OLG Köln, Urteil vom 17.02.2021 - 5 U 110/20
Fundstelle
openJur 2021, 5866
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6.5.2020 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 84/18 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.553,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.773,60 € seit dem 22.9.2015 und aus weiteren monatlich bis 20.12.2017 gezahlten je 591,20 €, jeweils gerechnet ab dem 20. des jeweiligen Monats, zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 60 % und die Beklagte zu 40 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin, bei der der niedergelassene Kinderarzt Dr. A haftpflichtversichert war, nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs in Anspruch.

Bei dem am 00.00.2002 geborenen Kind B C (im Folgenden: Patientin) traten am Ostermontag, dem 21.4.2003, Erbrechen und Durchfall auf. Es wurde von seiner Mutter nach 23.00 Uhr in der Ambulanz der Universitätskinderklinik D vorgestellt. Der Arzt Dr. E diagnostizierte nach körperlicher Untersuchung sowie einer Bestimmung der Blutgase und der Serumelektrolytkonzentration, die normale Werte ergab, einen Magen-Darm-Infekt und verordnete InfectoDiarrstop (Elektrolytlösung) und Perenterol sowie die Gabe von Tee. Bei Verschlechterung sollte eine Wiedervorstellung erfolgen. Die Mutter der Patientin suchte am 22.4.2003 mit ihrem Kind vormittags den Versicherungsnehmer der Klägerin auf, übergab den Arztbericht von Dr. E und berichtete ausweislich seiner Dokumentation Folgendes: "Seit gestern Erbrechen, hält nichts bei sich, gestern 2 mal Durchfall, heute noch kein Durchfall aber schon erbrochen, kein Fieber." Nach körperlicher Untersuchung injizierte und verordnete der Versicherungsnehmer der Klägerin Vomex und Paspertin. Ferner händigte er der Mutter der Patientin ein von ihm verfasstes Merkblatt über den Magen-Darm-Infekt bei Säuglingen und Kleinkindern aus. Am Vormittag des 24.4.2003 erhielt die Mutter der Patientin in der Praxis des Versicherungsnehmers der Klägerin ein Wiederholungsrezept, das sich auf die bereits von Dr. E verordneten Medikamente bezog. In den Behandlungsunterlagen heißt es "isst seit gestern nicht mehr, trinkt aber viel Tee, Diät halten, abwarten, ggf. heute nachmittag zurück melden."

Am 24.4.2003 nach 16.00 Uhr brachte die Mutter der Patientin, die wie bei den vorausgegangenen Arztbesuchen von der Großmutter begleitet wurde, ihr Kind in die Praxis der Beklagten, einer Kinderärztin. In der Karteikarte sind "Magen-Darm-Virus", die Anamnese, insbesondere dass das Kind jetzt nicht trinke, und der Befund der Untersuchung vermerkt. Darauf folgt die Eintragung: "Versuch m. strenger Diät z.B. Tee, HN [Heilnahrung] mind 700 - 1000 ml bis abends, sonst Klinik, Aufklärung über die Notwendigkeit KH, Oma meint bei ihr würde Kind gut trinken, E mündlich abgelehnt." Am Morgen des 25.4.2003 fanden zwei Telefonate zwischen der Mutter der Patientin und der Beklagten statt, deren genauer Inhalt streitig ist. In der Karteikarte der Beklagten ist zu den beiden Gesprächen als erteilter Hinweis vermerkt: " (...) Klinik oder zumindest Wv Arzt" und "sofort Klinik oder Wv".

Am Vormittag des 25.4.2003 suchte die Mutter der Patientin die Universitätskinderklink D mit ihrem Kind auf. Die Patientin wurde jedenfalls ab 10.40 Uhr auf der Intensivstation behandelt. Die Ärzte stellten eine schwerste hypertone Dehydratation/Toxikose fest. Die Patientin leidet seitdem an einer Hirnschädigung. Insbesondere kann sie bei erheblichen sonstigen motorischen Störungen nicht selbständig laufen und weist eine allgemeine und sprachliche Entwicklungsverzögerung auf.

In dem Vorprozess 25 O 263/06 LG Köln hat die Patientin den Versicherungsnehmer der Klägerin und die Beklagte auf ein Schmerzensgeld von mindestens 500.000 €, Ersatz materieller Schäden und Feststellung der Ersatzpflicht in Anspruch genommen. Das Landgericht hat das Gutachten von Prof. Dr. F vom 11.3.2007 (Bl. 109 ff. der Beiakte) nebst Ergänzung vom 11.1.2008 (Bl. 220 ff. der Beiakte) eingeholt und den Sachverständigen angehört (Bl. 371 ff. der Beiakte). Ferner hat es die Beklagte und die Mutter der Patientin G C angehört und die Zeugen H C (Großmutter), I C (Großvater) und J K vernommen (Bl. 371 ff. der Beiakte). Daraufhin hat es durch Grund- und Teilurteil vom 12.11.2008 die Klage, soweit Leistung begehrt wurde, gegenüber dem Versicherungsnehmer der Klägerin dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und insoweit die begehrte Feststellung ausgesprochen. Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage hat es abgewiesen.

Hiergegen haben der Versicherungsnehmer der Klägerin und die Patientin Berufung eingelegt. Der Senat hat in der Sitzung vom 9.9.2009 die Mutter der Patientin und die Beklagte angehört sowie die Zeugin H C (Großmutter) vernommen (Bl. 535 ff. der Beiakte). Daraufhin hat er die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. F vom 9.2.2010 (Bl. 594 ff. der Beiakte) eingeholt und den Sachverständigen in der Sitzung vom 23.6.2010 angehört (Bl. 645 ff. der Beiakte). Durch Urteil vom 22.9.2010 - 5 U 211/08 OLG Köln hat der Senat die Berufung des Versicherungsnehmers der Klägerin zurückgewiesen, das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben, als die gegen die Beklagte gerichtete Klage abgewiesen worden ist, die Klage, soweit Leistung begehrt worden ist, gegenüber dem Versicherungsnehmer der Klägerin und der Beklagten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die begehrte Feststellung ausgesprochen. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt: Der Versicherungsnehmer der Klägerin habe die Patientin am 22.4.2003, sofern nicht eine hypertone Dehydratation durch ein unauffälliges Ergebnis einer Blutgas- und Blutelektrolytuntersuchung ausgeschlossen gewesen sei, in ein Krankenhaus einweisen müssen, damit dort der Zustand des Kindes durch eine Blutgas- und Blutelektrolytuntersuchung geklärt und gegebenenfalls eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr eingeleitet habe werden können. Ferner falle dem Versicherungsnehmer der Klägerin eine mangelhafte Organisation seiner Praxis zur Last. Ein niedergelassener Kinderarzt dürfe bei Erkrankung eines Säuglings an Brechdurchfall seinen Angestellten allenfalls dann die Ausfüllung eines zuvor blanko unterzeichneten Folgerezepts überlassen, wenn kein Erbrechen und Durchfall mehr aufträten. So habe es sich am Vormittag des 24.4.2003 nicht verhalten. Die Beklagte habe die Mutter und die Großmutter der Patientin am 24.4.2003 nicht, wie geboten, in für sie verständlicher Weise über die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Krankenhauseinweisung aufgeklärt. Die Patientin habe allerdings nicht bewiesen, dass die Beklagte ihrer Mutter und Großmutter am 24.4.2003 nicht geraten habe, mit ihr sofort ein Krankenhaus aufzusuchen. Die Behandlungsfehler seien für den am 25.4.2003 festgestellten Eintritt einer schwersten hypertonen Dehydratation/Toxikose ursächlich geworden.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 3.5.2011 - VI ZR 263/10 zurückgewiesen.

