ArbG Düsseldorf, Urteil vom 15.04.2021 - 10 Ca 6309/20
Fundstelle
openJur 2021, 19784
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 8 Sa 492/21

1. Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde. Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall in besonderem Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzuführen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn sämtliche denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliege.

2. Zu den Anforderungen an die arbeitgeberseitig zu erstellende mittelfristige und langfristige Prognose hinsichtlich der Entwicklung der Passagierzahlen im Flugverkehr und die Auswirkungen auf den Beschäftigungsbedarf für die kommenden Jahre.

3. Von einem "sinnentleerten" Arbeitsverhältnis ist nicht bereits dann auszugehen, wenn erst ab dem Jahr 2024 wieder mit dem Erreichen des "Vorpandemieniveaus" im Flugverkehr zu rechnen ist und erst ab diesem Zeitpunkt wieder Beschäftigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin entstehen können.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist der Beklagten vom 26.09.2020 nicht beendet wird.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu ¼ und die Beklagte zu ¾ zu tragen.

4. Streitwert: 13.079,20 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist sowie die Weiterbeschäftigung der Klägerin.

Die Beklagte betreibt ein internationales Luftfahrtunternehmen mit Drehkreuzen (sogenannte HUBs) in Frankfurt und München, sowie acht dezentralen Stationen, unter anderem in Düsseldorf. Für die dezentrale Station und weitere Teilbereiche des Unternehmens der Beklagten in Düsseldorf ist ein einheitlicher Betriebsrat gebildet. Bei der Beklagten handelt es sich um die Konzernobergesellschaft der M. mit Sitz in Frankfurt. Die Beklagte ist tarifgebunden. In Düsseldorf werden regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. An den dezentralen Stationen - so auch in Düsseldorf - führt die Beklagte flugvorbereitender Abfertigungstätigkeiten aus. In der dezentralen Station in Düsseldorf wird ein Stationsleiter beschäftigt.

Die Klägerin ist seit Juli 1995 als Professional Service 1 auf der Station in Düsseldorf beschäftigt. Die Bruttomonatsvergütung der Klägerin belief sich zuletzt auf 3.269,80 €.

Bei der Beklagten kommen - soweit für den vorliegenden Rechtsstreit relevant - unter anderem folgende kollektivrechtliche Regelungen zur Anwendung:

- Manteltarifvertrag für das Bodenpersonal Nr. 14 vom 01.10.2015 - MTV Nr.14 - (Anlage B1)

- Tarifvertrag Schutzabkommen Boden vom 18.04.1980 idF vom 01.10.1995 - TV-S Boden - (Anlage B2)

- Konzernbetriebsvereinbarung Interessenausgleich und Sozialplan vom 20.11.1992 idF vom 01.01.2001 - KBV IA SP - (Anlage B4)

- Betriebsvereinbarung Konzern-Vermittlungsprozess (Clearingverfahren) vom 27.09.2012 - KBV Clearing - (Anlage B5)

- Betriebsvereinbarung Soziale Auswahlrichtlinien vom 20.11.1992 (Anlage B6)

- Interessenausgleich und Sozialplan vom 23.10.2015 (Anlagen B9 und B10)

Nach § 41 Abs. 3 MTV Nr.14 ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren ordentlich unkündbar. Der TV-S Boden beinhaltet soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung folgende Regelungen:

"§ 2 Zielsetzung

Die Tarifvertragsparteien stimmen überein, dass die Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse eine vorrangige Bedeutung hat. Die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses mit einem von einer Maßnahme nach §§ 3 und 4 betroffenen Mitarbeiter zu geänderten angemessenen Bedingungen im E.-Konzern ist daher vornehmliches Ziel der nachfolgenden Vorschriften.

§ 3 Betriebliche Veränderungen für erhebliche Teile der Belegschaft

Als Maßnahme im Sinne des Tarifvertrages gelten Betriebsänderungen gemäß § 111 BetrVG, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können.

[...]

§ 6 Einschränkung des ordentlichen Kündigungsrechts

(1) Bewirkt eine Maßnahme nach § 3, dass die bisherige Tätigkeit eines Mitarbeiters in Quantität und/oder Qualität ganz oder überwiegend entfällt, ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber gleichwohl nicht zulässig, wenn die Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters unter geänderten angemessenen Vertragsbedingungen auf einem anderen zumutbaren Arbeitsplatz im Konzern (E.) möglich ist und der Mitarbeiter dazu sein Einverständnis erklärt hat, insbesondere

a) wenn der Mitarbeiter auf einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb innerhalb des Konzerns am gleichen oder einem anderen Ort in seiner bisherigen Tätigkeit oder in einer anderen zumutbaren Tätigkeit weiterbeschäftigt werden kann,

b) wenn eine Weiterbeschäftigung im Sinne des Buchstaben a) nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen möglich ist und ein Mitarbeiter sein Einverständnis zu Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen erklärt hat.

[...]

(3) Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit im Sinne der Vorschriften der Absätze (1) und (2) sind neben beruflichen und wirtschaftlichen Umständen auch die sozialen Belange des Betroffenen im Verhältnis zu den sozialen Belangen anderer Beteiligter ausreichend zu berücksichtigen. Die Zumutbarkeit des Einsatzes auf einem anderen Arbeitsplatz wird für jeden Fall unterstellt, wenn sie nach den Maßstäben des Arbeitsförderungsgesetzes (einschließlich ergänzender Regelungen) bzw. der Reichsversicherungsordnung (Verweisungsberufe) gegeben ist.

[...]

(5) Bewirkt eine Maßnahme nach §§ 3 und 4, dass der bisherige Arbeitsplatz eines Mitarbeiters, der eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren vollendet hat, entfällt, bleibt dessen Kündigung gleichwohl ausgeschlossen. E. sind zur Übertragung anderer angemessener Aufgaben verpflichtet.

[...]

§ 11 Wiedereinstellung

(1) Werden für Arbeitsplätze im Konzern Einstellungen vorgenommen, sind ehemalige Mitarbeiter des Konzerns, die aufgrund einer Maßnahme im Sinne des § 3 entlassen worden sind, anderen (externen) Bewerbern bei gleicher Qualifikation und Eignung vorzuziehen, wenn seit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr als 36 Monate vergangen sind."

