OLG Köln, Urteil vom 26.03.2020 - 15 U 193/19
Fundstelle
openJur 2021, 16887
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 3.7.2019 (28 O 191/18) teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen zwei Bildberichterstattungen in der von dieser verlegte A-Zeitung vom 10.07.2017 ("Zeugen gesucht! Bitte wenden Sie sich an die Polizei", vgl. Anlage K1) und vom 12.1.2018 ("Gericht verbietet Bilder von G20-Plünderin", vgl. Anlage K6) auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 30.000 Euro sowie auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.

Die jeweiligen Unterlassungsansprüche gegen die Berichterstattungen hat die Klägerin vor dem Landgericht Frankfurt am Main geltend gemacht, welches der Beklagten sowohl die Berichterstattung vom 10.7.2017 als auch die Berichterstattung vom 12.1.2018 untersagt hat. Ferner hat das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 16.5.2018 (2-03 O 270/17) ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 Euro gegen die Beklagte im Hinblick auf die Berichterstattung vom 12.1.2018 festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Oberlandesgericht Frankfurt mit Beschluss vom 29.1.2019 (16 W 4/19) zurückgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 18.12.2019 (1 BvR 957/19, vgl. Anlage K16) die gegen die Festsetzung des Ordnungsgeldes gerichtete Verfassungsbeschwerde der Beklagten nicht zur Entscheidung angenommen.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags sowie der Anträge der Parteien wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Mit Urteil vom 3.7.2019 hat das Landgericht der Klage überwiegend - nämlich hinsichtlich einer Entschädigung von 30.000 Euro sowie außergerichtlicher Kosten von 1.358,86 Euro - stattgegeben und sie im übrigen - hinsichtlich der weiteren außergerichtlichen Anwaltskosten - abgewiesen.

Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, die Berichterstattung vom 10.7.2017 sei rechtswidrig, weil es sich zwar um Bildnisse der Zeitgeschichte handele, die Interessen der Klägerin im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG jedoch überwögen. Nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Rezipienten werde die Klägerin in der Berichterstattung als mutmaßliche Schwerkriminelle dargestellt. Selbst wenn man nach Lesart der Beklagten eine Aufteilung der Bildberichterstattung annehme, dürfe jedoch über die Straftat der Klägerin - allenfalls ein Diebstahl geringwertiger Sachen - nicht mit Bild berichtet werden. Dies gelte auch angesichts des Umstands, dass der Diebstahl im Zuge von Krawallen und Plünderungen stattgefunden habe. Die Grundsätze der Öffentlichkeitsfahndung griffen im vorliegenden Fall nicht ein, vielmehr stelle die Beklagte die Klägerin ungerechtfertigt an den (Fahndungs-) Pranger.

Auch die Berichterstattung vom 12.1.2018 sei rechtswidrig, da auch hier die Interessen der Klägerin nach § 23 Abs. 2 KUG überwögen. Zwar sei es der Beklagten unbenommen, die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt zum Unterlassungsanspruch der Klägerin zu kritisieren. Dies bedeute jedoch nicht, dass dabei auch die Bildnisse der Klägerin erneut veröffentlicht werden dürften. Diese Bildnisse wiesen - zumal von der Beklagten selbst nach eigenem Vortrag kein Fahndungsaufruf beabsichtigt gewesen sei - keine Aktualität hinsichtlich der abgebildeten Szene mehr auf. Die Beklagte habe die gerichtliche Entscheidung zu respektieren und im Übrigen handele es sich auch um keine schwerwiegende Straftat der Klägerin.

Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch die beiden Berichterstattungen sei schwerwiegend, weil die unbekannte Klägerin grob fahrlässig bzw. absichtlich vor einem Millionenpublikum an den Pranger gestellt werde. Eine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit sei bei Bildnissen nicht gegeben und auch das vom Landgericht Frankfurt verhängte Ordnungsgeld stehe der Zubilligung einer Geldentschädigung nicht entgegen. Die Klägerin habe auch ein unabweisliches Bedürfnis entschädigt zu werden, weil sie öffentlich an den Pranger gestellt worden sei. Für die Berichterstattung vom 10.7.2017 sei eine Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro und für diejenige vom 12.1.2018 eine Entschädigung in Höhe von 20.000 Euro angemessen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und verfolgt ihr erstinstanzliches Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.

Sie macht geltend, die Kammer habe fehlerhafte tatsächliche Feststellungen getroffen, da es zwischen den Parteien unstreitig sei, dass die Klägerin vor dem Drogeriemarkt Waren aufgehoben, an sich genommen und mit ihnen den Ort verlassen habe. Weiter habe das Landgericht bei der Berichterstattung vom 10.7.2017 nicht berücksichtigt, dass die Äußerung und Verbreitung wahrer Tatsachen im Grundsatz immer zulässig sei und sie - die Beklagte - schon gar kein besonderes öffentliches Interesse an der Berichterstattung darlegen müsse. Unabhängig davon bestehe dies jedoch auch. Denn für das öffentliche Interesse am berichteten Verhalten der Klägerin sei im Rahmen der Güterabwägung nicht entscheidend, ob es sich bei den Waren um geringwertige Sachen gehandelt habe, sondern vielmehr, dass der Diebstahl im Zusammenhang mit den Ausschreitungen beim G20-Gipfel begangen worden sei. Die Leser müssten darüber informiert werden, dass die Klägerin nichts Besseres zu tun gehabt habe, als sich den in Hamburg herrschenden bürgerkriegsähnlichen Ausnahmezustand zunutze zu machen. Dieses Ausnutzen der Situation begründe ein gesteigertes öffentliches Interesse.

Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dass die Klägerin zwar auf den Bildnissen erkennbar und damit von der Bildberichterstattung persönlich betroffen sei. Diese Erkennbarkeit bestehe aber allenfalls für nähere Bekannte, da nur die Frisur und die Stirnpartie zu erkennen sei. Insofern liege nur eine sehr geringe Eingriffsintensität vor und gerade nicht der vom Landgericht bejahte Medienpranger. Gegen eine erhebliche Beeinträchtigung spreche im Übrigen auch, dass aus der Berichterstattung keine angebliche Beteiligung der Klägerin an Gewalttaten hervorgehe. Das Landgericht habe zudem fehlerhaft in die Bewertung einbezogen, dass die Berichterstattung vermeintlich zu früh erfolgt sei und sie - die Beklagte - nicht abgewartet habe, ob konventionelle Ermittlungsmethoden zum Erfolg führen würden. Tatsächlich habe jedoch ein erhöhtes Eilbedürfnis bestanden, weil bis zum Zeitpunkt der Berichterstattung nur geringe Fahndungserfolge erzielt worden seien. Auch habe sie keinen eigenen Fahndungsaufruf gestartet, sondern auf eine Maßnahme der Polizei reagiert, die noch dazu im Beitrag ausdrücklich erwähnt werde.

Die Berichterstattung vom 12.1.2018 verstoße - anders als dies im Ordnungsmittelverfahren vom Landgericht Frankfurt bewertet worden sei - nicht gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot, da unterschiedliche Bildnisse verwendet worden seien. Die Bildnisse aus der Berichterstattung vom 12.1.2018 stellten die Handlung der Klägerin in den Vordergrund und nicht ihre Identität. Insofern könne bei der Zubilligung einer Geldentschädigung auch nicht zu ihren - der Beklagten - Lasten berücksichtigt werden, dass sie sich über eine gerichtliche Entscheidung hinweggesetzt habe. Es habe auch ein aktueller Anlass für die Veröffentlichung der Bildnisse bestanden, denn Gegenstand der Berichterstattung sei nicht das Verhalten der Klägerin anlässlich des G20-Gipfels, sondern die zum damaligen Zeitpunkt ergangene Entscheidung des Landgerichts Frankfurt und die dort vorgenommene, aus Sicht der Beklagten fehlerhafte Gewichtung der Pressefreiheit im Verhältnis zum Persönlichkeitsrecht der Klägerin. Zudem sei es auch hier unzulässig, die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung daraus abzuleiten, dass die Klägerin vor einem Millionenpublikum an den Pranger gestellt werde, denn für das breite Publikum sei sie auf den verwendeten Bildnissen nicht erkennbar. Schließlich sei neben dem bereits verhängten Ordnungsgeld kein Raum für die Zubilligung einer Geldentschädigung.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 3.7.2019 (28 O 191/18) die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertieft ihre erstinstanzlichen Ausführungen.

Sie bestreitet wie schon in erster Instanz, mit den Gewalttaten anlässlich des G20-Gipfels sympathisiert oder diesen zugestimmt zu haben, so dass die Beklagte auch keinen Zusammenhang zwischen dem von ihr begangenen Diebstahl und den gewalttätigen Ausschreitungen habe konstruieren dürfen. Eine Rechtsverletzung setze im Übrigen nicht voraus, dass der Betroffene für die allgemeine Öffentlichkeit erkennbar sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass an ihr als absoluter Randfigur der Geschehnisse um den G20-Gipfel kein hohes öffentliches Interesse bestanden habe und es auch nicht Aufgabe der Beklagten sei, die Polizei bei einer Fahndung zu unterstützen. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass in der Berichterstattung lediglich wahre Tatsachen mitgeteilt würden, denn unstreitig habe sie - die Klägerin - sich beim Aufheben der Waren nicht "im" Drogeriemarkt befunden, wie es in der Berichterstattung wiedergegeben werde. Der Aufruf der Hamburger Polizei habe die Beklagte lediglich dazu berechtigt, die ihr vorliegenden Fotos auf dem von der Polizei eingerichteten Online-Portal zur Verfügung zu stellen, nicht jedoch dazu, diese Fotos im Rahmen eines eigenen Fahndungsaufrufs zu veröffentlichen.