Nach Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. L zu den gesundheitlichen Folgen der Schädigung hat das Landgericht den Versicherungsnehmer der Klägerin und die Beklagte durch Schlussurteil vom 31.10.2012 als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 400.000 € und von materiellem Schadensersatz in Höhe von 81.327,87 € verurteilt. In dem sich anschließenden Berufungsverfahren 5 U 167/12 OLG Köln haben sich der Versicherungsnehmer der Klägerin und die Beklagte durch Vergleich vom 7.4.2014 zur Abgeltung sämtlicher materiellen und immateriellen Ansprüche der Patientin bis zum 7.8.2012 zur Zahlung weiterer 109.000 € verpflichtet. Ihre Berufungen haben sie zurückgenommen. Seit Abschluss des Vergleichs erhielt die Patientin monatlich eine Leistung wegen vermehrter Bedürfnisse. Durch Urteil des Landgerichts vom 4.3.2020 - 25 O 284/17 LG Köln - hat sie eine Erhöhung der zu leistenden Zahlungen erwirkt.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung der von ihr vom 1.7.2015 bis 31.12.2017 an die Patientin erbrachten Leistungen. Dabei handelt es sich um einen am 22.9.2015 gezahlten Betrag von 4.434 € und jeweils weitere 1.478 € ab Dezember 2015 monatlich. Sie ist der Auffassung, dass die Beklagte im Innenverhältnis allein hafte. Erst weil die Beklagte am 24.4.2003 nicht für die erforderliche stationäre Behandlung gesorgt habe, sei die Situation für die Patientin gefährlich geworden.

Am 22.4.2003 sei eine Untersuchung der Blutgase und Blutelektrolyte oder aber eine Krankenhausweisung der Patientin durch ihren Versicherungsnehmer nicht erforderlich gewesen. Noch am 24.4.2003 sei der Zustand der Patientin von der Beklagten nicht als bedrohlich eingestuft worden. Am Vormittag des 24.4.2003 sei das Wiederholungsrezept von einer Helferin ihres Versicherungsnehmers übergeben worden. Ihr Versicherungsnehmer habe die Patientin nicht gesehen und untersucht. Eine weitere Vorstellung der Patientin sei nicht erfolgt. Die Beklagte habe der Mutter und der Großmutter der Patientin am 24.4.2003 nicht angeraten, mit dem Kind ein Krankenhaus aufzusuchen. Dies folge aus den Bekundungen von G C und H C im Vorprozess. Die Empfehlung, der Patientin puren Tee zu verabreichen, sei fehlerhaft gewesen. Zudem habe die Beklagte die Mutter und die Großmutter der Patientin nicht, wie erforderlich, darüber aufgeklärt, dass Milch wegen der darin enthaltenen Salze bei der möglichen Dehydratation nicht gefüttert werden dürfe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 41.384 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 4.434 € seit dem 22.9.2015 und aus weiteren monatlich bis 20.12.2017 gezahlten je 1.478 €, jeweils gerechnet ab dem 20. des jeweiligen Monats, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass den Versicherungsnehmer der Klägerin im Innenverhältnis die alleinige oder jedenfalls eine überwiegende Haftung treffe. Sie bezieht sich auf den im Vorprozess festgestellten Behandlungsfehler des Versicherungsnehmers der Klägerin am 22.4.2003. Dessen Dokumentation des Verlaufs am 24.4.2003 spreche dafür, dass er die Patientin am Vormittag dieses Tags selbst untersucht habe. Am Nachmittag hätten die Mutter und die Großmutter das Kind erneut in der Praxis des Versicherungsnehmers der Klägerin vorgestellt, seien aber von einer Arzthelferin abgewiesen worden. Dies folge aus den Aussagen von G C und H C im Vorprozess. Die Vorgehensweise der Arzthelferin habe auf einer Anweisung des Versicherungsnehmers der Klägerin beruht. Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie am 24.4.2003 eine ausreichende Sicherungsaufklärung vorgenommen habe. Sie habe die Zusage gehabt, dass bis abends eine ausreichende Trinkmenge zugeführt oder die Klinik aufgesucht würde. Sie habe ferner erklärt, dass dem Tee auf ein Fläschchen eine Prise Salz und ein Teelöffel Zucker zugegeben werden müsse.

Mit Beweisbeschluss vom 23.10.2018 hat das Landgericht angeordnet, dass die schriftliche Begutachtung, soweit es um die Frage schadensursächlicher Behandlungsfehler geht, durch die im Vorprozess eingeholten Gutachten von Prof. Dr. F ersetzt wird. Zur ärztlichen Einschätzung des Ausmaßes der Verursachungsbeiträge des Versicherungsnehmers der Klägerin und der Beklagten hat es ein ergänzendes Gutachten von Prof. Dr. F eingeholt (Bl. 172 ff. d.A.). Ferner hat es den Sachverständigen und die Beklagte in der mündlichen Verhandlung angehört sowie G C und H C als Zeuginnen vernommen (Bl. 250 ff. d.A.).

Daraufhin hat es die Beklagte zur Zahlung von 13.794,67 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Im Innenverhältnis hafteten der Versicherungsnehmer der Klägerin zu zwei Dritteln und die Beklagte zu einem Drittel. Sein Verursachungsbeitrag überwiege. Wie bereits der Senat mit Urteil vom 22.9.2010 festgestellt habe, falle dem Versicherungsnehmer der Klägerin am 22.4.2003 ein grob fehlerhaftes Vorgehen zur Last. Er habe mehrere klinische Untersuchungen und den Ausschluss einer hypertonen Dehydratation durch erneutes Überprüfen der Blutgase und Blutelektrolyte unterlassen sowie der Mutter der Patientin das Krankheitsbild und dessen Behandlung nicht mündlich erläutert. Das Unterlassen habe die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts erhöht. Insbesondere habe die Mutter der Patientin ihr Kind nicht in ein Krankenhaus gebracht, weil sie nicht klar und eindeutig informiert worden sei. Ein weiterer Verursachungsbeitrag des Versicherungsnehmers der Klägerin liege in seiner grob fehlerhaften Praxisorganisation am 24.4.2003, als die Mutter und die Großmutter der Patientin versucht hätten, ihr immer noch an Durchfall leidendes Kind bei ihm vorzustellen, aber von seiner Arzthelferin eigenmächtig weggeschickt worden seien. Die entsprechenden Aussagen der Zeuginnen G C und H C seien glaubhaft. Die Patientin habe vom Versicherungsnehmer der Klägerin mit der Folge untersucht werden müssen, dass eine Flüssigkeitszufuhr per Sonde in der Praxis oder intravenös im Krankenhaus begonnen worden wäre, die eine gesundheitliche Schädigung abgewendet hätte. Das Unterlassen habe die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts maßgeblich erhöht. Zu dem Verursachungsbeitrag der Beklagten wäre es ansonsten gar nicht gekommen.

