VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.02.2021 - 1 S 321/21
Fundstelle
openJur 2021, 5374
  • Rkr:

1. Die Regelungen in § 1c Abs. 2 CoronaVO (i.d.F. d. 6. ÄndVO vom 30.01.2021) zu den abendlichen und nächtlichen Ausgangsbeschränkungen sind inzwischen (05.02.2021) aller Voraussicht nach nicht mehr mit höherrangigem Recht vereinbar.

2. Aus § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG folgt, dass Ausgangsbeschränkungen nicht bereits dann zulässig sind, wenn ihr Unterlassen zu irgendwelchen Nachteilen in der Pandemiebekämpfung führt, sondern dass dies nur dann in Betracht kommt, wenn der Verzicht auf Ausgangsbeschränkungen auch unter Berücksichtigung aller anderen ergriffenen Maßnahmen zu einer wesentlichen, im Umfang der Gefahrenrealisierung gewichtigen Verschlechterung des Infektionsgeschehens führen würde.

3. Aus § 28a Abs. 3 IfSG folgt, dass der Verordnungsgeber, wenn er Ausgangsbeschränkungen dem Grunde nach für erforderlich hält, auch eingehend prüfen und darlegen muss, ob diese landesweit angeordnet werden müssen oder ob insoweit differenziertere Regelungen in Betracht kommen, die sich am regionalen Infektionsgeschehen orientieren.

4. Das Tatbestandsmerkmal der "landesweiten" Überschreitung einer 7-Tages-Inzidenz von 50 Neuinfektionen in § 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG bedeutet nicht, dass der genannte Schwellenwert "in allen Stadt- und Landkreisen" überschritten sein muss. Es reicht aus - ist aber auch erforderlich -, dass der Schwellenwert in dem auf das Bundesland bezogenen Durchschnitt überschritten wird.

5. Im Sinne von § 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG "landesweit abgestimmte" Schutzmaßnahmen können, müssen aber nicht landesweit einheitliche Vorschriften sein. Ob landesweit einheitliche Regelungen zulässig oder regional differenzierende Maßnahmen in Betracht zu ziehen sind, beurteilt sich insbesondere nach dem Verhältnismäßigkeitsgebot.

Tenor

Auf den Antrag der Antragstellerin wird § 1c Abs. 2 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 30. November 2020 in der Fassung der Sechsten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 30. Januar 2021 ab dem 11. Februar 2021 um 05:00 Uhr vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im vorliegenden Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO - sachdienlich ausgelegt - gegen § 1c Abs. 2 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 30.11.2020 in der Fassung der Sechsten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 30.01.2021, die am 01.02.2021 in Kraft trat.

Die angefochtene Vorschrift regelt Ausgangsbeschränkungen für den Abend und die Nacht und bestimmt dazu im Einzelnen:

"In der Zeit von 20 Uhr bis 5 Uhr des Folgetags gilt eine erweiterte Ausgangsbeschränkung. Der Aufenthalt außerhalb der Wohnung oder sonstigen Unterkunft ist in dieser Zeit bei Vorliegen folgender triftiger Gründe gestattet:

1. Abwendung einer konkreten Gefahr für Leib, Leben und Eigentum,2. Besuch von Veranstaltungen im Sinne des § 10 Absatz 4,3. Versammlungen im Sinne des § 11,4. Veranstaltungen im Sinne des § 12 Absätze 1 und 2,5. Ausübung beruflicher und dienstlicher Tätigkeiten, einschließlich der unaufschiebbaren beruflichen, dienstlichen oder akademischen Ausbildung sowie der Teilnahme ehrenamtlich tätiger Personen an Übungen und Einsätzen von Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst,6. Besuch von Ehegatten, Lebenspartnern sowie Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in deren Wohnung oder sonstigen Unterkunft,7. Inanspruchnahme medizinischer, pflegerischer, therapeutischer und veterinärmedizinischer Leistungen,8. Begleitung und Betreuung von unterstützungsbedürftigen Personen und Minderjährigen, insbesondere die Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts im jeweiligen privaten Bereich,9. Begleitung und Betreuung von sterbenden Personen und von Personen in akut lebensbedrohlichen Zuständen,10. unaufschiebbare Handlungen zur Versorgung von Tieren sowie Maßnahmen der Tierseuchenprävention und zur Vermeidung von Wildschäden,11. Maßnahmen der Wahlwerbung für die in § 1b Absatz 2 genannten Wahlen und Abstimmungen, insbesondere die Verteilung von Flyern und Plakatierung vorbehaltlich behördlicher Erlaubnisse, und12. sonstige vergleichbar gewichtige Gründe."

Die in Tübingen wohnhafte Antragstellerin macht geltend, diese Vorschrift sei verfassungswidrig, sie begründe insbesondere nicht gerechtfertigte Eingriffe in ihre Grundrechte auf Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) und auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).

Zur Begründung trägt sie unter anderem vor, die angefochtene Verordnungsbestimmung sei bereits deshalb ohne weitere Prüfung aufzuheben, weil der Antragsgegner seiner Pflicht, die grundrechtsbeschränkenden Maßnahmen aus den Corona-Verordnungen fortlaufend auf ihre Verhältnismäßigkeit hin zu überprüfen, nicht nachgekommen sei. Das ergebe sich daraus, dass der Verordnungsgeber in der Begründung zur Fünften Änderungsverordnung zur Corona-Verordnung auf § 1c Abs. 2 CoronaVO und die dort geregelte nächtliche Ausgangsbeschränkung nicht eingegangen sei.

