LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 03.03.2021 - 5 Sa 616/18 E
Fundstelle
openJur 2021, 18269
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 22.11.2018 (Az.: 9 Ca 725/18 E HBS) abgeändert.

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab Juni 2017 Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 a TVöD zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Umsetzung des Klägers zum Sachbearbeiter Ratenzahlungsvereinbarungen unwirksam ist.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und in diesem Zusammenhang über die Wirksamkeit einer Umsetzung.

Der am ... geborene Kläger ist bei dem Beklagten seit dem 01.01.2008 als Sachbearbeiter Vollstreckung beschäftigt. Er ist schwerbehindert mit einem Grad von 70 von Hundert. Am 11.02.2008 wurde der Kläger vom Beklagten zum Verwaltungsvollstreckungsbeamten bestellt (Bestellungsschreiben vom 11.02.2008 = Bl. 26 d. A.). Am 28.11.2008 fertigte der Beklagte eine Stellenbeschreibung für die vom Kläger nicht nur vorübergehend ausgeübte Tätigkeit. Der Kläger hat diese Stellenbeschreibung am 22.12.2008 unterzeichnet. Die Stellenbeschreibung hat folgenden Wortlaut:

Lfd. Nr.

a) Beschreibung der innerhalb der gesamten auszuübenden Tätigkeit anfallenden Arbeitsvorgänge(Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen einschließlich Zusammenhangstätigkeiten, die bezogen auf den Aufgabenkreis des Beschäftigten zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Sie sind so darzustellen, dass sie ein anschauliches Bild der Tätigkeit des Beschäftigten vermitteln)

b) zeitliche Anteile an der Gesamttätigkeit in %(Gesamt 100 %)

1

Innendienst:Sortierung der vorliegenden Vollstreckungsaufträge innerhalb des Vollstreckungsbezirks, soweit erforderliche Berechnung von Säumniszuschlägen (wegen der schnelleren Auftragsabwicklung beim Schuldner)persönliche Zahlungsaufforderungen an die Schuldner aufgrund des vorliegenden Vollstreckungsauftrages ausdrucken (bei Nichtantreffen)Fertigen einer schriftlichen Zahlungsaufforderung mit gleichzeitiger Pfändungsankündigung, Abrechnung der Bareinnahmen mit Buchungsaufstellung Schuldnerermittlungen, die in der gesamten Verwaltung eingesetzt werden

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2

Außendienst:eigenverantwortliche Abarbeitung der VollstreckungsaufträgeAufsuchen der Schuldner und GesprächsführungAnnahme von Bargeld und Ausstellung der Quittung zur Abwendung von Pfändungsmaßnahmeneigenverantwortliche Entscheidung vor Ort über fruchtlose Pfändung und Ratenverträgeeigenverantwortliche Entscheidung bei Wohnungsdurchsuchungen nach pfändbaren Gegenständeneigenverantwortliche Entscheidung bei der Bewertung von PfandsachenErmittlungen vor Ort (wegen Wohnort, Arbeitgeber und Arbeitszeit)

85

3

Durchführungen von Zwangsmaßnahmen:Übernahme der Türöffnungsbeschlüsse und deren Vollziehungeigenverantwortliche Entscheidung bei der Durchführung und Durchsetzung von angemessenen Zwangsmaßnahmen

5

Summe

100

Der Beklagte erstellte am 12.11.2009 eine "Arbeitsanweisung für Vollstreckungsbeamte". (Wegen des Inhalts der Arbeitsanweisung wird auf Blatt 107 - 116 der Akte verwiesen).

Der Kläger erhielt zuletzt Vergütung nach der Entgeltgruppe 6 TVöD (VKA).

Mit Schreiben vom 29.12.2017 und vom 31.12.2017 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts H... vom 07.07.2016 eine Eingruppierung "spätestens mit Wirkung ab 01.01.2018" in die Entgeltgruppe 9 a TVD (VKA).

Mit Schreiben vom 13.03.2018 lehnte der Beklagte die vom Kläger begehrte Eingruppierung ab (Wegen des Inhalts des Schreibens des Beklagten vom 13.03.2018 wird auf Blatt 11 der Akte Bezug genommen).