Dieser habe ein geringeres Gewicht. Die Beklagte habe die bereits durch den Versicherungsnehmer der Klägerin in Gang gesetzte Kausalkette lediglich nicht unterbrochen. Sie habe nicht unmissverständlich und klar darauf hingewiesen, dass reiner Tee unresorbiert durch den Darm hinauslaufen würde und Milch wegen des starken Salzgehalts die Hypernatriämie noch verschlimmere und deshalb keine Milch (oder Heilnahrung ohne Allergene) gegeben werden dürfe. Die erforderliche Krankenhauseinweisung habe die Beklagte nicht empfohlen. Auch die dem entsprechenden Bekundungen der Zeuginnen G C und H C seien glaubhaft. Denn es widerspreche sich, dass die Beklagte einerseits eine stationäre Aufnahme angeraten haben wolle, andererseits aber Vorgaben für Inhalt und Menge der weiteren häuslichen Therapie durch Mutter und Großmutter gemacht habe. Angesichts der beschränkten Verständnismöglichkeiten der beiden Zeuginnen sei es nicht vorstellbar, dass die Beklagte ihnen gegenüber die von ihr behauptete Erklärung "es drohe eine Verschiebung der Salze, die nicht mit dem Leben vereinbar sei" verwendet habe. Jedenfalls habe der Hinweis nicht die gebotene Verständlichkeit gehabt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. Hilfsweise begehrt sie die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Das Landgericht habe die Verursachungsbeiträge rein quantitativ bestimmt und nicht auf das Maß der Wahrscheinlichkeit der Verursachung des Schadenseintritts abgestellt. Die zeitliche Reihenfolge und den Umstand, dass der Beklagten bei der nur einmaligen Behandlung der Patientin mehrere schwere Fehler unterlaufen seien, habe es nicht berücksichtigt.

Im Zeitpunkt der Behandlung durch die Beklagte habe der Zustand von Erbrechen und Durchfall deutlich länger angedauert als bei der Behandlung durch ihren Versicherungsnehmer, so dass die Einleitung von Therapiemaßnahmen umso dringlicher gewesen und ihr Unterlassen als besonders gewichtig einzustufen sei. Die Beklagte habe die Situation der Patientin sogar noch verschlimmert. Sie habe die indizierte Therapie mit einer Elektrolytflüssigkeit abgesetzt und durch puren Tee ersetzt, der nicht habe aufgenommen werden können. Damit habe sich ihr Verhalten stärker ausgewirkt als das ihres Versicherungsnehmers. Werde ein Patient ohne ärztliche Untersuchung abgewiesen, wisse er dies und könne sich - wie hier die Mutter der Patientin - anderswo ärztlichen Rat suchen.

Auch die Beklagte treffe ein Organisationsverschulden. Sie hätte, etwa durch einen entsprechenden Vertrag mit einem Labor, sicherstellen müssen, dass während der Sprechstunde der Praxis jederzeit eine Blutgas- und Blutelektrolytuntersuchung habe durchgeführt werden können. Die Erhebung der Laborparameter sei am Nachmittag des 24.4.2003 zur Sicherung des weiteren Behandlungsverlaufs und für eine Verlaufskontrolle von zentraler Bedeutung gewesen.

Das Landgericht habe offenbar aus der Unerfahrenheit der Beklagten einen abgesenkten Haftungsmaßstab hergeleitet. Ob der ärztliche Standard unterschritten sei, sei jedoch objektiv zu bestimmen. Bei Unerfahrenheit hätte die Beklagte ein Übernahmeverschulden getroffen. Im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs zwischen zwei Ärzten komme es nicht auf den vom Landgericht zu Lasten ihres Versicherungsnehmers herangezogenen Begriff des groben Behandlungsfehlers, sondern allenfalls darauf an, ob von grober Fahrlässigkeit auszugehen sei.

Die Gesichtspunkte, die gegen einen erhöhten Verursachungsbeitrag ihres Versicherungsnehmers sprächen, habe das Landgericht ausgeblendet. Am Vormittag des 22.4.2003 habe sich die Situation nicht als besonders dringlich dargestellt, weil die Patientin am Untersuchungstag noch keinen Durchfall gehabt habe und fieberfrei gewesen sei. Während eine Blutgas- und Blutelektrolytuntersuchung möglicherweise unauffällig gewesen wäre, sei offen, ob die Patientin bei fehlenden neurologischen Symptomen überhaupt stationär aufgenommen worden wäre.

Auch wenn man zwei Fehler ihres Versicherungsnehmers annehme, liege die Verantwortlichkeit angesichts des zeitlichen Ablaufs und des Dazwischentretens der schweren Fehler der Beklagten allein bei dieser. Jedenfalls bei einer Gesamtbetrachtung liege auch ein grober Behandlungsfehler der Beklagten vor.

Fehlerhafter Weise habe das Landgericht den im Vorprozess tätigen Prof. Dr. F im vorliegenden Verfahren erneut zum Sachverständigen bestellt. Im Berufungsverfahren des Vorprozesses, in dem das Landgericht auf der Grundlage seiner Ausführungen zunächst eine Haftung der Beklagten verneint habe, sei der Senat von der Bewertung von Prof. Dr. F abgewichen. Die Zweifel an seiner Eignung würden dadurch bestärkt, dass der Sachverständige die erneute Bestellung zunächst aus Zeitmangel abgelehnt habe. Die Gründe für die Verwertung des bisherigen Gutachtens nach § 411a ZPO habe das Landgericht fehlerhaft im Urteil nicht dargelegt. Im vorliegenden Verfahren sei der Sachverständige bezüglich der Verursachungsbeiträge ihres Versicherungsnehmers wesentlich kritischer gewesen als bezüglich derjenigen der Beklagten. Zu Lasten ihres Versicherungsnehmers sei er davon ausgegangen, dass am 24.4.2003 eine Einweisung der Patientin in ein Krankenhaus erforderlich gewesen sei, während er dies in Bezug auf die wenige Stunden später handelnde Beklagte nicht angenommen habe.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es ihr günstig ist. Mit der Anschlussberufung erstrebt sie die vollständige Abweisung der Klage. Das Landgericht habe zu Unrecht festgestellt, dass sie eine Vorstellung der Patientin im Krankenhaus als unnötig abgetan habe. Es habe ihre Dokumentation außer Acht gelassen, deren Inhalt und Unverfälschtheit unstreitig sei. Ihr könne allenfalls der Vorwurf gemacht werden, die von ihr empfohlene Klinikeinweisung nicht mit noch eindeutigeren Hinweisen auf die Gefahr schwerwiegender, andauernder Gesundheitsschäden oder die Gefahr des Todes verbunden zu haben. In Bezug auf die Gabe von Milch und Tee habe sie bei ihrer Anhörung klargestellt, dass ihre Empfehlung dahin gegangen sei, Milch und Tee gleichzeitig zu geben, also die Heilnahrung durch Tee herabzuverdünnen, was Prof. Dr. F als adäquate Methode eingestuft habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß §§ 86 Abs. 1 VVG, 426 Abs. 1 S. 2 BGB die Zahlung von 16.553,60 € verlangen. Dem liegt eine Haftungsquote der Beklagten von 40 % zugrunde.

1. Gesamtschuldner sind nach § 426 Abs. 1 S. 2 BGB im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Bei Schadensersatzansprüchen richtet sich die Verteilung des Schadens auf mehrere Beteiligte nach § 254 Abs. 1 BGB. Bei der gebotenen Abwägung im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB ist in erster Linie das Maß der Verursachung maßgeblich, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben. Das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung. Es kommt danach für die Haftungsverteilung entscheidend darauf an, wessen Verhalten den Eintritt des Schadens in höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 4.11.2008 - VI ZR 171/07, juris Rdn. 15 m.w.Nachw.).

