Unterschriftenaktion "Pro Guben" sprachen sich von Januar bis März 1992 10.408 Bürger für eine Verbindung von Guben mit Eisenhüttenstadt aus.

Mit Kabinettsbeschluß vom 10. März 1992 stellte die Landesregierung Leitlinien zur Kreisneugliederung auf. Die von der Arbeitsgruppe "Kreisgebietsreform" dargestellten Reformkriterien und Grundsätze zur Gesamtkonzeption der Gebietsaufteilungen wurden insgesamt weitgehend, die vorgeschlagenen Gebietszuschnitte in der fraglichen Region unverändert übernommen.

Mit Erlaß vom 24. März 1992 gab der Minister des Innern den Landkreisen und kreisfreien Städten Gelegenheit, zu dem Regierungskonzept bis zum 31. Mai 1992 Stellung zu nehmen. Die Kreise Eisenhüttenstadt und Guben und die Stadt Eisenhüttenstadt sprachen sich auf einer gemeinsamen Kreistagssitzung für ihre Zusammenfassung zu einem Kreis aus. Der Kreistag von Fürstenwalde befürwortete die Verbindung der Kreise Fürstenwalde und Beeskow. Während der Kreis Forst den Leitlinien der Landesregierung zustimmte, lehnte der Kreis Spremberg aus Achtung vor der Entscheidung Gubens den Zusammenschluß mit Guben ab. Der Kreis Cottbus-Land befürwortete zunächst ausdrücklich die Verbindung mit Guben, ließ diese aber in einem späteren Beschluß offen. Auf einer gemeinsamen Sitzung am 19. August 1992 stimmten die Kreistage von Cottbus-Land, Forst und Spremberg mehrheitlich für ihre Fusion.

Mit Wirkung vom 21. Juli 1992 wurde das Amt Rüdersdorf aus den Gemeinden Rüdersdorf (Kreis Fürstenwalde), Heinickendorf, Herzfelde und Lichtenow (Kreis Strausberg) gebildet. Die Kreisgrenzen überschreitende Amtsbildung beruhte auf der Lage des Industriestandortes Zementwerk Rüdersdorf. Die Gemeinde Rüdersdorf faßte den Beschluß, dem Kreis Strausberg zugeordnet werden zu wollen, während der Kreis Fürstenwalde dem widersprach.

Am 28. August 1992 wandten sich die Kreise Eisenhüttenstadt und Guben sowie die Stadt Eisenhüttenstadt erneut an den Innenminister und teilten ihm mit, sich für einen gemeinsamen Kreis entschieden zu haben. Sie begründeten diesen Entschluß insbesondere damit, daß die Verbindung mit Fürstenwalde und Beeskow zu einem Sektoralkreis nicht die angestrebten Impulse für die Grenzregion entfalten werde.

Am 22. September 1992 brachte die Landesregierung den Gesetzentwurf zur Neugliederung der Kreise und kreisfreien Städte (LT-Drs. 1/1259) in den Landtag ein. Danach sollte gemäß § 12 KNGBbg-E aus den Kreisen Cottbus-Land, Forst, Guben und Spremberg, gemäß § 13 KNGBbg-E aus dem Kreis Beeskow (ohne die Stadt Lieberose und die Gemeinden Blasdorf, Doberburg, Goschen, Jamlitz, Leeskow, Speichrow, Trebitz und Ullersdorf des Amtes Lieberose sowie die Gemeinde Plattkow), dem Kreis Eisenhüttenstadt-Land, dem Kreis Fürstenwalde (ohne die Gemeinden Wernsdorf und Rüdersdorf) sowie der bisher kreisfreien Stadt Eisenhüttenstadt und gemäß § 14 KNGBbg-E aus den Kreisen Bad Freienwalde (ohne die Gemeinden Tiefensee und Hohensaaten), Strausberg und Seelow sowie der Gemeinde Rüdersdorf (Kreis Fürstenwalde) jeweils ein neuer Landkreis gebildet werden.

2. Den Gesetzentwurf begründete die Landesregierung mit folgenden allgemeinen Reformkriterien:

Die im Land Brandenburg generell fehlende Mittelinstanz staatlicher Verwaltung und die damit verbundene weitestgehende Verlagerung der Verwaltungsaufgaben auf die kommunale Ebene verursache auf seiten der Landkreise einen Zuwachs an Verwaltungsaufgaben. Diesen Anforderungen könnten die Landkreise nur durch Schaffung einer leistungsstarken Verwaltung gerecht werden, die eine Vergrößerung der verwaltungstechnischen Einheiten erfordere Die neuen Landkreise sollten möglichst im Wege der Zusammenfassung mehrerer bestehender Kreise gebildet werden. Die Größe der Landkreise orientiere sich vornehmlich an einer anzustrebenden Mindesteinwohnerzahl von 150.000, in dünn besiedelten Gebieten von 120.000, ohne daß es sich dabei allerdings um einen ausnahmslos geltenden Maßstab handeln könne. Ergänzt werde das Kriterium der Mindesteinwohnerzahl um den Maßstab der Gebietsfläche in dem Sinne, daß die Landkreise nicht in eine regionale Dimension hineinwachsen dürften. Überdies gebiete die Lage Brandenburgs um die Enklave Berlin die möglichst konsequente Bildung von Sektoralkreisen, um die von dem Raum Berlin ausgehenden Entwicklungsimpulse unter Berücksichtigung der Verkehrsachsen in die Tiefe des Landes hineinwirken zu lassen und eine Verbindung zwischen starken und schwachen Wirtschaftsräumen herzustellen. Historische und traditionelle Gesichtspunkte sowie die Stellungnahmen und Anregungen der betroffenen Kreise seien berücksichtigt worden, soweit dies mit dem Gemeinwohl vereinbar gewesen sei.

Der Gesetzentwurf, der die Stellungnahmen der Landkreise einbezog, hielt die Neugliederungsvorschläge für die südöstliche Region Brandenburgs aus den folgenden wesentlichen Gründen für geeignet, diese allgemeinen Reformkriterien zu verwirklichen:

Die Verschmelzung der Kreise Beeskow, Fürstenwalde, Eisenhüttenstadt-Land und der Stadt Eisenhüttenstadt einerseits und der Kreise Cottbus-Land, Forst, Guben und Spremberg andererseits schaffe bevölkerungs- und damit leistungsstarke Landkreise, derer die östliche Grenzregion des Landes Brandenburg in besonderem Maße bedürfe. Die Schaffung des Oder- Spree-Kreises verwirkliche des Sektoralkreisprinzip und verknüpfe dieses in einer deutschen und europäischen Entwicklungsachse gelegene Gebiet. Zugleich werde der wirtschaftlich starke Kreis Fürstenwalde mit den strukturschwächeren östlichen Regionen verbunden. Schließlich bestünden historische Bezüge sowohl zwischen Fürstenwalde und Beeskow als auch zwischen Beeskow und dem Raum Eisenhüttenstadt, so daß Beeskow in dem neuen Kreis eine Gelenkfunktion wahrnehme. Die Ausgliederung der Gemeinde Rüdersdorf aus dem Kreis Fürstenwalde diene vornehmlich dem Ausgleich der Wirtschaftskraft unter den neuen Landkreisen und entspreche zudem dem von der Gemeindevertretung Rüdersdorf geäußerten Wunsch. Diese für die Schaffung des Oder-Spree- Kreises sprechenden Aspekte würden auch durch die mit 2.244 qkm eher große Flächenausdehnung dieses Kreises nicht beeinträchtigt.