Unabhängig davon sei die Vorschrift inzwischen auch in der Sache unverhältnismäßig. Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten hätten sich in ihrer Beratung vom 19.01.2021 nicht auf landesweite flächendeckende nächtliche Ausgangsbeschränkungen verständigt, sondern dies lediglich als ultima ratio für sog. Hotspots mit Inzidenzwerten über 200 in Betracht gezogen. Der Antragsgegner verkenne, dass er das auch in der Verordnungsbegründung genannte Ziel von Inzidenzwerten unter 50 in mehreren Landkreisen - darunter Tübingen - bereits erreicht habe. Eine landesweite nächtliche Ausgangssperre sei unabhängig davon auch deshalb nicht erforderlich, weil mehrere andere, ebenso effektive, aber weniger grundrechtseinschränkende Maßnahmen zur Verfügung stünden. Hierfür kämen unter anderem eine Verbesserung der technischen Ausstattung der Gesundheitsämter, eine Erhöhung des Einsatzes von Bussen und Bahnen im öffentlichen Nahverkehr, eine Förderung des sog. Homeoffice, die Bereitstellung von Schnelltests in Alten- und Pflegheimen, eine rasche Durchimpfung der besonders gefährdeten Gruppen und Vorgaben zum Tragen von FFP2-Masken in Betracht. Die angefochtene Vorschrift sei außerdem nicht angemessen (verhältnismäßig i.e.S.). Sie belaste insbesondere Berufstätige übermäßig, weil diese die tagsüber erlaubte Möglichkeit, "Sport und Bewegung im Freien" (§ 1c Abs. 1 Nr. 15 CoronaVO) zu betreiben, tagsüber berufsbedingt nicht nutzen könnten und § 1c Abs. 2 CoronaVO dies abends und nachts verbiete. Eine nächtliche Ausgangssperre bringe zudem keinen signifikanten Nutzen für die Pandemie, weil im Winter nur wenige Menschen nachts außer Haus gingen und ohnehin die Regelungen aus der Corona-Verordnung unter anderem zu den Kontaktbeschränkungen gälten. Der Antragsgegner solle ehrlich mitteilen, dass er durch die nächtliche Ausgangsbeschränkung eigentlich private Treffen verhindern wolle, die wegen des besonderen Schutzes von Privaträumen durch Art. 13 GG nur ausnahmsweise kontrolliert werden könnten. Solche Treffen könnten aber auch durch die angefochtene Vorschrift im Ergebnis nicht verhindert werden. Erschwerend komme hinzu, dass das nächtliche Verlassen der eigenen Wohnung durch die beanstandete Vorschrift zu einem dem Staat gegenüber begründungsbedürftigen Ausnahmefall und die Rechtfertigungslast dadurch verfassungswidrig auf die Bürger verschoben werde. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass die Landesregierung im ersten sog. Lockdown im Frühjahr 2020 keine nächtlichen Ausgangsperren verhängt habe und die Pandemie dennoch wirksam habe bekämpft werden können. In anderen Bundesländern, die im Winter 2020/2021 ebenfalls keine nächtlichen Ausgangssperren normiert hätten, seien die Infektionszahlen zudem ebenso gut oder teils stärker als in Baden-Württemberg gesunken. Ebenfalls zu berücksichtigen seien die psychischen Belastungen und Wirkungen nächtlicher Ausgangssperren auf die Bevölkerung, die inzwischen lange Dauer der zahlreichen zusammenhängen Grundrechtsbeschränkungen sowie der Umstand, dass der Antragsgegner nach wie vor keinen "Öffnungsperspektiv-Corona-Maßnahmen-Plan 2021" erstellt habe.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten.

Er macht geltend, für die beanstandete Vorschrift bestehe eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und § 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG. Die besonderen Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG lägen vor. Seit Weihnachten sei zwar eine Verringerung der COVID-19-Fallzahlen in Baden-Württemberg zu verzeichnen, die Zahlen verblieben aber auf einem erhöhten Niveau. Die 7-Tages-Inzidenz liege weiterhin spürbar über dem Grenzwert von 50, habe am 01.02.2020 74,2 betragen und werde in 34 von 44 Stadt- und Landkreisen teilweise sehr deutlich überschritten. Hinzu komme, dass in Baden-Württemberg derzeit täglich mehr als 100 Personen an bzw. mit einer COVID-19-Erkrankung verstürben. Der R-Wert liege wieder geringfügig über 1. Die 7-Tages-Inzdienz sei in den vergangenen Tagen nicht weiter gefallen, sondern stagniere bei einem Wert von mehr als 70. Eine verfrühte Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen, die zusammen mit den verschärften Kontaktbeschränkungen ein zentrales Element der derzeitigen Strategie der Landesregierung zur Pandemiebekämpfung darstellten, berge die Gefahr eines erneuten exponentiellen Anstiegs der Infektionszahlen. Das gelte umso mehr, als höchstinfektiöse Virusmutationen mittlerweile auch in Baden-Württemberg vermehrt nachgewiesen worden seien. Hierzu seien inzwischen 262 Fälle aus 21 Kreisen gemeldet worden. Bis zu einer weiteren deutlichen Abschwächung des Infektionsgeschehens und dem Erreichen einer pandemischen Trendwende mit einer 7-Tages-Inzidenz, die deutlich unter 50 liege, könne nicht von einer wirksamen Eindämmung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus ausgegangen werden, die weitergehende Lockerungen ermögliche. Die in § 28a Abs. 1 IfSG vorgesehenen Maßnahmen seien zudem nicht nur lokal begrenzt zulässig, sondern könnten auch flächendeckend in einem Bundesland angeordnet werden. § 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG bestimme, dass bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwerts von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen landesweit abgestimmte, umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben "sind". Derzeit belaufe sich die 7-Tages-Inzidenz immer noch auf einen Wert von 74. Bei einer solchen landesweiten Inzidenz könne vom Ausreichen nur lokaler Maßnahmen noch lange keine Rede sein. Regionale Differenzierungen seien auch deshalb nicht angezeigt, weil sonst mit Ausweichtendenzen in der Bevölkerung zu rechnen sei. Auch die formalen Anforderungen des § 28a Abs. 5 IfSG seien erfüllt. Der Einwand der Antragstellerin, dass keine Überprüfung der bisher getroffenen Maßnahmen erfolgt sei, gehe ausweislich der Begründung der Fünften Änderungsverordnung zur Corona-Verordnung fehl (abrufbar unter https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/Coronainfos/210123_Begruendung_zur_5.AenderungsVO_zur_5.CoronaVO.pdf).

Die angefochtene Vorschrift sei auch verhältnismäßig. Ausgangsbeschränkungen hätten nachweislich einen starken Rückgang der Mobilität und der Anzahl der Kontakte zur Folge. Es treffe zwar zu, dass der Aufenthalt im öffentlichen Raum zur Nachtzeit alleine keine erhöhte Infektionsgefahr berge. Dieser Einwand verkenne aber das vom Senat schon im Dezember (Beschl. v. 18.12.2020 - 1 S 4028/20 -) genannte Ziel der angefochtenen Regelung, die Bewegungsaktivität der Bevölkerung drastisch zu reduzieren und Anreize für private Treffen, die nachweislich Treiber der Pandemien seien, deutlich zu vermindern. Die angefochtene Vorschrift sei auch weiterhin angemessen, zumal für zahlreiche wichtige Bereiche des sozialen und wirtschaftlichen Lebens Ausnahmebestimmungen vorgesehen seien. Der Einwand der Antragstellerin, dass Berufstätige keine Möglichkeiten hätten, sich tagsüber im Freien aufzuhalten, verkenne, dass das Zeitfenster von 5 Uhr bis 20 Uhr 15 Stunden umfasse und damit so großzügig bemessen sei, dass jeder unabhängig vom Beruf Zeit im Freien verbringen und Sport ausüben könne. Es sei der Antragstellerin außerdem auch weiterhin möglich, nach 20 Uhr ihren Ehegatten, Lebenspartner oder Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu besuchen. Hierfür seien auch die An- und Abreise sowie das Übernachten erlaubt, wie er (der Antragsgegner) im Internet klargestellt habe. Der Umstand, dass andere Bundesländer keine Ausgangsbeschränkungen hätten, stelle auch keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) dar. Jedenfalls falle die Folgenabwägung im Rahmen von § 47 Abs. 6 VwGO klar zugunsten des Gesundheitsschutzes aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO in der Besetzung mit drei Richtern (§ 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO). Die Besetzungsregelung in § 4 AGVwGO ist auf Entscheidungen nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht anwendbar (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.12.2008 - GRS 1/08 - ESVGH 59, 154).