2. In die Abwägung der Beiträge, die die am 25.4.2003 festgestellte schwerste hypertone Dehydratation/Toxikose und den Hirnschaden der Patientin hervorgerufen haben, sind die nachfolgenden schadensursächlichen Behandlungsfehler des Versicherungsnehmers der Klägerin und der Beklagten einzustellen.

a) Verursachungsbeiträge des Versicherungsnehmers der Klägerin

aa) Wie der Senat im Urteil vom 22.9.2010 festgestellt hat, hätte der Versicherungsnehmer der Klägerin die Patientin am 22.4.2003, sofern nicht eine hypertone Dehydratation durch ein unauffälliges Ergebnis einer Blutgas- und Blutelektrolytuntersuchung ausgeschlossen war, in ein Krankenhaus einweisen müssen, damit dort der Zustand des Kindes durch eine Blutgas- und Blutelektrolytuntersuchung geklärt und gegebenenfalls eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr eingeleitet werden konnten.

Wegen der Begründung des Behandlungsfehlers, seiner Einordnung als grob und der Ursächlichkeit des Fehlers für den Eintritt der am 25.4.2003 festgestellten schwersten hypertonen Dehydratation/Toxikose wird auf S. 10 bis 18 des Urteils des Senats vom 22.9.2010 verwiesen. Bei Durchfall und anhaltendem Erbrechen waren eine Einweisung in ein Krankenhaus und eine Klärung des Zustands der Patientin vor allem deshalb erforderlich, weil sich eine hypertone Dehydratation entwickeln konnte, die zwar seltener, dafür aber gefährlicher als eine isotone und eine hypotone Dehydratation ist. Sie ist kaum an klinischen Zeichen zu erkennen. Die Gefahr irreversibler neurologischer Schäden beruht darauf, dass mehr Wasser als Salz verloren wird und sich aufgrund osmotischer Vorgänge Flüssigkeit vom intrazellulären Raum in das Gefäßsystem verlagert. Auch wenn sich am 22.4.2003 bei einer Blutgas- und Blutelektrolytuntersuchung mit hoher Wahrscheinlichkeit - so Prof. Dr. F im Vorprozess - noch kein auffälliger Befund gezeigt hätte, hätte die Vorstellung der Patientin in einem Krankenhaus dazu geführt, dass sie bei seit längerer Zeit andauerndem Brechdurchfall unter ärztlicher Kontrolle des Krankenhauses und der dort tätigen Ärzte - stationär oder ambulant - geblieben wäre, wodurch eine sich entwickelnde hypertone Dehydratation rechtzeitig erkannt und behandelt worden wäre.

Soweit der Versicherungsnehmer der Klägerin darüber hinaus nach den Ausführungen von Prof. Dr. F bestimmte klinische Untersuchung unterlassen, insbesondere die Patientin nicht gewogen und ihr Gewicht nicht bestimmt hat, hat dies keine eigenständige Bedeutung. Eine weitergehende therapeutische Konsequenz als die Einweisung in ein Krankenhaus hätte sich hieraus nicht ergeben können.

Das Landgericht hat die Begutachtung durch Prof. Dr. F aus dem Vorprozess, die den Feststellungen des Senats zugrunde liegt, verfahrensfehlerfrei gemäß § 411a ZPO verwertet. Auch hat es den Sachverständigen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit der Erstellung eines ergänzenden Gutachtens beauftragt. Die Klägerin hat sich mit Schriftsätzen vom 11.9.2018 und 15.10.2018 mit der Verwertung der früheren Begutachtung einverstanden erklärt. Die Beklagte hat ihr mit Schriftsatz vom 29.10.2018 zugestimmt. Einer Begründung, warum sich das Landgericht für eine Verwertung entschieden hatte, bedurfte es vor diesem Hintergrund im Urteil nicht. Es ist offensichtlich, dass die Vorgehensweise der Prozessökonomie und der Ersparnis von Zeit und Kosten diente. Daraus, dass der Senat im Urteil vom 22.9.2010 in einem Punkt von den Ausführungen von Prof. Dr. F abgewichen ist, ergibt sich entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung nicht dessen mangelnde Eignung. Hierbei ging es lediglich um die allein vom Tatrichter zu beurteilende Frage, ob die von der Beklagten bekundete Sicherungsaufklärung "es könne eine Verschiebung der Salze eintreten, die mit dem Leben nicht vereinbar sei" für die Mutter und die Großmutter der Patientin verständlich und damit ausreichend war. Die fachlichen Ausführungen des Sachverständigen werden hierdurch nicht in Zweifel gezogen. Der Umstand, dass Prof. Dr. F im vorliegenden Verfahren eine Begutachtung zunächst aus Zeitmangel abgelehnt hat, spricht nicht gegen seine Eignung als Sachverständiger. Über seine Qualifikation besagt er nichts. Im Übrigen hat sich die Klägerin nach der zunächst erfolgten Ablehnung der Beauftragung durch Prof. Dr. F mit Schriftsatz vom 7.5.2019 erneut mit dessen Bestellung einverstanden erklärt.

Gegenüber den Ausführungen von Prof. Dr. F und den hierauf beruhenden Feststellungen des Senats in Bezug auf den 22.4.2003 hat die Klägerin keine beachtlichen Einwendungen erhoben. Dass die Patientin am Untersuchungstag noch keinen Durchfall gehabt hatte und fieberfrei war, machte ein Handeln des Versicherungsnehmers der Klägerin nicht entbehrlich. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. F im Vorprozess war von einer Verschlechterung gegenüber dem Zustand am 21.4.2003 auszugehen. Die Symptome hatten trotz der von Dr. E verordneten Behandlung angehalten. Die Patientin hatte erneut erbrochen. Dass die Beklagte den klinischen Zustand der Patientin noch am Nachmittag des 24.4.2003 als stabil und nicht bedrohlich eingeschätzt hat und nach ihren Angaben die Einweisung in ein Krankenhaus nur vorgenommen hat, weil sie den Flüssigkeitsverlust und die Situation nicht zuverlässig beurteilen konnte (vgl. Bl. 540 der Beiakte), besagt in Bezug auf die am 22.4.2003 erforderliche Vorgehensweise ebenfalls nichts. Denn eine möglicherweise vorliegende hypertone Dehydratation zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie kaum an klinischen Zeichen zu erkennen ist.

Es ist auch nicht zutreffend, dass der Sachverständige das Handeln des Versicherungsnehmers der Klägerin kritischer bewertet hat als das Handeln der Beklagten. Für eine Einseitigkeit und Parteilichkeit von Prof. Dr. F spricht nichts. Der einzig konkrete Vorwurf, der in der Berufungsbegründung erhoben wird, trifft nicht zu. Prof. Dr. F ist nicht nur, soweit das Handeln des Versicherungsnehmers der Klägerin in Rede steht, davon ausgegangen, dass am 24.4.2003 eine Einweisung in ein Krankenhaus erforderlich war. Bei seiner Anhörung durch das Landgericht am 18.2.2020 hat er ausdrücklich erklärt, dass es zwingend gewesen sei, die Patientin bei der Beklagten nicht mehr ambulant weiter zu behandeln (Bl. 257 d.A.).

bb) Infolge einer grob fehlerhaften Organisation der Praxis des Versicherungsnehmers der Klägerin sind am Nachmittag des 24.4.2003 gegen 15.00 Uhr eine Vorstellung der Patientin beim Versicherungsnehmer der Klägerin, deren Einweisung in ein Krankenhaus und eine den Schaden abwendende Behandlung unterblieben.