Schließlich ist die Klägerin der Ansicht, die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg zum fehlenden Anspruch auf Entschädigung neben einem Ordnungsgeld stelle eine absolute Einzelfallentscheidung dar, die in der Rechtsprechung keinen Anklang gefunden habe. Wer sich über ein gerichtliches Verbot hinwegsetze, dürfe nicht dadurch noch einen "Rabatt" bekommen, dass er dem Betroffenen keine Entschädigung zahlen müsse.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet, was zur teilweisen Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur Abweisung der Klage insgesamt führt.

A. An der Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken mehr, nachdem die Klägerin, die unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt steht und somit im vorliegenden Verfahren einer partiell geschäftsunfähigen und damit prozessunfähigen Person gleichgestellt ist, mit Schriftsatz vom 12.2.2020 eine Einverständniserklärung ihres Betreuers zu den Akten gereicht hat, aus der sich ergibt, dass dieser mit der Führung des Rechtsstreits einverstanden ist.

B. Die Klage ist jedoch unbegründet, so dass auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil entsprechend abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen war. Der Klägerin steht weder ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung noch auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten für das Abmahnschreiben vom 12.2.2018 zu.

Im Einzelnen:

1. Die Klägerin hat im Hinblick auf die Berichterstattung der Beklagten vom 10.7.2017 ("Zeugen gesucht! Bitte wenden Sie sich an die Polizei", vgl. Anlage K1) keinen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine solche schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab. Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. BGH, Urt. v. 24.5.2016 - VI ZR 496/15, NJW-RR 2016, 1136; BGH, Urt. v. 21.4.2015 - VI ZR 245/14, juris Rn. 33 m.w.N.).

Zwar löst nicht jede Verletzung des Rechts am eigenen Bild einen Anspruch des Betroffenen auf eine Geldentschädigung aus, sondern ebenfalls nur dann, wenn es sich nach den Umständen, die dem Fall das Gepräge geben, um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann (von Strobl-Albeg, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage, Kap. 9 Rn. 41; Wanckel, Foto- und Bildrecht, 5. Auflage Rn. 270). Da die Besonderheit einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild aber darin besteht, dass dem Verletzten - anders als in den anderen Fällen, in denen er etwa den Widerruf oder die Richtigstellung einer sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Äußerung verlangen kann - gegen eine solche Rechtsverletzung neben dem Anspruch auf Unterlassung keine anderen Abwehrmöglichkeiten als ein Anspruch auf eine Geldentschädigung zu Gebote stehen, sind an die Zubilligung eines Entschädigungsanspruchs geringere Anforderungen als in anderen Fällen einer Persönlichkeitsverletzung zu stellen (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1995 - VI ZR 223/94, NJW 1996, 985; Wanckel, Foto- und Bildrecht, 5. Auflage, Rn. 272).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gilt hier Folgendes:

a. Die Veröffentlichung der Bildnisse der Klägerin in der Berichterstattung vom 10.7.2017 stellt zwar eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts in Form des Rechts am eigenen Bild gemäß §§ 22, 23 KUG dar, wobei einer Anwendung des KUG jedenfalls im - hier betroffenen - journalistischen Bereich das Inkrafttreten der DSGVO nicht entgegensteht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019 - 1 BvR 16/13, AfP 2020, 35; offen noch: OLG Köln, Urt. v. 8.10.2018 - 15 U 110/18, n.v.; OLG Köln, Urt. v. 18.6.2018 - 15 W 27/18, BeckRS 2018, 12712; OLG Köln, Urt. v. 25.6.2018 - 15 U 51/17, n.v.; vgl. auch Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057 ff.; Frey, in: Schwartmann u.a., DS-GVO/BDSG, 2018, Art. 85 Rn. 10 und 33).

aa. Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen, das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 S. 1 KUG). Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildes ist nur zulässig, wenn dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei ist schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits vorzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 17.122019 - VI ZR 249/18, juris Rn. 40; BGH, Urt. v. 29.5.2018 - VI ZR 56/17, juris Rn. 9 m.w.N.).

Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens, der nicht zu eng verstanden werden darf. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historischpolitischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Geschehen der Zeit, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Es gehört dabei zum Kern der Presse- und Meinungsfreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht. Auch unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen, nehmen grundsätzlich an diesem Schutz teil, ohne dass dieser von der Eigenart oder dem Niveau des jeweiligen Beitrags oder des Presseerzeugnisses abhängt. Gerade prominente Personen können der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- und Kontrastfunktionen erfüllen, so dass auch Aspekte aus ihrem Privatleben der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen können. Im Rahmen einer zulässigen Berichterstattung steht es den Medien grundsätzlich frei, Textberichte durch Bilder zu illustrieren. Bildaussagen nehmen am verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilderung sie dienen (vgl. BGH, Urt. v. 29.5.2018 - VI ZR 56/17, juris Rn. 9 m.w.N.; BGH, Urt. v. 6.2.2018 - VI ZR 76/17, VersR 2018, 554; BGH, Urt. v. 28.10.2008 - VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213; BVerfG, Beschl. v. 9.2.2017 - 1 BvR 967/15, NJW 2017, 1376).

Ein Informationsinteresse besteht jedoch nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Nicht alles, wofür sich Menschen aus Langeweile, Neugier und Sensationslust interessieren, rechtfertigt dessen visuelle Darstellung in der breiten Medienöffentlichkeit. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden (vgl. BGH, Urt. v. 29.5.2018 - VI ZR 56/17, juris Rn. 9 m.w.N.). Es bedarf mithin einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen.

Im Rahmen dieser Abwägung kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln ist, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung. Zu prüfen ist, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen. Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.5.2018 - VI ZR 56/17, juris Rn. 9 m.w.N.).

Bei der Prüfung der Frage, ob und in welchem Ausmaß die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet und welcher Informationswert ihr damit beizumessen ist, ist von erheblicher Bedeutung, welche Rolle dem Betroffenen in der Öffentlichkeit zukommt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte unterscheidet zwischen Politikern ("politicians/personnes politiques"), sonstigen im öffentlichen Leben oder im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Personen ("public figures/personnes publiques") und Privatpersonen ("ordinary person/personne ordinaire"), wobei einer Berichterstattung über letztere engere Grenzen als in Bezug auf den Kreis sonstiger Personen des öffentlichen Lebens gezogen seien und der Schutz der Politiker am schwächsten sei (vgl. EGMR, Urt. v. 7.2.2012 - 40660/08, GRUR 2012, 745 [Bild]; EGMR, Urt. v. 10.7.2014 - 48311/10, NJW 2015, 1501 [Wort]).

Für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes wird neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung, etwa durch Ausnutzung von Heimlichkeit und beharrlicher Nachstellung, auch bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (vgl. BGH, Urt. v. 29.5.2018 - VI ZR 56/17, juris Rn. 9 m.w.N.; BGH, Urt. v. 6.2.2018 - VI ZR 76/17, VersR 2018, 554). Das Gewicht der mit der Abbildung verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts ist erhöht, wenn der Betroffene nach den Umständen, unter denen die Aufnahme gefertigt wurde, typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden, etwa weil er sich in einer durch Privatheit geprägten Situation, insbesondere einem besonders geschützten Raum, aufhielt (BVerfG, Beschl. v. 9.2.2017 - 1 BvR 967/15, NJW 2017, 1376; BVerfG, Beschl. v. 26.2.2008 - 1 BvR 1602/07, BVerfGE 120, 180). Allerdings erfordern Privatheit und die daraus abzuleitende berechtigte Erwartung, nicht in den Medien abgebildet zu werden, nicht notwendig eine durch räumliche Abgeschiedenheit geprägte Situation. Vielmehr können sie in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und des Alltags auch außerhalb örtlicher Abgeschiedenheit entstehen (BGH, Urt. v. 6.2.2018 - VI ZR 76/17, VersR 2018, 554 m.w.N.). Stets abwägungsrelevant ist schließlich die Intensität des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.2.2008 - 1 BvR 1602/07, BVerfGE 120, 180).

bb. Vorliegend handelt es sich um Bildnisse im Sinne von § 22 KUG, da die Klägerin auf ihnen individuell erkennbar ist. Auch die Beklagte zieht mit der Berufungsbegründung - anders als noch in der Klageerwiderung - nicht mehr ernsthaft in Zweifel, dass es zum einen die Klägerin ist, welche auf den streitgegenständlichen Fotos in einem pinkfarbenen Oberteil vor dem zerstörten Drogeriemarkt zu sehen ist und dass sie zum anderen jedenfalls von Verwandten und/oder guten Bekannten erkannt werden kann. Dies trifft nach Ansicht des Senats sowohl im Hinblick auf das erste Foto zu, welches die Klägerin zwar nur von hinten zeigt, jedoch ihre Haarfarbe, Statur und Kleidung erkennen lässt als auch im Hinblick auf das zweite Foto, auf dem Stirn- und Augenpartie teilweise zu erkennen sind.

cc. Unter Berücksichtigung der vorgenannten höchstrichterlichen Grundsätze handelt es sich bei den beiden streitgegenständlichen Bildnissen um solche aus dem Bereich der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, weil das im vorliegenden Fall bestehende Informationsinteresse der Öffentlichkeit unter Abwägung aller hier relevanten Umstände das Anonymitätsinteresse der Klägerin überwiegt.