Die von den Kreisen Eisenhüttenstadt-Land und Guben sowie der Stadt Eisenhüttenstadt von Beginn des Neugliederungsvorhabens an vertretene Alternative ihres Zusammenschlusses zu einem gemeinsamen Landkreis sei abzulehnen. Gegenüber dem Gesetzentwurf bedinge diese Lösung größere Nachteile. Bei Verwirklichung dieses Vorschlags entstünden in der fraglichen Region drei sich an der unteren Grenze der angestrebten Einwohnerzahl bewegende Landkreise, die den ihnen obliegenden und weiterhin zuwachsenden Aufgaben nicht gerecht werden könnten. Ein aus den Kreisen Beeskow und Fürstenwalde gebildeter, etwa 135.000 Einwohner zählender Landkreis könnte nicht die Funktion eines starken Sektoralkreises wahrnehmen. Ein aus den Kreisen Cottbus-Land, Forst und Spremberg bestehender, die kreisfreie Stadt Cottbus umgebender Kreis wäre mit lediglich etwa 117.000 Einwohnern gegenüber diesem Oberzentrum zu schwach. Ein aus der Stadt und dem Kreis Eisenhüttenstadt und dem Kreis Guben geschaffener Landkreis weise zudem eine abträgliche Binnenstruktur in Gestalt einer 75 v.H. Dominanz der Stadt- gegenüber der Landbevölkerung auf. Zusätzlich bestehe für diesen mit ca. 110.000 Einwohnern ebenfalls bevölkerungsschwachen Raum die Gefahr einer Auseinanderentwicklung zwischen den beiden nahegelegenen Oberzentren Frankfurt/Oder und Cottbus.

Im Anschluß an die erste Lesung des Gesetzentwurfes am 30. September 1992 war das Kreisneugliederungsgesetz Gegenstand der Beratung im Innenausschuß, der vom 15. bis zum 17. Oktober und am 30. November 1992 Anhörungen durchführte.

In der Anhörung vom 16. Oktober 1992 (Ausschußprotokoll 1/538) erneuerten Vertreter der Kreise Beeskow, Cottbus-Land, Eisenhüttenstadt-Land, Forst, Fürstenwalde, Guben und Spremberg sowie der Stadt Eisenhüttenstadt unter Bezugnahme auf die Beschlußlage in ihren Vertretungsorganen im wesentlichen ihre bereits im Vorbereitungsstadium des Gesetzgebungsverfahrens vertretenen Standpunkte. Uneingeschränkte Zustimmung fand der gesetzgeberische Neugliederungsvorschlag unter Heranziehung der Neugliederungskriterien beim Kreis Beeskow. Demgegenüber lehnten die Vertreter des Kreises Fürstenwalde die Verbindung mit Stadt und Kreis Eisenhüttenstadt ab. Während zwischen Fürstenwalde und Beeskow historische, landschaftliche, infrastrukturelle und wirtschaftliche Verbindungen bestünden, fehlten Beziehungen dieser Art zu Eisenhüttenstadt gänzlich, so daß dieser östliche Teil des Kreises isoliert bleiben werde. Die in die Bildung eines Großkreises einschließlich von Stadt und Kreis Eisenhüttenstadt gesetzten wirtschaftlichen Hoffnungen seien unrealistisch, die Wirtschaft Fürstenwaldes werde überschätzt. Angesichts des anteiligen Bruttosozialproduktes des Amtes Rüdersdorf von derzeit 36 v.H. an dem des gesamten Kreises Fürstenwalde sei dieser Industriestandort auch für den neuen Kreis unverzichtbar.

Die Schaffung eines Spree-Neiße-Kreises entsprechend dem Gesetzentwurf befürworteten die Vertreter der Kreise Cottbus- Land und Forst. Unter Hinweis auf zurückliegende Kreistagsbeschlüsse hielten die Vertreter des Kreises Forst die Verbindung mit Guben angesichts der historischen und kulturellen Einheit der Niederlausitz, der wirtschaftsstrukturellen Verflechtungen und eines neben dem Oberzentrum Cottbus anzustrebenden gleichstarken Kreises für vorzugswürdig. Seitens des Kreises Cottbus-Land wurde die Einbeziehung Gubens in den Spree-Neiße-Kreis aus wirtschaftlichen und landesplanerischen Erwägungen für günstig, aber auch der Wille der Bevölkerung des Kreises Guben für beachtlich gehalten.

Unter Hinweis auf den gemeinsamen Beschluß der Kreistage von Cottbus-Land, Forst und Spremberg vom 19. August 1992 hielten die Vertreter des Kreises Spremberg daran fest, nicht mit Guben zu einem Landkreis zusammengeschlossen werden zu wollen. Der Zusammenschluß der Kreise Cottbus-Land, Forst und Spremberg sei aus infra- und wirtschaftsstrukturellen Gründen geboten. Namentlich seien diese Kreise durch den Braunkohletagebau miteinander verbunden, der zugleich die Wirtschaftskraft des neuen Landkreises sichere.

In Fortführung der Beschlüsse der Kreistage und der Stadtverordnetenversammlung traten die Vertreter der Kreise Eisenhüttenstadt-Land und Guben und der Stadt Eisenhüttenstadt für ihren Zusammenschluß zu einem gemeinsamen Landkreis ein. Dies im wesentlichen aus folgenden Gründen: Maßgeblichkeit des in der Unterschriftenaktion ermittelten und auch im übrigen geäußerten Bürgerwillens; der im Süden von Guben stattfindende Braunkohleabbau, der einen natürlichen Randriegel schaffe und Guben in einem nach Maßgabe des Gesetzentwurfes gebildeten Spree-Neiße-Kreis isolieren würde; die bis 1952 bestandene Verwaltungseinheit von Guben und Eisenhüttenstadt, an der sich auch die Verwaltungsebenen der Kirchen orientierten; die mit 116 Einwohnern/qkm im Vergleich zum Gesetzentwurf (87 Einwohnern/qkm) günstigere Relation von Finanz- und Verwaltungskraft zur Einwohnerdichte, so daß die Unterschreitung der angestrebten Mindesteinwohnerzahl unbedenklich sei; schließlich die begonnene Zusammenarbeit der Verwaltungen auf verschiedensten Gebieten.