Das Landgericht hat festgestellt, dass die Mutter und die Großmutter der Patientin am 24.4.2003 versucht haben, ihr immer noch an Durchfall leidendes Kind bei dem Versicherungsnehmer der Klägerin vorzustellen, aber von einer Arzthelferin weggeschickt worden sind. Die Klägerin zieht die Richtigkeit dieser Beweiswürdigung im Berufungsverfahren nicht in Zweifel. Der Senat hält die ihr zugrunde liegenden Aussagen der Zeuginnen G C und H C, denen er in anderem Zusammenhang nicht folgt, in diesem Punkt für glaubhaft. Sie werden durch Indizien gestützt. In der Karteikarte des Versicherungsnehmers der Klägerin heißt es unter dem 24.4.2003: "Diät halten, abwarten, ggf. heute nachmittag zurück melden". Die demnach vorgesehene Zurückmeldung legt es nahe, dass sich die Mutter und die Großmutter der Patientin am Nachmittag des 24.4.2003 erneut in der Praxis des Versicherungsnehmers der Klägerin vorgestellt haben. Das Anhalten des Krankheitsbildes ergibt sich schon daraus, dass sie am Nachmittag des 24.4.2003 um die ärztliche Hilfe der Beklagten nachgesucht haben. Ferner hat die Beklagte, insbesondere bei ihrer Anhörung durch den Senat am 9.9.2009, bestätigt, dass die Zeuginnen G C und H C ihr am 24.4.2003, als sie die Praxis aufsuchten, erklärt haben, dass sie beim Versicherungsnehmer der Klägerin gewesen, aber dort nicht dran gekommen seien (Bl. 539 der Beiakte). Dass dieser Umstand später in einem Prozess zwischen ihr und dem Versicherungsnehmer der Klägerin von Bedeutung sein würde, konnte die Beklagte bei ihrer Anhörung im Jahr 2009 nicht wissen. Für eine unwahre Angabe in diesem seinerzeit nebensächlichen Punkt spricht daher nichts. Da die Angehörigen der Patientin am 24.4.2003 gegen 16.00 Uhr mit ihrem Kind die Praxis der Beklagten aufsuchten, muss die Vorstellung in der Praxis des Versicherungsnehmers der Klägerin gegen 15.00 Uhr erfolgt sein. Der dazwischen liegende Zeitraum von einer Stunde entspricht etwa der Zeit, die für die Fahrt von der einen Praxis in D-M zu der anderen Praxis in D-N und die dazugehörigen Fußwege benötigt wird.

Prof. Dr. F hat ausgeführt, dass es allen Mitarbeitern in einer Kinderarztpraxis klar sein müsse, dass ein Säugling mit wässrigem Durchfall und Erbrechen absolute Priorität habe, vom Arzt gesehen zu werden, da sich der Zustand schnell zu einem Notfall auswachsen könne (Bl. 175, 177 d.A.). Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass ihr Versicherungsnehmer gegenüber seinen Angestellten im Jahr 2003 die Weisung erteilt und die Vorgabe gemacht hatte, einen Säugling mit einem entsprechenden Krankheitsbild keinesfalls abzuweisen und in jedem Fall ihm vorzustellen. Hätte er eine entsprechende Anordnung getroffen, würde ihn dies rechtlich nicht entlasten. Denn in diesem Fall hätte die Arzthelferin fehlerhaft gehandelt, was ihm im Rahmen des am 22.4.2003 begründeten, die Nachbehandlung einschließenden Behandlungsverhältnisses gemäß § 278 BGB zuzurechnen wäre. Prof. Dr. F hat das Nichtvorlassen als unverzeihlich bewertet (Bl. 256R d.A). Dies und der von ihm dargelegte klare Grundsatz, der der Vermeidung von erheblichen gesundheitlichen Gefahren dient, rechtfertigen es, den dem Beklagten anzulastenden Organisationsfehler als groben Behandlungsfehler zu bewerten, der objektiv nicht mehr verständlich ist.

Hätte der Versicherungsnehmer der Klägerin die Patientin am 24.4.2003 gegen 15.00 Uhr gesehen, hätte er sie nach den Ausführungen von Prof. Dr. F (Bl. 257 d.A.), sofern er nicht in der Praxis eine Magensonde legte und hierdurch für die erforderliche Flüssigkeitszufuhr sorgte, in ein Krankenhaus einweisen müssen (Bl. 257 d.A.), wo sodann eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr erfolgt wäre. Wie sich insbesondere aus der Dokumentation der Beklagten ergibt, trank das Kind die Elektrolytlösung am 24.4.2003 nicht. Insoweit gilt für die Erforderlichkeit einer Krankenhauseinweisung nichts anderes, als es der Senat auf der Grundlage der Begutachtung im Vorprozess im Urteil vom 22.9.2010 in Bezug auf die Beklagte für den 24.4.2003 festgestellt hat (S. 19 des Urteils). Sofern der Versicherungsnehmer der Klägerin der Mutter und der Großmutter der Patientin eine Vorstellung in einem Krankenhaus angeraten und die Dringlichkeit und Notwendigkeit einer stationären Behandlung verständlich erläutert hätte, wären diese dem Rat gefolgt. Hierfür spricht, da ernsthafte Behandlungsalternativen nicht bestanden, die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, die nicht erschüttert ist. Hierzu wird auf wird auf die Ausführungen auf S. 23 des Senatsurteils vom 22.9.2010 verwiesen, die in Bezug auf den Versicherungsnehmer der Klägerin genauso gelten wie hinsichtlich der Beklagten, die am gleichen Tag einen inhaltsgleichen Rat schuldete. Der Sachverständige Prof. Dr. F hat im Vorprozess dargelegt, dass eine am Nachmittag des 24.4.2003 eingeleitete intravenöse Flüssigkeitszufuhr eine schwere hypertone Dehydratation/Toxikose und damit eine Schädigung der Klägerin verhindert hätte (Bl. 599, 652 d.A.). Er hat dies überzeugend damit begründet, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine auf ein höheres Ausmaß einer hypertonen Dehydratation hinweisenden neurologischen Auffälligkeiten vorgelegen hätten.

Wenn die Vorgehensweise der Arzthelferin am 24.4.2003 - wie die Beklagte behauptet - auf einer Anweisung des Versicherungsnehmers der Klägerin beruht haben sollte, würde dies dem ihm anzulastenden Behandlungsfehler kein anderes Gewicht verleihen. Dieser ist ohnehin als grob zu qualifizieren. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die behauptete Anweisung des Versicherungsnehmers der Klägerin auf anderen Gründen als einer Fehleinschätzung der Situation beruhte, die bei Säuglingen allerdings nach den Ausführungen von Prof. Dr. F in dieser Form und ohne ärztliche Untersuchung nicht vorkommen darf.

b) Verursachungsbeitrag der Beklagten

aa) Die Beklagte hat die Mutter und die Großmutter der Patientin am 24.4.2003 nicht, wie geboten, in für sie verständlicher Weise über die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Krankenhauseinweisung aufgeklärt.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F musste die Beklagte - wie schon am 22.4.2003 der Versicherungsnehmer der Klägerin - die Patientin am 24.4.2003, sofern nicht eine hypertone Dehydratation durch ein unauffälliges Ergebnis einer Blutgas- und Blutelektrolytuntersuchung ausgeschlossen war, in ein Krankenhaus einweisen, damit dort der Zustand des Kindes durch eine Blutgas- und Blutelektrolytuntersuchung geklärt und gegebenenfalls eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr eingeleitet werden konnten (vgl. Bl. 117, 598 der Beiakte und Bl. 257 d.A.).