Die Regelungen im TV-S Boden werden durch die KBV IA SP konkretisiert. Gemäß § 3 KBV IA SP werden durch Personalabbau freiwerdende Stellen nur dann neu besetzt, wenn dies zur Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Betriebs unerlässlich ist. § 4 KBV IA SP lautet auszugsweise:

"§ 4 Vermittlung freier Arbeitsplätze

Gemäß § 3 zu besetzende, freie Arbeitsplätze werden auf der Grundlage der BetrVbgen "Stellenausschreibung” und "Auswahlrichtlinien” ausgeschrieben, sofern sie nicht durch Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter besetzt werden können, deren Arbeitsplatz entfallen ist. Vorrangig sollen Arbeitsplätze am gleichen Ort, im selben Betrieb, einem anderen Unternehmensbetrieb oder bei anderen Konzerngesellschaften, nachrangig überörtlich im Unternehmens- und Konzernbereich angeboten und vermittelt werden."

Die Beklagte fasste am 07.07.2015 den Beschluss, alle dezentralen Stationen und damit auch die Station in Düsseldorf zu schließen. Hierzu schloss die Beklagte am 08.07.2015 mit allen lokalen Betriebsräten eine Rahmenvereinbarung (Anlage B8). Zur Umsetzung dieser unternehmerischen Entscheidung und Betriebsänderung schloss die Beklagte mit dem lokalen Betriebsrat in Düsseldorf unter dem 23.10.2015 einen Interessenausgleich (Anlage B9) und einen Sozialplan (Anlage B10). Die Betriebsparteien einigten sich auf den 31.05.2021 als Termin für die Schließung der Station in Düsseldorf.

Soweit für den hiesigen Rechtsstreit relevant enthält der Sozialplan unter anderem folgende Regelungen:

"2. Geltung der Konzernbetriebsvereinbarung "Interessenausgleich und Sozialplan"

Die Konzernbetriebsvereinbarung Interessenausgleich und Sozialplan vom 20.11.1992 in der Fassung vom 01.01.2001 findet grundsätzlich Anwendung, soweit in diesem Sozialplan keine abweichenden Regelungen und Vereinbarungen getroffen worden

3. Sozialverträgliche HR-Maßnahmen zur Unterstützung der Fluktuation:

Die Betriebspartner sind sich einig, dass dieser Sozialplan das Ziel hat, betriebsbedingte Beendigungskündigung zu vermeiden und den notwendigen Personalabbau möglichst sozial verträglich zu gestalten.

a) HR-Maßnahmen

(6) HUB Wechsel

E. bietet allen Mitarbeitern der Station DUS ST im Rahmen ihrer betrieblichen Möglichkeiten gleichwertige Arbeitsplätze an den HUBs Frankfurt und München an und unterstützt sie bei einem Wechselwunsch.

Mitarbeiter, die bis zum 31.05.2016 verbindlich ihren Wechselwunsch gegenüber dem zuständigen Personalmanagement anzeigen und bis zum 30.06.2016 den Wechsel nach München oder Frankfurt vollziehen haben einen Anspruch auf den Wechsel in eine vergleichbare Funktion. [...]

[...]

(7) Boden-Bord Wechsel

Den Mitarbeitern der Station Düsseldorf wird außerdem ein Wechsel in die Kabine zu den dort geltenden Tarifbedingungen angeboten. Ein Wechsel in die Kabine kann nur dann erfolgen, wenn der Mitarbeiter die erforderlichen Einstellungsvoraussetzungen der Kabine (...) erfüllt.

[...]

4. Clearing

Das Mitarbeiterclearing wird zum 01.06.2020 eröffnet. Dem Clearingverfahren unterliegen alle Mitarbeiter, die keine zum Zeitpunkt der Schließung der Station das aktive Arbeitsverhältnis beendende HR-Maßnahme gemäß Ziffer 3 a) [...] in Anspruch genommen haben und die damit aufgrund des Entfalls des Arbeitsplatzes zum Schließungszeitpunkt von einer betriebsbedingten Kündigung bedroht sind. Dem Clearingverfahren unterliegen außerdem alle Mitarbeiter, die nicht zum Schließungszeitpunkt aus dem Unternehmen ausscheiden werden oder bereits ausgeschieden sind.

Die Umsetzung des Clearingverfahrens erfolgt gemäß der Betriebsvereinbarung Konzern-Vermittlungsprozess (Clearingverfahren) vom 27.09.2012.

Ziel des Clearingverfahrens ist es, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden und Mitarbeitern alternative Beschäftigungsangebote innerhalb des Konzerns zu unterbreiten.

[...]

Sollte eine Vermittlung im Rahmen des Clearingverfahrens auf einen zumutbaren Arbeitsplatz nicht möglich sein oder ein Mitarbeiter einen zumutbaren Arbeitsplatz ablehnen, so kann E. als Ultima Ratio das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigen."

Bis zum 31.05.2016 zeigten insgesamt 11 Mitarbeiter der Station Düsseldorf einen Wechselwunsch bei der Beklagten an (Anlage B12). Die Klägerin zeigte bis zum 31.05.2016 keinen Wechselwunsch an.

Die in Ziffer 4 des Sozialplans in Bezug genommene KBV Clearing bestimmt u.a.:

"§ 3 Ablauf des Vermittlungsprozesses

Als Vorbereitung des Vermittlungsprozesses ist für den konkret vom Arbeitsplatzverlust bedrohten Mitarbeiterkreis der von der Betriebsänderung betroffenen Gesellschaft mit dem Betriebspartner abgestimmte, anonymisierte Qualifikationsliste zu erstellen. Hierin sind Informationen über dessen Qualifikationsprofil einzutragen:

1. Mitarbeiterclearing

Sobald der konkrete vom Arbeitsplatzverlust bedrohten Mitarbeiterkreis feststeht und die Qualifikationsliste vorliegt, wird durch Eröffnung des Mitarbeiterclearings die Vermittlungstätigkeit aufgenommen. Die zentrale Clearingstelle stellt dem Personalnetzwerk der Konzerngesellschaften konkrete Informationen über den zu vermittelnden Mitarbeiterkreis (Informationsliste) sowie Kontaktdaten der lokalen Vermittlungsstelle zur Verfügung. Ab sofort sind die betroffenen Mitarbeiter bevorzugt auf geeignete und zumutbare freie Stellen in den Konzerngesellschaften zu vermitteln. Mit Beginn des Mitarbeiterclearing werden alle freien Stellen der Konzerngesellschaften vor Ausschreibung oder Besetzung unter Ausschreibungsverzicht der ZZCS und LVS zur Überprüfung auf Besetzbarkeit zur Verfügung gestellt. Dies gilt für intern und/oder extern auszuschreiben Stellen.