4. In der Sitzung vom 5. November 1992 faßte der Ausschuß für Inneres den von dem Gesetzentwurf abweichenden Beschluß, den Kreis Guben nicht dem Landkreis nach § 12 KNGBbg-E (Spree-Neiße-Kreis), sondern dem Landkreis nach § 13 KNGBbg-E (Oder-Spree-Kreis) zuzuordnen und stimmte dem Gesetzentwurf darin zu, die Gemeinde Rüdersdorf nicht dem Oder-Spree-Kreis einzuverleiben (Ausschußprotokoll 1/545 S. 8 ff.). In seiner darauffolgenden Sitzung vom 12. November 1992 bestimmte der Ausschuß Termin zur Anhörung der von seinem Beschluß betroffenen Gemeindeverbände auf den 30. November 1992 (Ausschußprotokoll 1/553 S. 2). Der Ausschuß diskutierte kontrovers über das Erfordernis einer (schriftlichen) Begründung für seinen Beschluß vom 5. November 1992, die der Ausschußvorsitzende Häßler ausdrücklich verweigerte. Der Änderungsvorschlag fand sodann in der Beschlußempfehlung des Ausschusses (LT-Drs. 1/1455) keine Mehrheit und im weiteren Gesetzgebungsverfahren keine Berücksichtigung.

Während der Anhörung äußerten sich die Vertreter der betroffenen Kreise und der Stadt Eisenhüttenstadt ergänzend und klarstellend. So unterstrichen die Vertreter des Kreises Fürstenwalde unter Hinweis auf den durch über 3.700 Unterschriften dokumentierten Willen der Bevölkerung sowohl die Bedeutung des Industriestandortes Rüdersdorf für ihren Kreis als auch ihre Ablehnung eines Sektoralkreises. Die Vertreter des Kreises Beeskow zeigten sich auch mit der Einbeziehung Gubens in den Oder-Spree-Kreis einverstanden. Der Kreis Spremberg äußerte unter Hinweis auf einen jüngsten Kreistagsbeschluß Zustimmung zu dem den Gesetzentwurf abändernden Beschluß des Innenausschusses. Der Kreis Cottbus- Land hielt für die Zuordnung des Kreises Guben den Willen der dortigen Bevölkerung für ausschlaggebend und zeigte sich mit einem Spree-Neiße-Kreis mit und ohne Guben einverstanden. Die Vertreter des Kreises Forst teilten mit, daß ein Beschluß vom 16. November 1992 die Befürwortung eines Kreises aus Cottbus- Land, Forst, Guben und Spremberg klargestellt habe. Das vom Innenausschuß entwickelte Modell eines um den Kreis Guben erweiterten Oder-Spree-Kreises wurde wegen einer damit einhergehenden unausgewogenen Kreisstruktur abgelehnt. Schließlich versagten die Vertreter der Kreise Eisenhüttenstadt und Guben und der Stadt Eisenhüttenstadt unter Bezugnahme auf ihre Beschlußlage dem Modell des Innenausschusses ihre Zustimmung.

Der Ausschuß für Inneres stimmte schließlich mehrheitlich den §§ 12, 13 und 14 (in bezug auf die Gemeinde Rüdersdorf) des Gesetzentwurfes zu und faßte eine entsprechende Beschlußempfehlung (LT-Drs. 1/1455). Änderungsanträge zur Verwirklichung eines Landkreises aus den Kreisen Eisenhüttenstadt-Land und Guben und der Stadt Eisenhüttenstadt fanden keine Mehrheit. Der Landtag beriet den Gesetzentwurf am 16. Dezember 1992 in zweiter und letzter Lesung.

5. Ein Gesetzentwurf vom 16. Juni 1993 (LT-Drs. 1/2079) zur Änderung der §§ 12 und 13 KNGBbg und zur Einfügung eines § 14a KNGBbg des Inhalts, die Kreise Eisenhüttenstadt-Land und Guben und die Stadt Eisenhüttenstadt zu einem gemeinsamen Landkreis zu verbinden, wurde vom Landtag nicht an den Innenausschuß überwiesen (Plenarprotokoll 1/72 vom 23.6.1993). Ein Volksbegehren "Kreisneugliederung" kam nicht zustande. Mit Beschluß vom 16.12.1993 stellte das Präsidium des Landtages 9.259 gültige Eintragungen fest (Bekanntmachung des Gesamtergebnisses des Volksbegehrens "Kreisneugliederung" vom 16.12.1993, GVBl. I S. 534).

II.

Die Beschwerdeführer haben am 22. September 1993 gegen §§ 12, 13 und 14 KNGBbg Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie machen geltend, die gesetzliche Neugliederungsregelung verletze sie in ihrem durch die Landesverfassung verbürgten Recht auf Selbstverwaltung.

Die Beschwerdeführer tragen vor, sie seien nicht ausreichend im Sinne des Art. 98 Abs. 3 S. 3 LV angehört worden. Sie sehen Anhörungsfehler darin, daß ihnen nicht alle wesentlichen, die Neugliederungsentscheidung tragenden Gründe rechtzeitig und in dem erforderlichen Umfang mitgeteilt worden seien, so daß eine angemessene Sachentscheidung weder zeitlich noch inhaltlich habe stattfinden können. Zum einen vernachlässige die pauschale Begründung des Gesetzentwurfes wie die Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen der Beschwerdeführer die besonderen regionalen Gegebenheiten, zum anderen habe die Kürze des Gesetzgebungsverfahrens einer eingehenden Erörterung entgegengestanden, wie sie geboten gewesen wäre.

Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, die gesetzlichen Regelungen seien - auch im Hinblick auf die Neugliederungsziele des Gesetzgebers - offensichtlich ungeeignet, wegen einer besseren Alternativlösung im fraglichen Raum nicht erforderlich und vor allem wegen der fehlenden Akzeptanz in der Bevölkerung und den kommunalen Vertretungsorganen nicht verhältnismäßig. Der Oder-Spree-Kreis könne keine sachgerechte Aufgabenerfüllung gewährleisten. Mit Fürstenwalde und Eisenhüttenstadt wurden wirtschaftlich verschieden strukturierte und oberzentral unterschiedlich orientierte Räume verbunden, die, statt zusammenzuwachsen, auseinanderstrebten. In der Folge ließen sich weder die Impulse aus Berlin und dem Berliner Umland nach Eisenhüttenstadt tragen, womit die Sektoralkreisbildung ihren Zweck verfehle, noch die eigenen Entwicklungschancen des Grenzraumes nutzbar machen. Gleichzeitig widerspreche die Ausgrenzung des traditionellen Industriestandortes Rüdersdorf aus dem Oder-Spree-Kreis den bestehenden Verflechtungen zu Fürstenwalde sowie wegen der Schwächung der Wirtschaftskraft des neuen Kreises der Zielsetzung der Sektoralkreisbildung.

Gleichermaßen erweise sich die Verbindung der Kreise Cottbus-Land, Forst und Spremberg mit dem Kreis Guben als ungeeignet. Guben werde infolge des sich nach Norden ausdehnenden und verschiebenden Braunkohletagebaus von dem übrigen Kreisgebiet abgetrennt und somit zu einer Exklave dieses Kreises werden. Ohnedies hemme die unterschiedliche Wirtschaftsstruktur und die Ausrichtung Gubens nach Eisenhüttenstadt die Entwicklungsmöglichkeiten des neuen Kreises. Überdies bringe die Zusammenfassung von vier nahezu gleichgroßen Kreisen und drei leistungsfähigen Mittelzentren besondere organisatorische, personelle und funktionale Probleme mit sich.