Es zeichnete sich im August 2017 ab, dass nicht mehr genug Aufgaben vorhanden waren, um eine wöchentliche Tour für Vollstreckungsbeamte im Außendienst zusammenstellen zu können. Am 30.08.2017 informierte die Sachgebietsleiterin, Frau C..., mündlich über die vorübergehende Einstellung des Außendienstes und wies den Außendienstmitarbeitern vorübergehend andere Aufgaben zu. Am 25.10.2017 informierte Frau C... in einer Dienstberatung mündlich über das weitere Aussetzen des Außendienstes. Dem Kläger wurden vorübergehend unterstützende Aufgaben für den Innendienst (Aufarbeitung der Altakten) übertragen. Von der dauerhaften Einstellung des Außendienstes wurden die betroffenen Mitarbeiter in der Dienstberatung am 10.01.2018 in Kenntnis gesetzt. Dem Kläger wurde zunächst der mit der Entgeltgruppe 6 TVöD (VKA) bewertete Aufgabenbereich der Ratenzahlung übertragen. In einer Dienstberatung am 07.02.2018 wurde festgelegt, dass dem Kläger - nunmehr auf Dauer - der Aufgabenbereich der Ratenzahlung übertragen wird und eine Einarbeitungszeit bis zum 31.03.2018 bestimmt. Mit Strukturänderungsmitteilung vom 06.04.2018 teilte die Sachgebietsleiterin der zuständigen Organisatorin die Einstellung des Außendienstes und die sich hieraus notwendige Umstrukturierung der Aufgaben mit. Gleichzeitig wurde ein Entwurf einer aktualisierten Stellenbeschreibung für den Kläger eingereicht (Bl. 256, 257 d. A.).

Mit seiner am 23.03.2018 bei dem Arbeitsgericht Magdeburg eingereichten Klage begehrte der Kläger den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Vollstreckungsbeamter im Außendienst und die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 a TVöD (VKA) ab dem 01.01.2017.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die im Juli 2018 erfolgte Zuweisung zum Innendienst (Ratenzahlungsbearbeitung) sei zu Unrecht erfolgt. Hierzu wäre eine Änderungskündigung erforderlich gewesen.

Hinsichtlich der begehrten Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 a TVöD (VKA) hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass Merkmal der selbständigen Leistungen sei erfüllt. Er müsse seine gesamte Tätigkeit eigenverantwortlich planen. Er entscheide aufgrund seiner Erfahrung, wann er welche Schuldner aufsuche, welche Vollstreckungsmaßnahmen sinnvoll und effektiv seien und welche Pfandsachen weggenommen würden. Der für eine Bejahung der selbständigen Leistungen erforderliche Ermessensspielraum läge vor. Der Kläger allein sei es, der vor Ort beim Vollstreckungsschuldner als hoheitlich handelnde Amtsperson agiere.

Der Kläger hat beantragt:

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis als Vollstreckungsbeamter im Außendienst zwischen dem Kläger und dem Beklagten unverändert fortbesteht.

2. festzustellen, dass der Beklagte den Kläger einzustufen hat in die Entgeltgruppe E 9 a TVöD und zwar rückwirkend für 6 Monate seit Antragstellung vom 29.12.2017.

Der beklagte Landkreis hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Zuweisung der Tätigkeit als Sachbearbeiter Ratenzahlungsbearbeitung im Jahr 2018 sei von dem Direktionsrecht gedeckt. Die neue Stelle sei wie die bisherige Stelle als Vollstreckungsbeamter im Außendienst jeweils mit der Entgeltgruppe 6 TVöD (VKA) zu bewerten.

Der Kläger sei als Vollstreckungsbeamter im Außendienst zutreffend in die Entgeltgruppe 6 TVöD (VKA) eingruppiert. Gründliche Fachkenntnisse seien erforderlich. Diese müssten auch vielseitig sein. Hingegen könne nicht von selbständigen Leistungen im Tarifsinne ausgegangen werden. Der hierfür erforderliche eigene Ermessens-, Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum läge nicht vor. Die auszuführenden Gesetze, Richtlinien und Arbeitsanweisungen würden das Tätigwerden des Klägers reglementieren. Auch die Durchführung der Sachpfändung erfordere keine selbständigen Leistungen im Tarifsinne. Gleiches würde bei der Durchsuchung von Wohnungen und Geschäftsräumen gelten.

