LG Köln, Urteil vom 07.04.2022 - 81 O 88/21
Fundstelle
openJur 2022, 15013
  • Rkr:
Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, an dem Geschäftsführer zu vollziehen zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

1. E-Mails zu versenden, ohne dass der Empfänger oder die Empfängerin der E-Mail eine Einwilligung zum Empfang, z. B. durch die erfolgte Bestätigung einer Mail zur Verifizierung der verwendeten elektronischen Adresse, erteilt hat;

2. die Buchung eines Erstgespräches und/oder einer Terminbestätigung zum Erstgespräch zu behaupten, sofern weder eine Buchung noch eine Bestätigung eines Termins durch den Adressaten vorliegt;

jeweils sofern dies geschieht wie aus den Anlagen K 3 - K 5:

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II.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 238,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV.

Das Urteil ist für den Kläger vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung zu I. in Höhe von 2.000 € und zu II und III in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung unlauterer Werbung sowie auf Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

Der Kläger ist gerichtsbekannt ein in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG eingetragener Verein.

Die Beklagte berät Amazon-Händler und führt Beratungsgespräche.

Sie bietet auf ihrer Website ein Kontaktformular an, über das Interessierte einen telefonischen Beratungstermin buchen können. Die Beklagte übersendet sodann Bestätigungs- und Erinnerungs-E-Mails an den Interessenten.

Der Kläger, der nach eigener Angabe keinen Beratungstermin nachgesucht hatte, erhielt am 17.9.2021 eine Buchungsbestätigung per E-Mail sowie am 19.9.2021 zwei Erinnerungs-E-Mails. Dabei erfolgte die Bestätigung für den Geschäftsführer der Klägerin T, der falsch als T bezeichnet wurde. Am 20.9.2021 erfolgte eine telefonische Kontaktaufnahme, bei der der Mitarbeiter der Beklagten darauf hingewiesen wurde, dass kein Beratungstermin gebucht worden sei.

Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 24.9.2021 erfolglos zur Unterlassung auf. Hierfür macht er Abmahnkosten in Höhe des Antrags zu II geltend.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe durch die Kontaktaufnahme per E-Mail gegen § 7 UWG verstoßen und durch die Täuschung in den Erinnerungs-E-Mails über eine tatsächlich nicht erfolgte Buchung gegen § 5 UWG. Selbst wenn ein Dritter den Termin für den Kläger gebucht habe, sei der Beklagten vorzuwerfen, dass sie die Authentizität der Buchung nicht verifiziert habe.

Der Kläger beantragt in der Antragsfassung der mündlichen Verhandlung,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger keinen Beratungstermin gebucht habe. Wenn der Kläger um einen Beratungstermin nachgesucht habe, bedürfe es keiner Einwilligung in die Kontaktaufnahme. Die Beklagte beruft sich auf eine Buchung über das Kontaktformular auf ihrer Website. Diese Informationen prüfe sie - so ihr Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung - darauf nach, ob ein Amazon-Shop oder ein Amazon-Profil existiert, auch, ob es sich um eine echte Telefonnummer, eine echte Webadresse und um eine deutsche Person handelt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Bedenken gemäß § 8c Abs. 1 UWG bestehen nicht. Soweit die Beklagte beanstandet, der Kläger habe auf die erste E-Mail nicht reagiert und deshalb sei es zu den weiteren E-Mails gekommen, war schon die erste E-Mail eine unzumutbare Belästigung. Es gibt auch keine Obliegenheit des Betroffenen, den Rechtsverletzer auf diesen Tatbestand hinzuweisen. Das Verhalten des gerichtsbekannten Klägers ist daher nicht unter dem Gesichtspunkt des § 8c Abs. 2 Nr. 1 UWG zu beanstanden.

II.

Die Klage ist begründet.

1.

Der Antrag zu I.1 folgt aus §§ 3, 7, 8 UWG.

a.

Die Kontaktaufnahme der Beklagten durch E-Mails stellt eine unzumutbare Belästigung gemäß § 7 UWG dar, konkret gemäß Abs. 2 Nr. 3 UWG eine Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten.

Eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Klägers hat die Beklagte nicht dargelegt. Diese liegt nicht in der Kontaktaufnahme über die Website der Beklagten. Für eine solche Kontaktaufnahme ist die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Die vorgenommenen Eintragungen in dem Kontaktformular belegen nicht, dass der Kläger in Person seines Geschäftsführers oder eines Mitarbeiters den Termin gebucht hat. Die in dem Kontaktformular enthaltenen Informationen sind öffentlich zugänglich und begründen daher kein sicheres Indiz für eine Buchung durch den Kläger. Die von der Beklagten dargelegten Maßnahmen zur Überprüfung stellen keine sichere Verifizierung der Authentizität der Buchung dar, sondern allenfalls eine Plausibilitätskontrolle. Eine solche Verifizierung wäre, wie der Kläger dargelegt und auch in seinem Klageantrag berücksichtigt hat, möglich, nämlich durch die Bitte um Bestätigung der Richtigkeit der Buchung. Das Vorgehen der Beklagten ist daher strukturell ungeeignet, den Anforderungen von § 7 UWG zu genügen.

Weder kann sich die Beklagte bei dieser Sachlage auf einen Nachweis der Einwilligung berufen noch auf eine Darlegungs- und Beweislastumkehr. Ihr Bestreiten der Buchung durch den Kläger mit Nichtwissen ist daher unzureichend.

b.

Bei den E-Mail-Bestätigungen handelt es sich auch um Werbung im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Hier gilt ein weites Verständnis von Werbung (Köhler in KBF, § 2, Rdnr.15). Dies umfasst jedenfalls Benachrichtigungen, die der Absatzförderung - hier Beratungsgespräch - dienen.

Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung zugleich aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2, 8b UWG. Er hat dargelegt, dass ihm eine erhebliche Anzahl von Unternehmen angehört, die gleiche oder verwandte Dienstleistungen anbieten. Daran ändert nichts, dass der Kläger von der E-Mail-Werbung selbst angesprochen ist. Die strukturell nicht den Anforderungen von § 7 UWG genügende Vorgehensweise der Beklagten ist geeignet, die Interessen der Mitglieder des Klägers zu berühren.

2.

Zugleich liegt in dem Vorgehen der Beklagten eine Irreführung gemäß § 5 UWG i.V.m. § 8 UWG gemäß Klageantrag zu II b).

Bei dem Kläger wurde der unrichtige Eindruck erweckt, ein Beratungsgespräch gebucht zu haben. Während bei einer natürlichen Person regelmäßig eine Irreführungsgefahr ausscheidet, da diese weiß, ob sie einen Termin gebucht hat oder nicht, sind bei einem Verein oder Verband mehrere Personen beteiligt, so dass der Eindruck entstehen kann, ein anderer Mitarbeiter habe den Termin gebucht. Dies hat der Kläger auch so vorgetragen.

3.

Die Abmahnkosten sind gemäß § 13 Abs. 3 UWG erstattungsfähig.

4.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

Streitwert: 10.000 €

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