Stattdessen halten die Beschwerdeführer die Bildung eines dritten Kreises durch den Zusammenschluß der Kreise Eisenhüttenstadt und Guben mit der Stadt Eisenhüttenstadt im Interesse dieser wie der benachbarten Gebiete für die bessere Alternative. Die auf diese Weise entstehenden Kreise seien nach Einwohnerzahl und Fläche jeweils (nahezu) leitbildgerecht, wiesen eine homogene wirtschaftliche Struktur und Aufgabenstellung in der Grenzregion und damit einhergehend spezifische Entwicklungsmöglichkeiten auf, seien von überschaubarer Größe und auch von daher für eine effektive Wahrnehmung ihrer Aufgaben gut geeignet.

III.

Das Gericht hat dem Landtag, der Landesregierung, den Landkreisen Oder-Spree, Spree-Neiße und Märkisch-Oderland sowie den vormaligen Landkreisen Beeskow, Cottbus-Land und Forst Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

Der Landtag hat beschlossen, von einer Stellungnahme abzusehen.

Für die Landesregierung hat sich das Ministerium des Innern geäußert. Es hält die Verfassungsbeschwerden für unzulässig und unbegründet Die Verfassungsbeschwerden seien bereits unzulässig, da die Beschwerdeführer nicht die Verletzung eigener Rechte geltend machten. Denn sie wendeten sich nicht gegen ihre zum Rechtsverlust führende Auflösung, sondern lediglich gegen die Art der Durchführung der Neugliederung. In der Sache sei die Argumentation der Beschwerdeführer unzutreffend. §§ 12, 13 und 14 KNGBbg seien formell wie materiell verfassungsgemäß. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes sowie nach dem Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens und den das Gesetzgebungsvorhaben vorbereitenden Maßnahmen habe eine umfangreiche Auseinandersetzung mit den Argumenten der Beschwerdeführer - und der anderen betroffenen Kreise und der Stadt Eisenhüttenstadt - stattgefunden. Gemessen an den grundlegenden Reformkriterien sei die gesetzgeberische Entscheidung gegenüber dem Alternativvorschlag der Beschwerdeführer besser geeignet. Die Überschreitung der angestrebten Einwohnerzahlen im Oder-Spree-Kreis sei einer sachgerechten und wirtschaftlichen Aufgabenerfüllung geradezu förderlich. Demgegenüber gerate die von den Beschwerdeführern vorgeschlagene Alternativlösung in Widerspruch zu der zu erreichenden Mindesteinwohnerzahl und dem Prinzip der Sektoralkreisbildung. Das von den Beschwerdeführern in Aussicht gestellte eigene Profil eines aus den Kreisen Eisenhüttenstadt und Guben und der Stadt Eisenhüttenstadt zu bildenden Kreises sei nicht erkennbar. Der Kreis Guben werde ungeachtet des Braunkohletagebaus angesichts ausreichender Verkehrsverbindungen nicht von den südlichen Gebieten des Spree-Neiße-Kreises isoliert.

Die Kreise Beeskow, Cottbus-Land und Märkisch-Oderland haben ihr Äußerungsrecht ausgeübt und halten übereinstimmend §§ 12, 13 und 14 KNGBbg für verfassungsgemäß.

IV.

Die Stadt Eisenhüttenstadt und der Kreis Fürstenwalde haben ihre zusammen mit den Beschwerdeführern erhobenen Verfassungsbeschwerden mit am 11. April 1994 eingegangenem Schriftsatz zurückgenommen.

B.

Die Kommunalverfassungsbeschwerden nach Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg), die das Gericht zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat, sind zulässig. Die Beschwerdeführer sind beschwerdefähig, prozeßfähig und beschwerdebefugt.

I.

Die Beschwerdeführer sind als ehemalige Gemeindeverbände gemäß § 51 Abs. 1 VerfGGBbg beschwerdefähig. Ihre Auflösung durch § 16 S. 2 KNGBbg i.V.m. § 1 Wahldurchführungsgesetz (Art. 2 des Gesetzes über die Neuordnung des Kommunalwahlrechts im Land Brandenburg, die Änderung der Kommunalverfassung sowie die Änderung der Amtsordnung vom 22. April 1993, GVBl. I S. 110) zum 5. Dezember 1993 steht der Zulässigkeit ihrer Verfassungsbeschwerden nicht entgegen. Für die Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den ihre Auflösung bewirkenden Rechtsakt gelten Gemeindeverbände als fortbestehend. Den Fortbestand der Rechtspersönlichkeit und damit der Beschwerdefähigkeit zu fingieren, ist ein Gebot der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, da anderenfalls auch der Existenzverlust nicht rügefähig bliebe (s. bereits VerfGBbg, Urteil vom 14. Juli 1994 - VfGBbg 4/93 - zur Veröffentlichung bestimmt; aus der st. Rspr. vgl. nur BVerfGE 3, 267, 279 f.; 42, 345, 355 f.; VerfGH NW OVGE 31, 309, 310; Saarl. VerfGH NVwZ 1994, 481 jeweils m.w.N.).

II.

Vertreten werden die Beschwerdeführer zu 2 und 3. durch ihre zuletzt amtierenden Landräte als ihre gesetzlichen Vertreter (§ 91 Abs. 1 S 2 des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990, GBl. der DDR I S. 255), der Beschwerdeführer zu 1. durch den zuletzt amtierenden stellvertretenden Landrat (§ 92 Abs. 2 S. 1 Kommunalverfassung). Ebenso wie die Beschwerdeführer kraft Fiktion als beschwerdefähig zu behandeln sind, gilt die Vertretungsfunktion ihrer Landräte und stellvertretenden Landräte, deren Amtszeit mit dem Tag des Dienstantritts des neuen Landrats, spätestens aber mit dem 5. Mai 1994 endete (§ 18 Abs. 2 S. 2 und 3 KNGBbg i.d.F. des Art. 8 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg vom 15. Oktober 1993, GVBl. I S. 398), als fortbestehend (s. bereits VerfGBbg, Urteil vom 14. Juli 1994 - VfGBbg 4/93 - aaO.). Soweit die Landräte oder ihre Stellvertreter nicht in den Diensten der neuen Landkreise stehen, ist es mangels der Gefahr eines Interessenwiderstreits nicht veranlaßt, die Prozeßfähigkeit der Beschwerdeführer über ihre Repräsentativorgane herzustellen (so aber VerfGH NW OVGE 26, 306, 310; 26, 316, 318; 31, 309, 310). Da die zuletzt amtierende Landrätin des Kreises Eisenhüttenstadt nunmehr als Beigeordnete und Dezernentin für Kultur-, Bildungs- und Sozialverwaltung des Kreises Oder-Spree tätig ist, wird der Beschwerdeführer zu 1. durch seinen früheren Beigeordneten und stellvertretenden Landrat vertreten.

III.