(1) Die Klägerin hat allerdings nicht bewiesen, dass die Beklagte der Mutter und Großmutter der Patientin am 24.4.2003 nicht geraten hat, mit dem Kind sofort ein Krankenhaus aufzusuchen. Die gegenteilige Feststellung des Landgerichts, die auf den von ihm als glaubhaft bewerteten Aussagen der Zeuginnen G C und H C beruht, überzeugt nicht. Zwar muss ein Berufungsgericht, wenn es von der Glaubwürdigkeitsbeurteilung der Vorinstanz abweichen will, grundsätzlich die Beweisaufnahme wiederholen und die Zeugen erneut vernehmen. Im Streitfall gilt dies jedoch nicht. Der Senat hat die Zeuginnen G C und H C am 9.9.2009, das heißt wesentlich zeitnäher zu den streitigen Vorgängen als nunmehr das Landgericht, vernommen, und ist - auch unter Berücksichtigung des seinerzeit von den Zeuginnen gewonnen persönlichen Eindrucks - zu einer anderen Überzeug gelangt. Es gibt keinen Grund, den Bekundungen der Mutter der Patientin und der Zeugin H C (Großmutter), nach denen die Notwendigkeit einer Vorstellung im Krankenhaus auf Frage ausdrücklich verneint worden sein soll, den Vorrang vor der Darstellung der Beklagten zu geben. Letztere wird durch den Inhalt der Behandlungsunterlagen gestützt, deren Unverfälschtheit im vorliegenden Verfahren unstreitig ist. Nach dem äußeren Erscheinungsbild spricht nichts für eine Manipulation. Die Eintragungen in der Karteikarte "Versuch m. strenger Diät z.B. Tee, HN mind 700 - 1000 ml bis abends, sonst Klinik, Aufklärung über die Notwendigkeit KH, Oma meint bei ihr würde Kind gut trinken, E mündlich abgelehnt" lassen sich ohne weiteres dahin verstehen und auslegen, dass seitens der Beklagten zunächst über die Notwendigkeit einer - sofortigen - Klinikaufnahme aufgeklärt worden ist, was alsdann unter Hinweis auf das vermeintlich gute Trinkverhalten abgelehnt wurde, worauf die Beklagte für den Fall, dass bis zum Abend nicht mindestens 700 ml getrunken würden, zur Klinikaufnahme riet. Als Mutter und Großmutter der Geschädigten können die Zeuginnen G C und H C zudem einen Grund haben, eine Mitverursachung der Schädigung durch die Nichtbefolgung eines ärztlichen Rats zu verdrängen und zu leugnen und entsprechend auszusagen.

Das Landgericht, das den Inhalt der Behandlungsunterlagen der Beklagten im vorliegenden Zusammenhang nicht berücksichtigt hat, hat demgegenüber keine Gründe aufgezeigt, die maßgeblich für die Richtigkeit der Aussagen der Zeuginnen G C und H C sprechen. Dem Anraten einer stationären Aufnahme widerspricht es nicht, dass die Beklagte Vorgaben für Inhalt und Menge der weiteren häuslichen Therapie durch Mutter und Großmutter gemacht hat. Lehnten die Angehörigen eine Krankenhausaufnahme ab, war es sinnvoll, hilfsweise die weitere Vorgehensweise und Behandlung festzulegen. Dass die Vorstellung in einem Krankenhaus am 24.4.2003 unterblieben ist, spricht auch nicht dafür, dass die Beklagte sie nicht angeraten hat. Aus der Karteikarte und den Bekundungen der Beklagten ergeben sich Gründe, warum die Mutter und die Großmutter der Patientin trotz ihrer durch den Besuch mehrerer Ärzte zum Ausdruck kommenden Besorgnis die Empfehlung nicht befolgt haben. Danach meinte die Großmutter, das Kind würde bei ihr gut trinken. Schließlich ist es trotz der beschränkten persönlichen Verständnismöglichkeiten der Mutter und der Großmutter der Patientin, die der Senat und das Landgericht beobachtet und festgestellt haben, vorstellbar, dass die Beklagte die von ihr behauptete Erklärung "es drohe eine Verschiebung der Salze, die nicht mit dem Leben vereinbar sei" verwendet hat. Es stellt einen immer wieder zu beobachtenden Sachverhalt dar, dass sich Fachleute, insbesondere Ärzte, nicht auf die Aufnahmemöglichkeiten ihres Gesprächspartners einstellen und ihre Fachsprache verwenden, obwohl eine einfache Ausdrucksweise angezeigt ist.

(2) Die Beklagte hat die Mutter und die Großmutter der Patientin am 24.4.2003 nicht ausreichend über die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Krankenhauseinweisung aufgeklärt. Lehnt ein Patient eine ihm angeratene Behandlung, insbesondere eine Krankenhauseinweisung, ab, so hat ihn der Arzt über die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Behandlung aufzuklären. Dies gilt vor allem für die Folgen der Unterlassung der Behandlung. Die gebotene Sicherungsaufklärung hat dabei in einer für den Patienten verständlichen Art und Weise zu erfolgen. Diesen Anforderungen hat die Beklagte nach ihrer eigenen Sachverhaltsdarstellung nicht entsprochen. Sie will am 24.4.2003 im Zusammenhang mit der von ihr empfohlenen Krankenhauseinweisung erwähnt haben (vgl. Bl. 374, 540 d der Beiakte), "dass eine Verschiebung der Salze eintreten könne, die mit dem Leben nicht vereinbar sei."

Dieser Hinweis reichte angesichts der Verständnismöglichkeiten der Mutter und der Großmutter der Patientin in der damaligen Situation nicht aus. Die Mutter und die Großmutter der Patientin, die Zeugin H C, haben im Senatstermin vom 9.9.2009 einen eher einfachen, jedenfalls nicht naturwissenschaftlich vorgebildeten Eindruck vermittelt. Das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.2.2020 ausweislich der Darlegungen in den Entscheidungsgründen (S. 14 des Urteils) den gleichen Eindruck gewonnen. Bei dieser Sachlage war ein eindeutiger und klarer, konkret auf die Situation der Patientin bezogener Hinweis erforderlich. Die Beklagte hätte der Mutter und der Großmutter der Patientin etwa erklären können, dass für die Patientin die Gefahr schwerwiegender, andauernder Gesundheitsschäden und sogar des Todes bestand, was durch eine Vorstellung im Krankenhaus leicht und sicher vermieden werden konnte. Die drohenden Folgen werden durch die Formulierung "mit dem Leben nicht vereinbar" lehrbuchhaft und in einer für die Alltagssprache äußerst ungewöhnlichen Weise bezeichnet. Ein derartiger Hinweis kann von Angehörigen wie der Mutter und Großmutter der Patientin, die mit medizinischen Ausdrucksweisen ganz offensichtlich nicht vertraut sind und sich zudem in einer belastenden persönlichen Situation befinden, ohne weiteres überhört oder in seiner objektiven Bedeutung nicht erfasst werden.