(1) Zugunsten der Beklagten ist zunächst zu berücksichtigen, dass der angegriffenen Berichterstattung ein hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit zukommt. Ein solcher Informationswert ist bei einer Bildberichterstattung im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln, wobei insbesondere die zugehörige Textberichterstattung zu berücksichtigen ist.

(a) Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang schon grundsätzlich darauf beruft, sie berichte lediglich wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre der Klägerin und müsse daher überhaupt kein öffentliches Interesse an ihrer Berichterstattung darlegen, sofern nicht eine Ausgrenzung oder Stigmatisierung zu befürchten sei, trifft dies allerdings nicht zu. Denn vorliegend richtet sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht gegen die Wortberichterstattung - insofern werden dessen Voraussetzungen bei Eingriffen in die Sozialsphäre von der Beklagten zutreffend geschildert - sondern gegen die Bildberichterstattung. Die vom Regel-Ausnahme-Prinzip der §§ 22, 23 KUG geprägte Gewährleistung des Rechts am eigenen Bild als besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist jedoch von dem Schutz des Einzelnen vor der Verbreitung ihn betreffender Äußerungen in den Medien zu unterscheiden. Anders als bei einer Wortberichterstattung aus der Sozialsphäre ist bei entsprechenden Bildnissen ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit zur Begründung eines Ereignisses der Zeitgeschichte erforderlich, um die fehlende Einwilligung des Betroffenen auszugleichen. Die unterschiedlichen rechtlichen Ansatzpunkte tragen der Tatsache Rechnung, dass es gegenüber einer Wortberichterstattung typischerweise einen ungleich stärkeren Eingriff in die persönliche Sphäre bedeutet, wenn jemand das Erscheinungsbild einer Person in einer Lichtbildaufnahme oder einem Film fixiert, es sich so verfügbar macht und der Allgemeinheit vorführt (vgl. BGH, Urt. v. 29.5.2018 - VI ZR 56/17, juris Rn. 28 ff. m.w.N.).

(b) Das hohe öffentliche Interesse an der Bildberichterstattung im Gesamtkontext mit der begleitenden Wortberichterstattung resultiert vorliegend daraus, dass sich die Beklagte mit den gewalttätigen Ausschreitungen im Umfeld des G20-Gipfels befasst, bei denen Demonstranten und Randalierer große Teile der Hamburger Innenstadt verwüstet sowie zahlreiche erhebliche Gewalttaten gegenüber Polizeibeamten und anderen Personen verübt haben. Dies ist ohne Zweifel eine Angelegenheit von besonderer politischer und gesellschaftlicher Relevanz, an deren Darstellung und Diskussion ein erhebliches öffentliches Interesse bestand. Indem die Beklagte die betreffenden Ausschreitungen gegen Personen und Sachen in ihrer Wort- und Bildberichterstattung beschreibt, trägt sie zur Diskussion und zur öffentlichen Meinungsbildung über die betreffenden Geschehnisse bei. Auch die Abbildung von Straftaten während der Krawalle ist vom Auftrag der Presse umfasst, die Öffentlichkeit umfassend zu informieren.

(c) Soweit die Beklagte zusätzlich - im Ergebnis nach Ansicht des Senats unzulässig - ohne staatliche Aufforderung oder Billigung auch einen privaten Fahndungsaufruf gestartet und die Leser aufgefordert hat, sich gegebenenfalls an die Polizei zu wenden, soweit sie über Informationen zu den abgebildeten Personen verfügen, steht dies der vorstehenden Bewertung des erheblichen Berichterstattungsinteresses nicht entgegen. Denn zum einen war die Berichterstattung im Ergebnis darauf gerichtet, bei der Ermittlung von Straftätern zu helfen und erfolgte aus der Motivation heraus, dass sich die Identifizierung von an den Krawallen beteiligten Personen bereits zum Zeitpunkt der angegriffenen Berichterstattung unstreitig als schwierig dargestellt hatte. Zum anderen enthält die Wort- und Bildberichterstattung neben dem Fahndungsaufruf auch eine Schilderung der konkreten Ereignisse in Hamburg, die - wozu die Beklagte ebenfalls im Rahmen ihrer journalistischen Entscheidungsbefugnis grundsätzlich berechtigt ist - durch das dazu passende Bildmaterial illustriert werden.

(2) Dem danach gegebenen hohen Informationsinteresse der Öffentlichkeit über die Ereignisse in Hamburg steht auch nicht, was entscheidend zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen wäre, entgegen, dass die Beklagte mit der Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der diese begleitenden Wortberichterstattungen vermeintlich falsche Tatsachenbehauptungen über die Klägerin verbreitet hätte. Denn es ist prozessual als unstreitig zu behandeln, dass die Klägerin jedenfalls im Außenbereich des Drogeriemarktes liegende Waren an sich und später mitgenommen. Hinsichtlich der von Klägerseite in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwürfe einer Falschberichterstattung gilt Folgendes:

(a) Abweichend von der Wertung des Landgerichts geht der Senat davon aus, dass die Beklagte weder durch die begleitende Wortberichterstattung noch durch die Bildnisse die Behauptung oder auch nur den Verdacht geäußert hat, die Klägerin habe neben den bildlich dargestellten Handlungen weitere (schwere) Straftaten begangen. Denn eine solche Äußerung ist in der Berichterstattung weder ausdrücklich noch "zwischen den Zeilen" enthalten.

Aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten gliedert sich der Beitrag vom 10.7.2017 in zwei Teile: Zunächst in einen "allgemeinen Teil" in der mittleren Spalte, der in pauschaler Form und ohne nähere Individualisierung einzelner Personen ("Schwerkriminellen", "Randalierern", "Vermummte", "Chaoten", "Gewalttäter", "Linksextremisten") die verschiedenen Verhaltensweisen und Straftaten anlässlich des Gipfels schildert. Sodann in einen "besonderen Teil" in Form der Fotos mit den jeweiligen Bildunterschriften, in dem unter Bezugnahme auf die jeweils auf dem Foto konkret abgebildete Person sowohl deren Kleidung als auch das spezifisch kritisierte Verhalten beschrieben wird. In keinem dieser Teile ist die ausdrückliche Äußerung der Beklagten - sei es als Behauptung oder als Verdacht - enthalten, die Klägerin habe sich an Gewalttaten gegen Personen oder Sachen beteiligt.

Eine solche Äußerung findet sich auch nicht "zwischen den Zeilen". Denn schon aufgrund der für sich augenfälligen und daneben auch in der Wortberichterstattung inhaltlich aufgenommenen Unterteilung kann für den durchschnittlichen Rezipienten nicht der zwingende Eindruck entstehen, dass die auf dem Foto rechts unten zu erkennende Klägerin über die wahrheitsgemäße Schilderung des "Wochend-Einklau" hinaus vermeintlich weitere (mit Gewalt verbundene) Straftaten begangen hat. Von Seiten der Beklagten wird aus Sicht eines durchschnittlichen Lesers insofern weder behauptet noch der Verdacht erhoben, die Klägerin habe sich an solchen Gewalttaten gegen Personen oder Sachen beteiligt, wie sie im mittleren Textteil des Beitrags abstrakt geschildert und in einigen der Fotos auch bebildert werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der ihre Fotos betreffenden Bildunterschrift gerade nicht als "G20-Plünderin" o.ä. bezeichnet wird, womit letztlich offen bleiben kann, ob eine solche Formulierung überhaupt als entsprechende (Verdachts-)Äußerung über eine schwere Straftat ausreichen würde.

(b) Eine Behauptung unwahrer Tatsachen liegt weiter auch nicht darin, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Bildnisse der Klägerin mit einem Begleittext versehen hat, in welchem es heißt: "Wasser, Süßigkeiten und Kaugummis erbeutet die Frau im pinkfarbenen T-Shirt im geplünderten Drogeriemarkt".

Es ist vorliegend prozessual als unstreitig zu behandeln, dass die Klägerin im Außenbereich des zerstörten Drogeriemarktes Waren aufgehoben und später mitgenommen hat. Denn den entsprechenden Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung (dort S. 6) hat die Klägerin nicht hinreichend bestritten. Sie hat sich vielmehr in ihren Schriftsätzen stets auf die Behauptung beschränkt, sie habe sich nicht innerhalb des Ladengeschäfts befunden, keine Polizisten angegriffen und sich nicht an Ausschreitungen oder Krawallen beteiligt (vgl. S. 3 des Prozesskostenhilfeantrags vom 17.5.2018, S. 3 des Schriftsatzes vom 1.3.2019); daneben hat sie die Ansicht geäußert, die Beklagte sei nicht in der Lage, eine eventuelle Strafbarkeit und insbesondere das Vorliegen subjektiver Tatmerkmale zu beurteilen (S. 11 und 14 des Schriftsatzes vom 1.3.2019). Soweit sie in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 25.2.2020 nunmehr konkret behauptet, beim Betreten des Bereichs vor dem Supermarkt bereits die Flasche Wasser und auch die Tafel Schokolade bereits in der Hand gehabt zu haben, ist dieser Vortrag - den der Senat im Übrigen anhand der vorgelegten Fotos nicht zu verifizieren vermag - wegen Verspätung unzulässig. Denn die Klägerin hat in ihrem in Bezug genommenen Schriftsatz vom 19.12.2019 - unabhängig von der Frage, ob bereits dieser Vortrag wegen Verspätung nicht zu berücksichtigen gewesen wäre - wiederum in tatsächlicher Hinsicht nur bestritten, dass sie mit Waren "aus" dem Laden gekommen ist und hat ihre Ansicht vertieft, die Beklagte könne eine Strafbarkeit im Hinblick auf die aus der Betreuungsanordnung resultierende besondere Schutzbedürftigkeit nicht beurteilen.