Die Beschwerdeführer sind beschwerdebefugt. Es besteht die Möglichkeit, daß sie durch §§ 12, 13 und 14 KNGBbg in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 97, 98 LV verletzt worden sind. Dem steht weder ihre grundsätzliche Zustimmung zu ihrer Auflösung noch ihre geschlossene Überführung in die neugebildeten Kreise Oder-Spree und Spree-Neiße entgegen. Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeindeverbände erstreckt sich auch darauf, im Rahmen einer Neugliederungsmaßnahme geltend machen zu können, die sie betreffenden Bestands- und Gebietsänderungen entsprächen nicht dem öffentlichen Wohl im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV (s. bereits VerfGBbg, Urteil vom 14. Juli 1994 VfGBbg 4/93 - aaO.).

C.

Die Verfassungsbeschwerden sind indessen unbegründet.

§§ 12, 13 und 14 KNGBbg verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 97, 98 LV.

I.

Das Gebiet von Gemeindeverbänden kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohls geändert werden (Art. 98 Abs. 1 Lv). Vor der Entscheidung über seine Auflösung ist die gewählte Vertretung des Gemeindeverbandes zu hören (Art. 98 Abs. 3 S. 3 LV). Mit diesen verfassungsrechtlichen Geboten kodifiziert die Landesverfassung - entsprechend der in den Beratungen des Verfassungsentwurfes erklärten Absicht (so der Mitarbeiter der SPD-Fraktion, Herr Lieber, in der 8. Sitzung des Verfassungsausschusses II vom 9. April 1992, Protokoll S. 17, Dokumentation zur Verfassung des Landes Brandenburg, Band 3, S. 917) die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Landesverfassungsgerichte aus Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und den entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen entwickelten Anforderungen an Neugliederungsmaßnahmen. Danach steht die gesetzgeberische Verfügungsbefugnis über den Bestand und Gebietszuschnitt von Gemeinden und Gemeindeverbänden unter dem Vorbehalt, von Gründen des öffentlichen Wohls getragen und nur nach vorheriger Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaften zulässig zu sein (vgl. nur BVerfGE 86, 90, 107 m.w.N.; VerfGH NW OVGE 26, 270, 272 f.). Bestands- und Gebietsänderungen von Landkreisen als Gemeindeverbänden (vgl. Art. 98 Abs. 3 S. 1 und 2 LV; BVerfGE 52, 95, 111 f.) berühren, sofern nur die kreisliche Ebene überhaupt erhalten bleibt, lediglich die individuelle, nicht aber die institutionelle Selbstverwaltungsgarantie. Ein eingriffsfester Kernbereich besteht nur zugunsten der institutionellen Selbstverwaltungsgarantie, hingegen für den einzelnen Gemeindeverband ebensowenig wie für die einzelnen Gemeinden (so für die Gemeinden bereits VerfGBbg, Urt. v. 19 5.1994 - VfGBbg a/93 -, DVBl 1994, 857 (858) m.w.N.). Der einzelne Gemeindeverband unterliegt nur einem nach Maßgabe des öffentlichen Wohls relativierten Bestandsschutz (StGH BaWü ESVGH 25, 1, 10).

II.

Die Auflösung der Beschwerdeführer und ihre Vereinigung mit den benachbarten Kreisen zu den neuen Landkreisen Oder-Spree und Spree-Neiße genügt den die Selbstverwaltungsgarantie konkretisierenden Anforderungen des Art. 98 Abs. 1 und 3 LV. §§ 12, 13 und 14 KNGBbg sind formell (1.) und materiell (2.) verfassungsgemäß.

1. Das Gesetzgebungsverfahren ist verfassungsgemäß erfolgt. Insbesondere wurden die Beschwerdeführer vor der gesetzlichen Neugliederungsentscheidung in verfassungsrechtlich gebotenem Umfang (Art. 98 Abs. 3 S. 3 LV) angehört.

Die Anhörung der von der Gebietsänderung betroffenen Gemeindeverbände verfolgt als ein verfahrensrechtliches Sicherungsinstrument ihrer Selbstverwaltungsgarantie die Zwecke, dem Gesetzgeber eine umfassende Entscheidungsgrundlage zu vermitteln und die Gemeindeverbände als Rechtsträger nicht zum bloßen Regelungsobjekt werden zulassen (vgl. BVerfGE 50, 195, 202 f. m.w.N.; BayVerfGHE 31, 99, 129). Für die Anhörung schreibt Art. 98 Abs. 3 S. 3 LV kein bestimmtes förmliches Verfahren vor. Daher sind alle Formen einer Anhörung zulässig, die sicherstellen, daß die in der gewählten Vertretung des Gemeindeverbandes stattgefundene Meinungsbildung dem Gesetzgeber zur Kenntnis gelangt. Voraussetzung einer sachgerechten Stellungnahme ist, daß der Anhörung die rechtzeitige Information über die beabsichtigte Regelung einschließlich ihres wesentlichen Inhalts und ihrer maßgeblichen Begründung vorausgeht.

Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Erfordernissen ist die Anhörung der Beschwerdeführer zeitlich und inhaltlich ausreichend gewesen.

a) Der Wille der Bevölkerung in den beschwerdeführenden Kreisen ist im Gesetzgebungsverfahren durch die Stellungnahmen der Landräte und der Vorsitzenden der Kreistage in der Anhörung vor dem Innenausschuß des Landtages vom 16. Oktober 1992 zur Kenntnis gebracht worden. Die Vertreter der Beschwerdeführer hatten nochmals die Gründe vortragen können, aus denen sie die Bildung der Landkreise Oder-Spree und Spree-Neiße ablehnen. Die Beschwerdeführer konnten ihre Interessen wirksam vertreten und ihre Argumente gegen die geplante Neugliederung uneingeschränkt vortragen. Die betroffenen Kreise waren durch die Übermittlung des vollständigen Gesetzentwurfes über den räumlichen Umfang des Neugliederungsvorhabens und dessen wesentliche Begründung ausreichend informiert. Die Begründung ließ insbesondere in dem für eine sachgerechte Stellungnahme erforderlichen Umfang die Erwägungen erkennen, aus denen den Anregungen der Beschwerdeführer nicht gefolgt worden war.

Auch wenn dies von der Verfassung her nicht geboten war (vgl Art. 98 Abs. 3 S. 3 LV), sind im Gesetzgebungsverfahren die Ergebnisse verschiedener Unterschriftenaktionen zur Kenntnis genommen worden, die im übrigen keinen Rückschluß auf die Zahl derjenigen Bürger zulassen, die einer Neugliederung, wie sie Gesetz geworden ist, offener oder gar zustimmend gegenüberstanden.

