OLG Hamm, Beschluss vom 29.01.2021 - 30 W 10/20
Fundstelle
openJur 2021, 17761
  • Rkr:
Verfahrensgang

§ 41 Abs. 1 GKG findet auch auf Herausgabe des Leasinggegenstandes gerichtete Klagen Anwendung, wenn die Parteien um die Beendigung des Leasingvertrages streiten (in Abweichung zu OLG München, Beschluss vom 11. März 2020 - 32 W 284/20 -)

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Essen vom 17.01.2020, Az. 17 O 196/19, dahingehend abgeändert, dass der Streitwert auf 1.377,84 € festgesetzt wird.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangte von dem Beklagten aufgrund eines ihrer Meinung nach beendeten Leasingvertrages die Herausgabe eines Kraftfahrzeuges, dessen Wert 14.632,48 € betrug. Der Leasingvertrag hatte eine ursprüngliche Laufzeit von 12 Monaten; der Beklagte hatte jedoch das Recht, den Vertrag durch Optionserklärung um bis zu 18 weitere Monate zu verlängern. Der Beklagte hat behauptet, er habe rechtzeitig seine Verlängerungsoption ausgeübt. Der Leasingvertrag habe somit fortbestanden.

Das Landgericht hat den Streitwert mit Beschluss vom 17.01.2020 (Bl. 88 f. d.A.) auf 14.632,48 € (den Wert des Fahrzeugs) festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten (Bl. 116 ff. d.A.), mit der er die Herabsetzung des Streitwertes auf 1.377,84 € (12 Monatsmieten) begehrt. Er vertritt die Auffassung, dass auf Fälle, in denen der Bestand des Leasingvertrages in Streit stehe, die Regelung des § 41 Abs. 1 GKG Anwendung finde.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 23.03.2020 (Bl. 148 f. d.A.) nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Streitwertbemessung nach § 41 Abs. 1 GKG nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ausscheide. Danach müsse das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig sein. Zwar dürfte es sich bei einem Leasingvertrag um ein "ähnliches Nutzungsverhältnis" im Sinne dieser Vorschrift handeln. Streitgegenstand sei jedoch gerade nicht das Bestehen oder die Dauer dieses Verhältnisses, sondern vielmehr ein Herausgabeanspruch der Klägerin. Dieser sei zwar von der Vorfrage abhängig, ob der zwischen den Parteien geschlossene Leasingvertrag durch Zeitablauf beendet sei oder sich aufgrund der Ausübung eines Optionsrechtes des Beklagten verlängert habe. Es genüge für die Anwendung von § 41 Abs. 1 GKG jedoch gerade nicht, wenn nur aus dem Nutzungsverhältnis abgeleitete Einzelansprüche (hier: § 546 Abs. 1 BGB) geltend gemacht würden, dessen Bestehen oder Dauer jedoch nicht selbst Streitgegenstand, sondern nur eine Vorfrage sei. Vor diesem Hintergrund schließe sich die Kammer der Auffassung des Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 11.03.2020 - 32 W 284/20) an, dass § 41 Abs. 1 GKG in Fällen der vorliegenden Art unanwendbar sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien nimmt der Senat Bezug auf die zwischen ihnen in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die angefochtene landgerichtliche Entscheidung nebst Nichtabhilfebeschluss.

II.

Die Beschwerde ist begründet.

Der Streitwert ist gem. § 41 Abs. 1 GKG auf den Wert des einjährigen Entgelts für die Nutzung des Leasingfahrzeugs festzusetzen.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Anwendungsbereich des § 41 Abs. 1 GKG vorliegend eröffnet. Nach dieser Regelung ist dann, wenn das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig ist, der Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Entgelts und, wenn das einjährige Entgelt geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung maßgebend.

Bei dem hier vorliegenden Leasingvertrag handelt es sich um ein "ähnliches Nutzungsverhältnis" i.S.d. § 41 Abs.1 GKG (vgl. BGH, Beschluss vom 26. August 2014 - VIII ZR 335/13 -, Rn. 18, juris). Ferner ist das Bestehen dieses Nutzungsverhältnisses streitig, denn der Beklagte hat sich gegen den von der Klägerin geltend gemachten Herausgabeanspruch mit der Behauptung verteidigt, das Leasingverhältnis habe fortbestanden.

Dass der Fortbestand des Leasingvertrages nicht alleiniger Gegenstand dieses Rechtsstreits, sondern vielmehr Vorfrage einer Herausgabeklage ist, steht nach Auffassung des Senats der Anwendung des § 41 Abs.1 GKG nicht entgegen.

So setzt der Wortlaut des § 41 Abs. 1 GKG nur voraus, dass Streit über das Bestehen oder die Dauer eines Nutzungsverhältnisses vorliegt. Dass ein solcher alleiniger Gegenstand des Rechtsstreits sein muss - was den Anwendungsbereich des § 41 Abs. 1 GKG letztlich auf reine Feststellungsklagen reduzieren würde - geht daraus hingegen nicht hervor (so aber: OLG München, Beschluss vom 11. März 2020 - 32 W 284/20, Rn. 5, juris; anders wohl noch: OLG München, Beschluss vom 26. März 2018 - 32 W 412/18 -, Rn. 13 ff., juris). Auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird - soweit ersichtlich - nicht von einer derart eingeschränkten Reichweite des § 41 Abs. 1 GKG ausgegangen (vgl. etwa BGH NJW-RR 2009, 156, Tz. 9, wonach solche Streitigkeiten [lediglich] "regelmäßig und typischerweise in Form von Feststellungsklagen ausgetragen" würden: vgl. zur Unerheblichkeit der Klageart auch Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, GKG § 41 Rn. 11).