Die LVS hat max. 5 Arbeitstage (Mo-Fr) Zeit, die Stelle auf Besitzzeit mit einem am Vermittlungsverfahren teilnehmenden Mitarbeiter zu überprüfen. Besteht die Möglichkeit einer Besetzung, benennt die LVS dem Mitarbeiter die Stelle. Kann für die Stelle kein Besetzungsvorschlag gemacht werden, gibt die LVS die Stelle für den Stellenausschreibung bzw. Besetzungsprozess wieder frei. Näheres zum Arbeitsplatzangebot regelt § 4 dieser Vereinbarung.

2. Notarielles Clearing

Vor Beendigung des Vermittlungsprozesses erfolgt bei den vorgenannten Konzerngesellschaften eine durch die ZCS initiierte letztmalige unverbindliche Abfrage geeigneter Beschäftigungsmöglichkeiten für die nicht vermittelten Mitarbeiter. Kann nach Abschluss des notariellen Clearings keine geeignete und zumutbare Weiterbeschäftigung angeboten werden, wird der Vermittlungsprozess beendet.

Bezüglich der am Clearingverfahren teilnehmenden Konzerngesellschaften wird auf die Ausführungen der Beklagten in ihrer Klageerwiderung vom 11.01.2021, dort auf Seite 16 ff. nebst Anlagen (B14 bis B27) verwiesen.

Die Beklagte fragte bei der Klägerin mit Schreiben vom 05.03.2020 an, auf welchen HUB sie wechseln wollte um das Arbeitsverhältnis ab dem 01.06.2021 fortzusetzen. In einem Protokoll vom 15.04.2020 über ein Update dezentrale Stationen zwischen Mitgliedern des Gesamtbetriebsrats und der Geschäftsleitung (Anlage K8) heißt es unter Ziffer 1:

"Es wurde seitens L/P wiederholt, dass die Zusage, nach der die Mitarbeiter/ -innen der dezentralen Stationen die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung an einem der Hubs erhalten sollen, auch in der aktuellen Situation Bestand hat. Auch wenn die Krise länger andauern sollte, besteht der Wille zur Aufnahme der Mitarbeiter/ -innen der dezentralen Stationen an den Hubs."

Mit weiterem Schreiben vom 22.05.2020 teilte die Beklagte durch Frau N. - Head of M. HR Management - erneut mit, dass weiterhin geplant sei, Arbeitsplatzangebote in Frankfurt oder München zu unterbreiten (Anlage K6).

Mit Schreiben vom 15.05.2020 teilte die Beklagte der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Hessen mit, dass sie in Bezug auf die Schließung der dezentralen Standorte zum 31.05.2021 mit den örtlich zuständigen Mitbestimmungsgremien Interessenausgleich und Sozialpläne abgeschlossen habe. Den Mitarbeitern stünden verschiedene Maßnahmen aus dem Interessenausgleich und Sozialplan zu. Hieraus leiteten sie zum einen - so die Beklagte - den Anspruch auf einen HUB-Wechsel an eines der Drehkreuze Frankfurt oder München ab. Zum anderen gebe es einen Anspruch auf Durchführung eines konzerninternen Stellenvermittlungsverfahrens (sog. Clearing). In Erfüllung der sich aus dem Clearingverfahren ergebenden Verpflichtungen sei angedacht, die Mitarbeiter auf entsprechende Arbeitsplätze an den Stationen in Frankfurt bzw. München zu versetzen. Vor diesem Hintergrund fragte die Beklagte bei der Regionaldirektion Hessen an, ob und inwiefern sich die Versetzung und Weiterbeschäftigung auf Basis der vereinbarten Interessenausgleiche und Sozialpläne von Mitarbeitern der dezentralen Stationen ab dem 01.06.2021 in anderen Betriebsteilen (Frankfurt, München) auf die Gewährung von Kurzarbeitergeld auswirke.

Die Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Hessen - teilte hierauf mit Schreiben vom 27.05.2020 folgendes mit:

"Durch den bereits im Jahr 2015 abgeschlossenen Sozialplan, exemplarisch liegen die Unterlagen für den Standort Düsseldorf vor, hat sich die E. vertraglich gebunden, den zum 01.06.2020 noch an den genannten Standorten beschäftigten Arbeitnehmer*innen ein Arbeitsangebot innerhalb des Konzerns anzubieten.

Grundlage der betrieblichen Restrukturierung ist die Rahmenvereinbarung zur Beendigung der Eigenproduktion an allen dezentralen Standorten vom 08.07.2015.

Für die im Rahmen des Clearingverfahrens nach Ziffer 4 des Sozialplans aufgenommenen Beschäftigungen kann ein zwingender Grund gemäß § 98 Abs. 1 Nr. 1b Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) anerkannt werden, da die Übernahme aufgrund einer bereits weit vor Beginn der Kurzarbeit getroffenen vertraglichen Bindung ihrerseits erfolgt.

Es bestehen aus leistungsrechtlicher Sicht keine Bedenken, insbesondere die Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalles (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) wird hierdurch nicht tangiert."

Mit Schreiben vom 16.06.2020 teilte die Beklagte den Beschäftigten der dezentralen Stationen dann mit, dass sie keine Möglichkeit sehe, Angebote zum Wechsel auf gleichwertige Arbeitsplätze an den HUBs Frankfurt und München zu unterbreiten und daher betriebsbedingte Beendigungskündigung nicht ausgeschlossen seien (Anlage K10).

Zuvor hatte die Beklagte das Clearingverfahren vorbereitet, indem sie mit Schreiben vom 06.02.2020 die betroffenen Arbeitnehmer zur Aktualisierung ihrer Qualifikationsdaten aufgefordert hatte (Anlage B28) und das Clearingverfahren zum 01.06.2020 formell eröffnete. Das abschließende sogenannte "notarielle Clearing" eröffnete die Beklagte durch E-Mailabfrage vom 27.08.2020 (Anlage B29). Hierzu wurde mit E-Mail vom 28.08.2020 eine aktualisierte Qualifikationsliste übersendet (Anlage B29). Nach Rückmeldung der Konzerngesellschaften (Anlage B31) wurde das Clearingverfahren durch die Beklagte am 10.09.2020 abgeschlossen (Anlage B32).