Der Antrag hat weit überwiegend Erfolg. Er ist zulässig (1.) und weitgehend begründet (2.).

1. Der Antrag ist zulässig.

Ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig, wenn ein in der Hauptsache gestellter oder noch zu stellender Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO voraussichtlich zulässig ist (vgl. zu dieser Voraussetzung Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 47 Rn. 387) und die gesonderten Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO erfüllt sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

a) Die Statthaftigkeit eines Antrags in der Hauptsache folgt aus § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO. Danach entscheidet der Verwaltungsgerichtshof auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. Dazu gehören Verordnungen - wie hier - der Landesregierung.

b) Die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt.

c) Die Antragstellerin ist antragsbefugt.

Die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat jede natürliche oder juristische Person, die geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Es genügt dabei, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung möglich erscheint (ausf. dazu Senat, Urt. v. 29.04.2014 - 1 S 1458/12 - VBlBW 2014, 462 m.w.N.). Danach liegt eine Antragsbefugnis vor. Es ist jedenfalls nicht von vornherein nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass die Antragstellerin in ihrem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt ist.

d) Für den Antrag in der Hauptsache und den nach § 47 Abs. 6 VwGO liegt ein Rechtsschutzinteresse vor. Denn die Antragstellerin kann mit einem Erfolg dieser Anträge ihre Rechtsstellung jeweils verbessern.

2. Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist auch weitgehend begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ist danach der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Ergibt diese Prüfung, dass ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich begründet wäre, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der streitgegenständlichen Satzung oder Rechtsvorschrift zu suspendieren ist. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug der Rechtsvorschrift vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (BVerwG, Beschl. v. 25.02.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381; Beschl. v. 16.09.2015 - 4 VR 2/15 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.08.2016 - 5 S 437/16 -, juris m.w.N.; Beschl. v. 13.03.2017 - 6 S 309/17 - juris). Mit diesen Voraussetzungen stellt § 47 Abs. 6 VwGO an die Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Norm erheblich strengere Anforderungen, als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt (BVerwG, Beschl. v. 18.05.1998 - 4 VR 2/98 - NVwZ 1998, 1065).

An diesen Maßstäben gemessen ist der Antrag des Antragstellers weitgehend begründet. Ein gegen § 1c Abs. 2 CoronaVO gerichteter Normenkontrollantrag hätte in der Hauptsache gegenwärtig aller Voraussicht nach Erfolg (a). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten (b).

a) Ein gegen § 1c Abs. 2 CoronaVO gerichteter Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO würde im Hauptsacheverfahren zum gegenwärtigen Zeitpunkt voraussichtlich Erfolg haben. Die Vorschrift ist mit höherrangigem Recht - anders als noch vor dem Hintergrund des damaligen Pandemiegeschehens Mitte Dezember 2020 (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 18.12.2020 - 1 S 4028/20 -, v. 18.12.2020 - 1 S 4041/20 - sowie v. 18.12.2020 - 1 S 4061/20 -) und Mitte Januar 2021 (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 20.01.2021 - 1 S 80/21 -) - inzwischen aller Voraussicht nach nicht mehr vereinbar.

Infektionsschutzrechtliche Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus können auf Ermächtigungsgrundlagen aus dem 5. Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes gestützt und auch gegen sog. Nichtstörer gerichtet werden (aa). Die angefochtene Vorschrift ist auch auf eine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage aus diesem Gesetz gestützt (§ 1c Abs. 2 CoronaVO ist mit § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und § 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG), die den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts genügt (bb). Allerdings hat der Antragsgegner voraussichtlich den einfachgesetzlichen Voraussetzungen aus § 28a Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 IfSG zuletzt aller Voraussicht nach nicht mehr entsprochen (cc).

aa) Für die Regelungen in § 1c Abs. 2 CoronaVO besteht eine Rechtsgrundlage in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und § 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG, die Aufenthaltsbeschränkungen der hier normierten Art grundsätzlich - wenn ihre Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen und die zur Entscheidung berufene Stelle der Exekutive das auf der Rechtsfolgenseite eröffnete Ermessen fehlerfrei ausübt - tragen kann (vgl. zuletzt Senat, Beschl. v. 20.01.2021, a.a.O.).

Wenn - wie im Fall des Coronavirus unstreitig - eine übertragbare Krankheit festgestellt ist, können nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit durch eine Verordnung der Landesregierung getroffen werden. Mit solchen repressiven Bekämpfungsmaßnahmen gehen zulässigerweise auch stets präventive Wirkungen einher, solche präventiven Folgen sind gerade bezweckt. Daher ist die Landesregierung insbesondere nicht auf Maßnahmen nach § 16 oder § 17 IfSG beschränkt. Dabei ermächtigt § 28 Abs.1 IfSG nach seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und dem Willen des Gesetzgebers zu Maßnahmen auch gegenüber Nichtstörern (vgl. ausf. zum Ganzen Senat, Beschl. v. 09.04.2020 - 1 S 925/20 - juris; Beschl. v. 23.04.2020 - 1 S 1003/20 -; je m.w.N.).

bb) Die angefochtene Vorschrift des § 1c Abs. 2 CoronaVO ist auf eine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage aus dem 5. Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes gestützt, die den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts genügt (vgl. zu den dahingehenden Anforderungen BVerfG, Beschl. v. 14.03.1989 - 1 BvR 1033/82 u.a. - BVerfGE 80, 1, 20; Beschl. v. 21.04.2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19; ausf. Senat, Beschl. v. 09.04.2020 - 1 S 925/20 - m.w.N.).

Im Parlamentsvorbehalt wurzelnde Bedenken, die sich in Bezug auf einige der seit März 2020 zur Pandemiebekämpfung durch Rechtsverordnung normierte Maßnahmen wie beispielsweise umfassende Betriebsschließungen ergeben haben (vgl. grdl. dazu Senat, Beschl. v. 09.04.2020, a.a.O.), bestehen in Bezug auf die von Antragstellerin im vorliegenden Verfahren beanstandeten Regelungen in § 1c Abs. 2 CoronaVO aller Voraussicht nach nicht. Der Bundesgesetzgeber hatte schon bisher in § 28 IfSG selbst ausdrücklich normiert, dass die zuständige Stelle Personen insbesondere dazu verpflichten kann, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 IfSG). In dem am 19.11.2020 in Kraft getretenen § 28a IfSG hat er noch weiter konkretisierend geregelt, dass notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) für die Dauer der - wie derzeit bestehend - Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag insbesondere Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum sein können (Absatz 1 Nr. 3). Er hat weiter geregelt, dass die Anordnung einer Ausgangsbeschränkung, nach der das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zeiten oder zu bestimmten Zwecken nur zulässig ist, soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erheblich gefährdet wäre (Absatz 2 Nr. 2), und nähere Vorgaben zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes normiert (Absatz 3). Jedenfalls mit den in § 28a IfSG nunmehr ergänzend normierten Vorgaben hat der Bundesgesetzgeber seiner sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung als Parlamentsvorbehalt ergebenden, im Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot wurzelnden Verpflichtung, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen, in Bezug auf die Aufenthaltsbeschränkungen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 voraussichtlich genügt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18.12.2020, a.a.O.).

cc) Allerdings hat der Antragsgegner den einfachgesetzlichen Voraussetzungen aus § 28a Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 IfSG zuletzt aller Voraussicht nach nicht mehr entsprochen.

