OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.01.2021 - 7 D 90/18.NE
Fundstelle
openJur 2021, 5885
  • Rkr:
Tenor

Der Bebauungsplan 01.16 Teilbereich II "C.-straße , Südfriedhof, Schulzentrum, Linie 18" der Stadt D. ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor der Antragsteller Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bebauungsplan, mit dem ein Wohngebiet mit ca. 300 Wohneinheiten entwickelt werden soll.

Der Antragsteller ist seit Oktober 2016 Eigentümer des unbebauten Grundstücks Gemarkung E., Flur 2, Flurstück 189 (Blatt 2905 des Grundbuchs von E.), zuvor war sein Vater Eigentümer. Das Grundstück liegt nördlich des Plangebiets und grenzt an das Plangebiet unmittelbar an. Es wurde bislang überwiegend als Obstwiese genutzt.

Das etwa 8,4 ha große Plangebiet liegt südlich des D. Südfriedhofs und westlich der C.-straße. Südlich liegt ein Schulgelände. Westlich verläuft eine Bahntrasse, auf der die Stadtbahnlinie 18 nach L. verkehrt. Westlich der Bahntrasse liegt Wohnbebauung. Östlich des Plangebiets schließen sich unbebaute Flächen jenseits der C.-straße an. Das Plangebiet war bislang unbebaut und wurde ackerbaulich genutzt.

Der Regionalplan für den Regierungsbezirk, Teilregion L., stellt das Plangebiet als allgemeinen Freiraum- und Agrarbereich dar. Der Flächennutzungsplan stellte bislang Grünflächen dar. Im parallelen Verfahren der 40. Änderung wird diese Darstellung in die Darstellung von Wohnbauflächen geändert. Ein Bauzonenplan aus dem Jahre 1964 trifft für den überwiegenden Teil des Plangebiets des hier streitigen Plans die Festsetzung öffentliche Grünfläche.

Der angegriffene Plan setzt ein allgemeines Wohngebiet mit mehreren Teilflächen fest. Ferner wird eine Planstraße am südlichen Rand des Plangebiets als öffentliche Verkehrsfläche festgesetzt, des Weiteren werden verschiedene öffentliche Verkehrsflächen mit besonderer Zweckbestimmung und mehrere öffentliche Grünflächen festgesetzt. Es werden Baufenster ausgewiesen sowie Regelungen zur Geschossigkeit und Höhe von Gebäuden getroffen. In dem Bereich, der an das Grundstück des Antragstellers grenzt, sind in dem WA 9 Baufenster (Baugrenzen) für 4 zweigeschossige Einzelhäuser festgesetzt. Die Höhe von Dächern und Traufen wird begrenzt. Ferner enthält der Plan für die Gebiete WA 2 - 5 und WA 7 - 10 die Festsetzung, dass rückwärtige Baugrenzen durch Vordächer, Terrassenüberdachungen, Balkone und Wintergärten bis zu einer Tiefe von 3 m überschritten werden können. Der Abstand der Baugrenze des westlichen Einzelhauses in dem Gebiet WA 9 zur Grenze des Antragstellers beträgt 3 m. Bis unmittelbar an die Grundstücksgrenze kann nach einer Eintragung der Planzeichnung eine Garage gebaut werden. Wegen der Einzelheiten der Festsetzungen wird auf die Bebauungsplanurkunde Bezug genommen.