Soweit nach dem Vorgesagten zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Klägerin lediglich im Außenbereich Waren aufgehoben hat und nicht "im" Drogeriemarkt, kann auch dies nicht zu einer im Gesamtkontext relevanten Falschbehauptung führen, da aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten ohne Belang ist, ob die Klägerin die Waren vor oder im Markt aufgehoben hat. Entscheidend ist in erster Linie die Aussagekraft der Bildnisse, auf deren Veröffentlichung die Klägerin ihren Entschädigungsanspruch stützt und aus diesen geht für den Rezipienten eindeutig hervor, dass sie sich bei dem von der Beklagten so bezeichneten "Wochenend-Einklau" im Außenbereich des Marktes aufhielt.

(3) Zugunsten der Klägerin ist zwar in die Abwägung einzustellen, dass sie weder Politikerin noch Prominente ist, sondern lediglich Privatperson ("ordinary person/personne ordinaire") und als solche grundsätzlich die geringsten Eingriffe in ihre Rechtspositionen hinzunehmen hat. Dies allein kann vorliegend jedoch nicht rechtfertigen, dass das Informationsinteresse auf Seiten der Beklagten im Rahmen von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zurücktritt. Denn das von der Beklagten illustrierte Geschehen hat tagsüber im öffentlichen Raum stattgefunden und betrifft damit lediglich die Sozialsphäre der Klägerin. Auch im Zusammenhang mit der zugehörigen Textberichterstattung beruhen die Beiträge ausschließlich auf Wahrnehmungen, die typischerweise durch die Öffentlichkeit des Orts ermöglicht wurden und keine indiskrete Beobachtung im Einzelnen voraussetzen (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 5.4.2000 - 1 BvR 2479/97, NJW 2000, 2194). Zwar ist Privatsphäre nicht allein räumlich zu verstehen, da Privatheit und die daraus abzuleitende berechtigte Erwartung, nicht in den Medien abgebildet zu werden, nicht notwendig eine durch räumliche Abgeschiedenheit geprägte Situation erfordern, sondern auch in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und des Alltags auch außerhalb örtlicher Abgeschiedenheit entstehen können (vgl. BGH, Urt. v. 6.2.2018 - VI ZR 76/17, juris Rn. 28 m.w.N.). Die streitgegenständlichen Fotos zeigen die Klägerin jedoch gerade nicht in einem Moment der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Alltags, sondern vielmehr bei Begehung einer Straftat. Weder im Hinblick auf den Ort, an welchem die Bildnisse angefertigt wurde noch im Hinblick auf das konkrete Verhalten der Klägerin, das auf den Bildnissen illustriert wurde, ist die räumliche oder die thematische Privatsphäre betroffen, denn sie konnte nicht die berechtigte Erwartung haben, bei ihrem am helllichten Tage mitten in der Hamburger Innenstadt und während der aufsehenerregenden Krawalle ausgeführten Diebstahl von öffentlicher Wahrnehmung unbehelligt zu bleiben.

(4) Die Klägerin kann in diesem Zusammenhang auch nicht geltend machen, sie habe durch ihre Tat keine Sympathie mit den gewalttätigen Demonstranten gezeigt oder deren Taten gebilligt, so dass sie selbst gar nicht Teil des Ereignisses der Zeitgeschichte gewesen sei, über das die Beklagte berichte. Denn auch wenn sie selbst keine Gewalt gegen Personen oder Sachen verübt, sondern nur als "Schaulustige" (vgl. Bl. 45) bei den Demonstrationen zugegen war, hat sie jedenfalls eine Situation, in der Zerstörung und Chaos herrschten, die Waren des Drogeriemarktes auf der Straße verstreut lagen und von einer Kontrolle durch den Inhaber bzw. dessen Angestellte keine Rede sein konnte, zu ihrem eigenen finanziellen Vorteil genutzt. Auch wenn es sich bei der Tat der Klägerin nicht um die von der Beklagten an anderer Stelle des Beitrages angesprochene Schwerkriminalität handelt und sie auch nicht "dringend verdächtig (ist), schwere Straftaten ... begangen zu haben", stellt ihr Verhalten eine derjenigen Gelegenheitsstraftaten dar, wie sie im Zuge der Ausschreitungen beim G20-Gipfel nicht selten zu beobachten waren und die damit auch das Gesamtbild des Geschehens, nämlich anarchieähnliche Zustände in der Hamburger Innenstadt prägten, welches die Beklagte zum Gegenstand ihres Beitrags gemacht hat.

(5) Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 17.12.2019 (VI ZR 249/18, juris) ausgeführt hat, dass oftmals bis zu einem erstinstanzlichen Schuldspruch das Recht des Betroffenen auf Schutz der Persönlichkeit das Interesse der Öffentlichkeit an seiner Abbildung überwiegt, dem Informationsinteresse damit (erst) mit dem erstinstanzlichen Urteil - auch vor Eintritt der Rechtskraft - der Vorrang gebührt und jedenfalls bei einem rechtskräftig verurteilten Straftäter nicht mehr die Gefahr, dass sein Gesicht zu Unrecht mit der Tat verbunden wird, spricht dies hier nicht gegen die Annahme eines Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Dabei ist nach Auffassung des Senats zum einen zu berücksichtigen, dass die veröffentlichten Bildnisse in erster Linie nicht der Identifizierung der Klägerin dienen - die im konkreten Fall aufgrund Ausschnitt und Qualität der Aufnahme nur von Verwandten und/oder Bekannten vorgenommen werden kann - sondern vielmehr der Darstellung ihrer in aller Öffentlichkeit begangenen Straftat, die im Zusammenhang mit einem in hohem Maße öffentlichkeitswirksam Ereignis stand und von diesem mit geprägt wurde. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass prozessual davon auszugehen ist, dass die Klägerin - wie bereits oben ausgeführt - das ihr vorgeworfene und in der Bildberichterstattung dargestellte Delikt begangen hat, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass das gegen sie eingeleitete Strafverfahren nicht nach § 170 Abs. 2 StPO, sondern nach § 153 StPO eingestellt wurde, womit gerade nicht die Situation eines späteren Freispruchs sowie einer berechtigten Furcht der Klägerin verbleibt, es könne von der Straftat "zu Unrecht etwas hängen bleiben".

(6) Schließlich stehen auch die Umstände der Gewinnung der Abbildung der Annahme eines Ereignisses der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht entgegen. Denn die Fotografien der Klägerin sind weder unter Ausnutzung von Heimlichkeit noch durch beharrliche Nachstellung entstanden. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, sie selbst habe nicht bemerkt, dass Fotos von ihr gefertigt wurden bzw. sie habe den Fotografen nicht wahrgenommen, begründet dies keine Heimlichkeit. Denn eine solche ist nicht von den subjektiven Empfindungen des Betroffenen, sondern vielmehr von objektiven Umständen abhängig. Vorliegend bieten weder der öffentliche Straßenraum oder die Tageszeit noch der Umstand der Aufnahme - ein gewalttätige Randale mit bundesweiter Aufmerksamkeit - objektiven Anlass zu der Annahme, man könne sich an der betreffenden Stelle von der Öffentlichkeit unbemerkt bewegen und dabei einen Diebstahl begehen.

dd. Die Bildberichterstattung ist jedoch deshalb rechtswidrig, weil bei der nach § 23 Abs. 2 KUG gebotenen Würdigung der Berichterstattung in ihrer Gesamtheit (vgl. BGH, Urt. v. 6.3.2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275; BGH, Urt. v. 6.2.2018 - VI ZR 76/17, juris Rn. 29) den einer Veröffentlichung entgegenstehenden berechtigten Interessen der Klägerin das überwiegende Gewicht zukommt.

(1) Zum einen weisen die Fotos nach Ansicht des Senats einen eigenständigen Verletzungsgehalt auf. Denn die Aufnahmen zeigen die Klägerin - auch wenn sie auf diesen nur für wenige Personen individuell erkennbar ist - in einer Situation, in der sie eine Straftat begeht und damit in einer Situation, die bei öffentlicher Zurschaustellung als nachteilig und peinlich empfunden wird. Die Straftat wird zudem, was auch die Bildnisse illustrieren, in einer Situation begangen, in der Chaos und Zerstörung herrschen, wobei dieser äußere Rahmen von der Klägerin ausgenutzt wird, indem sie die vor dem zerstörten Markt liegende Ware an sich nimmt und damit letztlich aus der Randale von Chaoten eigenen finanziellen Profit schlägt. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen erhält auch die Straftat der Klägerin - gleichsam spiegelbildlich zum oben dargestellten gesteigerten öffentlichen Interesse an der Berichterstattung - eine deutlich negativere Prägung, als dies bei der "üblichen" Begehung und Darstellung eines solchen Delikts zu erwarten gewesen wäre.