b) Die Kreistage der Beschwerdeführer hatten weiterhin genügend Zeit für eine begründete Willens- und Meinungsbildung und die Herbeiführung entsprechender Beschlüsse. Zwar ist nicht zu verkennen, daß zwischen der Einbringung des Gesetzentwurfes am 22. September 1992 und der ersten mündlichen Anhörung der Beschwerdeführer am 16. Oktober 1992 ein relativ kurzer Zeitraum lag. Die Anhörungsrechte der Beschwerdeführer wurden hierdurch jedoch nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise verkürzt, da die Beschwerdeführer von dem Inhalt des Neugliederungsvorhabens ersichtlich nicht überrascht worden sind. Die Beschwerdeführer erhielten seit Anfang 1991 wiederholt Gelegenheit, sich zum jeweiligen Stand der Pläne zur Kreisneugliederung zu äußern. Der Gesetzentwurf der Landesregierung übernahm im wesentlichen die Neuordnungskriterien und Neugliederungsvorschläge der Arbeitsgruppe "Kreisgebietsreform", die den Beschwerdeführern schon seit Ende 91 bekannt gewesen sind. Für ihre Stellungnahme zum Gesetzentwurf konnten die Beschwerdeführer auf frühere Beschlüsse ihrer Vertretungsorgane und vorangegangene Stellungnahmen zurückgreifen, so daß nur zu prüfen war, ob diese weiterhin Bestand haben sollten. Angesichts des Umstandes, daß der Gesetzentwurf den betroffenen Kreisen bereits Ende August übersandt worden war, ist die Äußerungszeit nicht zu knapp bemessen gewesen.

c) Soweit der Änderungsvorschlag des Innenausschusses vom 5. November 1992 in Frage steht, bedurfte es keiner formell verfassungsgemäßen erneuten Anhörung, weil er für die schließlich Gesetz gewordene Fassung der §§ 12 und 13 KNGBbg ohne Bedeutung geblieben ist.

2. Die §§ 12, 13 und 14 KNGBbg sind auch in sachlicher Hinsicht verfassungsgemäß. Die Auflösung der Beschwerdeführer zugunsten der Schaffung der Landkreise Oder-Spree und Spree-Neiße verstößt nicht gegen das öffentliche Wohl im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV. Gemessen an den Maßstäben für die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte (a)) hat der Gesetzgeber die Gründe des öffentlichen Wohls für die Kreisneugliederung verfassungsgemäß bestimmt (b)) und in §§ 12, 13 und 14 KNGBbg verfassungsgemäß umgesetzt (c)).

a) Der Inhalt des Begriffes des öffentlichen Wohls ist nicht festgelegt. Er muß vom Gesetzgeber ausgefüllt werden. Der Gesetzgeber bestimmt mit den Zielen seines Gesetzes die für die Neugliederung maßgebenden Gründe des öffentlichen Wohls (Nds. StGH. Nds. MinBl. 1979, S. 547, 585). Bei Neugliederungsentscheidungen kommt dem Gesetzgeber innerhalb des von der Verfassung gesteckten Rahmens grundsätzlich eine politische Entscheidungsbefugnis und Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zu, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe der Gebietsänderung selbst festlegen kann. Die Ausübung dieses gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums unterliegt einer nur eingeschränkten verfassungsrichterlichen Überprüfung. Es gelten für die Kontrolle von Neugliederungsgesetzen durch das Landesverfassungsgericht am Maßstab der Landesverfassung die gleichen Grundsätze, wie sie in ständiger Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht und von den Verfassungsgerichten der Länder entwickelt worden sind (vgl. schon VerfGBbg, Urteil vom 14. Juli 1994, aaO. sowie BVerfGE 50, 50, 51 f.; 86, 90, 107 ff.; Nds. StGH Nds. MinBl. 1979, 547, 586 ff.; StGH BaWü ESVGH 23, 1, 4 ff.).

Da das Verfassungsgericht sich nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen darf, hat es seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder im übrigen der verfassungsmäßigen Wertordnung widersprechen. Das Verfassungsgericht überprüft den Abwägungsvorgang daraufhin, ob der Gesetzgeber den entscheidungserheblichen Sachverhalt umfassend ermittelt, seiner Regelung zugrunde gelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Bei Beachtung dieser prozeduralen Maßgaben ist die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange dem Gesetzgeber soweit überlassen, als das mit einem Eingriff in den Bestand einzelner Gemeindeverbände verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsentscheidung getroffen hat (BVerfGE 86, 90, 109).

b) Die vom Gesetzgeber nach der Begründung des Gesetzentwurfes wie auch nach dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens mit der Kreisneugliederung verfolgten Ziele der Neugliederungsprinzipien halten sich innerhalb der verfassungsrechtlichen Maßgaben zur gesetzgeberischen Bestimmung des öffentlichen Wohls. Daß überhaupt eine wie auch immer im einzelnen ausgestaltete - Kreisgebietsreform im Land Brandenburg und in ihrem Rahmen die Neuordnung der südöstlichen Region des Landes aus Gründen des öffentlichen Wohls notwendig war, ist allgemein - auch von den Beschwerdeführern - anerkannt.

Mit der Neuordnung verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, hinreichend leistungsfähige Landkreise zu schaffen. Die Stärkung ihrer Finanz- und die Sicherung ihrer Verwaltungskraft soll die Landkreise in den Stand setzen, den ihnen im Rahmen eines zweigliedrigen Verwaltungsaufbaus zukommenden Aufgaben gerecht zu werden. Zu diesem Zweck soll eine Einwohnerzahl in den Landkreisen von 150.000 angestrebt, eine Zahl von 120.000 Einwohnern möglichst nicht unterschritten werden. Um eine einseitige Entwicklung des Berlin-nahen Raumes zu verhindern, sollen Sektoralkreise gebildet werden. Zur Schaffung möglichst gleicher Lebensverhältnisse sollen wirtschaftlich stärkere und wirtschaftlich schwächere Räume miteinander verbunden werden.

Die Gemeinwohlkonformität dieser Ziele und der auf ihre Verwirklichung gerichteten Neugliederungsprinzipien ist gemessen an den von den Kreisen wahrzunehmenden Aufgaben unbestreitbar und wird auch von den Beschwerdeführern nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

c) Auch die gesetzgeberische Konkretisierung dieser Neugliederungskonzeption in dem südöstlichen Landesteil zwischen Fürstenwalde und Spremberg entspricht dem öffentlichen Wohl. Der Gesetzgeber hat sich bei dieser Neugliederungsmaßnahme von seinen generellen Maßgaben leiten lassen und diese unter Beachtung verfahrensmäßiger Anforderungen (aa)), des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (bb)) und des Willkürverbotes (cc)) angewendet.

aa) Der Gesetzgeber hat den sich aus dem Gemeinwohlerfordernis ergebenden prozeduralen Bindungen hinreichend Rechnung getragen. Der den §§ 12, 13 und 14 KNGBbg zugrundeliegende Abwägungsvorgang gibt zu durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken keinen Anlaß. Ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf (LT-Drs. 1/1259) und des weiteren Gesetzgebungsverfahrens hat der Gesetzgeber den für diese Neugliederungsentscheidungen relevanten Sachverhalt umfassend ermittelt und zur Kenntnis genommen und die Vor- und Nachteile der gesetzlichen Regelungen in die Abwägung eingestellt.