Entgegen der von der Beklagten in der Klageerwiderung vertretenen Auffassung kann die bekundete Sicherungsaufklärung nicht deshalb als ausreichend bewertet werden, weil sie die Zusage gehabt habe, dass bis abends eine ausreichende Trinkmenge zugeführt oder die Klinik aufgesucht würde. Denn nach den Ausführungen von Prof. Dr. F war es im Zeitpunkt der Vorstellung der Patientin bei der Beklagten zwingend, nicht mehr ambulant weiter zu behandeln (Bl. 257 d.A.). Die Sicherungsaufklärung musste daher darauf ausgerichtet sein, während des Aufenthalts in der Praxis und im unmittelbaren Anschluss daran die Aufnahme der Patientin in einem Krankenhaus herbeizuführen. Hinzu kommt, dass bei anfänglich skeptischer Haltung der Angehörigen gegenüber einer Krankenhausbehandlung nur eine klare und für diese verständliche Sicherungsaufklärung sicherstellen konnte, dass sie jedenfalls abends nach dem zu erwartenden Scheitern des oralen Rehydrierungsversuchs die Klinik aufsuchten. Nach den Erläuterungen von Prof. Dr. F war die vorgesehene Trinkmenge von 700 bis 1.000 ml nicht realistisch.

Wegen der Ursächlichkeit der unzureichenden Sicherungsaufklärung für den am 25.4.2003 festgestellten Eintritt einer schwersten hypertonen Dehydratation/Toxikose und des Hirnschadens der Patientin wird auf S. 22 bis 25 des Urteil des Senats vom 22.9.2010 verwiesen.

(3) Für die Abwägung der Verursachungsbeiträge kommt es im Ergebnis allerdings nicht darauf an, ob bereits die Krankenhauseinweisung unterblieben ist oder ob die Beklagte nach deren Ablehnung die Angehörigen der Patientin nicht verständlich über die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer stationären Behandlung aufgeklärt hat, was dazu führte, dass die Krankenhausaufnahme und eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr bis zum 25.4.2003 unterblieben. Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts haben oder hätten beide Behandlungsfehler, die jeweils die Folge einer lediglich oralen Flüssigkeitszufuhr bis zum 25.4.2003 hatten, in gleicher Weise erhöht. Auch wenn sich das Unterlassen einer Klinikeinweisung - wie bereits das entsprechende Verhalten des Versicherungsnehmers der Klägerin am 22.4.2003 - als grober Behandlungsfehler dargestellt hätte, hatte das vom Senat nicht als grob qualifizierte Unterlassen einer hinreichend verständlichen Sicherungsaufklärung auf der Verschuldensebene ebenfalls ein erhebliches Gewicht. Denn nach Ablehnung einer Krankenhausbehandlung war es bei möglicher hypertoner Dehydratation und erheblicher Gefährdung des Kindes klar, dass es eines nachhaltigen und entschiedenen Einwirkens auf die Mutter und die Großmutter der Patientin bedurfte.

bb) Ein schadensursächlicher Behandlungsfehler der Beklagten im Zusammenhang mit den Empfehlungen zur Gabe von Tee sowie Milch und Heilnahrung (Säuglingsmilch ohne Laktose) lässt sich nicht feststellen. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann ein solcher daher bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge nicht berücksichtigt werden. Insbesondere hat die Beklagte die Situation der Patientin nicht durch die Empfehlung, reinen Tee zu geben, verschlimmert.

Die Beklagte hat nach ihren Bekundungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 18.2.2020 am 24.4.2003 eine Flüssigkeitszufuhr mit Heilnahrung verdünnt mit Tee und zusätzlich die Gabe von Tee versetzt mit Zucker und Salz aufgezählt und angeraten (Bl. 255 d.A.). Auch wenn die Zeuginnen G C und H C in diesem Termin vor dem Landgericht ausgesagt haben, dass sie Kamillentee hätten geben sollen, kann die für einen in die Abwägung einzustellenden Behandlungsfehler der Beklagten beweispflichtige Klägerin das Vorbringen der Beklagten nicht widerlegen. Es wird durch die Dokumentation gestützt. In der Karteikarte heißt es "Versuch mit strenger Diät, z.B. Tee, HN [Heilnahrung] mind. 700 - 1000 ml bis abends". Gerade wegen des Begriffs Diät ist es plausibel, dass die Heilnahrung, das heißt die Säuglingsmilch ohne Laktose, nicht pur, sondern vermischt mit Tee gegeben werden sollte. Auch im vorliegenden Zusammenhang gibt es keinen Grund, den Aussagen der Mutter und der Großmutter der Patientin den Vorrang vor den Bekundungen der Beklagten zu geben. Die Gabe von Milch oder Heilnahrung gemischt mit Tee war nach den Erläuterungen von Prof. Dr. F nach fachärztlichem Standard zulässig und in der konkreten Situation der Patientin möglich (Bl. 176, 258 d.A)

Bei dieser Sachlage könnte die Beklagte allenfalls entsprechend den Ausführungen des Landgerichts eine das Behandlungsziel absichernde Aufklärung dahingehend unterlassen haben, dass reiner Tee unresorbiert durch den Darm hinauslaufen würde und (unverdünnte) Milch wegen des starken Salzgehaltes die Hypernatriämie noch verschlimmere und deshalb keine (unverdünnte) Milch (oder Heilnahrung) gegeben werden dürfe. Gegenüber der Mutter und Großmutter der Patientin hätte dies in für diesen verständlichen Worten ausgedrückt werden müssen. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass durch das Unterlassen einer entsprechenden Sicherungsaufklärung ein Nachteil und ein Schaden für die Patientin entstanden sind. Die Alternative zur Gabe von reinem Tee wäre die Verabreichung der verordneten Elektrolytlösung oder die Gabe von Tee versetzt mit Zucker und Salz gewesen. Ersteres hatte die Patientin nicht getrunken. Dies entspricht den Erläuterungen von Prof. Dr. F, dass die Elektrolytlösung von Säuglingen wegen ihres schlechten Geschmacks oft nicht akzeptiert wird. Tee versetzt mit Zucker und Salz schmecke - so der Sachverständige (Bl. 257R d.A.) - auch nicht viel besser als die Elektrolytlösung. Vor diesem Hintergrund spricht nichts dafür, dass die Patientin bei einer weitergehenden Sicherungsaufklärung der Beklagten mehr Flüssigkeit zu sich genommen hätte, die resorbiert hätte werden können. Soweit es um die Gabe von reiner Milch oder Heilnahrung nach der Vorstellung bei der Beklagten geht, hat Prof. Dr. F ausgeführt, dass es nur schwer zu beurteilen sei, ob der Milchgenuss auslösend für die schwere Hypernatrimämie gewesen sei (Bl. 178 d.A.). Dies ist schon deshalb überzeugend, weil die Menge und das Volumen getrunkener reiner Milch oder Heilnahrung nicht bekannt sind. Ein zur Beweislastumkehr führender grober Behandlungsfehler kommt im vorliegenden Zusammenhang nicht in Betracht. Die von der Beklagten nach ihren Angaben gegebene Empfehlung der Gabe von Milch oder Heilnahrung vermischt mit Tee war grundsätzlich richtig. Das Unterbleiben weitergehende Ratschläge war vor diesem Hintergrund nicht unverständlich. Für einen groben Behandlungsfehler ergibt sich insoweit aus den Erläuterungen von Prof. Dr. F keine Grundlage.

cc) Ein Organisationsverschulden trifft die Beklagte entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung nicht.

