Bayerischer VGH, Beschluss vom 08.01.2021 - 9 ZB 19.322
Fundstelle
openJur 2021, 5732
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten wird abgelehnt.

III. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

IV. Der Streitwert wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein ihr gegenüber angedrohtes Zwangsgeld nicht fällig geworden ist.

Mit Bescheid vom 8. August 2017, zugestellt am 10. August 2017, ordnete das Landratsamt B** ... gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann ... ... die sofortige Einstellung der Bauarbeiten an einem auf dem Grundstück FlNr. ... Gemarkung H* ... in W* ... errichteten Nebengebäude in Holzbauweise an (Nr. 1 des Bescheids). Unter Nr. 2 drohte es für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld von 1000,00 Euro an. Nr. 3 erklärt die Anordnung unter Nr. 1 für sofort vollziehbar. Mit Schreiben vom 4. September 2017 teilte das Landratsamt der Klägerin mit, dass das Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro fällig geworden und zu entrichten sei.

Mit Urteil vom 20. Dezember 2018 wies das Verwaltungsgericht die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fälligstellung des Zwangsgeldes gerichtete Klage ab. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren unter Beantragung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Bevollmächtigten weiter.

II.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klägerin beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Hieraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

Das Verwaltungsgericht hat das mit Bescheid vom 8. August 2017 angedrohte Zwangsgeld als fällig geworden angesehen (vgl. Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG), weil die Klägerin der sofortigen Baueinstellungsverfügung nach Art. 75 Abs. 1 BayBO in diesem Bescheid nicht nachgekommen ist. Nach den Ergebnissen von Ortseinsichten am 22. und 29. August 2017 sei die nordwestliche Wand des Nebengebäudes im unteren Bereich mit zwei OSB-Platten geschlossen sowie eine Tür eingebaut worden. Auch nach der von der Klägerin vorgelegten Eidesstattlichen Versicherung des beauftragten Handwerkers hätten am 26. August 2017 Baumaßnahmen stattgefunden. Die Klägerin habe dies zugestanden.

a) Soweit die Klägerin hiergegen geltend macht, dass schon fraglich sei, ob ein Zwangsgeld überhaupt hätte verhängt werden dürfen oder die Höhe des Zwangsgeldes angemessen, und dass vor der Baueinstellung für das Nebengebäude, wie auch vor der Versagung der betreffenden Baugenehmigung, kein rechtliches Gehör gewährt worden sei, wendet sich die Klägerin gegen die bestandskräftige Grundverfügung (Baueinstellung) sowie die bestandskräftige Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 8. August 2017.

Im isolierten Vollstreckungsverfahren kann der Vollstreckungsschuldner jedoch grundsätzlich sowohl gegen die Androhung als auch gegen die Fälligstellung von Zwangsgeldern mit Einwendungen gegen einen bestandskräftigen Ausgangsbescheid nicht mehr gehört werden (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 VwZVG). Hinsichtlich der Fälligstellung des Zwangsgeldes kommt es allein darauf an, ob die Verpflichtung innerhalb einer mit Bescheid festgesetzten Frist erfüllt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 17.10.2017 - 9 CS 17.1990 - juris Rn. 12).

Aus Anlass des Falles bedarf es auch keiner Klärung, ob die Klägerin im Rahmen ihres Feststellungsbegehrens zur Fälligkeit von Zwangsgeldern Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch nach Art. 21 VwZVG geltend machen kann. Jedenfalls sind nach Art. 21 Satz 2 VwZVG Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch nur zulässig, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsakts entstanden sind und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können. Solche sind von der Klägerin nicht vorgetragen worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat es zwar auch für zulässig erachtet, sich auf die Rechtswidrigkeit des zu vollstreckenden, bestandskräftig gewordenen Verwaltungsaktes zu berufen, wenn dem Betroffenen infolge einer "Ermessensreduzierung auf Null" ein Anspruch auf dessen Rücknahme zusteht (vgl. Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG). Entsprechendes soll gelten, wenn ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (Art. 51 BayVwVfG) besteht (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2005 - 1 CE 05.153 - juris Rn. 22 m.w.N.). Dies hat die Klägerin für die zwangsgeldbewährte Baueinstellungsverfügung, auch im Hinblick darauf, dass sie der Meinung ist, die Baugenehmigung für die Errichtung des streitgegenständlichen Nebengebäudes sei ihr zu Unrecht versagt worden, aber nicht dargelegt. Für eine ermessensfehlerfreie Baueinstellungsverfügung genügt grundsätzlich der formelle Rechtsverstoß des ungenehmigten Baubeginns (vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2020 - 9 CS 20.1969 - juris Rn. 13 m.w.N.).

b) Unbehelflich ist auch der Einwand der Klägerin, ihr Schreiben vom 14. September 2017 sei als Widerspruch gegen das Schreiben des Landratsamts vom 4. September 2017 aufzufassen. Das Schreiben vom 4. September 2017, mit dem das angedrohte Zwangsgeld von 1.000,00 Euro fällig gestellt und die Entrichtung des Betrags gefordert wurde, stellt schon keinen Verwaltungsakt dar, gegen den ein förmlicher Rechtsbehelf in Form eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage überhaupt in Betracht käme. Vielmehr ist bereits die Zwangsgeldandrohung (Art. 36 VwZVG) im bestandskräftigen Bescheid vom 8. August 2017 gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG der aufschiebend bedingte Leistungsbescheid im Sinn von Art. 23 Abs. 1 VwZVG. Die geltend gemachte Geldforderung, also das Zwangsgeld, wird nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Abs. 1 VwZVG kraft Gesetzes fällig (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG; vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2012 - 9 ZB 11.2528 - juris Rn. 15). Der Fälligstellung im Schreiben vom 4. September 2017 kommt dementsprechend nur deklaratorische Wirkung zu.