(2) Zum anderen ist im Rahmen der Prüfung nach § 23 Abs. 2 KUG auch der Gesamtkontext der Berichterstattung zu beachten, welche die Leser in plakativer Form zur Fahndung nach "Schwerkriminellen" aufruft, wozu die Klägerin - mag sie die Waren vor dem Drogeriemarkt auch in Zueignungsabsicht aufgehoben haben - eben nicht zählt. Indem das Bildnis der Klägerin auf der fraglichen Seite in unmittelbarem Kontext mit der Schilderung und Bebilderung schwerer Straftaten veröffentlicht wird, nimmt sie - auch wenn eine Auslegung wie oben dargelegt keine entsprechende Behauptung oder Verdachtsäußerung der Beklagten enthält - aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten zumindest reflexartig an demjenigen (gesteigerten) Unwerturteil teil, welches gegenüber den gewaltsamen Randalierern gefällt wird und ihrer verhältnismäßig marginalen Straftat nicht angemessen ist.

(3) Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass zumindest ein Teil der Leser den Beitrag so verstehen könnte, als sei auch die Klägerin Mitglied des randalierenden Mobs gewesen, welcher die Geschäfte vor der Plünderung zerstört und sodann in und vor dem Markt nach Diebesgut gesucht hat. Im Sinne der sog. Stolpe-Rechtsprechung ist die Berichterstattung insoweit zumindest mehrdeutig und setzt die Klägerin einer von ihr - auch angesichts ihrer Tat und der Gesamtumstände - letztlich nicht hinzunehmenden Belastung aus. Die Beklagte kann sich dabei auch nicht auf die äußeren Umstände der Tat berufen. Diese mögen die Annahme eines Ereignisses der Zeitgeschichte rechtfertigen. Im Rahmen der Abwägung nach § 23 Abs. 2 KUG ist jedoch zu beachten, dass der der Klägerin persönlich zu machende Vorwurf erheblich geringfügiger ist. Selbst nach dem Vortrag der Beklagten kommt eine Strafbarkeit der Klägerin wegen (besonders schweren) Landfriedensbruchs gemäß §§ 125, 125a StGB nicht in Betracht, weil dies voraussetzt, dass sich der Täter an Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder Bedrohungen von Menschen beteiligt, die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, oder dass der Täter auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern. Diese Voraussetzungen hat die Beklagte im Hinblick auf die Klägerin schon nicht dargetan, da sie nicht behauptet, die Klägerin habe sich an Gewalttätigkeiten beteiligt. Für einen besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs gemäß § 125a StGB ist erforderlich, dass der Täter zugleich die Merkmale des § 125 StGB erfüllt, womit das Plündern unter Ausnutzung des von anderen begangenen Landfriedensbruchs nicht ausreichend ist (vgl. Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage, § 125a Rn. 12 m.w.N.), so dass selbst das Ansichnehmen von Gegenständen (zudem außerhalb des Drogeriemarktes) auch diesen Tatbestand nicht erfüllen würde.

b. Hinsichtlich dieser Persönlichkeitsrechtsverletzung handelte die Beklagte auch schuldhaft, wobei dieses Verschulden nach Ansicht des Senats eher im Bereich einer Fahrlässigkeit anzusiedeln ist. Denn auch wenn davon auszugehen ist, dass die Beklagte sich im Vorfeld einer Berichterstattung wie der hier streitgegenständlichen juristisch beraten lässt und folglich hier in dem Bewusstsein gehandelt haben dürfte, sich mit einem privaten bebilderten Fahndungsaufruf im Grenzbereich des rechtlich Zulässigen zu bewegen, waren auf der anderen Seite zum einen die Ereignisse rund um den G20-Gipfel von überragendem öffentlichen Interesse und hatte zum anderen die Polizei ein Hinweisportal eingerichtet, auf dem Bilder von möglichen Straftätern hochgeladen werden sollten, womit ein gewisser "Anlass" für eine entsprechende Berichterstattung nicht von der Hand zu weisen war.

c. Der Senat hat im Hinblick auf den mit der Klage geltend gemachten Anspruch aber bereits Zweifel, ob es sich bei der hier streitgegenständlichen Bildberichterstattung um eine - wie es für eine Geldentschädigung erforderlich ist - schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts handelt.

aa. Ob eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts schwerwiegend ist, bestimmt sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Art und Schwere der zugefügten Beeinträchtigung, dem Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelns des Verletzers (vgl. LG Berlin, Urt. v. 27.6.2006 - 27 O 250/06, AfP 2006, 388). Ein Anspruch kann insbesondere bestehen, wenn sich der Angriff gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richtet oder wenn die Persönlichkeitsrechtsverletzung das Schamgefühl berührt, zu Peinlichkeiten führt oder ein Gefühl des Ausgeliefertseins verursacht (vgl. LG München, Urt. v. 2.10.2013 - 9 O 13087/13, ZUM-RD 2014, 172). Regelmäßig wird der Anspruch nur dann gewährt, wenn über die Persönlichkeit an ihrer Basis verfügt wird, also etwa bei schweren Eingriffen in die Intim- und die Privatsphäre oder bei unwahren Behauptungen von besonderem Gewicht für die Persönlichkeit bzw. gewichtiger Diffamierung in der Öffentlichkeit (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2014 - 6 U 55/13, openJur). Ob eine solche Folge eintritt, kann das Gericht in der Regel aufgrund der Lebenserfahrung oder gerichtsbekannter Umstände beurteilen (Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage, Kap. 14 Rn. 128). Bejaht wurde ein solcher schwerwiegender Eingriff bei der Berichterstattung über Krankheiten, über einen Suizid (OLG Dresden, Urt. v. 12.7.2011 - 4 U 188/11, AfP 2012, 168), über den Austausch von Zärtlichkeiten in örtlicher Abgeschiedenheit (LG Hamburg, Urt. v. 10.7.2009 - 324 U 840/07, ZUM-RD 2009, 676), für Verwendung von Fotos im sexuellen Zusammenhang, bei Veröffentlichung von Nacktfotos (LG Frankfurt, Urt. v. 20.5.2014 - 3 O 189/13; LG Hamburg, Urt. v. 29.5.2009 - 324 O 951/08) oder auch für das Zur-Schau-Stellen der Religiosität bzw. einer rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung (OLG Hamburg, Urt. v. 10.10.2000 - 7 U 138/99, juris).

bb. Im vorliegenden Fall ist weder die Privat- noch die Intimsphäre der Klägerin betroffen und die Berichterstattung befasst sich auch nicht mit Krankheiten, Suizid oder Religiosität. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die öffentliche Darstellung einer - wenn auch leichten - Straftat in einer bundesweit vertriebenen Zeitschrift zu Peinlichkeiten für die Klägerin führen und bei ihr ein Gefühl des Ausgeliefertseins verursachen kann. Die Beklagte rückt die Klägerin trotz der oben dargelegten inhaltlichen Aufteilung des Beitrags in einen "allgemeinen" und einen "besonderen" Teil jedenfalls insoweit nachteilig in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, als sie sie durch die einleitende Frage "Wer kennt die Personen auf diesen Bildern? Sie sind dringend verdächtig, schwere Straftaten beim G20-Gipfel begangen zu haben" jedenfalls für den flüchtigen Leser in Beziehung zu denjenigen Personen bringt, die sich an schweren Straftaten beteiligt haben.

Gegen die Annahme einer hierdurch bewirkten schwerwiegenden Verletzung spricht jedoch, dass die Klägerin auf den von der Beklagten veröffentlichten Fotos kaum erkennbar ist und damit der vom Landgericht angeführte Medienpranger, der sich gerade durch die enormen Folgewirkungen infolge einer Identifizierung gegenüber dem breiten Publikum auszeichnet, hier nur in modifizierter Form stattfindet. Die Identität der Klägerin wird durch die streitgegenständlichen Bildnisse gerade nicht gegenüber dem vielbeschworenen Millionen-Publikum offengelegt, sondern allenfalls gegenüber Verwandten und/oder guten Bekannten, die aus den spärlichen bildlichen Informationen einen Rückschluss auf die Person der Klägerin ziehen können. Dass die Klägerin aufgrund der Fotos, die klein und unscharf sind und letztlich nur Ausschnitte darstellen, im täglichen Leben von ihr unbekannten Dritten wiedererkannt wird, erscheint nach Ansicht des Senats nahezu ausgeschlossen. Dem steht auch nicht der Vortrag der Klägerin entgegen, sie sei bei einer Demonstration in Offenbach von Polizeibeamten auf die Fotoberichterstattung angesprochen worden. Denn diese Behauptung aus dem Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt (2-03 O 199/18, vgl. Anlage K15) ist von der Beklagten bestritten und von der Klägerin nicht unter Beweis gestellt worden.