Ebenso wenig folgt nach Auffassung des Senats aus dem systematischen Vergleich zu der Regelung in § 41 Abs. 2 GKG - anders als etwa zuletzt vom Oberlandesgericht München in seiner Entscheidung vom 11. März 2020 a.a.O. vertreten -, dass der Gesetzgeber Herausgabeklagen aus dem Anwendungsbereich des Absatz 1 herausnehmen wollte. Zwar trifft § 41 Abs. 2 GKG eine Sonderregelung für Streitigkeiten über die "Räumung eines Grundstückes, Gebäudes oder Gebäudeteils", was zunächst darauf hindeuten könnte, dass derartige Streitigkeiten nicht bereits von Absatz 1 erfasst sind. Gegen eine solche Auslegung spricht nach Auffassung des Senats jedoch die weitere Formulierung in Absatz 2, wonach "ohne Rücksicht darauf, ob über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses Streit besteht, das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt" maßgebend ist. Aus diesem Halbsatz lässt sich vielmehr schließen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers § 41 Abs. 1 GKG auch Herausgabeklagen erfassen soll; anderenfalls hätte es diesen Halbsatzes nämlich nicht bedurft. Die Erweiterung des Absatzes 2 von § 41 GKG besteht also nicht darin, dass abweichend von Abs. 1 die Vorschrift unter bestimmten Fällen auch auf Herausgabeklagen Anwendung finden soll, sondern vielmehr darin, dass die grundsätzliche Anwendbarkeit auch auf Herausgabeklagen für solche, die Grundstücke, Gebäude oder -teile betreffen, dahingehend erweitert wird, dass ein Streit über das Bestehen eines Nutzungsverhältnisses nicht weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit ist. Für ein solches Verständnis spricht weiterhin die Verweisung in Absatz 2 auf Absatz 1 ("... wenn sich nicht aus Absatz 1 ein geringerer Streitwert ergibt."); denn ein geringerer Streitwert nach Absatz 1 kann sich nur dann für solche Herausgabeklagen ergeben, wenn Absatz 1 überhaupt auf diese Klageart auch anwendbar ist.

Ferner stehen auch teleologische Erwägungen der Anwendung des Absatz 1 auf Herausgabeklagen nicht entgegen. Wie die Vorgängervorschrift § 16 GKG aF enthält § 41 GKG in den Absätzen 1, 2 und 5 aus sozialen Gründen Regelungen zur Begrenzung der Höhe des Gebührenstreitwertes. Ziel dieser Begrenzung ist es, Mieter nicht durch hohe Gerichtsgebühren davon abzuhalten, das Bestehen oder die Dauer eines Mietverhältnisses oder etwa die Berechtigung einer Räumung der bisher genutzten Wohnung gerichtlich prüfen zu lassen (BT-Drs. 15/1971 S. 154; vgl. OLG München, Beschluss vom 26. März 2018 - 32 W 412/18 -, Rn. 10, juris). Der Senat verkennt nicht, dass diese Erwägungen auf entgeltliche Nutzungsverhältnisse über bewegliche Sachen nicht im gleichen Maße Anwendung finden. So kann anders als bei der Miete von Grundstücken etwa bei Leasing von beweglichen Gegenständen nicht davon ausgegangen werden, dass die Zugrundelegung des Wertes des Leasinggegenstandes regelmäßig zu so hohen Gerichtsgebühren führt, die den Leasingnehmer davon abhalten, die Berechtigung des Herausgabeverlangens des Leasinggebers gerichtlich überprüfen zu lassen (vgl. OLG München, Beschluss vom 26. März 2018 - 32 W 412/18 -, Rn. 12, juris). Jedoch hat der Gesetzgeber in § 41 Abs. 1 GKG die Grundentscheidung getroffen, auch bei beweglichen Sachen Streitigkeiten über entgeltliche Nutzungsverhältnisse gebührenrechtlich zu begünstigen. Dass dieses Privileg nur für (reine) Feststellungsklagen gelten soll, ist - wie bereits ausgeführt - nicht ersichtlich. Dagegen spricht auch, dass es dann vom Zufall abhinge, welche Partei mit welchem Inhalt Klage erhöbe, ob die Vergünstigung des § 41 Abs. 1 GKG Anwendung fände oder nicht. Bei einer Herausgabeklage des Leasinggebers / Vermieters einer Sache griffe die Vergünstigung nicht, bei einer von ihm oder dem Leasingnehmer/Mieter erhobenen Feststellungklage, gerichtet auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Nutzungsverhältnisses, hingegen griffe sie.

Nichts anderes ergibt sich schließlich aus dem Umstand, dass - wie das Oberlandesgericht München in seiner neueren Entscheidung (Beschluss vom 11. März 2020 - 32 W 284/20 -, Rn. 6, juris) kritisiert - bei der Anwendung des § 41 Abs. 1 GKG ein unterschiedlicher Streitwert für Herausgabeklagen maßgebend sein kann, je nachdem, ob das (Fort-) Bestehen eines zugrundeliegenden Nutzungsverhältnisses streitig ist oder nicht. Denn diese unterschiedliche Behandlung liegt darin begründet, dass die Privilegierung des § 41 Abs. 1 GKG gerade an einen Streit über den Bestand oder die Dauer eines Nutzungsverhältnisses anknüpft.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen (§ 574 Abs. 2, 3 S. 1 ZPO).

Im Hinblick auf die entgegenstehende Entscheidung des Oberlandesgerichts München (OLG München, Beschluss vom 11. März 2020 - 32 W 284/20, juris) zu § 41 Abs. 1 GKG ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

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