Dabei war Gegenstand der Erörterung und Bewertung in ausreichendem Umfang auch die von den Beschwerdeführern einmütig vorgeschlagene Neugliederungsalternative. Die Einzelbegründungen zu den §§ 12, 13 und 14 des Gesetzentwurfes geben die Beschlüsse der betroffenen Kreistage sowie der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Eisenhüttenstadt einschließlich der wesentlichen Inhalte ihrer Stellungnahmen wieder. Der Gesetzentwurf beließ es auch nicht etwa bei der bloßen Wiedergabe, sondern bewertete seinen Neugliederungsvorschlag einerseits und die von den Beschwerdeführern und der Stadt Eisenhüttenstadt und dem Kreis Fürstenwalde favorisierte Alternativlösung andererseits nach seinen allgemeinen Neugliederungskriterien. In diesem Sinne wurden die Einwohner- und Flächenzahlen, die Verteilung der Bevölkerung auf Stadt und Land, die Wirtschaftsstruktur und die für die Aufgabenerfüllung der Landkreise maßgeblichen Voraussetzungen gegenübergestellt. Eine weitergehende Auseinandersetzung des Gesetzgebers mit dem zugrundeliegenden Tatsachenmaterial ist von Verfassungs wegen nicht zu verlangen. Die abweichenden Auffassungen über die Kreisneugliederung in der fraglichen Region beruhen auf unterschiedlichen Wertungen und Prognosen, die sich einer gesicherten Feststellung und Überprüfung weitgehend entziehen.

bb) Auch im sachlichen Ergebnis genügen die angegriffenen Neugliederungsentscheidungen der Bindung des Gesetzgebers an das Gemeinwohl. Wenn sich auch aus dem Vortrag der Beschwerdeführer Gesichtspunkte gegen die gesetzgeberische und für eine andersartige Neugliederungslösung ergeben mögen, so sind §§ l2, 13 und 14 KNGBbg doch nicht verfassungswidrig. Diese Regelungen sind nicht offensichtlich unverhältnismäßig; sie sind weder offensichtlich ungeeignet ((l.)) noch offensichtlich nicht erforderlich ((2.)) noch offensichtlich unzumutbar ((3.)).

(1.) 2um Zweck der Verwirklichung der Neugliederungsziele sind die gesetzgeberischen Maßnahmen nicht offensichtlich ungeeignet. Vielmehr verhelfen sie den oben dargelegten gemeinwohlkonformen Wertungen und Erwägungen, die das Neugliederungskonzept kennzeichnen, zu möglichst weitgehender und vollständiger Geltung. Die Landkreise Oder-Spree und Spree- Neiße erreichen und überschreiten die angestrebte Mindesteinwohnerzahl. In Übereinstimmung mit der gesetzgeberischen Zielsetzung werden mit dem wirtschaftlich stärkeren Kreis Fürstenwalde auf der einen und den ebenfalls leistungsstärkeren Kreisen Forst und Spremberg auf der anderen Seite jeweils leistungsschwächere Gebiete verbunden, so daß im Ergebnis eine ausgewogene Wirtschaftskraft und -struktur gefördert wird. Angesichts der geographischen Lage des neuzustrukturierenden Gebietes im Südosten Brandenburgs bedeutet die gesetzgeberische Entscheidung in §§ 12 und 13 KNGBbg ferner eine weitgehende Umsetzung des Sektoralkreiskonzepts. Die Einbeziehung der südlichen Niederlausitz in diese Konzeption war allerdings aufgrund ihrer Randlage von vornherein ausgeschlossen.

Weder nach seiner flächenmäßigen Ausdehnung von 2.440 qkm noch auch wegen seiner inhomogenen Wirtschaftsstruktur muß der Oder-Spree-Kreist seinen Zweck als Sektoralkreis, nämlich: die wirtschaftlichen Impulse aus dem Berliner Umland in die Grenzregion zu transportieren, verfehlen. Die gesetzgeberische Prognose erscheint im Vergleich zu derjenigen der Beschwerdeführer nicht von vornherein ungerechtfertigt. Die Bündelung wirtschaftlich unterschiedlich - gewerblich/industriell und landwirtschaftlich - strukturierter und leistungsfähiger Gebiete in einem Landkreis kann seiner Leistungsfähigkeit, einer gesicherten Aufgabenerfüllung und der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse zugute kommen. Die Überführung der wirtschaftsstarken Gemeinde Rüdersdorf in den Landkreis Märkisch-Oderland zulasten des Kreises Oder-Spree macht den Gebietszuschnitt gleichfalls nicht offenbar untauglich. Wenngleich hierdurch eine nicht unerhebliche Minderung der augenblicklichen Leistungsfähigkeit des Oder-Spree-Kreises eingetreten sein kann, so geht doch die Annahme des Gesetzgebers nicht ersichtlich fehl, daß die Verlagerung dieses Industriestandortes durch eine beschleunigte wirtschaftliche Entwicklung aus dem Berliner Umland heraus ausgeglichen werden kann.

Ebensowenig erweist sich der Zuschnitt des Spree-Neiße-Kreises als offensichtlich ungeeignet. Der nordwärts wandernde Braunkohletagebau läßt zwar eine nicht zu übersehende räumliche Trennung zwischen dem Kreis Guben einerseits und den Kreisen Cottbus-Land, Forst und Spremberg andererseits entstehen. Dieser Nachteil wird aber durch gute Verkehrsanbindungen auf dem Schienen- und Straßenweg ausgeglichen. Zudem wird die Entwicklung des Braunkohletagebaus - auch nach einer von dem Beschwerdeführenden Kreis Guben in Auftrag gegebenen Studie - als mittel- und langfristig rückläufig prognostiziert. In der Folge werden die Auswirkungen des Braunkohletagebaus zumindest nicht an Bedeutung gewinnen. Gleichermaßen braucht die Fusion von vier bevölkerungsmäßig annähernd gleichgewichtigen Landkreisen zwischen etwa 36.000 und 42.000 Einwohnern - die Entstehung eines in sich geschlossenen neuen Gemeindeverbandes nicht zu hindern. Der Zusammenschluß eher äquivalenter Partner mag zwar erhöhte Anfangsschwierigkeiten begründen, steht aber flächendeckend wertgleichen Lebensbedingungen objektiv nicht entgegen. Auch andere Gründe, aus denen diese Lösung offensichtlich sachwidrig wäre, sind nicht erkennbar.

Die Zurückstellung des Ergebnisses von Bürgerbefragungen und einer Unterschriftenaktion der Mittelstandsvereinigung Guben macht die Neugliederungsentscheidungen ebenfalls nicht offensichtlich ungeeignet. Zwar kann mangelnde Akzeptanz eines Gebietszuschnitts das Zusammenwachsen zu einer kommunalen Verwaltungseinheit und damit letztlich die Leistungsfähigkeit der Selbstverwaltung vermindern. Vorliegend gewinnt dieser Gesichtspunkt aber kein derartiges Gewicht. Daß der Gesetzgeber der abgeschwächten Akzeptanz der Regelung in Teilen der Bevölkerung keine die neue kreisliche Einheit sprengende Wirkung beigemessen hat, ist jedenfalls nicht offenkundig unrichtig. Das Meinungsbild in den von §§ 12 und 13 KNGBbg betroffenen Landkreisen ist nicht einheitlich und hat seit Beginn des Neugliederungsvorhabens bereits partiell Wandlungen erfahren. Der erfolglos gebliebene Versuch des Volksbegehrens "Kreisneugliederung" und daß unterdessen entfallene Interesse sowohl der Stadt Eisenhüttenstadt als auch des Kreises Fürstenwalde an der Fortführung dieses Verfahrens sind Ausdruck der nicht offenbar unzutreffenden Einschätzung des Gesetzgebers, daß die ursprüngliche Ablehnung nicht von.Dauer und die Entwicklung der Landkreise Oder-Spree und Spree-Neiße zu funktionierenden Selbstverwaltungseinheiten nicht nachhaltig gehemmt sein werde.