Gleichzeitig mit dem Clearing nach der KBV Clearing führte die Beklagte das Clearing nach § 6 TV-S Boden durch. Hiernach ist vor Kündigungsausspruch zu prüfen, ob bei diversen Konzerngesellschaften eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zumindest in Form einer zumutbaren Tätigkeit besteht. Da der TV-S Boden keine Vorschriften über das Procedere des Clearings enthält, führte die Beklagte das Clearing nach Maßgabe von § 6 TV-S Boden gemeinsam mit dem Clearing nach Maßgabe der KBV Clearing durch.

Am 10.09.2020 leitete die Beklagte gegenüber dem Gesamtbetriebsrat das Konsultationsverfahren gemäß § 17 KSchG ein (Anlage B68). Eine erste Beratung mit dem Gesamtbetriebsrat und Vertretern der Beklagten fand am 15.09.2020 statt. Am 16.09.2020 übersandte der Gesamtbetriebsrat eine Fragenliste an die Beklagte (Anlage B71), welche die Beklagte mit E-Mail vom 22.09.2020 beantwortete (Anlage B72). Mit E-Mail vom 24.09.2020 (Anlage B74) schrieb der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats an die Beklagte:

"Folgende konkrete Vorschläge zur Verhinderung von Kündigungen bzw. Abmilderung durch soziale Maßnahmen haben wir ihnen bereits vor und auch im Rahmen des Konsultationsverfahren § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG unterbreitet:

1. An Ihrer Zusage festzuhalten und die betroffenen Mitarbeiter an die HUBs zu versetzen und sie dort - wie viele andere Mitarbeiter - in Kurzarbeit zu entsenden. Dies haben sie nach eigenen Aussagen im Vorfeld bereits mit der Bundesagentur für Arbeit geprüft und es ist ihnen positiv beschieden worden."

Mit E-Mail vom gleichen Tage antwortete Herr I. für die Beklagte an den Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats folgendes:

"Wir haben geprüft, ob eine Versetzung der Mitarbeiter an die HUBs stattfinden kann, sehen hierzu aber keine Möglichkeiten. Unzutreffend ist, dass wir eine Bestätigung der Bundesagentur für Arbeit haben, dass genau dieses konkrete Vorhaben, das Kurzarbeitergeld nicht gefährden würde und auch für die versetzten Mitarbeiter ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld bestünde."

Nach diversen weiteren Vorschlägen und Beratungen (Anlagen B74 bis B76) gab der Gesamtbetriebsrat noch am 24.09.2020 eine als "abschließende Stellungnahme" bezeichnete Stellungnahme zu den geplanten Kündigungen ab.

Am 25.09.2020 erstattete die Beklagte die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf für die dezentrale Station in Düsseldorf (Anlage B78). Die Agentur für Düsseldorf bestätigte den Eingang der Massenentlassungsanzeige noch am 25.09.2020 (Anlage B 79). Vorsorglich erstattete die Beklagte eine weitere Massenentlassungsanzeige für die dezentrale Station in Düsseldorf unter Einbeziehung der Unternehmenseinheiten vor Ort.

Mit Schreiben vom 16.09.2020 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung des mit der Klägerin bestehenden Arbeitsverhältnisses an. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 23.09.2020.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 26.09.2021 außerordentlich mit Auslauffrist zum 31.05.2021 (Anlage K1).

Die Beklagte sprach in Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung insgesamt mindestens 144 Kündigungen aus. In Düsseldorf wurden 27 Kündigungen ausgesprochen. In insgesamt ca. 140 Fällen wurde Kündigungsschutzklage erhoben. In diversen Fällen, in denen die Beklagte Kündigungen gegenüber Mitarbeitern in Altersteilzeit ausgesprochen hatte, wurden Vergleiche abgeschlossen oder die Beklagte nahm die Kündigungen zurück und führt die Altersteilzeitverträge fort.

Mit ihrer am 15.10.2020 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung, die sie in Ermangelung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB für unwirksam hält.

Bei dem Stationsleiter handele es sich nicht um einen leitenden Angestellten, der selbstständig über Einstellungen und Entlassungen entscheiden dürfe. Derartige Entscheidungen seien vielmehr zentral in Frankfurt getroffen worden. Auch Bewerbungsgespräche hätten dort stattgefunden. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe damit die Sozialauswahl nicht auf die Station in Düsseldorf beschränkt werden dürfen, sondern es habe eine echte Sozialauswahl mit den vergleichbaren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der HUBs in Frankfurt und München durchgeführt werden müssen.

Die Beklagte sei nach den Regelungen des Sozialplans verpflichtet, einen Arbeitsplatz in Frankfurt oder München anzubieten. Der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung sei als Ultima Ratio erst zulässig, nachdem die Beklagte ihren Mitarbeitern im Rahmen ihrer betrieblichen Möglichkeiten einen anderen Arbeitsplatz angeboten habe, was aber nicht geschehen sei. Entsprechende betriebliche Möglichkeiten bestünden auch bei der Beklagten. Die Klägerin habe ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung an einem HUB der Beklagten in Frankfurt oder München.

Die Beklagte sei zudem verpflichtet gewesen, das Clearingverfahren vor Ausspruch einer Kündigung vollständig durchzuführen. Die Beklagte habe das Clearingverfahren nach Einholung der Beschäftigtendaten am 27.08.2020 eröffnet und am 10.09.2020 abgeschlossen. Ein solches extrem kurzes Verfahren lasse nach Maßgabe des Bundesarbeitsgerichts nicht die Schlussfolgerung zu, dass jegliche Beschäftigungsmöglichkeit fehle. Im Oktober 2015 habe eine Dialogveranstaltung zum Verhandlungsergebnis des Interessenausgleichs und Sozialplans für die Station Düsseldorf stattgefunden. Danach sei ein 3-jähriges Clearingverfahren vorgesehen gewesen mit einem Beginn am 01.06.2020 und einem Ende ca. 31.05.2023.

Freie Stellen, die der Klägerin hätten angeboten werden können und müssen, seien verfügbar gewesen. Dabei hätte die Beklagte auch freie Stellen anderer Konzerngesellschaften berücksichtigen müssen. Im Zweifel sei die Beklagte verpflichtet gewesen, einen anderen Arbeitsplatz für die Klägerin "freizukündigen".