Das Planaufstellungsverfahren verlief folgendermaßen: Die Antragsgegnerin bat die Bezirksregierung mit Schreiben vom 20.10.2015 um eine landesplanerische Anpassungsbestätigung für die Entwicklung von Wohnbauland auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche zwischen Südfriedhof, Gesamtschule, Stadtbahnlinie 18 und C.-straße mit einer Größe von ca. 8,4 ha durch Aufstellung eines Bebauungsplans in Verbindung mit der 40. Änderung des Flächennutzungsplans im Parallelverfahren. Am 12.11.2015 fasste die Antragsgegnerin den Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans. Mit Schreiben vom 4.1.2016 erklärte die Bezirksregierung zu dem Schreiben vom 20.10.2015, gegen die 40. Flächennutzungsplanänderung bestünden keine landesplanerischen Bedenken, wenn die Wohnbaufläche auf 4 ha verkleinert werde; bei Inkrafttreten der Änderung habe eine gleichzeitige Planänderung der Bauleitplanung durch Bauflächenrücknahme einer 3,2 ha großen Tauschfläche nördlich der BAB in C.-F. zu erfolgen. Unter dem 19.1.2016 bat die Antragsgegnerin die Regierungspräsidentin, der beabsichtigten Änderung des Flächennutzungsplans mit Darstellung des Plangebiets als Wohnbaufläche ohne Einschränkungen zuzustimmen. Mit Schreiben vom 10.2.2016 erklärte die Bezirksregierung gegenüber der Antragsgegnerin, sie stimme der beabsichtigten 40. Änderung des Flächennutzungsplans zu, auf die zunächst verfügte Bauflächenrücknahme einer 3,2 ha großen Tauschfläche nördlich der BAB in C.-F. werde verzichtet. Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden sowie der Träger öffentlicher Belange fand im Frühjahr 2016 statt. Der Vater des Antragstellers reichte unter dem 8.4.2016 eine Stellungnahme ein. Die Antragsgegnerin beschloss die öffentliche Auslegung des Planentwurfs nach § 3 Abs. 2 BauGB, machte den Beschluss im Amtsblatt öffentlich bekannt und legte den Planentwurf vom 24.10. bis 23.11.2016 öffentlich aus. Mit Schreiben vom 22.11.2016 wandte sich der Vater des Antragstellers in dessen Namen erneut gegen die Planung. Der Rat der Antragsgegnerin fasste am 20.2.2017 den Satzungsbeschluss. Über die eingereichten Einwendungen wurde gemäß der Abwägungstabelle beschlossen. Zugleich wurde die Begründung beschlossen. Die Bezirksregierung erteilte unter dem 1.6.2017 die Genehmigung für die 40. Änderung des Flächennutzungsplans. Im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 9.11.2017 wurde die Genehmigung bekannt gemacht. Die Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses über den Bebauungsplan erfolgte ebenfalls im Amtsblatt vom 9.11.2017.

Der Antragsteller hat am 8.11.2018 den Antrag auf Normenkontrolle gestellt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Der Normenkontrollantrag sei zulässig. Seine Antragsbefugnis ergebe sich daraus, dass abwägungserhebliche Belange zu seinen Lasten unzureichend berücksichtigt worden seien. Insbesondere sei eine unzumutbare Beeinträchtigung durch eine zu erwartende Verschattung durch Bebauung auf den Nachbarflurstücken 323 und 322 zu bemängeln. Ferner sei die Nichteinbeziehung seines Grundstücks in den Geltungsbereich des Bebauungsplans grundrechtswidrig. Eine Antragsbefugnis folge auch daraus, dass mit Blick auf die Regelungen zur Möglichkeit der Überschreitung rückwärtiger Baugrenzen gemäß A.5.2 der textlichen Festsetzungen eine Verletzung des Abwägungsgebots in Betracht komme. Der Plan sei rechtswidrig. Es liege ein Verstoß gegen Vorgaben der Regionalplanung vor. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin liege keine Zielabweichung im Sinne von § 16 LPlG NRW vor, sondern eine Zieländerung, weil die Größe des Plangebiets, die Art der Bebauung sowie der Abstand zum Siedlungsgebiet mit den Grundzügen des Regionalplans nicht vereinbar seien. Der Regionalrat hätte deshalb gemäß § 19 LPlG NRW beteiligt werden müssen. Abwägungsfehlerhaft sei der Plan, weil in willkürlicher Weise von einer Aufnahme seines Grundstücks in das Plangebiet abgesehen worden und die planbedingte Verschattung zulasten seines Grundstücks für ihn unzumutbar sei. Mangelhaft sei der Plan ferner, weil die Höhenfestsetzungen zu den durch den Plan zugelassenen baulichen Anlagen widersprüchlich seien.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass der Bebauungsplan 01.16, Teilbereich II C.-straße, Südfriedhof, Schulzentrum, Linie 18 der Antragsgegnerin vom 9.11.2017 unwirksam ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Der Antrag sei bereits unzulässig, weil der Antragsteller nicht antragsbefugt sei. Insbesondere sei die zu erwartende planbedingte Verschattung seines Grundeigentums allenfalls geringfügig. Die regionalplanerischen Bedenken des Antragstellers seien unbegründet. Gemäß dem Gebietsentwicklungsplan sei eine Beteiligung des Regionalrats unterhalb der Größenordnung von 10 ha nicht erforderlich gewesen, bis zu dieser Größenordnung könne die Landesplanungsbehörde nach ihrem eigenständigen Ermessen beurteilen, ob Bedenken gegen das Vorhaben bestünden. Die Bezirksregierung habe eine entsprechende landesplanerische Anpassungserklärung erteilt. Des Weiteren sei die Nichteinbeziehung des Grundstücks des Antragstellers in das Plangebiet nicht zu beanstanden. Ferner sei auch keine unzumutbare Verschattung des Grundstücks zu befürchten. Dies ergebe sich aus einem vorliegenden Besonnungsgutachten zu den Auswirkungen des Bebauungsplans auf die Besonnung des Flurstücks 189.

Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 21.7.2020 besichtigt. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die dazu gefertigte Terminsniederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Aufstellungsvorgänge zum angegriffenen Plan sowie auch zu dem Bauzonenplan aus dem Jahre 1964 und auf die Originalplanurkunde Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag hat Erfolg.

A. Der Antrag ist zulässig.

I. Der Antragsteller ist antragsbefugt.

Antragsbefugt ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Ein Antragsteller genügt seiner Darlegungspflicht nur, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO. Die mögliche Verletzung eines subjektiven Rechts kann auch aus einem Verstoß gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Antragsbefugt kann in einem solchen Fall derjenige sein, der sich auf einen abwägungserheblichen Belang berufen kann.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.1.2018 - 4 BN 33.17 -, BRS 86 Nr. 192 = juris, m. w. N.

Macht ein Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks- wie hier der Antragsteller - eine Verletzung des Abwägungsgebots aus § 1 Abs. 7 BauGB geltend, muss er einen eigenen Belang benennen, der nach Lage der Dinge von der planenden Gemeinde bei der Abwägung zu beachten war. Nicht jeder Belang ist in der Abwägung zu beachten, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Im Weiteren können alle (betroffenen) Interessen unbeachtet bleiben, die entweder objektiv geringwertig oder aber - sei es überhaupt, sei es im gegebenen Zusammenhang - nicht schutzwürdig sind.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9.10.2018 - 2 D 22/17.NE -, BRS 86 Nr. 191 = BauR 2019, 508, m. w. N.

Eine Antragsbefugnis ist danach mit Blick auf das Vorbringen des Antragstellers anzunehmen, die angegriffene Planung beinhalte grenznahe Gebäude, die zu einer abwägungsrelevanten Verschattung führten.

Eine Antragsbefugnis scheidet im Hinblick auf abstandsrechtliche Gegebenheiten zwar regelmäßig aus, wenn die nach dem landesrechtlichen Abstandsrecht gebotenen Abstände deutlich überschritten sind.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.3.2019 - 7 D 65/17.NE -, juris, m. w. N. sowie Urteil vom 29.11.2019 - 7 D 81/17.NE -, juris.

So verhält es sich hier aber nicht. Der landesrechtlich gebotene Mindestabstand von 3 m (vgl. § 6 BauO NRW alter Fassung als auch § 6 BauO NRW 2018) ist mit Blick auf die vom Plan zugelassene Bebauung durch grenznahe Gebäude in den Baufenstern des WA 9 an der Grenze zum Grundstück des Antragstellers nicht etwa deutlich überschritten, sondern lediglich exakt gewahrt.

II. Das Rechtsschutzbedürfnis ist ebenfalls gegeben.

Es ist nicht etwa durch die Verwirklichung des Baugebiets entfallen. Der Plan ist noch nicht vollständig durch tatsächliche Realisierung der zugelassenen Wohngebäude auf der Grundlage bestandskräftiger Baugenehmigungen verwirklicht. Unter diesen Voraussetzungen kann das - bei einem antragsbefugten Antragsteller regelmäßig anzunehmende - Rechtsschutzinteresse nicht verneint werden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.1.2019 - 4 BN 15.18 -, juris.

Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht aus den von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Gründen zu verneinen. Ob eine konsistente Darstellung der aktuellen Nutzungsvorstellungen des Antragstellers vorliegt oder ob sich diese als diffus bzw. ambivalent (Gartennutzung oder Bebauung) wahrnehmen lassen, wie die Antragsgegnerin meint, ist hierfür unerheblich.