Nach § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG ist die Anordnung einer Ausgangsbeschränkung, nach der das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zeiten oder zu bestimmten Zwecken zulässig ist, nur zulässig, "soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 erheblich gefährdet wäre". Den sich daraus in Verbindung mit § 28a Abs. 3 IfSG ergebenden gesteigerten Anforderungen an die Anordnung von Ausgangsbeschränkungen ((1), (2)) ist der Antragsgegner in Bezug auf die angefochtene Vorschrift zuletzt aller Voraussicht nach nicht mehr gerecht geworden (3).

(1) § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG wurde im Gesetzgebungsverfahren zum Erlass eines "Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" auf Empfehlung des Gesundheitsausschusses eingefügt. In der Beschlussempfehlung wurden die Tatbestandsmerkmale der Vorschrift ("erhebliche Gefährdung" usw.) allerdings nicht weiter erläutert. Dort heißt es lediglich (BT-Drs. 19/24334, S. 73):

"Der neue Absatz 2 nimmt grundrechtsdeterminiert eine materielle Eingrenzung von Schutzmaßnahmen im Hinblick auf die spezifische Eingriffsintensität vor. (...) Die Anordnung einer Ausgangsbeschränkung nach Absatz 1 Nummer 3, wonach das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zeiten oder Zwecken zulässig ist, ist aufgrund der erheblichen Eingriffsintensität in Individualgrundrechte nur nach den qualifizierten Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 möglich".

Welchen Inhalt diese "qualifizierten Voraussetzungen" konkret aufweisen, ist der Gesetzesbegründung nicht im Einzelnen zu entnehmen.

Die am Wortlaut der Norm - "soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 erheblich gefährdet wäre" - ansetzende Auslegung lässt ebenso wie die grundsätzliche Einbettung der Vorschrift in das Gefahrenabwehrrecht - in einem ersten Schritt - den Schluss zu, dass der Gesetzgeber als Mindestvoraussetzung für die Anordnung von Ausgangssperren verlangt, dass der Verzicht auf eine solche Anordnung zu einer Gefahr führt, also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bei im Übrigen ungehindertem Ablauf und auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen wahrscheinlich zu einem Schaden für das Ziel der Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 und die damit geschützten Rechtsgüter von Leben und Gesundheit einer potentiell großen Zahl von Menschen (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) führt.

Liegt eine "Gefährdung" in diesem Sinne vor, muss diese nach § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG eine "erhebliche" sein. Bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals führt die gefahrenabwehrrechtliche Terminologie allein nicht weiter. Der Begriff der "erheblichen Gefahr" wird in vielen Polizei- und Ordnungsgesetzen als Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nichtstörern verwendet. Er knüpft dort aber an die Schwere der Rechtsgutsverletzung an und verlangt damit eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Aufl., § 3 Rn. 78 m.w.N.). Dieses Begriffsverständnis ist in § 28a Abs. 2 Satz 1 IfSG offensichtlich nicht gemeint, weil das Rechtsgut, das gefährdet sein muss, dort bereits vorgegeben ist ("Eindämmung der Verbreitung von COVID-19", damit im Kern Leben und körperliche Unversehrtheit von Menschen, vgl. erneut Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG).

Bezieht sich das qualifizierende Tatbestandsmerkmal der "erheblichen" Gefährdung mithin nicht auf das geschützte Rechtsgut, hat der Gesetzgeber damit erkennbar besondere Anforderungen an den Umfang des Schadenseintrittes für dieses Rechtsgut aufgestellt. Der Wortlaut ("erheblich") und die aus den oben zitierten Materialien erkennbare Zielsetzung des Gesetzgebers, den im verfassungsrechtlich verankerten Verhältnismäßigkeitsgebot (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnden Grundsatz der Erforderlichkeit wegen der großen Eingriffsintensität von Ausgangsbeschränkungen besonders hervorzuheben, lässt deshalb den Schluss zu, dass Ausgangsbeschränkungen nicht bereits dann zulässig sind, wenn ihr Unterlassen zu irgendwelchen Nachteilen in der Pandemiebekämpfung führt, sondern dass dies nur dann in Betracht kommt, wenn der Verzicht auf Ausgangsbeschränkungen auch unter Berücksichtigung aller anderen ergriffenen Maßnahmen zu einer wesentlichen, im Umfang der Gefahrenrealisierung gewichtigen Verschlechterung des Infektionsgeschehens führen würde (vgl. zu dem vom Bundesgesetzgeber gewählten Begriff der "erheblichen konkreten Gefahr für Leib (und) Leben" in § 60 Abs. 7 AufenthG etwa ähnlich BVerwG, Urt. v. 25.11.1997 - 9 C 58.96 -, BVerwGE 115, 338).

Daraus folgt zugleich, dass sich der begründungspflichtige (vgl. § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG) und darlegungsbelastete Antragsgegner nicht darauf beschränken kann, aufzuzeigen, dass der Verzicht auf eine bzw. die Aufhebung einer bereits normierten Aufenthaltsbeschränkungen zu Nachteilen führen könnte, sondern dass er ausgehend von einer auf den aktuellen Erkenntnissen beruhenden, nachvollziehbaren Prognose substantiiert darlegen muss, dass diese auch bei Berücksichtigung der übrigen Maßnahmen und ausgehend von dem konkreten und aktuellen Pandemiegeschehen (vgl. hierzu BayVGH, Beschl. v. 11.01.2021 - 20 NE 20.3030 - BeckRS 2021, 163; dem folgend Johann/Gabriel, in: Eckart/Winkelmüller, IfSG, 3. Ed., § 28a Rn. 35, 39), voraussichtlich einen wesentlichen, im Umfang gewichtigen Anstieg der Infektionszahlen oder vergleichbar schwerwiegende Folgen für die wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 zur Folge hätte. Diese Darlegungsanforderungen dürfen auf der anderen Seite auch nicht überspannt werden, da auch zu berücksichtigen ist, dass der Antragsgegner - was vom Willen des Bundesgesetzgebers umfasst ist - eine ex ante-Prognose (vgl. BayVGH, Beschl. v. 11.01.2021, a.a.O.) auf der Grundlage des derzeit nur vorhandenen, sich in der dynamischen Pandemie stets fortentwickelnden Erkenntnismaterials zu treffen hat.