(2.) Die Auflösung der Beschwerdeführer und ihre Überführung in die Kreise Oder-Spree und Spree-Neiße verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs. Der Gesetzgeber darf im Interesse der Verbesserung der Funktionsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung in den Bestand und Gebietszuschnitt der Gemeindeverbände eingreifen. Nicht erforderlich ist eine von diesem Zweck getragene Neugliederungsmaßnahme nur dann, wenn Alternativlösungen zur Verwirklichung des Neugliederungskonzeption offensichtlich gleichermaßen geeignet und zugleich von geringerer Eingriffsintensität sind als die gesetzliche Maßnahme.

Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die von den Beschwerdeführern angestrebte Alternative (Bildung eines Landkreises aus den Kreisen Eisenhüttenstadt-Land und Guben und der Stadt Eisenhüttenstadt) läßt sich mit der zugrundeliegenden gesetzlichen Neugliederungskonzeption nicht offensichtlich besser vereinbaren als das gesetzliche Neugliederungsmodell. Mit ca. 110.000 Einwohnern würde die angestrebte Mindesteinwohnerzahl von 120.000 Einwohnern unterschritten. Die höhere Bevölkerungsdichte wäre hierfür kein hinlänglicher Ausgleich. Es bestehen Zweifel, ob ein solcher Landkreis an der Ostgrenze Brandenburgs die notwendige Leistungskraft besäße, um die ihm nach der Funktionalreform zuwachsenden Verwaltungsaufgaben zu bewältigen. Die Besorgnis des Gesetzgebers, daß ein Kreis dieses Zuschnitts eher auf vorerst weniger tragfähige - wirtschaftliche Verflechtungen mit der Republik Polen angelegt wäre und nicht hinreichend an den wirtschaftlichen Impulsen aus dem Berliner Umland partizipieren würde, ist nicht eindeutig widerlegbar. Gleichfalls ist es nicht offenkundig fehlerhaft, wenn der Gesetzgeber den etwa 75 v.H. Anteil städtischer Bevölkerung, den dieser Landkreis hätte, unter dem Gesichtspunkt einer gesunden Binnenstruktur für untunlich hält. Zudem steht diese von den Beschwerdeführern angestrebte Alternative einer leitbildgerechten Neugliederung in dem westlich und südlich anschließenden Gebiet entgegen. Die Schaffung eines weiteren Landkreises in der fraglichen Region hätte eine geringere Bevölkerungszahl in jedem der drei Landkreise - unterhalb bzw. in die Nähe der angestrebten Mindesteinwohnerzahl - zur Folge. Das Prinzip der Sektoralkreisbildung wäre in dieser Region gänzlich aufgegeben. Nicht zuletzt ist durch den Rückzug der Stadt Eisenhüttenstadt aus dem vorliegenden Verfahren fraglich geworden, ob für einen Kreiszuschnitt, wie ihn die Beschwerdeführer für vorzugswürdig halten und in dem die Stadt Eisenhüttenstadt einen Schwerpunkt gebildet hätte, noch eine tragfähige kommunalpolitische Grundlage besteht.

(3.) Die gesetzgeberische Neugliederungsentscheidung ist für die Beschwerdeführer auch nicht offensichtlich unzumutbar. Sie steht, gemessen an den von ihnen geltend gemachten Interessen, nicht außer Verhältnis Der Gesetzgeber verfugte über hinreichend gewichtige Gründe des öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV, die eine Neugliederung gemäß der §§ 12, 13 und 14 KNGBbg rechtfertigen. Dies gilt unbeschadet dessen, daß er sich dem Wunsch verschlossen hat, die historischen vor 1952 bestehenden - Grenzen des Kreises Guben wiederherzustellen und die Regelung in Teilen der Bevölkerung sowie auf seiten der Beschwerdeführer auf Ablehnung gestoßen ist. Angesichts der von Verfassungs wegen geforderten Gemeinwohlverträglichkeit von Gebietsänderungen kann es jedenfalls nicht allein auf die Sicht einzelner Gemeindeverbände ankommen. Vielmehr ist unter Einbeziehung der jeweiligen örtlichen Interessen - auf den gesamten hier betroffenen Raum abzustellen. Die örtlichen Interessen dürfen lediglich nicht unverhältnismäßig hinter überörtlichen Gesichtspunkten zurückgestellt werden.

Die Schaffung einer leistungsfähigen Verwaltungsstruktur, die darauf abzielt, die wirtschaftliche Entwicklung in Brandenburg zu fördern und die Lebens- und Wirtschaftsbedingungen landesweit möglichst gleichwertig zu verbessern, ist ersichtlich ein überragendes Gemeinwohlinteresse. In Anbetracht dieser für das Land Brandenburg entscheidenden Bedeutung der Kreisneugliederung ist der Eingriff in die Interessen der Beschwerdeführer nicht unangemessen. Dabei kommt bei der Güterabwägung dem Umstand, daß sich eine offensichtlich besser geeignete Alternative zur gesetzlichen Entscheidung nicht aufdrängt, erhebliches Gewicht zu. Hierdurch wird die von den Beschwerdeführern hinzunehmende Eingriffsintensität erhöht. Auch die Orientierung der Kreisneuordnung an den seit 1952 bestehenden anstelle der zuvor bestandenen Kreisgrenzen ist nicht unverhältnismäßig, sofern nicht - gemessen an der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie - offensichtliche Fehlentscheidungen verfestigt werden, was nicht erkennbar ist. Hervorzuheben ist im übrigen, daß der Gesetzgeber mit der Einbeziehung des Kreises Guben in den Spree-Neiße Kreis das im Land Brandenburg gelegene östliche Gebiet der Niederlausitz und damit eine kulturell verwandte Region im wesentlichen zu einem Landkreis zusammengeführt hat.

cc) Schließlich läßt sich auch eine Mißachtung des Willkürverbotes durch den Gesetzgeber nicht feststellen. Das Willkürverbot erfährt bei kommunalen Neugliederungsmaßnahmen eine besondere Ausprägung in dem Grundsatz der Leitbild- oder Systemgerechtigkeit, der den Gesetzgeber soweit als möglich auf die Einhaltung seiner von .ihm selbst gewählten und zugrundegelegten Maßstäbe verpflichtet (vgl. dazu StGH BaWü ESVGH 25, 1, 23; Nds. StGH Nds. MinBl. 1979, 547, 586 f.). Diesem Gebot hat der Gesetzgeber mit der Schaffung der Landkreise Oder-Spree und Spree-Neiße in ausreichendem Umfang Rechnung getragen.

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