Bei bestehender Antragsbefugnis ist regelmäßig auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben. Das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses soll nur verhindern, dass Gerichte in eine Normprüfung eintreten, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist, weil es seine Rechtsstellung nicht verbessern kann. Es ist nicht erforderlich, dass die begehrte Unwirksamkeitserklärung zum eigentlichen Rechtsschutzziel führt. Für das Rechtsschutzinteresse reicht es aus, dass sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für den Antragsteller von Nutzen sein kann.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.1.2019 - 4 BN 15/18 -, juris, m. w. N. und OVG NRW, Urteil vom 5.12.2012 - 7 D 64/10.NE -, BRS 81 Nr. 21 = BauR 2013, 917, m. w. N.

Ein tatsächlicher Nutzen für den Antragsteller bzw. eine Verbesserung seiner Rechtsstellung kann hier im Hinblick auf die Verhinderung einer planbedingten Verschattung nicht ausgeschlossen werden. Dies gilt unabhängig davon, welche Nutzung der Antragsteller letztlich anstrebt. Für die angegebene weitere gärtnerische Nutzung liegt ein hinreichender tatsächlicher Vorteil mit Blick auf die örtlichen Gegebenheiten auf der Hand. Für eine bauliche Nutzung gilt im Ergebnis das gleiche, weil nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass die Antragsgegnerin im Rahmen einer neuen Planung für den Antragsteller günstigere Festsetzungen - etwa zum Umfang der grenznahen Bebauung - trifft.

III. Der Antrag ist am 8.11.2018 und damit fristgerecht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Plans am 9.11.2017 gestellt worden.

B. Der Antrag ist auch begründet. Der Plan steht mit § 1 Abs. 4 BauGB nicht in Einklang, wonach die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind.

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG sind Ziele der Raumordnung verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Raumordnungspläne im Sinne des § 1 Abs. 1 ROG sind gemäß § 2 Abs. 1 LPlG NRW unter anderem auch die Regionalpläne.

Der angefochtene Bebauungsplan ist nicht an ein Ziel der Raumordnung angepasst, das in dem Regionalplan des Regierungsbezirks, Teilregion L., für den Planbereich dargestellt ist.

I. Der Regionalplan für den Regierungsbezirk, Teilabschnitt Region L. in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.5.2001, GV. NRW. S. 196, zuletzt geändert durch die 31. Änderung vom 15.5.2020, GV. NRW S. 896 - die Änderungen betrafen nicht den hier maßgeblichen Bereich - stellt für den Bebauungsplanbereich einen "AFAB", einen allgemeinen Freiraum- und Agrarbereich, dar und trifft hierzu unter D. 1.2 textliche Zielfestlegungen. Nach dem Ziel 1 unter Abschnitt D. 1.2 "allgemeine Freiraum- und Agrarbereiche", Seite 35 des Regionalplans, gilt:

"In den Allgemeinen Freiraum- und Agrarbereichen soll die landwirtschaftliche Nutzungsfähigkeit der landwirtschaftlich genutzten Flächen erhalten werden; den allgemeinen Anforderungen der Landschaftsentwicklung und des Bodenschutzes ist dabei Rechnung zu tragen. In den Bereichsteilen mit besonders guten landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen ist die Inanspruchnahme von landwirtschaftlich genutzten Flächen für andere Nutzungen nur bei unabweisbarem Bedarf möglich."

Es handelt sich bei der Darstellung in Verbindung mit dem ersten Satz des Ziels 1, erster Halbsatz, nicht nur der Bezeichnung, sondern auch der Sache nach um ein Ziel der Raumordnung und Landesplanung im Sinne von § 1 Abs. 4 BauGB. Die Fassung als "Soll-Formulierung" steht dem nicht entgegen. Raumordnungsrechtliche Soll-Vorschriften können Ziele der Raumordnung enthalten, sofern auch die Ausnahmefälle, die nicht der Zielbindung unterliegen sollen, räumlich und sachlich bestimmt oder jedenfalls bestimmbar sind.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.2010 - 4 C 8.10 -, BRS 76 Nr. 1 = BauR 2011, 781.