Weiter spricht gegen das Vorliegen einer schwerwiegenden Verletzung, dass die in der Wortberichterstattung möglicherweise gegebene Mehrdeutigkeit der Berichterstattung - Teilnahme der Klägerin an den Gewaltanwendungen im Zuge der Plünderung bzw. Diebstahl auch innerhalb der Räume der Drogerie - im Rahmen eines Anspruchs auf Zahlung einer Geldentschädigung keine Berücksichtigung finden darf. Denn im Sinne der sog. Stolpe-Rechtsprechung ist bei nachträglich an eine Äußerung anknüpfenden rechtlichen Sanktionen wie Strafurteilen oder Verurteilungen zur Zahlung von materiellem/immateriellem Schadensersatz die für den Äußernden günstigere Deutungsmöglichkeit ausschlaggebend (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 967/05, AfP 2008, 58 m.w.N.). Steht damit im Gesamtkontext nicht die Verbindung der Klägerin mit gewaltsamen Plünderungen, sondern allein der Diebstahl ("Wochenend-Einklau") von "Wasser, Süßigkeiten und Kaugummis" zur Debatte, so ist zu berücksichtigen, dass die öffentliche Darstellung einer solchen Tat sicherlich peinlich und unangenehm ist, jedoch keine derartige öffentliche Ablehnung hervorrufen wird, wie dies bei schwerwiegenden Straftaten der Fall ist. So hat der Senat in seiner Entscheidung vom 16.3.2017 (15 U 134/16, juris Rn. 32) eine rechtswidrige Berichterstattung über den Verdacht eines Sprengstoffanschlags als schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung eingestuft, weil es sich um ein Delikt der Schwerstkriminalität handelt und der entsprechende Verdacht damit in erheblichem Maße in den sozialen Achtungsanspruch eingreift. Vorliegend hat die Klägerin mit dem Diebstahl geringwertiger Sachen dagegen kein Delikt der Schwerstkriminalität begangen, auch wenn der Diebstahl vor einem von Randalierern zerstörten Geschäft und damit unter Ausnutzung der Randale in der öffentlichen Wahrnehmung einen stärkeren Unwertgehalt aufweisen mag, als der "übliche" Diebstahl geringwertiger Sachen.

d. Letztlich kann diese Frage im Ergebnis aber offen bleiben. Denn selbst wenn zugunsten der Klägerin von einer schwerwiegenden Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts ausgegangen wird, ist jedenfalls im vorliegenden Fall bei Gesamtabwägung aller Umstände die Zahlung einer Geldentschädigung nicht unter dem Gesichtspunkt geboten, dass es andernfalls an einem befriedigenden Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlen würde (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 2.4.2017 - 1 BvR 2194/15, NJW-RR 2017, 879).

aa. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch stehen beim Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Aspekte der Genugtuung des Opfers sowie der Prävention im Vordergrund. Insofern ist im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung aller maßgeblicher Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob sich der Angriff gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richtet, ob das Schamgefühl durch die Persönlichkeitsverletzung berührt ist bzw. ob sie ein Gefühl des Ausgeliefertseins verursacht (vgl. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage, Kap. 14, Rn. 127; OLG Köln, Urt. v. 16.3.2017 - 15 U 134/16, juris Rn. 37).

bb. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist zwar zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie durch die fragliche Bildberichterstattung durchaus ein Gefühl des Ausgeliefertseins haben wird und dass bei einer den Täter identifizierenden Berichterstattung über eine Straftat stets eine Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruchs droht. Zugunsten der Beklagten spricht jedoch entscheidend gegen die Annahme eines unabweislichen Bedürfnisses der Klägerin, dass sie als "Schaulustige" an den - zu diesem Zeitpunkt erkennbar gewalttätigen - Demonstrationen bzw. Ausschreitungen anlässlich des G20-Gipfels teilgenommen hat. Sie hat es auch nicht bei dieser passiven Zuschauerrolle belassen, sondern aktiv in das Geschehen eingegriffen, indem sie zwar nicht gegen Personen oder Sachen Gewalt angewandt, jedoch die von Dritten ausgeübte Gewalt zur eigenen Bereicherung ausgenutzt hat. Hat die Klägerin damit aus eigenem Antrieb vor den Augen der (fotografierenden) Öffentlichkeit eine Straftat begangen, so ist damit zwangsläufig auch die Gefahr verbunden, den Augen einer noch weiteren Öffentlichkeit ausgesetzt zu werden, indem die Fotos später - in welchem Medium auch immer - veröffentlicht werden. Die Beklagte mag aufgrund des Missverhältnisses zwischen dem Gewicht der Straftat der Klägerin einerseits und dem in der Gesamtschau eher reißerisch ausgestalteten Aufruf in ihrer Berichterstattung andererseits zwar nicht zur Veröffentlichung der Bildnisse berechtigt gewesen sein. Sie hat damit auf der anderen Seite auf den streitgegenständlichen Fotos aber auch keine völlig unbeteiligte bzw. unbescholtene Bürgerin abgebildet. Ein unter den Gesichtspunkten der Genugtuung und/oder Prävention gegebenes Entschädigungsbedürfnis der Klägerin lässt sich in dieser Situation nicht bejahen.

2. Auch hinsichtlich der Berichterstattung vom 12.1.2018 ("Gericht verbietet Bilder von G20-Plünderin", vgl. Anlage K6) steht der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu.

a. Zwar liegt in dieser Berichterstattung wiederum eine Persönlichkeitsrechtsverletzung in Form eines rechtswidrigen Eingriffs in das Recht der Kläger am eigenen Bild nach §§ 22, 23 KUG. Hinsichtlich der hierfür geltenden Grundsätze kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.

aa. Zugunsten der Beklagten ist in der damit anstehenden Abwägung zu berücksichtigen, dass sie mit der in der Berichterstattung erörterten Frage, inwieweit die Freiheit der Presse den Rechten des Betroffenen am eigenen Bild vorgeht, ein Thema von öffentlichem Interesse angesprochen hat, welches in der Wortberichterstattung sachbezogen erörtert und mit den Fotos, welche die Klägerin vor dem geplünderten Drogeriemarkt zeigen, kontextgerecht bebildert wird. Die Bilderstrecke sollte, wie der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erneut dargelegt hat, der Untermauerung der Position der Beklagten dienen, wonach sie in ihrer Berichterstattung vom 10.7.2017 lediglich einen in tatsächlicher Hinsicht wahren Sachverhalt bezüglich des Diebstahls der Klägerin geschildert habe und ihr eine solche Darstellung wahrer Tatsachen in einer die Öffentlichkeit in hohem Maße interessierenden Angelegenheit zu Unrecht durch ein Gerichtsurteil verboten worden sei. Anders als in der Berichterstattung vom 10.7.2017 wird die Klägerin hier auch nicht in einer möglicherweise mehrdeutigen Weise einer möglichen Beteiligung an den Gewaltanwendungen gegen den Drogeriemarkt beschuldigt. Denn unter Berücksichtigung der begleitenden Wortberichterstattung ist für den durchschnittlichen Leser klar, dass es sich bei der Formulierung in der Überschrift ("G20-Plünderin") um eine Wertung der Beklagten handelt, die auf der im Text mitgeteilten, unstreitig wahren Tatsachenbasis ("Vor einem zerstörten und geplünderten Drogeriemarkt hebt eine Frau im pinkfarbenen T-Shirt Waren auf, geht mit ihrer Beute davon") getroffen wird. Dieser konkrete Berichtsgegenstand - die Frage nach den Befugnissen der Presse im Zusammenhang mit einer identifizierenden Berichterstattung über Straftaten - ist von ähnlich hohem Interesse wie die vorangegangene Berichterstattung über den G20-Gipfel und seine Ausschreitungen. Gerade die Darstellung der Klägerin, deren Begehung der Tat in Einzelbildern belegt wird, dient hier der Illustration des zeitgeschichtlichen Ereignisses, nämlich eines gerichtlichen Urteils, welches die Wiedergabe von Bildnissen verbietet, die wahrheitsgemäß ein in der Öffentlichkeit gezeigtes und strafbares Verhalten abbilden.

bb. Jedoch ist auch diese Berichterstattung nach § 23 Abs. 2 KUG rechtswidrig, weil sie in ihrer konkreten Ausgestaltung und unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes die berechtigten Interessen der Klägerin verletzt. Denn auch wenn die Beklagte für sich in Anspruch nehmen kann, dass die Berichterstattung über Straftaten zu den Aufgaben der Presse gehört, so erhält die verhältnismäßig geringfügige Straftat der in der Öffentlichkeit völlig unbekannten Klägerin nicht allein dadurch eine rechtfertigende Breitenwirkung, dass sie anlässlich bzw. unter Ausnutzung der Gewalttaten des G20-Gipfels erfolgt ist. Auch für die Frage, welche Befugnisse der Presse zustehen, wenn sie über Straftaten eines Betroffenen unter Verwendung von Bildnissen berichtet, kam es auf die Identifizierung der Klägerin nicht entscheidend an, sondern vielmehr auf die Frage, ob sie - was die Beklagte durch den Vortrag der Klägerin im Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt in Abrede gestellt sah - die in der Bildberichterstattung ersichtliche Tat tatsächlich begangen hat. Zur Darstellung dieses Umstandes war jedoch, ohne dass der Senat damit der Beklagten vorschreiben will, wie sie ihre Berichterstattung im Einzelnen zu bebildern hat, die identifizierende Darstellung der Klägerin nicht erforderlich, da das im öffentlichen Interesse liegende Berichtsthema nicht an ihrer konkreten Person, sondern lediglich an ihrem (bildlich dargestellten) Verhalten anknüpfte. Im Hinblick auf die Interessenabwägung nach §23 Abs. 2 KUG kann dies berücksichtigt werden und führt zum Überwiegen der berechtigten Interessen der Klägerin.

b. Ein Verschulden der Beklagten an der Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin ist ohne weiteres zu bejahen und liegt hier im Sinne eines vorsätzlichen Handelns vor. Denn schon aus der Berichterstattung selbst wird deutlich, dass die Beklagte sich bewusst und willentlich über ein gerichtliches Verbot hinweggesetzt und ein bereits mit einem gerichtlichen Unterlassungstitel belegtes Bildnis der Klägerin sowie drei weitere aus der gleichen "Serie" gerade mit dem Ziel veröffentlicht hat, ihren Protest gegen das aus ihrer Sicht falsche Gerichtsurteil öffentlich zu machen.

c. Auch hinsichtlich dieser Berichterstattung hat der Senat jedoch schon Bedenken, ob die für die Zahlung einer Geldentschädigung erforderliche schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben ist.