Soweit die Beklagte sich auf eine verheerende wirtschaftliche Situation der Beklagten berufe, ist die Klägerin der Auffassung, dass diese nur vorübergehender Natur sei und durch Kurzarbeit hätte abgedeckt werden können. Das Vorbringen der Beklagten stimme auch nicht mit Verlautbarungen überein, die von ihr selbst in der Person ihres Vorstandsvorsitzenden geäußert worden seien. So habe sich der M.-CEO D. im Handelsblatt am 21.01.2021 dahingehend geäußert, dass er an einen starken Sommer und ein schnelles Comeback der Luftfahrtkonzerne glaube. Das Geschäft werde spätestens im Sommer wieder anziehen. 2021 werde das Jahr der Erholung werden. Er gehe nicht davon aus, dass das Unternehmen die Staatshilfen in vollem Umfang abrufen müsse. In einem Interview in der Wirtschaftswoche vom 11.12.2020 habe er erklärt, dass er davon ausgehe, dass im Jahr 2021 durchschnittlich wieder die Hälfte des Niveaus von 2019 erreicht werden könne. Für den Sommer und Herbst kalkulierten man bis zu 70 %. 29.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - jeder fünfte - habe das Unternehmen bereits zum Jahresende verlassen.

Die Beklagte habe auch das nach § 17 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt und keine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige erstattet. Im Rahmen der Durchführung des Konsultationsverfahren seien die Verhandlungen nicht ergebnisoffen geführt worden. Jedenfalls habe die Beklagte ihren Betriebsrat unzulässigerweise bereits zur beabsichtigten Kündigung angehört, bevor das Konsultationsverfahren abgeschlossen gewesen sei. Hinsichtlich der Massenentlassungsanzeige rügt die Klägerin insbesondere, dass dieser weder eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt gewesen sei (daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats als abschließende Stellungnahme bezeichnet gewesen sei) noch der Stand der Beratungen hinreichend dargelegt worden seien.

Schließlich rügt die Klägerin die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung.

Für den Fall, dass festgestellt werden sollte, dass die negative Prognose für die Beschäftigungsmöglichkeit erst nach Ausspruch der Kündigung weggefallen sei, mache die Klägerin hilfsweise einen entsprechenden Wiedereinstellungs-/ Fortsetzungsanspruch geltend.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist der Beklagten vom 26.09.2020 nicht beendet wird;

2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Professional Service 1 weiter zu beschäftigen;

3. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1., das Angebot der Klägerin auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 31.05.2021 hinaus anzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Kündigung für wirksam. Aufgrund der unternehmerischen Entscheidung, die dezentralen Stationen zu schließen, sei der Arbeitsplatz der Klägerin in Wegfall geraten. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestünden für die Klägerin nicht, da die Stellen entweder nicht frei, nicht vergleichbar, die Klägerin hierfür nicht geeignet sei, die Stelle bereits vor Beginn des Clearingverfahrens besetzt worden sei oder es sich bei den Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten um Stellen bei Konzernunternehmen handele, die auch bei Geltung der kollektivrechtlichen Regelungen nicht zu berücksichtigen seien. Eine Verpflichtung zur Prüfung konzernweiter Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestehe außerhalb der kollektivrechtlichen Verpflichtungen nicht. Eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses ohne Beschäftigungsmöglichkeit sei der Beklagten nicht zumutbar. Eine Freikündigungspflicht zugunsten der Klägerin bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht. Die Beklagte habe umfassend geprüft, ob anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden. Dies sei ohne Erfolg geblieben. Eine Sozialauswahl sei infolge der Schließung des kompletten Betriebs in Düsseldorf entbehrlich gewesen.

Die Beklagte habe insbesondere auch das Clearingverfahren für die Klägerin gemäß den anwendbaren kollektivrechtlichen Bestimmungen ordnungsgemäß durchgeführt. Die Beklagte habe in mehreren Schreiben die Klägerin zur Aktualisierung ihrer Sozialdaten aufgefordert und auf Basis der übermittelten Informationen die anonymisierte Qualifikationsliste erstellt. Anschließend habe die lokale Vermittlungsstelle die Stelle auf Besetzung mit einem Mitarbeiter im Clearing unter Abgleich des Profils des Mitarbeiters mit dem Anforderungsprofil der Stellenbeschreibung überprüft. Soweit kein Besetzungsvorschlag gemacht werden konnte, sei die Stelle dann für den regulären Bewerbungsprozess freigegeben worden. Das Clearingverfahren sei am 10.09.2020 abgeschlossen worden. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, das Clearing für einen bestimmten Zeitraum, insbesondere nicht für eine Dauer von 36 Monaten durchzuführen. Der Sozialplan treffe keine Regelung zur Dauer des Clearings. Auch die Konzernbetriebsvereinbarung vom 20.11.1992 enthalte keine Regelung zu einer Mindestdauer des Clearings. Eine 36-monatige Dauer des Clearingverfahrens wäre für die Beklagte wirtschaftlich nicht darstellbar und mit Mehrkosten i.H.v. 38 Mio € allein in Ansehung der Schließung der dezentralen Stationen verbunden.

Das Clearingverfahren habe ergeben, dass die Klägerin für keine der Positionen als geeignet eingestuft wurde. Die Klägerin befinde sich hinsichtlich ihrer sozialen Schutzwürdigkeit lediglich auf Platz 89 im Vergleich zu den gekündigten Mitarbeitern im Bereich Professional Service 1 der dezentralen Stationen. Etwaige freie Stellen, für die die Klägerin potentiell geeignet gewesen wäre, hätten daher im Rahmen einer umgekehrten Sozialauswahl vorrangig sozial schutzwürdigeren Mitarbeitern angeboten werden müssen.

Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt verbindliche Zusagen gegenüber Mitarbeitern getroffen, ein Clearingverfahren für einen bestimmten Mindestzeitraum durchzuführen. Mitarbeiter hätten auch keine Zusage erhalten, trotz Fristversäumung am HUB-Wechsel teilnehmen zu können. Die Beklagte habe überdies ihre Mitarbeiter stets über den aktuellen Planungsstand informiert. Aus den kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergebe sich kein zwingender Anspruch der Klägerin auf Weiterbeschäftigung an einem anderen HUB der Beklagten.