Mit Urteil vom 22.11.2018 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe ein weites Direktionsrecht und könne den Kläger auch im Innendienst gleichwertig einsetzen. Auch die Eingruppierungsfeststellungsklage sei unbegründet. Es fehle an dem Merkmal selbständige Leistungen. Bei der kommunalen Vollstreckung handle es sich um einen einheitlichen Arbeitsvorgang. Innerhalb dieses Arbeitsvorganges würden keine selbständigen Leistungen in einem rechtserheblichen Umfang anfallen. Es fehle an einem erkennbaren hinreichend breiten Ermessens- und Gestaltungsspielraum. Den Erwägungen des Landesarbeitsgerichts Hamm in seinem Urteil vom 07.07.2016 (8 Sa 306/16) sei nicht zu folgen.

Gegen das dem Kläger am 05.12.2018 zugestellte Urteil wendet sich seine am 24.12.2018 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene und am 30.01.2019 begründete Berufung.

Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe unzutreffend die selbständigen Leistungen bei seiner Tätigkeit als kommunaler Vollstreckungsbeamter verneint. In den mehrheitlichen Fällen seien Ermessenserwägungen und Abwägungsprozesse vorzunehmen. Dies ergebe sich auch aus der Arbeitsanweisung für Vollstreckungsbeamte des Beklagten. Seine Tätigkeit sei umfangreich gefüllt mit Entscheidungen und Gedankenarbeit.

Der Kläger ist auch weiterhin der Auffassung, die Änderung der Tätigkeit von Vollstreckungsbeamter im Außendienst zu der Tätigkeit als Sachbearbeiter Ratenzahlungsbearbeitung hätte nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen können. Die Stellen seien tariflich anders zu bewerten, Vollstreckungsbeamter im Außendienst mit der Entgeltgruppe 9 a TVöD (VKA) und Sachbearbeiter Ratenzahlungsbearbeitung mit der Entgeltgruppe 6 TVöD (VKA).

Der Kläger beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab Juni 2017 Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 a TVöD zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Umsetzung des Klägers zum Sachbearbeiter Ratenzahlungsvereinbarungen unwirksam ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 22.11.2018, Aktenzeichen - 9 Ca 725/18 E - vollumfänglich und kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und ist weiterhin der Auffassung, dass die Umsetzung des Klägers auf die Stelle in den Innendienst, Sachbearbeiter Ratenzahlungsbearbeitung, vom Direktionsrecht gedeckt sei. Die zuvor vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als kommunaler Vollstreckungsbeamter beinhalte nicht selbständige Leistungen im Tarifsinne. Für die in der Stellenbeschreibung vom 22.12.2018 aufgelisteten Einzeltätigkeiten sei ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum nicht feststellbar.

Wegen den weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

I.

Die statthafte (§§ 8, 64 Abs. 1 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG; §§ 519 Abs. 2, 520 ZPO).

II.

Die Berufung des Klägers ist begründet. Die vom Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt - bis 31.12.2016 - ausgeübte Tätigkeit als kommunaler Vollstreckungsbeamter war nach der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 b BAT-O = so genannte "kleine" EG 9 zu vergüten. Aufgrund der Besitzstand geschützten Überleitung in die neue Entgeltordnung zum 01.01.2017 nach § 29 a TVÜ-VKA hat demnach eine Eingruppierung nach der neuen Entgeltordnung ab 01.01.2017 in die Entgeltgruppe 9 a TVöD (VKA) zu erfolgen. Demnach war die im Jahr 2018 erfolgte Umsetzung des Klägers vom kommunalen Vollstreckungsbeamten im Außendienst zum Sachbearbeiter Ratenzahlungsbearbeitung nicht vom Direktionsrecht des Beklagten gedeckt. Die 2 Stellen haben eine unterschiedliche tarifliche Wertigkeit (Vollstreckungsbeamter im Außendienst Entgeltgruppe 9 a TVöD (VKA), Sachbearbeiter Ratenzahlungsbearbeitung, Entgeltgruppe 6 TVöD (VKA)).

1.