(2) Bei der Auslegung des § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG und der dort normierten qualifizierten Voraussetzungen (vgl. erneut BT-Drs. 19/24334, S. 73) sowie bei der Bestimmung der sich daraus ergebenden, den Verordnungsgeber treffenden Begründungs- und Darlegungsanforderungen ist weiter zu berücksichtigen, dass diese Vorschrift im normsystematischen Zusammenhang mit § 28a Abs. 3 IfSG steht, mit dem sie auch zeitgleich in das Infektionsschutzgesetz eingeführt wurde. Aus § 28a Abs. 3 IfSG ergibt sich insbesondere, dass der Verordnungsgeber, wenn er Ausgangsbeschränkungen dem Grunde nach für erforderlich hält, auch eingehend prüfen und darlegen muss, ob diese landesweit angeordnet werden müssen oder ob insoweit differenziertere Regelungen in Betracht kommen.

In § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG hat der Bundesgesetzgeber unter anderem bestimmt:

Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 sind insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten (Satz 1). Die Schutzmaßnahmen sollen unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsgeschehens regional bezogen auf die Ebene der Landkreise, Bezirke oder kreisfreien Städte an den Schwellenwerten nach Maßgabe der Sätze 4 bis 12 ausgerichtet werden, soweit Infektionsgeschehen innerhalb eines Landes nicht regional übergreifend oder gleichgelagert sind (Satz 2). Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen ist insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen (Satz 4). Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen (Satz 5). Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind breit angelegte Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine schnelle Abschwächung des Infektionsgeschehens erwarten lassen (Satz 6). Unterhalb eines Schwellenwertes von 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen kommen insbesondere Schutzmaßnahmen in Betracht, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen (Satz 7). Vor dem Überschreiten eines Schwellenwertes sind die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen insbesondere bereits dann angezeigt, wenn die Infektionsdynamik eine Überschreitung des jeweiligen Schwellenwertes in absehbarer Zeit wahrscheinlich macht (Satz 8). Bei einer bundesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind bundesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (Satz 9). Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (Satz 10). Nach Unterschreitung eines in den Sätzen 5 und 6 genannten Schwellenwertes können die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen aufrechterhalten werden, soweit und solange dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist (Satz 11). Die in den Landkreisen, Bezirken oder kreisfreien Städten auftretenden Inzidenzen werden zur Bestimmung des nach diesem Absatz jeweils maßgeblichen Schwellenwertes durch das Robert Koch-Institut im Rahmen der laufenden Fallzahlenberichterstattung auf dem RKI-Dashboard unter der Adresse http://corona.rki.de im Internet veröffentlicht (Satz 12).

Mit diesen Regelungen hat der Bundesgesetzgeber die Grundentscheidung getroffen, dass bei dem Erlass von Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie grundsätzlich ein differenziertes, gestuftes Vorgehen geboten ist, das sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientieren soll (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 18.01.2021 - 13 MN 11/21 - juris; BayVGH, Beschl. v. 14.12.2020 - 20 NE 20.2907 - juris). Das wird durch die Gesetzesbegründung bestätigt. So heißt es in dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD für ein Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BT-Drs. 19/23944 vom 03.11.2020, S. 34 f. zu § 28a Abs. 2 des Entwurfs, Hervorhebung durch den Senat):

"Die Maßnahmen nach Absatz 1 finden ihre Rechtfertigung in dem sehr dynamischen Infektionsgeschehen dieser Pandemie mit einem äußerst infektiösen Virus, das insbesondere über Aerosole verbreitet wird.

Das Infektionsgeschehen weist gleichwohl regionale Unterschiede auf. So geht die jüngste Verbreitungswelle maßgeblich von urbanen Räumen aus und setzt sich verzögert auch in ländlichen Räumen fort. Die Möglichkeiten zur Eindämmung hängen dabei von der Inzidenz ab. Dort wo das Infektionsgeschehen noch nicht 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen erreicht hat, ist eine individuelle Kontaktnachverfolgung regelmäßig noch leistbar, so dass schwerwiegende Einschränkungen des öffentlichen Lebens nicht absolut notwendig sind. Wenn die Inzidenz zwischen 35 und 50 Neuinfektionen beträgt, sind starke Einschränkungen zwar schon geboten, um ein exponentielles Wachstum zu verhindern, aber bestimmte Bereiche des öffentlichen Lebens können offengehalten werden, insbesondere bei Vorliegen von Schutz- und Hygienekonzepten. Unterhalb einer Inzidenz von 35 Neuinfektionen können weitere Einschränkungen wegfallen, so dass eine größere ökonomische und soziale Entfaltung und Normalisierung des öffentlichen Lebens möglich wird. Einfache Maßnahmen sind dann gleichwohl notwendig, um dem Infektionsgeschehen möglichst effektiv entgegenzutreten bzw. zumindest eine Erhöhung der Inzidenz zu vermeiden. Landeseinheitliche Maßnahmen bleiben insbesondere bei landesweit übergreifenden oder gleich gelagerten Infektionsgeschehen oder -phänomen unberührt.

Die bisherige Erfahrung in der SARS-CoV-2-Pandemie hat gezeigt, dass sich eine Intensivierung des Infektionsgeschehens häufig absehbar ist. Zeichnen sich eine zunehmende Dynamik und eine Überschreitung von Schwellenwerten ab, sind präventiv wirkende Schutzmaßnahmen angezeigt.

Liegt das Infektionsgeschehen bundesweit über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, sollte die Infektionsbekämpfung nach einer bundesweit möglichst einheitlichen Strategie erfolgen, um mögliche infektiologische Wechselwirkungen und Verstärkungen zwischen einzelnen Regionen auszuschließen und die Akzeptanz der erforderlichen schwerwiegenden Maßnahmen in der Bevölkerung zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund sind die für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes primär zuständigen Länder aufgefordert, die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen abzustimmen und sich auf eine gemeinsame Bekämpfungsstrategie zu verständigen.

Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist folglich ein gestuftes Vorgehen geboten, das sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientiert. Daher sieht die Regelung Schwellenwerte vor, die kann an Schwellenwerte der Inzidenz für die Einführung oder die Fortdauer von Maßnahmen angeknüpft werden." (Die wohl fehlerhafte Formulierung findet sich so im Original, Anm. d. Senats.)

Das Ziel des Gesetzgebers, der Exekutive ein gestuftes Vorgehen vorzugeben, das sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientiert, kommt in der Grundnorm des Satzes 2 des § 28a Abs. 3 IfSG in besonderem Maße zum Ausdruck ("Die Schutzmaßnahmen sollen unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsgeschehens regional bezogen auf die Ebene der Landkreise, Bezirke oder kreisfreien Städte an den Schwellenwerten nach Maßgabe der Sätze 4 bis 12 ausgerichtet werden, soweit Infektionsgeschehen innerhalb eines Landes nicht regional übergreifend oder gleichgelagert sind").