Ein Widerspruch wäre im Übrigen selbst dann kein statthafter Rechtsbehelf, wenn er sich gegen die - hier zudem bereits am 10. August 2017 zugestellte und somit bestandskräftige, darüber hinaus sofort vollziehbare (vgl. Art. 19 Abs. 1 VwZVG) - Baueinstellungsverfügung vom 8. August 2017 gerichtet haben würde (vgl. § 68 VwGO i.V.m. Art. 15 Abs. 2 AGVwGO).

Soweit die Klägerin meint, sie hätte vor der Fälligstellung des Zwangsgeldes angehört werden müssen, kann dieser Einwand wegen der fehlenden Verwaltungsaktsqualität des Schreibens vom 4. September 2017 ebenfalls nicht greifen (vgl. Art. 28 BayVwVfG).

c) Das Zulassungsvorbringen ist auch nicht geeignet, den Eintritt der Fälligkeit des Zwangsgeldes in Zweifel zu ziehen. Dass ein mit der Bauausführung für das gegenständliche Nebengebäude beauftragter Handwerker, nachdem das mit sofortiger Wirkung ausgesprochene Bauverbot der Klägerin und ihrem Ehemann am 10. August 2017 im Wege der Zustellung bekanntgegeben war, zumindest noch zwei Bretter am gegenständlichen Nebengebäude angebracht hat, worauf sich auch das Landratsamt in seinem Schreiben vom 4. September 2017 berief und wovon das Verwaltungsgericht in seinem Urteil ebenfalls ausgeht, wird von der Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht in Zweifel gezogen. Sie räumt auch ein, dass es sein möge, dass noch mehr hätte getan werden können, um den Handwerker am Weiterbau zu hindern, weshalb auch das Verwaltungsgericht erstinstanzlich von einem der Klägerin zuzurechnenden, verschuldeten Verstoß gegen die Baueinstellungsverfügung ausging. Zwar betont die Klägerin im Rahmen ihrer Zulassungsbegründung, dass sie gegen das Bauverbot nicht willentlich verstoßen habe. Hierauf hat das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung jedoch nicht abgestellt. Es ist im Hinblick auf den zugestandenen Verstoß gegen die Baueinstellungsverfügung hinsichtlich der angebrachten Bretter außerdem auch nicht von Belang, ob daneben auch noch eine Tür nachträglich eingebaut wurde, was die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen bestreitet, vom Verwaltungsgericht unter Berufung auf die Aktenlage aber in Bezug auf das Türblatt wohl zu Recht zusätzlich angeführt wurde.

Soweit die Klägerin noch vorträgt, es sei jedenfalls eine provisorische Sicherung der Bausubstanz erforderlich gewesen und mit diesem Einwand den Eintritt der Fälligkeit in Frage zu stellen versucht, kann auch dies nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags führen. Ohne Verstoß gegen eine Baueinstellung sind nur unbedingt notwendige, die vorhandene Baumasse sichernde und erhaltende provisorische Maßnahmen zulässig (vgl. BayVGH, B.v. 2.7.2020 - 1 CS 20.857 - juris Rn. 10). Abgesehen davon, dass das Landratsamt der Klägerin und ihrem Ehemann im Rahmen eines Gesprächs am 14. August 2017 nur eine provisorische Abdeckung der vorhandenen Bausubstanz zum Schutz gegen Witterungseinflüsse mit einer Plane zugestanden hatte, handelte es sich bei den Baumaßnahmen des eingesetzten Handwerkers nach der Baueinstellungsverfügung schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin um die beauftragte Bauausführung des gegenständlichen Nebengebäudes und nicht um seine provisorische Sicherung.

d) Schließlich kann auch das Zulassungsvorbringen der Klägerin, die Beitreibung des Zwangsgeldes sei unverhältnismäßig bzw. es liege in Anbetracht der finanziellen Situation der Klägerin ein Härtefall vor, nicht zur Zulassung der Berufung führen.

Die Entscheidung, von der Beitreibung des fällig gewordenen Zwangsgeldes abzusehen, hat die Klägerin beim Landratsamt nicht beantragt; hierauf ist der erstinstanzlich zuletzt gestellte Klageantrag auf Feststellung, dass das mit Bescheid vom 8. August 2017 angedrohte Zwangsgeld nicht fällig geworden ist, auch nicht gerichtet. Im Übrigen läge eine solche Entscheidung der Vollstrecfkungsbehörde selbst im Fall, dass weitere Zuwiderhandlungen nicht zu befürchten sind und eine besondere Härte vorliegt, in deren Ermessen (Art. 37 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 VwZVG; vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2019 - 9 ZB 19.999 - juris Rn. 10). Einen Rechtsanspruch auf Absehen von der Beitreibung hätte die Klägerin nur, wenn (ausnahmsweise) jede andere Entscheidung ihr gegenüber ermessensfehlerhaft wäre. Vorliegend ist aber im Hinblick auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in seinem Urteil, dass jegliche Anhaltspunkte für eine besondere Härte fehlten, zumal die Klägerin es unterlassen habe, rechtzeitig hinreichende Vorkehrungen dafür zu tragen, dass am Bauobjekt keine weiteren Baumaßnahmen stattfinden, womit sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinandersetzt, schon das Vorliegen einer besonderen Härte, weil die Beitreibung unbillig wäre (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2000 - 22 ZB 00.3496 - juris Rn. 3), nicht hinreichend dargetan. Erst Recht gilt dies für eine Ermessensreduzierung auf Null.

2. Die Klägerin hat nach alledem keinen Anspruch auf die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dementsprechend war auch der Antrag auf Beiordnung des Bevollmächtigten als Rechtsanwalt (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO) abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 und entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.

Mit der nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbaren Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).