Bis zur Einführung der neuen Entgeltordnung am 01.01.2017 galten gemäß § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA in der bis dahin geltenden Fassung für die in den TVöD übergeleiteten sowie die später eingestellten Beschäftigten die Eingruppierungsvorschriften des BAT-O weiter. Insoweit galt der in allen Tarifwerken des öffentlichen Dienstes maßgebliche Grundsatz der Tarifautomatik fort. Danach folgt der tarifliche Vergütungsanspruch ohne eine gesonderte Maßnahme des Arbeitgebers unmittelbar aus dem bloßen Erfüllen der tariflichen Tätigkeitsmerkmale. Die danach maßgeblichen Eingruppierungen wurden über die Tabellen der Anlagen 1 und 3 zum TV-Ü-VKA den Entgeltgruppen des TVöD zugeordnet und waren insoweit grundsätzlich vorläufig. Die Überleitung in die neue Entgeltgruppenordnung erfolgte gemäß § 29 a Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA unter Beibehaltung der Eingruppierungen, die sich aus den von der Entgeltordnung abgelösten Vergütungssysteme nach dem Grundsatz der Tarifautomatik ergaben. Diese bleiben grundsätzlich auch dann maßgeblich, wenn die unverändert ausgeübte Tätigkeit in der neuen Entgeltordnung anders bewertet ist (zuletzt BAG, 22.10.2020 - 6 AZR 74/19 -, juris, Rdnr. 15 ff.).

2.

Für den Rechtsstreit ist damit die Vergütungsgruppe V c BAT-O entscheidend. Diese hat folgenden Wortlaut:

Vergütungsgruppe V c

1 a) Angestellte im Büro, Buchhalterei, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Drittel selbständige Leistungen erfordert (...)

b) Angestellte im Büro, Buchhalterei, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert (...)

3.

Bezugspunkt der tariflichen Bewertung ist der Arbeitsvorgang.

Für die Bestimmung eines Arbeitsvorganges ist das Arbeitsergebnis maßgebend. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können jedoch dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Dafür reicht die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte der Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte übertragen zu können, solange sie nach der tatsächlichen Arbeitsorganisation des Arbeitgebers als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person real übertragen sind. Tatsächlich getrennt sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist. Zur Tätigkeit rechnen dabei auch die Zusammenhangstätigkeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben als Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger "Atomisierung" der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesem zuzurechnen sind. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt bei der Bestimmung der Arbeitsvorgänge außer Betracht. Erst nachdem der Arbeitsvorgang bestimmt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten (BAG, 16.10.2019 - 4 AZR 284/18 -, juris, Rn. 15; BAG 09.09.2020 - 4 AZR 195/20 -, juris, Rn. 27).

4.

Die Tätigkeit des Klägers gemäß der Stellenbeschreibung vom 22.12.2008 ist als ein Arbeitsvorgang im Tarifsinne anzusehen. Es geht um den Vollstreckungsvorgang zur Beitreibung von öffentlich-rechtlichen Forderungen für den Beklagten. Arbeitsergebnis und Vollstreckungsziel ist die Beitreibung der im Vollstreckungsauftrag titulierten Forderung. Sämtliche Einzeltätigkeiten, die der Kläger in der Abwicklung des Vollstreckungsauftrages verrichtet, dienen diesem Arbeitsergebnis. Deshalb gehören auch die einzelnen Tätigkeiten, die in der Stellenbeschreibung im Innendienst aufgeführt werden, ebenso wie die Tätigkeiten zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen (unter laufender Nummer 3 der Stellenbeschreibung angegeben) zusammen und sind nicht von den Tätigkeiten im Außendienst, die einen zeitlichen Anteil an der Gesamttätigkeit von 85 % hatten, als unterschiedliche Arbeitsvorgänge zu trennen.

5.

Dass der Arbeitsvorgang gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Die in einem solchen Fall gebotene summarische Prüfung bestätigt dieses Ergebnis. Soweit die Tätigkeiten die Vollstreckung im Außendienst betreffen, ergeben sich bereits aus den anzuwendenden Vorschriften, dass vielseitige Fachkenntnisse erforderlich sind. Der Kläger benötigt zudem gründliche Fachkenntnisse. Ohne die hierzu erforderlichen näheren Kenntnisse der angeführten Rechtsvorschriften lässt sich eine rechtssichere Vollstreckung von Geldforderungen im Spannungsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner nicht durchführen. Eine rechtssichere Vollstreckung setzt die komplette Kenntnis dieser Vorschriften voraus.

6.