Daraus folgt auch, dass der Verordnungsgeber, wenn er eine Schutzmaßnahme dem Grunde nach für erforderlich hält, auch zu prüfen und darzulegen hat, ob diese gerade landesweit angeordnet werden muss oder ob insoweit differenziertere Regelungen in Betracht kommen.

Diese Anforderungen bestehen - anders als es möglicherweise der Antragsgegner annimmt - auch im Anwendungsbereich des Satzes 10 des § 28a Abs. 3 IfSG ("Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben.").

Diese Vorschrift stellt zwar auf der Tatbestandsseite mit dem Tatbestandsmerkmal der "landesweiten" Überschreitung einer 7-Tages-Inzidenz von 50 auf eine landesweite Betrachtung ab. Dieses Tatbestandsmerkmal ist in dem Sinne zu verstehen, dass der genannte Schwellenwert zwar nicht "in allen Stadt- und Landkreisen" überschritten sein muss, sondern, dass es ausreicht - aber auch erforderlich ist -, dass der Schwellenwert in dem auf das Bundesland bezogenen Durchschnitt überschritten wird (in diesem Sinne etwa OVG Schl.-Holst., Beschl. v. 22.01.2021 - 3 MR 3/21 - juris; BayVGH, Beschl. v. 19.01.2021 - 20 NE 21.76 - juris; OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 18.01.2021 - 6 B 11642/20 - juris; OVG Sachs.-Anh., Beschl. v. 11.12.2020 - 3 R 259/20 - juris). Die Ausrichtung des Tatbestands des § 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG auf eine landesweite Betrachtung ändert aber nichts daran, dass der Verordnungsgeber auf der Rechtsfolgenseite (auch) dieser Vorschrift zu prüfen hat, ob bei Überschreitung der Inzidenz in Bezug auf eine dem Grunde nach für erforderlich gehaltene Schutzmaßnahme auch landesweite Regelungen notwendig sind. Denn der Bundesgesetzgeber hat bei der landesweiten Überschreitung einer 7-Tages-Inzidenz von 50 vorgegeben, dass "landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (sind)" (Hervorhebung durch den Senat). Der Wortlaut der Norm ("landesweit abgestimmt") lässt landesweit einheitliche Vorschriften - also Vorschriften in einer Verordnung, die für alle Stadt- und Landkreise in gleicher Weise gelten - zu. Er setzt solche landesweit einheitlichen Maßnahmen aber nicht für jeden Fall einer landesweiten Überschreitung der genannten Inzidenzgrenze von 50 zwingend voraus. Denn "landesweit abgestimmt" können Maßnahmen auch dann sein, wenn sie auf einem landesweit einheitlichen Konzept zur Pandemiebekämpfung beruhen (vgl. auch erneut BT-Drs. 19/23944, S. 34 f.: "einheitliche Strategie"), das regionale Differenzierungen in Abhängigkeit von dem regionalen Infektionsgeschehen erlaubt, solange die Gesamtkonzeption insgesamt auf eine effektive Eindämmung des Pandemiegeschehens zielt (vgl. in diesem Sinne auch Satz 5 de § 28a Abs. 3 IfSG).

Die Gesetzessystematik bestätigt diese Auslegung. Denn der Gesetzgeber hat in Satz 2, wie gezeigt, bestimmt, dass die "Schutzmaßnahmen (...) unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsgeschehens regional bezogen auf die Ebene der Landkreise, Bezirke oder kreisfreien Städte an den Schwellenwerten nach Maßgabe der Sätze 4 bis 12 ausgerichtet werden (sollen), soweit Infektionsgeschehen innerhalb eines Landes nicht regional übergreifend oder gleichgelagert sind." Dem liegt erkennbar die Vorstellung zugrunde, dass auch im Anwendungsbereich von Satz 10 "regional bezogene", also differenzierende, Maßnahmen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit jedenfalls grundsätzlich den Vorrang haben sollen. Dafür streitet auch die oben zitierte Gesetzesbegründung (vgl. erneut BT-Drs. 19/23944 vom 03.11.2020, S. 34 f.: "Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist folglich ein gestuftes Vorgehen geboten, das sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientiert.").

Daraus folgt, dass der Verordnungsgeber beim Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG landesweit einheitliche Regelungen in Betracht ziehen kann. Ob sie im jeweiligen Einzelfall zulässig sind oder stattdessen auf regional differenzierte Maßnahmen zurückgegriffen werden muss, hat der Verordnungsgeber auf der Rechtsfolgenseite der Norm im Lichte des Gebots der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die konkret in Betracht gezogene Maßnahme zu prüfen, zu begründen (vgl. § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG) und im gerichtlichen Verfahren gegebenenfalls darzulegen (vgl. im Ergebnis im Wesentlichen ebenso BayVGH, Beschl. v. 14.12.2020, a.a.O., und NdsOVG, Beschl. v. 18.01.2021, a.a.O., m.w.N.).

Diese im Anwendungsbereich des § 28a IfSG für alle Schutzmaßnahmen geltenden Anforderungen sind auch bei der Auslegung der qualifizierten Anforderungen zu beachten, die für die in Absatz 3 geregelten, besonders eingriffsintensiven Maßnahmen bestehen (vgl. oben (1)). Das hat zur Folge, dass der Verordnungsgeber im Rahmen der Prüfung, ob die Anordnung einer Aufenthaltsbeschränkung auch gemessen an den besonderen Voraussetzungen des Absatzes 2 dem Grunde nach in Betracht kommt, nach Absatz 3 auch zu prüfen hat, ob - und gegebenenfalls zu begründen und darzulegen hat, weshalb - dies ausgehend von dem aktuellen Pandemiestand gerade den Erlass von landesweit einheitlichen Regelungen erfordert, und ob stattdessen nicht differenzierte, das regionale Geschehen stärker in den Blick nehmende Vorschriften ausreichen, um die in Absatz 2 vorausgesetzte erhebliche Gefährdung für die wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 zu vermeiden.

Hat der Verordnungsgeber zu einem früheren Zeitpunkt bereits landesweite Regelungen getroffen, ist er zudem - wie stets - auch von Verfassungs wegen dazu verpflichtet, fortlaufend und differenziert zu prüfen, ob diese und die dadurch bewirkten konkreten Grundrechtseingriffe auch weiterhin gerechtfertigt oder aufzuheben sind (stRspr., vgl. nur Senat, Beschl. v. 15.10.2020 - 1 S 3156/20 - juris, und v. 18.05.2020 - 1 S 1386/20 -, m.w.N.).

