VG Regensburg, Beschluss vom 07.04.2020 - RO 4 E 20.446
Fundstelle
openJur 2021, 17514
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

3. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.

Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 22.8.2019 wandte sich die Antragstellerin an den Antragsgegner und beantragte die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Der Antragsgegner forderte die Bevollmächtigte der Antragstellerin unter dem 9.12.2019 auf, das Antragsformular mit der Mutter der Antragstellerin auszufüllen und an den Antragsgegner zurück zu übersenden. Das an den Antragsgegner übersandte, von der Mutter der Antragstellerin unterschriebene Antragsformular, ist datiert auf den 7.1.2020. Die Antragstellerin ist französische Staatsangehörige.

Unter dem 17.2.2020 teilte die Zentrale Ausländerbehörde Regensburg dem Antragsgegner mit, dass die Antragstellerin und ihre Mutter Ende 2018 in Deutschland eingereist seien. Es laufe ein Asylverfahren. Die Antragstellerin und ihre Mutter müssten nach Frankreich ausreisen, dort warte der Ehemann auf Mutter und Kind.

Mit an die Mutter der Antragstellerin adressiertem Schreiben vom 20.2.2020 hörte der Antragsgegner sie zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz an. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragstellerin und ihre Mutter besäßen nur eine Duldung, die keine Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit enthalte. Sie würden sich auch noch keine drei Jahre in Deutschland aufhalten.

Unter dem 4.3.2020 erließ der Antragsgegner folgenden an die Bevollmächtigte der Antragstellerin adressierten Bescheid:

1. Der Antrag auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz vom 9.1.2020 für das Kind ..., geb. ..., das gesetzlich vertreten wird durch ... wird abgelehnt.

2. Dieser Bescheid ergeht kostenfrei (§ 64 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches, Band X).

Zur Begründung wurde ausgeführt, weil Frau ... und ihr ... nur eine Duldung besäßen, die keine Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit enthalte und sich Frau ... und ihr Kind noch keine drei Jahre in Deutschland aufhielten, müsse der Antrag abgelehnt werden.

Die Antragstellerin ließ mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 17.3.2020, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hiergegen Klage erheben (Az.: RO 4 K 20.447) und Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Gewährung von Prozesskostenhilfe stellen. Zur Begründung wird vorgetragen, die Antragstellerin sei am ... in ... Frankreich geboren, damit französische Staatsangehörige und deshalb gem. § 2 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Der Vater der Antragstellerin lebe irgendwo in Frankreich und bezahle keinen Unterhalt. Bei der Einreise aus Frankreich nach Deutschland sei die Antragstellerin mit ihrer Mutter in die "Schublade" Asyl geraten. Die Antragstellerin und ihre Mutter bezögen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die Mutter der Antragstellerin benötige, um weiterhin in Deutschland bleiben zu können, eine Beschäftigung. Notwendig wäre es Kontakt zur Arbeitsagentur in Weiden oder anderen Arbeitsvermittlern aufzunehmen, wozu aber Bargeld erforderlich sei. Die Antragstellerin wohne in ... in der Asylunterkunft. Sie bräuchte eine Wohnung, auch hierfür seien Barmittel erforderlich. Auch in Bezug auf das Freizügigkeitsrecht sei die Mutter der Antragstellerin gehalten, nachzuweisen, dass der Lebensunterhalt der Beiden ohne Sozialhilfeleistungen bestritten werden könne. Es bestehe die Gefahr, dass der Antragstellerin und deren Mutter die Freizügigkeit abgesprochen werde.

Die Antragstellerin beantragt,

Dem antragsgegnerischen Landratsamt wird auferlegt, bis zur Entscheidung über die Klage der Antragstellerin vom 16.3.2020 gegen den Bescheid vom 12.3.2020, längstens für die Dauer von sechs Monaten, der Antragstellerin Leistungen nach dem UVG zu bezahlen.

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin ..., ..., gewährt.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt das antragsgegnerische Landratsamt.