Zwar ist die Klägerin - im Vergleich zur Vorberichterstattung vom 10.7.2017 - auf den nunmehr veröffentlichen Bildnissen besser erkennbar und wird schon aufgrund des damit angesprochenen größeren Kreises an Rezipienten, die sie mutmaßlich (wieder-) erkennen in deutlich höherem Maße ein Gefühl des Ausgeliefertseins empfinden. Allerdings ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigten, dass die im Gesamtkontext heranzuziehende Wortberichterstattung vom 12.1.2018 die Klägerin gerade nicht im Kontext mit einem Fahndungsaufruf abbildet und als potentielle "Verbrecherin" bzw. Täterin schwerer Straftaten bezeichnet, die von der Öffentlichkeit ausfindig gemacht und sodann der Polizei gemeldet werden soll. Vielmehr geht es in der Berichterstattung um die - letztlich von der Person der Klägerin völlig unabhängige - Frage, ob eine in der Öffentlichkeit begangene Straftat auch bildlich in einer Zeitung dargestellt und dabei die Anonymität des Täters aufgehoben werden oder ob durch ein entsprechendes (gerichtliches) Verbot die Kompetenz der Presse eingeschränkt werden darf. Die Beklagte zielt mit ihrem Beitrag nicht darauf ab, eine Strafverfolgung der Klägerin zu ermöglichen, sondern stößt vielmehr eine für die Öffentlichkeit bedeutsame und in der Wortberichterstattung sachlich erörterte Debatte darüber an, inwiefern wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre des Betroffenen von der Presse im Hinblick auf seine Persönlichkeitsrechte noch nicht bzw. nicht mehr mitgeteilt werden dürfen. Insofern hält der Senat insbesondere für bedeutsam, dass sich der Vorsatz der Beklagten bei der Veröffentlichung der Bildnisse nicht primär auf eine (erneute) Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Klägerin bezog, sondern vielmehr auf die Verteidigung der eigenen Rechtsposition als Presse und ihrer publizistischen Belange, die sie durch das Landgericht Frankfurt zu Unrecht eingeschränkt sah.

d. Letztlich kann aber auch hier die Frage einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin offen bleiben. Denn im Hinblick darauf, dass die Klägerin wegen eines der streitgegenständlichen Bildnisse bereits einen gerichtlichen Unterlassungstitel erwirkt und mit diesem ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 Euro hat festsetzen lassen, ist eine Geldentschädigung hier jedenfalls nicht zwingend geboten, um die Ausgleichsfunktion zu erfüllen.

aa. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein erwirkter Unterlassungstitel den Anspruch auf Geldentschädigung berühren oder diesen sogar gänzlich zum Wegfall bringen (vgl. BGH, Beschl. v. 30.6.2009 - VI ZR 340/08, juris; BGH, Urt. v. 24.11.2009 - VI ZR 219/08, AfP 2010, 74; BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, AfP 2014, 135; BGH, Urt. v. 15.9.2015 - VI ZR 175/14, AfP 2015, 564; BGH, Urt. v. 24.5.2016 - VI ZR 496/15, MDR 2016, 1086; ebenso: OLG Hamburg, Urt. v. 4.11.2008 - 7 U 71/08 n.v.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.8.2015 - 16 U 121/14, BeckRA 2016, 02919; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 23.9.2009 - 1 BvR 1742/09, juris; BVerfG, Beschl. v. 2.4.2017 - 1 BvR 2194/15, AfP 2017, 228; EGMR, Urt. v. 17.3.2016 - 16313/10, AfP 2016, 527; kritisch dagegen Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage, Kap. 14 Rn. 125). Diese Frage ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch nicht abstrakt klärungsfähig, sondern es muss vielmehr in jedem Einzelfall geprüft werden, ob dem Betroffenen eine Entschädigung zusteht. Insofern kann insbesondere nicht als Argument herangezogen werden, dass ein Ordnungsgeld nicht dem Betroffenen persönlich, sondern der Staatskasse zugute komme, da auch durch ein Ordnungsmittelverfahren hinreichend Genugtuung erlangt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.2009 - VI ZR 340/08, juris).

bb. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt der Senat vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Klägerin für die Bildberichterstattung vom 12.1.2018 keine Entschädigung verlangen kann. Denn da sie hinsichtlich der den Diebstahl illustrierenden Fotos vor dem Landgericht Frankfurt einen Unterlassungstitel erwirkt und diesen im Hinblick auf die streitgegenständliche Berichterstattung auch bereits vollstreckt hat, ist unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Umstände des Einzelfalls sowohl der Genugtuungs- als auch der Präventionsfunktion Genüge getan.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass bereits bei der Frage, ob es sich vorliegend um eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin handelt, erhebliche Zweifel bestehen und der Senat diese Frage letztlich allein im Hinblick auf das im Beitrag offen thematisierte vorsätzliche Verhalten der Beklagten zu bejahen vermochte. Gerade dieses Verhalten der Beklagten, nämlich das bewusste Negieren einer gerichtlichen Unterlassungsverpflichtung, wird jedoch vom Ordnungsmittelverfahren nach § 890 ZPO sanktioniert, welches die Klägerin vorliegend durchgeführt hat. Im Hinblick auf den bereits bestehenden Unterlassungstitel ist der Präventionsfunktion hier genüge getan: Die Klägerin kann sich, soweit die Beklagte das betreffende Foto (als solches oder in Ausschnitten) nochmals weiter verbreitet, effektiv mithilfe des Unterlassungstitels schützen. Hinsichtlich der Genugtuungsfunktion ist zum einen zu beachten, dass dieser nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch durch ein Ordnungsgeld Genüge getan werden kann, obwohl es nicht dem Betroffenen persönlich zugute kommt. Denn auch das Bewusstsein, dass der Unterlassungsschuldner wegen Zuwiderhandlung gegen das erwirkte Verbot eine als solche spürbare Einbuße durch Geldzahlung (an den Staat) zu leisten hat, vermag dem Unterlassungsgläubiger Genugtuung zu verschaffen. Im vorliegenden Fall ist dabei zudem in Rechnung zu stellen, dass das vom Landgericht Frankfurt festgesetzte und inzwischen höchstrichterlich bestätigte Ordnungsgeld von 50.000 Euro eine Höhe erreicht, wie sie für einen erstmaligen Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung, selbst wenn dieser in einem auflagenstarken Medium wie dem der Beklagten erfolgt und eingedenk des Umstands, dass § 890 Abs. 1 S. 2 ZPO ein Ordnungsgeld bis zum 250.000 Euro vorsieht, im Regelfall nicht vorkommen wird.

Zudem ist der Senat im Rahmen der anzustellenden Gesamtabwägung der Ansicht, dass das Genugtuungsbedürfnis der Klägerin gegenüber anderen Fällen einer unerlaubten Bildnisveröffentlichung hier deutlich zurückgesetzt ist. Es werden durch die streitgegenständlichen Fotos weder private Geheimnisse der Klägerin gegenüber der Öffentlichkeit preisgegeben noch werden ihr gegenüber unwahre oder unbewiesene Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Vielmehr werden mit den Bildnissen und der begleitenden Wortberichterstattung wahre Tatsachen aus ihrer Sozialsphäre verbreitet. Soweit im Hinblick auf die damit öffentliche Darstellung einer Straftat und die erfolgte Einstellung des Strafverfahrens in der Berufungserwiderung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwiesen wird, wonach bei Strafvorwürfen "immer etwas hängen bleibt", ist auch dieses Argument hier nicht geeignet, um die Genugtuungsfunktion in den Vordergrund zu rücken. An der Klägerin bleibt mit dem abgebildeten Diebstahl nicht mehr "hängen", als ihr tatsächlich zum Vorwurf gemacht werden kann.

cc. Das vorstehende Ergebnis wird auch gestützt durch einen Vergleich mit denjenigen Fällen, in denen der Bundesgerichtshof trotz eines bereits ergangenen Unterlassungstitels einen Entschädigungsanspruch zuerkennt.

Dies hat er beispielsweise bejaht, wenn der Unterlassungstitel die weitere Abrufbarkeit der streitgegenständlichen (im konkreten Fall unbewiesenen und in hohem Maße ehrenrührigen) Äußerungen nicht zuverlässig verhindern kann, weil die Ursprungsmeldung ins Internet eingestellt wurde und dort jedenfalls für gewisse Zeit in Form einer Weiterverbreitung durch Dritte zugänglich blieb. Weiter vermag ein Unterlassungstitel nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Beeinträchtigung des Betroffenen in solchen Fällen nicht hinreichend auszugleichen, in denen es um schwere Angriffe gegen die Grundlagen der Persönlichkeit geht (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 m.w.N.). Diese Fälle sind jedoch mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil es sich bei der angegriffenen Berichterstattung vom 12.1.2018 um eine solche in einem Printmedium handelt, welches keiner digitalen Abrufbarkeit bzw. digitalen Weiterverbreitung unterliegt. Zum anderen handelt es sich bei der Darstellung der Klägerin unter Berücksichtigung der Bildnisse einerseits sowie dem Berichtsgegenstand andererseits auch nicht um einen Angriff gegen die Grundlagen ihrer Persönlichkeit.