(3) An diesen Maßstäben gemessen hat der Antragsgegner den Voraussetzungen aus § 28a Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 IfSG - anders als vor dem Hintergrund des damaligen Pandemiegeschehens noch Mitte Dezember 2020 (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18.12.2020, a.a.O.) und am 20.01.2021 (vgl. Senat, Beschl. v. 20.01.2021, a.a.O.) - im Zeitpunkt der vorliegenden Senatsentscheidung nicht mehr entsprochen.

Der Anwendungsbereich des § 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG ist derzeit eröffnet. Denn die landesweite 7-Tages-Inzidenz beläuft sich in Baden-Württemberg zuletzt auf 63,5 (vgl. Landesgesundheitsamt [LGA], Tagesbericht COVID-19 vom 04.02.2021, 16:00 Uhr, zuletzt abgerufen am 05.02.2021). Der Antragsgegner hat deshalb derzeit nach wie vor "landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben". Bei der Entscheidung, ob hierfür Maßnahmen gerade in der Gestalt von Ausgangsbeschränkungen (§ 28 Abs. 1 Nr. 3 IfSG) erforderlich sind, und insbesondere bei der Entscheidung, ob diese gegebenenfalls landesweit einheitlich normiert werden müssen, hat er allerdings zu beachten, dass beides nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des § 28a Abs. 2 Satz 1 IfSG zulässig ist. Dazu hat er nach dem oben Gesagten ausgehend von einer auf den aktuellen Erkenntnissen beruhenden, nachvollziehbaren Prognose substantiiert darzulegen, dass der Verzicht auf (hier abendliche und nächtliche) Ausgangsbeschränkungen auch bei Berücksichtigung der übrigen Maßnahmen und ausgehend von dem konkreten und aktuellen Pandemiegeschehen voraussichtlich einen wesentlichen, im Umfang gewichtigen Anstieg der Infektionszahlen oder vergleichbar schwerwiegende Folgen für die wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 zur Folge hätte. Er hat nach dem oben Gesagten weiter darzulegen, dass gegebenenfalls gerade der Erlass von landesweit einheitlichen Regelungen erforderlich ist, und nicht differenzierte, das regionale Geschehen stärker in den Blick nehmende Vorschriften ausreichen, um die in Absatz 2 vorausgesetzte erhebliche Gefährdung für die wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) zu vermeiden.

Diesen Anforderungen wird der Antragsgegner inzwischen nicht mehr gerecht.

Mitte Dezember 2020 war in Baden-Württemberg auf damals bereits hohem Niveau wieder ein Anstieg der übermittelten Fallzahlen zu beobachten. Die 7-Tages-Inzidenz lag am 18.12.2020 bei 199,1 und der R-Wert bei 1,04. Es gab keine Land-und Stadtkreise mit Inzidenzwerten unter 100, diese lagen vielmehr durchweg in den Bereichen zwischen 101 und 200 (25 Kreise) oder über 200 (19 Kreise, vgl. näher zu allem LGA, Tagesbericht vom 18.12.2020, a.a.O.; vgl. zum damaligen Stand auch Senat, Beschlüsse v. 18.12.2020, a.a.O.). Ab Weihnachten 2020 war bis zum 20.01.2021 ein Abfall der Fallzahlen zu beobachten. Die 7-Tages-Inzidenz war bis dahin auf 98,9 gesunken und der R-Wert lag bei 0,84. Stadt- und Landkreise mit Inzidenzwerten über 200 gab es nicht mehr. Die diesbezüglichen Werte lagen aber gleichwohl noch auf einem landesweit ähnlichem und hohen Niveau, die sich entweder im Bereich von 51 bis 100 (25 Kreise) oder 101 bis 200 (18 Kreise) bewegten. Lediglich ein Landkreis (Tübingen) lag - allerdings auch nur minimal (49,4) - unter dem Wert von 50 (vgl. näher zu allem LGA, Tagesbericht vom 20.01.2021, a.a.O.; vgl. zum damaligen Stand auch Senat, Beschl. v. 20.01.2021, a.a.O.).

Das Pandemiegeschehen im Land hat sich seither in beachtlichem Umfang verändert. Die 7-Tages-Inzidenz ist weiter gesunken und liegt nun bei 63,5. Der R-Wert bleibt mit 0,85 unter 1. Derzeit weisen nur noch 5 Kreise 7-Tages-Inzidenzen von mehr als 100 auf und auch diese bewegen sich eher am unteren Ende der Skala zwischen 101 und 150. 26 Kreise liegen im Bereich der Inzidenzen von 51 bis 100, 9 Kreise im Bereich von 36 bis 50 und 4 Kreise unter 35. Das Pandemiegeschehen stellt sich damit im Vergleich zu Mitte Dezember 2020 und auch im Vergleich zu dem Stand vor zwei Wochen im Januar 2021 bei insgesamt fallenden Zahlen als regional erheblich differenzierter dar. Die vom Landesgesundheitsamt dazu erstellte Übersichtskarte zeigt dabei auch, dass die Kreise mit vergleichsweise niedrigen Werten inzwischen nicht etwa bloße "Inseln", sondern teils zusammenhängende Regionen innerhalb des Landes bilden (vgl. LGA, Tagesbericht vom 04.02.2021, a.a.O.).

Bei diesem Sachstand war der Antragsgegner verpflichtet, nicht nur zu prüfen, zu begründen und darzulegen, dass der Verzicht auf Ausgangsbeschränkungen ausgehend von dem konkreten und aktuellen Pandemiegeschehen auch bei Berücksichtigung der übrigen, weiterhin in Kraft befindlichen Maßnahmen insbesondere aus der Corona-Verordnung voraussichtlich einen wesentlichen, im Umfang gewichtigen Anstieg der Infektionszahlen oder vergleichbar schwerwiegende Folgen für die wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 zur Folge hätte. Er hat vielmehr weiter darzulegen, dass gegebenenfalls gerade der Erlass von landesweit einheitlichen Regelungen erforderlich ist, und nicht differenzierte, das regionale Geschehen stärker in den Blick nehmende Vorschriften ausreichen, um die in Absatz 2 vorausgesetzte erhebliche Gefährdung für die wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) zu vermeiden.

An dahingehenden Ausführungen des Antragsgegners fehlt es.