Die Beklagte habe umfassend geprüft, ob und inwieweit Umorganisationsmaßnahmen in Betracht gekommen seien, welche den Erhalt des Arbeitsplatzes betroffener Mitarbeiter erreicht hätte, ohne dass dies für die Klägerin zum Erfolg geführt hätte. Die Beklagte habe somit alle realistisch in Betracht kommenden Umorganisationsmaßnahmen geprüft, um eine Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter der dezentralen Stationen zu ermöglichen. Bei der Beklagten bestehe derzeit ein Personalüberhang von rund 8.400 Vollzeitstellen. Bei der gesamten N. belaufe sich der Personalüberhang auf 27.000 Vollzeitstellen. Der globale Passagierverkehr werde das Vorkrisenniveau aller Voraussicht nach nicht vor 2024 erreichen. Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang u.a. auf eine Pressemitteilung der J. als Dachverband der weltweiten Fluggesellschaften vom 28.07.2020.

Das Antwortschreiben der Bundesagentur für Arbeit zur Frage der Gewährung von Kurzarbeitergeld beziehe sich ausdrücklich auf das Clearingverfahren nach Ziffer 4 des Sozialplans. Die Bundesagentur für Arbeit habe damit lediglich ausgeführt, dass dann, wenn ein Anspruch des Mitarbeiters auf Weiterbeschäftigung bei der Beklagten im Rahmen des Clearingverfahrens nach Ziffer 4 des Sozialplans bestehe, eine darauf beruhende Weiterbeschäftigung der Gewährung von Kurzarbeitergeld nicht entgegenstehe.

Es handele sich bei den dezentralen Stationen auch um eigenständige Betriebe im Sinne des Kündigungsschutzgesetz, die jeweils von einem selbst ständigen Leitungsapparat in Form eines Stationsleiters individuell geleitet würden. Der Stationsleiter sei befugt, personelle Einzelmaßnahmen eigenständig durchzuführen. Hilfsweise beruft sich die Beklagte darauf, dass die acht dezentralen Stationen ohne die HUBs in München und Frankfurt als Betrieb im kündigungsrechtlichen Sinne anzusehen seien, mit der Folge, dass weiterhin eine Betriebsschließung anzunehmen wäre.

Der Weiterbeschäftigungsantrag sei bereits mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, da der Beklagten aufgrund der Betriebsstilllegung eine Weiterbeschäftigung unmöglich sei. Maßgeblicher Bezugspunkt sei der Betrieb und nicht das Unternehmen, sodass es insoweit nicht darauf ankomme, ob eine Weiterbeschäftigung in anderen Betrieben der Beklagten möglich wäre. Aber auch in den anderen Betrieben - etwa an den HUBs - sei eine Weiterbeschäftigung über den Schließungszeitpunkt der dezentralen Stationen hinaus nicht möglich. Dort bestehe im operativen Bodenbereich ein eklatanter Personalüberhang von 1.500 Vollzeitstellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist mit dem Kündigungsschutzantrag begründet. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig.

I.

Die Kündigung vom 26.09.2020 ist in Ermangelung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 27.06.2019 - 2 AZR 50/19 - Rn. 12; BAG 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 15).

2. Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber gezwungen wäre, ein sinnloses Arbeitsverhältnis über viele Jahre hinweg allein durch Gehaltszahlungen, denen keine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht, aufrechtzuerhalten. Dabei ist ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen (BAG 27.06.2019 - 2 AZR 50/19 - Rn. 13; BAG 24.09.2015 - 2 AZR 562/14 - Rn. 29; BAG 20.06.2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 13; BAG 22.11.2012 -AZR 673/11 - Rn. 14). Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall in besonderem Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzuführen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn sämtliche denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 27.06.2019 - 2 AZR 50/19 - Rn. 13; BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 30). Den hohen materiellrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers. Dieser hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum "wichtigen Grund" (BAG 27.06.2019 - 2 AZR 50/19 - Rn. 14; BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 31).

3. In Anwendung dieser Grundsätze fehlt es an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB.

a) Der Beklagten ist zunächst zuzugeben, dass vieles dafürspricht, dass bei dem vorliegenden Sachverhalt eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG wäre. Die Beklagte hat indes keinerlei hinreichenden Tatsachenvortrag dahingehend gehalten, welche Umstände, die über das normale Prüfprogramm einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung (Wegfall des Arbeitsplatzes, Entbehrlichkeit der Sozialauswahl und das Fehlen freier Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten) hinausgehen, gerade einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bedingen sollen, der dazu führt, dass von einem "sinnentleerten Arbeitsverhältnis" auszugehen ist und die Beklagte verpflichtet wäre, die Klägerin bis zum Renteneintrittsalter zu vergüten, ohne eine nennenswerte Gegenleistung zu erhalten. Würde man aber das normale Prüfprogramm einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung für einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ausreichen lassen, würde der Ausschluss der ordentlichen Kündigung im Ergebnis leerlaufen. Alleine die Prüfung konzernweiter Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten stellt insoweit keine durch die Beklagte durchgeführte überobligationsmäßige Maßnahme dar, da sie zu einer derartigen Prüfung aufgrund kollektivrechtlicher Verpflichtungen auch gegenüber ordentlich kündbaren Arbeitnehmern verpflichtet war.

b) Die Kammer hat zugunsten der Beklagten unterstellt, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei der Beklagten oder konzernverbundenen Unternehmen, bei denen die Beklagte zur Prüfung freier Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten kollektivrechtlich verpflichtet ist, bestehen. Nicht zu folgen vermochte die Kammer indes der Auffassung der Beklagten, dass aufgrund einer sicheren Prognose davon auszugehen sei, dass auch in einer der Beklagten zumutbaren Zeitspanne nicht damit zu rechnen sei, dass derartige freie Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten entstehen werden. Selbst wenn diese erst ab 2024 wieder entstehen sollten, wäre der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar.