Sie musste nicht, etwa durch einen entsprechenden Vertrag mit einem Labor, sicherstellen, dass während der Sprechstunde der Praxis jederzeit eine Blutgas- und Blutelektrolytuntersuchung möglich war. Wurde dies notwendig und konnte sie wegen des Zeitpunkts der Untersuchung nicht auf ein niedergelassenes Labor zurückgreifen, konnte sie ein betroffenes Kind in ein Krankenhaus einweisen, wo die Untersuchungen möglich waren. Eine Erhebung der Laborparameter zur Sicherung des weiteren Behandlungsverlaufs und für eine spätere Verlaufskontrolle hat Prof. Dr. F - was die Klägerin in der Berufungsbegründung übersieht - nicht gefordert. Nach seinen Erläuterungen richtet sich die Behandlung eines Säuglings, der eine hypertone Dehydratation aufweist, nach den jeweiligen Blutgas- und Blutelektrolytwerten.

dd) Weder hat das Landgericht aus einer möglichen Unerfahrenheit einen abgesenkten Haftungsmaßstab hergeleitet noch trifft die Beklagte ein Übernahmeverschulden. Dass die Beklagte nicht Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin gewesen sei, macht die Klägerin nicht geltend. Als solche durfte sie die Behandlung übernehmen.

3. Bei der Abwägung nach §§ 426 Abs. 1 S. 2, 254 Abs. 1 BGB sind demnach als schadensursächliche Behandlungsfehler und Verursachungsbeiträge die grob fehlerhaft unterlassene Krankenhauseinweisung durch den Versicherungsnehmer der Klägerin am 22.4.2003, die infolge einer grob fehlerhaften Organisation der Praxis unterbliebene Krankenhauseinweisung am 24.4.2003 gegen 15.00 Uhr durch den Versicherungsnehmer der Klägerin sowie die infolge unzureichender Aufklärung über die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer stationären Behandlung durch die Beklagte am 24.4.2003 nach 16.00 Uhr unterbliebene Vorstellung der Patientin in einem Krankenhaus zu berücksichtigen.

Der Senat misst den Verursachungsbeiträgen des Versicherungsnehmers der Klägerin und der Beklagten am 24.4.2003 das gleiche Gewicht zu. Nach den Erläuterungen von Prof. Dr. F ist die Gefährlichkeit des in Rede stehenden ärztlichen Handelns und der Verursachungsbeitrag umso größer, je länger der Zustand von Durchfall und Erbrechen bestanden hat, das heißt je näher man an den Zustand der schädigenden Hypernatriämie gekommen ist (Bl. 173 d.A). Vor diesem Hintergrund haben das zeitlich eng beieinander liegende Verhalten des Versicherungsnehmers der Klägerin und der Beklagten am 24.4.2003 die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts grundsätzlich in gleicher Weise erhöht. Darauf, dass bei naturwissenschaftlichlogischer Betrachtung die fehlerhafte Praxisorganisation den Schadenseintritt weniger wahrscheinlich gemacht hat als das Verhalten der Beklagten, weil die Mutter und die Großmutter der Patientin wussten, dass sie abgewiesen worden waren und anderswo ärztliche Hilfe suchen konnten und bei der Beklagten fanden, können sich die Klägerin und ihr Versicherungsnehmer bei wertender Betrachtung, die im Rahmen von §§ 426 Abs. 1 S. 2, 254 Abs. 1 BGB zulässig ist, nicht berufen. Die Beklagte hatte nur deshalb die zeitlich letzte Möglichkeit zur Schadensabwendung, weil sich der Versicherungsnehmer der Klägerin grob fehlerhaft verhalten hatte. Ausschließlich aus diesem Grund ist die abschließende Verantwortung der Beklagten für eine erfolgreiche Steuerung des Behandlungsgeschehens entstanden. Es wäre unbillig, wenn dem Versicherungsnehmer der Klägerin durch sein eigenes Versäumnis ein Vorteil entstünde. Aus dem von der Klägerin angeführten Beschluss des Senats vom 11.8.2014 - 5 U 36/14 (veröffentlicht in Juris) - folgt nichts anderes. Dort hatte die eine Hebamme die vorbeugende Empfehlung unterlassen, im Hinblick auf eine Blutgruppenunverträglichkeit keine Hausgeburt vorzunehmen, während die andere Hebamme es bei einsetzender postpartaler Hyperbilirubinämie unterließ, die gebotene Therapie durchzuführen oder zu veranlassen. Die Verursachungsbeiträge unterschieden sich nach Zeitpunkt und Qualität deutlich. Im Streitfall steht ärztliches Verhalten in Rede, welches zeitnah beieinander lag und die gleiche, jeweils therapeutische Zielrichtung hatte, nämlich die stationäre Aufnahme der Patientin, um - im wesentlichen Kern - eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr vorzunehmen.

Die unterlassene Krankenhauseinweisung durch den Versicherungsnehmer der Klägerin am 22.4.2003 hat demgegenüber ein geringeres Gewicht. Sie hat den Eintritt des Schadens in wesentlich geringerem Ausmaß wahrscheinlich gemacht als die beiden Handlungsweisen am 24.4.2003. Nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge war damit zu rechnen, dass sich die Mutter der Patientin in den nächsten Tagen nochmals bei einem Arzt vorstellen und alsdann rechtzeitig eine erfolgreiche Behandlung mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr eingeleitet werden würde. Prof. Dr. F hat im Vorprozess bestätigt, dass eine unzureichende Diagnostik und Betreuung eines Säuglings mit Brechdurchfall in Mitteleuropa zu einer Rarität geworden ist. Letztlich ist es durch eine unglückliche Verkettung ärztlicher Fehler und mütterlicher Verhaltensweisen im Fall der Behandlung der Patientin zu einem anderen Verlauf gekommen.

Der vorstehenden Gewichtung der drei in Rede stehenden schadensursächlichen Behandlungsfehler wird eine Haftungsverteilung im Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer der Klägerin und der Beklagten von 60 % zu 40 % zu Lasten des Versicherungsnehmers der Klägerin gerecht. Dies bezieht das jeweilige Verschulden, das nur einen ergänzenden Faktor bei der Abwägung darstellt, sachgerecht ein. Dem Versicherungsnehmer der Klägerin sind zwei grobe Behandlungsfehler anzulasten. Die Gründe, die ihre Bewertung als grob tragen, rechtfertigen zugleich ihre Einordnung als grob fahrlässig, worauf es im Rahmen von §§ 426 Abs. 1 S. 2, 254 Abs. 1 BGB ankommt. Subjektive Gründe, die das Handeln ihres Versicherungsnehmers entschuldigen, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Wie bereits oben dargelegt worden ist, hatte das vom Senat nicht als grob fehlerhaft qualifizierte Unterlassen einer hinreichend verständlichen Sicherungsaufklärung durch die Beklagte auf der Verschuldensebene ebenfalls ein erhebliches Gewicht. Denn nach der Ablehnung einer Krankenhausbehandlung war es bei möglicher hypertoner Dehydratation und erheblicher Gefährdung des Kindes klar, dass es eines nachhaltigen und entschiedenen Einwirkens auf die Mutter und die Großmutter der Patientin bedurfte.

Die Klägerin hat an die Patientin zwischen Juli 2015 und Dezember 2017 unstreitig 41.384 € geleistet. Hieraus errechnet sich bei einer Quote von 40 % ein von der Beklagten auszugleichender Betrag von 16.553,60 €.

4. Die Zinsenscheidung folgt aus § 288 Abs. 1 BGB. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die Beklagte jeweils im Zeitpunkt der wiederkehrenden Schadensersatzleistung an das geschädigte Kind im Verhältnis zur Klägerin mit der Erfüllung des Ausgleichsanspruchs aus § 426 BGB in Verzug geriet.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die entscheidungserheblichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Senat zugrunde gelegt hat, geklärt oder solche des Einzelfalls.

Wert des Berufungsverfahrens: 41.384 €

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