Der Kläger erbringt selbständige Leistungen in dem tariflich geforderten Umfang.

6.1.

Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen. Das Merkmal "selbständige Leistungen" darf nicht mit dem Begriff "selbständig Arbeiten" verwechselt werden, worunter eine Tätigkeit ohne direkte Aufsicht oder Leitung zu verstehen ist. Eine selbständige Leistung im Tarifsinn ist dann anzunehmen, wenn eine Gedankenarbeit erbracht wird, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses, eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert. Kennzeichnend für selbständige Leistungen im tariflichen Sinne ist - ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe - ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses. Es werden Abwägungsprozesse verlangt, in deren Rahmen Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt werden. Dabei müssen für die Entscheidung unterschiedliche Informationen verknüpft und untereinander abgewogen werden. Dass diese Abwägungsprozesse bei entsprechender Routine durchaus schnell ablaufen können steht dem nicht entgegen (BAG 16.10.2019 - 4 AZR 284/18, juris, Rn. 33).

Dabei besteht ein untrennbarer Zusammenhang zu den für die Vergütungsgruppe jeweils erforderlichen "gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse". Die Arbeitsvorgänge, die "gründliche und vielseitige Fachkenntnisse" erfordern, werden durch das Merkmal der Selbständigkeit auf eine intellektuelle Ebene gebracht, die durch schwierige geistige Arbeit gekennzeichnet wird. Für die Erfüllung der tariflichen Anforderungen genügt es dabei, wenn selbständige Leistungen innerhalb eines entsprechenden Arbeitsvorganges in rechtlich erheblichem Maß vorliegen. Nicht erforderlich ist, dass innerhalb eines Arbeitsvorganges "selbständige Leistungen" ihrerseits in dem von § 12 TVöD bestimmten Maß anfallen (BAG 22.02.2017 - 4 AZR 514/16, juris, Rn. 41).

6.2.

Dem Beklagten ist zuzugestehen, dass die Dienstanweisung für Vollziehungsbeamte des Beklagten die einzelnen Vollstreckungsschritte beschreibt. Aber selbst auf Grundlage dieser Dienstanweisung bestehen vielfältige Beurteilungs- und Ermessensspielräume für den Kläger, die er auf Grundlage seiner gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse i. S. d. Erzielung eines bestmöglichen Arbeitsergebnisses heranziehen muss. Der Kläger muss vor Ort beim Vollstreckungsschuldner immer dann, wenn nicht unverzüglich Zahlung erfolgt, dass sich ihm bietende Bild bewerten, richtig einordnen und zu einem Gesamtbild verarbeiten. Der Kläger muss den Entscheidungsprozess selbständig herbeiführen. Der Kläger muss die einzelnen Prozesse, die in Betracht kommen um das bestmögliche Arbeitsergebnis zu erzielen, gegeneinander abwägen und einer eigenen Entscheidung zuführen. Auch aus der Arbeitsanweisung für Vollstreckungsbeamte des Beklagten ergibt sich, dass der Kläger Abwägungsprozesse vorzunehmen hat. Ziffer 15. Abs. 3 weist den Vollstreckungsbeamten an, die Vollstreckungsaufträge mit den Maßnahmen durchzuführen, die den größtmöglichen Erfolg versprechen. Dafür ist ein Abwägungsprozess am Einzelfall notwendig, der mehrere potentielle Handlungsmöglichkeiten umfasst, von denen letztlich eine auszuwählen ist. Der Ermessensspielraum ist groß und wird durch die alleinige Abwägung des mit der Vollstreckung beauftragten Beamten ausgeführt werden. Ziffer 21 Abs. 3 weist den Vollstreckungsbeamten im Falle einer richterlichen Durchsuchungsanordnung an, mit allen nunmehr gebotenen Mitteln den Vollstreckungsauftrag auszuführen, was das zuvor genannte Beispiel verschärft, in dem vielmehr auch noch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Maßnahmen von Vollstreckungsbeamten vorgenommen werden soll, da es sich um einen Eingriff in Artikel 13 GG handelt. Dies ist nur möglich, indem die vor Ort festgestellten Informationen mit den fachlichen Kenntnissen des Vollstreckungsbeamten beurteilt werden und am Ende zu einem Zwischenergebnis, der Wahl der gebotenen Maßnahme, führen. Gleiches gilt nach Ziffer 22 Abs. 1, wonach der Vollstreckungsbeamte bei Gefahr in Verzug eine Durchsuchung der Wohnung vornehmen kann. Nach Ziffer 30 Abs. 1 wählt der Vollstreckungsbeamte die zu pfändenden Gegenstände nachpflichtgemäßen Ermessen aus. Hier wird dem Vollstreckungsbeamten ausdrücklich ein Ermessensspielraum eingeräumt, im Rahmen dessen er den zu pfändenden Gegenstand auszuwählen hat. Ziffer 32 Abs. 1 und 2 betrifft die Pfändung von Kraftfahrzeugen. Auch dieser Pfändung geht schon ein Abwägungsprozess vorweg. Bei der Pfändung selbst kann der Vollstreckungsbeamte in Ausnahmefällen das Fahrzeug in Gewahrsam des Schuldners belassen. Diese Ausnahmefälle sind nicht weiter konkretisiert, sondern richten sich nach den Erfahrungen und Kenntnissen der alleinigen Verantwortung des Vollstreckungsbeamten (vgl. auch die ähnlich gelagerten Fälle des LAG Hamm vom 07.07.2016 - 8 Sa 306/16 -, juris sowie LAG Niedersachsen vom 04.11.2019 - 1 Sa 394/19 E -, juris. Mit vorliegendem Fall nicht vergleichbar: LAG Berlin-Brandenburg vom 10.03.2020 - 19 Sa 1349/19 -, die in dem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg zur Beurteilung der Eingruppierung maßgeblichen Tätigkeiten des dortigen Klägers sind mit den vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten als kommunaler Vollstreckungsbeamter im Außendienst nicht vergleichbar).