aa) Die Beklagte behauptet unter Berufung auf eine Pressemitteilung der J. als Dachverband der weltweiten Fluggesellschaften vom 28.07.2020, dass der globale Passagierverkehr das Vorkrisenniveau aller Voraussicht nach nicht vor 2024 erreichen werde. Diese Prognose ist durch keinerlei belastbaren Tatsachenvortrag bedingt. Die Kammer verkennt nicht, dass der Eintritt dieser Prognose durchaus möglich ist. Letztlich ist die künftige Entwicklung des Flugverkehrs ebenso wie die künftige Entwicklung der Corona-Pandemie insgesamt aber derzeit völlig offen und von zahlreichen Unbekannten abhängig (z.B. Entwicklung der Inzidenz, Impftempo, Teststrategien, Ausbreitung von Mutationen, Wirksamkeit des Impfstoffes gegen diese Mutationen etc.). Hinzu kommt, dass die Beklagte noch mit Schreiben vom 22.05.2020 durch Frau O. - Head of M. HR Management - hatte mitteilen lassen, dass die Beklagte weiterhin plane, den Mitarbeitern wie angekündigt im Rahmen des Vermittlungsprozesses Arbeitsplatzangebote an den HUBs in Frankfurt und München zu unterbreiten. Gut drei Wochen später teilt sie sodann mit Schreiben vom 16.06.2020 mit, dass aufgrund aller bisher bekannten Prognosen (Unterstreichung durch das Gericht) in den kommenden Jahren keine Aussicht auf freie Stellen an den HUBs bestünden. Der Kammer ist gänzlich unverständlich, was sich in diesen gut drei Wochen bei der Beklagten verändert haben soll. Geht man Ende Mai noch davon aus sämtlichen Mitarbeitern der dezentralen Stationen Arbeitsplätze in Frankfurt und München anbieten zu können, soll dies gut drei Wochen später nicht nur kurzfristig in der aktuellen Situation nicht möglich sein, sondern auf Jahre hinaus. Die Beklagte legt in keiner Weise dar, aufgrund welcher konkreten Tatsachen, die sich in diesen gut drei Wochen ergeben haben müssten, sie zu dieser Prognose kommt. Wie schwierig Prognosen in der derzeitigen Pandemie zu treffen sind, zeigt sich anschaulich in den Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten in den seitens der Klägerin zitierten Interviews nur knapp drei Monate später, die eine weitaus günstigere Entwicklung des Flugverkehrs schon für das Kalenderjahr 2021 erwarten lassen. Ein wichtiger Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses läge nur dann vor, wenn nicht nur unsicher ist, ob in absehbarer Zeit freie Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten entstehen, sondern wenn dies aufgrund einer auf konkreten Tatsachen basierenden Prognose mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht.

bb) Selbst, wenn man davon ausginge, dass der Flugverkehr erst im Jahre 2024 das Vorkrisenniveau erreichen würde (legt man in etwa die Mitte des Jahres zugrunde, wären dies drei Jahre nach dem streitgegenständlichen Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses) und erst ab diesem Zeitpunkt wieder konzernweite Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten entstehen würden, wäre der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar.

(1) Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.05.2007 (2 AZR 626/05 - Rn. 35) ausgeführt, dass ein wichtiger Grund an sich zur betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist nicht bereits dann anzunehmen sei, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für eine derartige, verhältnismäßig kurze Übergangszeit von höchstens 36 Monaten weiterbezahlen müsste, ohne dass sich in dieser Zeit konzernweit für ihn Beschäftigungsmöglichkeiten ergeben würden. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass selbst im Falle des Erreichens des Vorkrisenniveaus keine freien Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten entstehen würden, weil der Personalbedarf weitaus geringer sei, als vor Ausbruch der Krise, bleibt der Vortrag der Beklagten unsubstantiiert. So legt die Beklagte nicht dar, welche konkreten Arbeitsplätze aufgrund welcher konkreten unternehmerischen Entscheidung in Wegfall geraten sollen, wenn doch im Falle des Erreichens des Vorkrisenniveaus mathematisch grundsätzlich davon auszugehen ist, dass dann auch wieder der gleiche Arbeitsanfall besteht, wie vor Ausbruch der Krise. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass aufgrund der Vielzahl der Beschäftigten im Konzern etliche Mitarbeiter in den nächsten drei Jahren das Renteneintrittsalter erreichen werden und somit Arbeitsplätze freimachen.

(2) In die gleiche Richtung zeigt ein Vergleich zur außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist wegen häufiger Kurzerkrankungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers mit Blick auf die Entgeltfortzahlungskosten erst dann als unzumutbar angesehen wird, wenn der Arbeitgeber an mehr als einem Drittel der Arbeitstage zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist (BAG 25.04.2018 - 2 AZR 6/18). Die wirtschaftliche Belastung beträgt hier also nach drei Jahren schon mehr als ein Jahresgehalt.

(3) Die die wirtschaftlichen Belastungen der Beklagten im Falle der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sind darüber hinaus auch weit geringer als von ihr behauptet. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass im Falle der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die Klägerin bereits aufgrund der derzeit geltenden Rechtslage bis zum 31.12.2021 in Kurzarbeit hätte "geschickt" werden können, ungeachtet der Frage, ob diese Möglichkeit von der Bundesregierung bei andauernder Pandemie nochmals verlängert wird. Die Beklagte hätte die Klägerin auch in der Zeit vom Ausspruch der Kündigung bis zum Beendigungszeitpunkt in Kurzarbeit "schicken" können, was nur aufgrund der ausgesprochenen Kündigung nicht mehr möglich war. Hierdurch hätte die Beklagte insgesamt mehr als ein Jahresgehalt gespart. Dass dies in rechtlicher Hinsicht nicht möglich gewesen sein soll, ergibt sich jedenfalls nicht aus dem Schreiben der Bundesagentur für Arbeit vom 27.05.2020. Im Gegenteil: Die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass die Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld weiterhin gegeben sind, da sich die Beklagte bereits vor Eintritt der Kurzarbeit vertraglich gebunden hat, die Arbeitnehmer - soweit wie möglich konzernweit weiter zu beschäftigen. Die Ausführungen der Beklagten hierzu sind widersprüchlich. Kann dem Arbeitnehmer im Rahmen des Clearings eine tatsächliche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit angeboten werden, kommt es auf die Gewährung von Kurzarbeitergeld nicht mehr an. Denn wer tatsächlich arbeitet hat keinen Anspruch auf Gewährung von Kurzarbeitergeld. Dieser Fall kann daher erkennbar nicht gemeint sein. Im Rahmen der Korrespondenz mit der Bundesagentur für Arbeit kann mithin nur der Fall gemeint sein, dass der Arbeitnehmer auf einen Arbeitsplatz versetzt wird, der grundsätzlich vorhanden ist, zurzeit aufgrund der Corona Pandemie aber auch von der Kurzarbeit erfasst ist. Auch kann es keinen Unterschied machen, ob es sich hierbei um Stellen an den HUBs in Frankfurt und München handelt oder um sonstige Stellen die im Rahmen des Clearingverfahrens konzernweit anzubieten wären. Jedenfalls ist die Antwort der Bundesagentur für Arbeit aber nicht derart eindeutig im Sinne des Verständnisses der Beklagten zu verstehen, als dass es der Beklagten nicht zumutbar gewesen wäre, bei der Bundesagentur für Arbeit nochmals nachzufragen, ob es zum Erhalt der Arbeitsplätze möglich wäre, Arbeitnehmer, die formal nach Frankfurt oder München versetzt werden oder auf andere konzernweite Stellen versetzt werden, dort zunächst weiterhin in Kurzarbeit zu belassen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte im Falle der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sich die Zahlung der nicht unerheblichen Sozialplanabfindung erspart hätte. Da die ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer alle mindestens 15 Jahre beschäftigt sind und sich die Abfindung aus dem Sozialplan mindestens nach dem Faktor 1,0 berechnet und auf maximal 12 bzw. je nach Alter auf 13,4 Bruttomonatsvergütungen gedeckelt ist, beträgt die Sozialplanabfindung für jeden ordentlich unkündbaren Mitarbeiter im Minimum ein Bruttojahresgehalt. Bei der Darlegung ihrer wirtschaftlichen Belastungen verkennt die Beklagte zudem, dass sie zu einem gesteigerten Prüfprogramm freier Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nur bei den ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern verpflichtet ist, nicht hingegen bei den ordentlich kündbaren. Angesichts der Anzahl der von den Schließungen der dezentralen Stationen betroffenen Arbeitnehmer (und hierbei geht es nur um die ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer) im Verhältnis zur Gesamtbeschäftigtenanzahl im Konzern der M. erscheinen die wirtschaftlichen Belastungen der Beklagten der Kammer im Ergebnis damit nicht unzumutbar.