Im Sinne dieser Grundsätze sind hier auch die Ausnahmefälle hinreichend bestimmbar. Dies ergibt sich aus der Erläuterung (1) zu dem Ziel, wonach eine anderweitige Inanspruchnahme im Rahmen der sonstigen Ziele in Betracht kommt, wenn ein angemessener Ausgleich erfolgt. Dies ist nach den Zielvorgaben der Raumordnungsgrundsätze (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 6 ROG) dahin zu verstehen, dass eine Inanspruchnahme von bisher landwirtschaftlich genutztem Freiraum für Wohnbaulandentwicklungen etwa durch eine gegenläufige Änderung von Bauleitplänen ausgeglichen werden kann. Im Übrigen geht die Antragsgegnerin ausweislich ihrer Antragserwiderungsschrift selbst von einem Zielcharakter der entsprechenden Festlegungen aus und hat dies auch in der mündlichen Verhandlung des Senats bekräftigt.

II. Mit diesem Ziel des Regionalplans steht die mit dem Bebauungsplan erfolgte Ausweisung eines großflächigen Wohngebiets nicht in Einklang.

Dies gilt auch mit Blick darauf, dass die textlichen Festlegungen in D.1.2, Ziel 1 des Regionalplans zu der Darstellung eines "AFAB" - wie aufgezeigt - als Soll-Regelung gestaltet sind, wobei nach der Erläuterung (1) auch anderweitige Nutzungen in Betracht kommen, wenn je nach Art der mit der Umnutzung verbundenen Nachteile ein angemessener Ausgleich erfolgt. Denn es fehlt insoweit jedenfalls an der Voraussetzung eines hier erforderlichen angemessenen Ausgleichs für die Inanspruchnahme des Plangebiets für andere Zwecke als solchen eines "AFAB". Dass etwa durch Umwandlung von bauleitplanerischen Ausweisungen von Siedlungsflächen in Freiraum in anderen Bereichen der Antragsgegnerin oder auf vergleichbare Weise ein hinreichender raumordnungsrechtlicher Ausgleich erfolgt wäre, ist nicht aus den Akten ersichtlich. Die in der Stellungnahme der Bezirksregierung vom 4.1.2016 thematisierte Bauflächenrücknahme von 3,2 ha in C.-F. ist mit Blick auf das Schreiben der Antragsgegnerin vom 19.1.2016 gemäß dem späteren Schreiben der Bezirksregierung vom 10.2.2016 nicht weiter gefordert worden. Soweit die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass es einen solchen Ausgleich möglicherweise gegeben haben könnte, fehlt es dafür an hinreichend konkreten Anhaltspunkten.

III. Dieser Verstoß gegen das genannte Ziel des Regionalplans führt zu einem durchgreifenden Mangel des Bebauungsplans.

Die Gemeinden dürfen die Ziele der Raumordnung je nach deren Aussageschärfe konkretisieren und ausgestalten, sich aber nicht im Wege der Abwägung über sie hinweg setzen. An die Ziele der Raumordnung sind die örtlichen Planungsträger vielmehr strikt gebunden. Planungen, die einem geltenden Ziel der Regionalplanung widersprechen, haben sie zu unterlassen. Die Frage, ob ein Bebauungsplan dem Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB genügt, ist folglich von der Gemeinde in eigener Verantwortung und von den Gerichten als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung im Normenkontrollverfahren in vollem Umfang und unabhängig von etwaigen behördlichen Stellungnahmen zu prüfen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.10.2020 - 4 BN 8.20 -, ZfBR 2021 = juris.

Der aufgezeigte Verstoß ist nicht deshalb irrelevant, weil eine landesplanungsrechtliche Darstellungsschwelle unterschritten ist, die die Antragsgegnerin bei einer Flächengröße von 10 ha ansetzt. Eine solche generelle strikte Darstellungsschwelle gibt es nicht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.9.2014 - 7 D 96/14.NE -, BRS 84 Nr. 4 = BauR 2017, 55.

Eine solche strikte Darstellungsschwelle lässt sich auch nicht aus Regelungen der Durchführungs-Verordnung zum Landesplanungsgesetz NRW entnehmen, in deren § 35 Abs. 2 bestimmt wird, dass raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen mit einem Flächenbedarf von mehr als 10 ha in der Regel zeichnerisch darzustellen sind. Mithin ist es nicht ausgeschlossen, dass auch kleinere Bereiche von regionaler Bedeutung sind. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier angesichts der Baugebietsgröße von knapp unter 10 ha jedenfalls vor. Danach rechtfertigt auch die rechtssystematische Vorgabe A.2 (2) des Regionalplans (vgl. Seite 4 der textlichen Bestimmungen) keine andere Beurteilung.