III.

Der in der Berufung umgestellte Antrag auf Feststellung, dass die Umsetzung im Jahr 2018 unwirksam war, ist zulässig und begründet.

1.

Die Klageänderung ist nach § 533 zulässig. Zum einen hat sich der Beklagte auf den geänderten Antrag eingelassen. Zudem ist die Klageänderung sachdienlich und wird auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat.

Der als uneigentliche Hilfsantrag gestellte Antrag zu 2. fiel auch zur Entscheidung an, da der Kläger mit dem Antrag zu 1. die Feststellung bewirkt hat, dass er als Vollstreckungsbeamter im Außendienst in die Entgeltgruppe 9 a TVöD (VKA) einzugruppieren ist.

2.

Die Umsetzung des Klägers vom kommunalen Vollstreckungsbeamten im Außendienst zu der Stelle als Sachbearbeiter Ratenzahlungsbearbeitung ist nicht vom Direktionsrecht gedeckt. Eine Umsetzung kann wirksam nur innerhalb von gleichwertigen tariflichen Entgeltgruppen erfolgen. Die Bewertung der Tätigkeit als Sachbearbeiter Ratenzahlungsbearbeitung wird zwischen den Parteien unstreitig mit der Entgeltgruppe 6 TVöD (VKA) bewertet. Die Änderung der Tätigkeiten durch den Beklagten im Jahr 2018 konnte demnach nicht einseitig im Wege des Direktionsrechts erfolgen. Der Beklagte hätte vielmehr eine Änderungskündigung aussprechen müssen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

V.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG bestanden nicht. Zum einen liegt eine Einzelfallentscheidung vor. Es geht bei der Bewertung der Tätigkeit im Vollstreckungsaußendienst nicht abstrakt und für eine Vielzahl von Fällen zu klärende Rechtsfrage. Dies zeigt auch die der Tätigkeit von Vollstreckungsbeamten zu Grunde liegenden unterschiedlichen Verfahrensverwaltungsgesetze der Länder. Zudem können die Anweisungen für die Vollstreckungsbeamten jeweils unterschiedlich geregelt werden. Entscheidend kommt es des Weiteren darauf an, wie sich die tatsächlich auszuübenden Tätigkeiten darstellen, diese sind nicht zwingend einheitlich.

Die Revision war auch nicht wegen § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen. Die Entscheidung weicht nicht von der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10.03.2020 ab. Zwei unterschiedliche Leitsätze können nicht gebildet werden. Der Sachverhalt, der dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg zu Grunde lag, ist nicht vergleichbar mit dem vorliegenden Sachverhalt.