II.

Der Weiterbeschäftigungsantrag ist unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist. Dieser war daher abzuweisen.

1. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Ein Klageantrag, der nicht hinreichend bestimmt ist, ist unzulässig (vgl. nur Zöller/Greger ZPO § 253 Rn. 10). Hiermit soll auch verhindert werden, dass ein Streit über den Inhalt eines Vollstreckungstitels vom Erkenntnisverfahren in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden soll. Für den Schuldner muss aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat. Die Aufgabe des Zwangsvollstreckungsverfahrens ist es, zu klären, ob der Schuldner einer festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber worin diese besteht (BAG 28.02.2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe; BAG 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 - Rn. 16; BAG 27.05.2015 - 5 AZR 88/14 - Rn 40). Geht es - wie hier - um die Titulierung des dem Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen während des Laufes eines Kündigungsschutzprozesses zustehenden Anspruchs auf Weiterbeschäftigung muss deshalb der Vollstreckungstitel verdeutlichen, um welche Art von Beschäftigung es geht, da der Arbeitgeber vor unberechtigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geschützt werden muss.

2. Bei im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebener Arbeitspflicht kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 - Rn. 19) der Titel aus materiellrechtlichen Gründen nicht so genau sein, dass er auf eine ganz bestimmte im Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten ist. Darauf habe der Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch, weil das Weisungsrecht nach § 106 GewO dem Arbeitgeber zustehe. Um diesen Gesichtspunkten gerecht zu werden, sei es nur erforderlich, dass die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich sei. Dafür reiche es aus, wenn sich aus dem Titel das Berufsbild, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, ergebe oder diesem in vergleichbarer Weise zu entnehmen sei, worin die ihm zuzuweisende Tätigkeit bestehen soll. Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstigen Arbeitsbedingungen müsse der Titel demgegenüber nicht enthalten (BAG 27.05.2015 - 5 AZR 88/14 - Rn, 44; zuletzt BAG 05.02.2020 - 10 AZB 31/19 - Rn. 24). Bei der Prüfung, welche Verpflichtungen durch den Vollstreckungstitel festgelegt werden, kann grundsätzlich nur auf diesen selbst zurückgegriffen werden. Allerdings besteht die Möglichkeit, im Titel auf andere Urkunden zu verweisen. Für Urteile folgt dies aus der Regelung des § 313 Abs. 2 ZPO, die eine Verweisung auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ausdrücklich vorsieht. Soweit das Gericht davon Gebrauch gemacht hat, sind diese Unterlagen deshalb als Teil des vollstreckbaren Titels zu betrachten (BAG 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 - BAG 05.02.2020 - 10 AZB 31/19 -Rn. 21). Die Berücksichtigung von tatbestandlichen Feststellungen zur Auslegung des Titels kann jedoch nur insoweit erfolgen, als es sich um unstreitige Feststellungen handelt. Ist dagegen die Art der Beschäftigung zwischen den Parteien gerade streitig, helfen auch die tatbestandlichen Feststellungen bei der Auslegung eines Klageantrags nicht weiter (vgl. instruktiv zum Ganzen: LAG Düsseldorf 22.04.2020 - 13 Ta 25/20).

3. Hiernach ist der gestellte Weiterbeschäftigungsantrag nicht hinreichend bestimmt.

a) Die Tätigkeitsbeschreibung "Professional Service 1" entspricht - anders als bei einem Koch oder einem Schreiner - keinem verkehrsüblichen oder typischen Beschäftigungsinhalt.

b) Der Inhalt der Beschäftigung kann auch nicht aufgrund des unstreitigen Parteivorbringens durch Auslegung ermittelt werden. Beide Seiten haben zwar das Gericht förmlich mit Papier und Anlagen erschlagen; zum Inhalt der Tätigkeit eines "Professional Service 1" hat jedoch keine der beiden Seiten etwas vorgetragen. Dem Gericht ist daher nicht bekannt, welche konkreten Tätigkeiten die Klägerin als Professional Service 1 erbracht hat. Unbeachtlich ist der Einwand der Klägerin, dass es für die Beklagte ohne weiteres erkennbar sei, welche Aufgaben ein "Professional Service 1" bei ihr im Betrieb ausübe, da es sich um ein typisches Tätigkeitsprofil handele, dass es auf allen Stationen in Deutschland gebe. Denn im Rahmen eines möglichen Zwangsvollstreckungsverfahrens muss nicht die Beklagte, sondern das Gericht beurteilen können, ob die Beklagte mit der Zuweisung bestimmter Tätigkeiten die titulierte Weiterbeschäftigungspflicht erfüllt oder nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO. Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt. Er gilt zugleich als Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren im Sinne des § 63 Abs. 2 GKG.

E.