3. Die Klägerin kann ihren Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung hinsichtlich der Berichterstattungen vom 10.7.2017 und 12.1.2018 auch nicht auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO stützen.

Zwar wird im Rahmen dieser Regelung - jedenfalls nach ihrem Wortlaut - weder eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung des Betroffenen noch ein Verschulden des sich Äußernden gefordert und es geht aus Erwägungsgrund Nr. 146 auch nicht hervor, dass der Ersatz eines immateriellen Schadens des Betroffenen unabweislich geboten sein muss. Jedoch ist die Regelung des Art. 82 Abs. 1 DSGVO im vorliegenden Fall schon dem Grunde nach nicht anwendbar, da die Veröffentlichung der Bildnisse durch die Beklagte eine "Verarbeitung zu journalistischen Zwecken" darstellt und damit das Medienprivileg nach Art. 85 Abs. 2 DSGVO i.V.m. § 19 Abs. 1 BlnDSG eingreift (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019 - 1 BvR 16/13, juris Rn. 74).

a. Der Begriff der "Verarbeitung zu journalistischen Zwecken" ist im Hinblick auf das Grundrecht der Pressefreiheit und in europarechtskonformer Auslegung des nationalen Rechts weit auszulegen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 153 der DSGVO sowie EuGH, Urt. v. 16.12.2008 - C-73/07, EuZW 2009, 108; EuGH, Urt. v. 14.2.2019 - C-345/17, NVwZ 2019, 465). Insofern werden nicht nur Medienunternehmen, sondern letztlich jeder erfasst, der journalistisch tätig ist. Ferner kommt es nicht auf den Träger an, mit dem Daten vermittelt und verbreitet werden und es ist auch nicht per se schädlich, dass bei dem Handelnden Gewinnerzielungsabsicht besteht. Maßgeblich für die Einstufung ist vielmehr nur, dass die betreffenden Tätigkeiten (ausschließlich) zum Zweck haben, Informationen, Meinungen oder Ideen, mit welchem Übertragungsmittel auch immer, in der Öffentlichkeit zu verbreiten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2019 - 1 BvR 276/17, NJW 2020, 314). Dies trifft im vorliegenden Fall auch auf die Beklagte und das von ihr herausgegebene Printmedium zu, in welchem die streitgegenständliche Berichterstattung veröffentlicht wurde. Auch wenn sich die Regelung des Art. 82 Abs. 1 DSGVO systematisch in Kapitel VIII der DSGVO befindet, für das in Art. 85 Abs. 2 DSGVO gerade keine Möglichkeit für Abweichungen oder Ausnahmeregelungen der Mitgliedstaaten vorgesehen ist, ist nach Ansicht des Senats die Schadensersatzpflicht zu Lasten der Medien bei einem - hier bei Anwendung der DSGVO in Betracht kommenden - Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 lit. f) nicht anwendbar, weil mangels Geltung der Pflichten aus Art. 6 auch keine Verletzung dieser Vorschrift vorliegen kann (vgl. von Strobl-Albeg, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage, Kap. 7 Rn. 129).

b. Der Senat verkennt dabei ausdrücklich nicht, dass im Schrifttum mit durchaus starken Argumenten angezweifelt wird, ob die Öffnungsklausel mit Blick auf Erwägungsgrund Nr. 153 der DSGVO eine - in Deutschland in den verschiedenen Presse- und Mediengesetzen ähnlich wie in § 19 Abs. 1 BlnDSG weiter erfolgte - pauschale Befreiung von den Vorgaben der DSGVO in der Tradition des sog. Medienprivilegs aus § 41 BDSG a.F. zulässt (vgl. kritisch etwa Simitis/Dix, DatenschutzR, 2019, Art. 85 Rn. 12, 31 f.; BeckOK Datenschutzrecht/Stender-Vorwachs, Ed. 27, Art. 85 Rn. 33 ff.; Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. Auflage, Art. 85 Rn. 2, 27, 31 ff.; Specht/Bienemann, in: Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Auflage, Art. 85 Rn. 20; Bennecke/Wagner, DVBl. 2016, 600, 603 m.w.N.: wohl auch Herb, in: Beck'scher Kommentar zum RundfunkR, 4. Auflage, § 57 RStV Rn. 37a, 44a). Zwar hat der Bundesgerichtshof zu den inhaltlich ähnlichen Vorgaben in Art. 9 der früheren Richtlinie 95/46/EG ausgeführt, dass das in § 57 RStV a.F. enthaltene Medienprivileg "Ausfluss der in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verankerten Medienfreiheit" sei und "ohne die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung der jeweils Betroffenen journalistische Arbeit nicht möglich wäre und die Presse ihre in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 10 Abs. 1 S. 2 EMRK, Art. 11 Abs. 1 S. 1 GrCh zuerkannten und garantierten Aufgaben nicht wahrnehmen könnte" (vgl. BGH, Urt. v. 1.2.2011 - VI ZR 345/09, NJW 2011, 2285 m.w.N.), doch war dies schon damals stark umstritten, u.a. weil man die als Ausgleich für eine Befreiungsregelung vom Gesetzgeber als Argument angeführte Selbstregulierung durch die Presse (BT-Drs. 14/4329 zu Nr. 45, 46 f.) als lückenhaft empfand (vgl. etwa nur Simitis/Dix, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 41 Rn. 1, 6, 29, 43 m.w.N.). Auch der Europäische Gerichtshof verlangt eine Beschränkung von etwaigen Ausnahmen strikt auf "das absolut Notwendige" (vgl. EuGH, Urt. v. 16.12.2008 - Rs C-73/07, MMR 2009, 175; EuGH, Urt. v. 14.2.2019 - C-345/17, NVwZ 2019, 465).

c. Entgegen der vorstehend aufgeführten Bedenken hält der Senat es jedoch für richtig, an dem nationalen Ausschlusstatbestand festzuhalten (so wohl auch Albrecht/Jason, CR 2016, 500, 508; Pötters, in: Gola, DSGVO, 2. Auflage, Art. 85 Rn. 21 f.; Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, DSGVO, 2. Auflage, Art. 85 Rn. 23; Pauly, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, 2. Auflage, Art. 85 Rn. 11, 14; Burkhardt/Peifer, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage, Kap. 1 Rn. 72 f. sowie von Strobl-Albeg, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage, Kap. 7 Rn. 127). Denn auf diese Weise kann ein einzelfallgerechter Schutz des Betroffenen im nationalen Recht durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine richtige Handhabung sichergestellt werden. Dann aber bestehen auch mit Blick auf Erwägungsgrund Nr. 153 der DSGVO und die zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine generellen europarechtlichen Bedenken an § 19 Abs. 1 BlnDSG. Eine Datenerhebung und -verarbeitung zu journalistischen Zwecken kann, soweit die Vorschriften der DSGVO nach dem Vorgesagten nicht zur Anwendung kommen, über den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, hier insbesondere in der Ausprägung des Rechts am eigenen Bild, je nach Ausgang der gebotenen Abwägung Unterlassungsansprüche begründen, wobei im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte gegebenenfalls auch solche aus der EMRK und der GrCh in Einklang zu bringen sind. Bei der Abwägung können zudem auch besondere Schutzargumente aus der DSGVO in richtlinienkonformer Auslegung Berücksichtigung finden und so etwa die schutzwürdigen Interessen bei besonderen Kategorien von Daten bei der Abwägung besonders gewichtet werden (vgl. ähnlich bei besonders schutzwürdigen Informationen EGMR, Urt. v. 18.1.2011 - 39401/04, NJOZ 2012, 335). Eine solche einzelfallgerechte Lösung hat mit Blick auf die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 S. 2 EMRK, Art. 11 Abs. 1 S. 1 GrCh) den Vorteil, die Tätigkeit der Presse als "public watchdog" von allzu strengen Verboten mit Erlaubnisvorbehalt, wie sie die DSGVO bisweilen kennt, freizuhalten und die erfolgenden Eingriffe einer große Spielräume lassenden Einzelfallabwägung zu unterwerfen. Im Gegenzug würde bei einer abweichenden Lesart die nationale Befreiungsvorschrift aufgrund des Anwendungsvorrangs der DSGVO (wohl) verdrängt (vgl. statt aller Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage, Art. 1 Rn. 16 ff. m.w.N., zu möglichen Ausnahmen für Übergangszeiträume EuGH, Urt v. 8.9.2010 - Rs. C-409/06, MMR 2010, 838). Dann wäre die Presse allein auf die Erlaubnistatbestände in Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zu verweisen, wobei sich möglicherweise weitere Probleme dadurch stellen würden, dass die Sonderregelungen in §§ 22, 24, 27 f. BDSG ersichtlich nicht auf journalistische Tätigkeiten zugeschnitten sind.

4. Mangels Anspruch in der Hauptsache steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Erstattung der für die außergerichtliche Geltendmachung entstandenen Anwaltskosten zu.

5. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO.

6. Die Revision war zuzulassen, da die Fragen, ob ein Anspruch auf Geldentschädigung durch einen bereits ergangenen und vollstreckten Unterlassungstitel ausgeschlossen werden kann und ob der Anspruch bei journalistischer Tätigkeit des Anspruchsgegners auch auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO gestützt werden kann, von grundsätzlicher Bedeutung sind.

7. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 25.2.2020 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung; nichts anderes gilt hinsichtlich des am 20.03.2020 eingegangenen Schriftsatzes der Beklagten.

Streitwert: 30.000 Euro