Der Antragsgegner beantragt,

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Vorgetragen wird, die Antragstellerin sei nicht Berechtigte im Sinne des § 1 UVG. Für die Antragstellerin sowie ihre Mutter bestehe kein Freizügigkeitsrecht im Sinne des § 2 Abs. 1 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU). Die Ausnahmetatbestände für nicht freizügigkeitsberechtigte Kinder gem. § 1 Abs. 2a UVG seien ebenfalls nicht erfüllt. Es sei auch kein hinreichender Anordnungsgrund gegeben. Der Unterhalt der Antragstellerin und ihrer Mutter werde durch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gedeckt. Der vollziehbar ausreisepflichtigen Mutter der Antragstellerin sei eine Erwerbstätigkeit nur mit Zustimmung der Zentralen Ausländerbehörde erlaubt, welche derzeit nicht erteilt werden könne. Es seien keine Deutschkenntnisse auf ausreichendem Niveau gegeben. Die Unterhaltsvorschussleistung, die allein dem Zweck der Sicherung des Unterhalts des Kindes diene, würde nichts an dieser Sachlage ändern.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte mit den eingereichten Schriftsätzen und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen. Die Gerichtsakte des Verfahrens RO 4 K 20.447 wurde zum Verfahren beigezogen.

II.

1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung ist abzulehnen, da die Klage im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. §§ 114, 121 Zivilprozessordnung (ZPO)) (vgl. dazu 2 und 3).

2. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist die Glaubhaftmachung der Anspruchsvoraussetzungen (§ 123 Abs. 3 VwGO), d.h. von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn eine Eilbedürftigkeit für die begehrte Regelung besteht. An diesem fehlt es hier. Die Bevollmächtigte der Antragstellerin verweist darauf, dass Barmittel benötigt würden, um es der Mutter der Antragstellerin zu ermöglichen, Kontakte zur Arbeitsagentur oder sonstigen Arbeitsvermittlern aufzunehmen und eine andere Wohnung zu suchen. Auch müsse zum Erhalt des Freizügigkeitsrechts nachgewiesen werden, dass die Antragstellerin und ihre Mutter in der Lage seien, ihren Lebensunterhalt ohne Sozialleistungen zu bestreiten. Die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz dienen dazu, den Unterhalt des Kindes zu sichern. Aus dem Vorbringen der Bevollmächtigten der Antragstellerin ergibt sich aber gerade nicht, dass der Unterhalt der Antragstellerin derzeit nicht gesichert wäre. Vielmehr beziehen die Antragstellerin und ihre Mutter Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Eine Sicherung ihres Lebensunterhalts ist dadurch gewährleistet. Von einer Eilbedürftigkeit, die den Erlass einer Regelungsanordnung, die darauf gerichtet ist, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu bekommen, rechtfertigen würde, ist nicht auszugehen.

3. Es ist auch kein Anordnungsanspruch gegeben.

a. Der Bescheid des Landkreises Neustadt an der Waldnaab vom 4.3.2020 ist zwar formell rechtswidrig, weil die nach § 24 Abs. 1 des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) erforderliche Anhörung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Unabhängig von der Frage, ob die für die Anhörung gewährte Frist ausreichend war, hätte die Anhörung nicht gegenüber der Mutter der Antragstellerin, sondern gegenüber ihrer Bevollmächtigten erfolgen müssen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X).

b. Ein materieller Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz besteht jedoch nicht. Die Antragstellerin gehört nicht zu den nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 2.Alt. Freizügigkeitsgesetz/EU nicht erfüllt, da Schüler nicht hierunter fallen (BeckOK Ausländerrecht, Tewocht Freizüg/EU § 2 RdNr. 24).

Sie ist auch nicht nach § 1 Abs. 2a des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) anspruchsberechtigt, da auch die Voraussetzungen dieser Regelung nicht gegeben sind.

Nach alledem sind die Anträge auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

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