Voraussetzung für die Feststellung eines Verstoßes ist allerdings bei kleineren Flächen mit Blick auf den Maßstab eines Regionalplans und dessen mangelnde Parzellenschärfe, dass sich eine hinreichende Bestimmbarkeit etwa anhand topografischer Gegebenheiten ergibt, die aus der Planzeichnung erkennbar sind.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.9.2016 - 7 D 96/14.NE -, BRS 84 Nr. 4 = BauR 2017, 55.

Hier ist das Plangebiet, das knapp unter 10 ha groß ist, durch die Lage zwischen der östlichen C.-straße und der westlichen Bahntrasse sowie der nördlich angrenzenden Bebauung und der südlich verlaufenden Straße, die im Regionalplan zeichnerisch dargestellt sind, topografisch hinreichend deutlich abgegrenzt.

Ebenso wenig ist die Abweichung von den raumordnungsrechtlichen Vorgaben unbeachtlich, weil die Bezirksregierung am 10.2.2016 der entsprechenden 40. Flächennutzungsplanänderung zugestimmt hat. Diese Zustimmung ist als Anpassungsbestätigung nach § 34 LPlG NRW zu werten. Dies ergibt sich schon aus dem Bezug auf die entsprechende Zielrichtung des Schreibens der Antragsgegnerin vom 20.10.2015. Eine solche Anpassungsbestätigung ist für die gerichtliche Überprüfung durch den Senat nicht verbindlich. Eine derartige Abstimmung entbindet die Antragsgegnerin nicht davon, die dargestellten Ziele der Raumordnung zu beachten und steht auch nicht einer entsprechenden gerichtlichen Prüfung entgegen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.9.2016 - 7 D 96/14.NE -, BRS 84 Nr. 4 = BauR 2017, 55 und OVG NRW, Urteil vom 21.4.2015 - 10 D 21/12.NE -, BRS 83 Nr. 53 = BauR 2015, 1785, m. w. N.

Soweit die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass diese obergerichtliche Einstufung landesplanerischer Anpassungsbestätigungen in der Planungspraxis der Gemeinden zu erheblichen Problemen führt, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung.

Der Verstoß gegen die genannte Darstellung ist nicht etwa im Rahmen eines Zielabweichungsverfahrens nach § 16 Abs. 3 LPlG NRW, § 6 Abs. 2 ROG im Einzelfall überwunden worden.

Vgl. zur Zielabweichung BVerwG, Urteil vom 10.4.2018 - 4 CN 2.17 -, BRS 86 Nr. 142 = BauR 2018, 1701.

Nach § 6 Abs. 2 ROG kann von Zielen der Raumordnung abgewichen werden, wenn die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Antragsberechtigt sind nach Satz 2 die öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts, die das Ziel, von dem eine Abweichung zugelassen werden soll, nach § 4 ROG zu beachten haben. Eine solche Zielabweichung ist hier nicht verfügt worden.

Vgl. zur Zielabweichungsentscheidung als Verwaltungsakt: OVG Nds., Urteil vom 4.7.2017 - 7 KS 7/15 -, DVBl 2017, 1440 = juris.

Sie kann insbesondere auch nicht in der landesplanerischen Anpassungsbestätigung der Bezirksregierung vom 10.2.2016 gesehen werden. Diese ist, wie aufgezeigt, lediglich als - für die gerichtliche Prüfung unverbindliche - Anpassungsbestätigung nach § 34 LPlG NRW zu werten.

Ob der Plan an weiteren Mängeln leidet, bedarf keiner abschließenden Würdigung. Allerdings dürfte Überwiegendes dagegen sprechen, dass die Rügen des Antragstellers zur aus seiner Sicht unzumutbaren Verschattung durch Gebäude in den Baufenstern des WA 9 und zur fehlenden Einbeziehung seines Grundstücks in das durch den angefochtenen Plan ausgewiesene Wohngebiet durchgreifen.

Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO und den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.