Die Begründung der aktuellsten Sechsten Änderungsverordnung vom 30.01.2021 zur Corona-Verordnung verhält sich zu den Ausgangsbeschränkungen nicht (vgl. Verordnungsbegründung, abrufbar unter https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/Coronainfos/210130_Begruendung_zur_6.AenderungsVO_zur_5.CoronaVO.pdf). Die Begründungen zur Fünften und zur Vierten Änderungsverordnung vom 23.01. bzw. 16.01.2021 verhalten sich zu dieser konkreten Schutzmaßnahme ebenfalls nicht näher (vgl. https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/Corona-infos/210123_Begruendung_zur_5.AenderungsVO_zur_5.CoronaVO.pdf). Soweit in diesen Begründungen allgemeine Erwägungen zum Infektionsgeschehen enthalten sind, befassen diese sich nicht mit der Frage, ob gerade die besonders eingriffsintensiven und rechtfertigungsbedürftigen Maßnahmen im Sinne von § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG weiterhin dem Grunde nach und gegebenenfalls auch landesweit gerechtfertigt sind. Die Begründung zur Dritten Änderungsverordnung vom 08.01.2021 (vgl. https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/Coronainfos/210110_Begruendung_zur_3.AenderungsVO_zur_5.CoronaVO.pdf) führt gemessen an den oben stehenden Anforderungen schon deshalb nicht weiter, weil sie nicht mehr auf das aktuelle, wie gezeigt erheblich gewandelte Pandemiegeschehen bezogen ist.

Ausreichende Darlegungen des Antragsgegners dazu, dass gerade der Erlass von landesweit einheitlichen Ausgangsbeschränkungen weiterhin erforderlich ist und nicht differenzierte, das regionale Geschehen stärker in den Blick nehmende Vorschriften ausreichen, um die in Absatz 2 vorausgesetzte erhebliche Gefährdung für die wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) zu vermeiden, sind auch im vorliegenden Eilrechtsverfahren nicht erfolgt. Das gilt unabhängig davon, dass die Annahme des Antragsgegners, der R-Wert liege wieder geringfügig über 1 und die 7-Tages-Inzidenz stagniere bei einem Wert von mehr als 70, ausgehend von den am 05.02.2021 vorhandenen, oben skizzierten aktuellen Erkenntnissen so nicht zutrifft.

Der Antragsgegner hat im Wesentlichen vorgetragen, eine "verfrühte" Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen berge die Gefahr eines erneuten exponentiellen Wachstums. Dieses Vorbringen fällt gemessen an den Anforderungen des § 28a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 IfSG zu pauschal und undifferenziert aus. Es lässt bereits nicht erkennen, dass der Verordnungsgeber bei seinen auf die gesamte Strategie der Landesregierung zur Pandemiebekämpfung bezogenen Ausführungen hinreichend geprüft hat, ob weiterhin gerade Ausgangsbeschränkungen als besonders eingriffsintensive Maßnahmen zusätzlich zu allen sonstigen "bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen" (§ 28a Abs. 2 Satz 1 IfSG) erforderlich sind. Unabhängig davon ist mit Blick auf das inzwischen regional differenzierte Pandemiegeschehen nicht ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen erforderlichenfalls regionale Schutzmaßnahmen nicht genügen sollten, um die in § 28a Abs. 2 Satz 1 IfSG aufgestellten qualifizierten Voraussetzungen zu erfüllen. Die bloße Erwägung des Antragsgegners, andernfalls sei mit Ausweichtendenzen in der Bevölkerung zu rechnen, genügt den Anforderungen des § 28a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 IfSG nicht. Der Antragsgegner setzt sich schon nicht damit auseinander, dass Normadressaten, die in Kreisen mit besonders hohen Inzidenzzahlen wohnen, in denen dann beispielsweise nächtliche Ausgangsbeschränkungen nochmals gezielt durch kommunale (Allgemein-)Verfügungen angeordnet werden könnten, diese Kreise aufgrund der dann regionalen Regelung nicht verlassen dürften. Schon deshalb wäre nicht mit massenhaften Ausweichtendenzen zu rechnen. Es bestehen insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass den Normadressaten pauschal ein Wille zum rechtswidrigen - kommunale Allgemeinverfügungen missachtenden - Verhalten unterstellt werden kann. Unabhängig davon nimmt der Antragsgegner bei seinem Vortrag nicht ausreichend in den Blick, dass andere als die in § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG geregelten, besonders rechtfertigungsbedürftigen Schutzmaßnahmen wie etwa Kontaktbeschränkungen weiterhin bestehen und die Anreize, den eigenen Stadt- oder Landkreis zur Umgehung einer kommunalen Ausgangsbeschränkung zu verlassen, weiter vermindern. Jedenfalls ein Teil der in den Abendstunden im Freien in Betracht kommenden Aktivitäten, namentlich die schlichte "Bewegung im Freien" (vgl. § 1c Abs. 1 Nr. 15 IfSG), wird außerdem in vielen Fällen keine Anreize bieten, dafür eigens den eigenen Stadt- oder Landkreis zu verlassen, um punktuelle und zeitlich befristete Ausgangsbeschränkungen zu umgehen.

Den oben genannten Anforderungen aus § 28a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 IfSG nicht gerecht wird auch der Verweis des Antragstellers darauf, dass die Intensivbetten in Baden-Württemberg derzeit weiterhin stark ausgelastet sind und dass den Landesgesundheitsämtern inzwischen mehrere hundert (619 am 04.02.2021) Fälle mit Virusvarianten aus mehreren (40 am 04.02.2021) Stadt- und Landkreisen gemeldet worden sind (vgl. näher dazu LGA, Tagesbericht vom 04.02.2021, a.a.O.). Diese Hinweise treffen in tatsächlicher Hinsicht zu, bleiben gemessen an den tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Vorschriften aber ebenfalls zu pauschal und undifferenziert. Auch damit ist nicht dargelegt, weshalb gegenwärtig zusätzlich zu allen sonstigen "bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen" (§ 28a Abs. 2 Satz 1 IfSG) gerade landesweite abendliche und nächtliche Ausgangsbeschränkungen als besonders eingriffsintensive Maßnahmen geboten sind, um eine "erhebliche Gefährdung" im Sinne von § 28a Abs. 2 Satz 1 IfSG zu verhindern. Ebenso wenig ist mit dem genannten pauschalen Vorbringen dargelegt, weshalb diese qualifizierten Voraussetzungen derzeit nicht mit weniger eingriffsintensiven, insbesondere stärker auf das regionale Geschehen zugeschnittenen Maßnahmen begegnet werden kann, wie sie nach § 28a Abs. 3 IfSG in Betracht zu ziehen sind.

Dem Vortrag des Antragsgegners, bis zu einer weiteren deutlichen Abschwächung des Infektionsgeschehens und dem Erreichen einer pandemischen Trendwende mit einer 7-Tages-Inzidenz, die "deutlich unter 50" liege, könne nicht von einer wirksamen Eindämmung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus ausgegangen werden, die weitergehende Lockerungen ermögliche, liegt möglicherweise die Annahme zugrunde, solange die genannte Inzidenz nicht landesweit "deutlich unter 50" liege, kämen in Bezug auf sämtliche bisher ergriffenen Maßnahmen ohne weiteres stets landesweite Regelungen in Betracht. Diese Annahme würde den oben genannten Anforderungen des § 28a Abs. 3 IfSG - insbesondere im Anwendungsbereich des qualifizierende Voraussetzungen aufstellenden § 28a Abs. 2 IfSG - allerdings nicht gerecht.

b) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten. Bereits aufgrund der weitgehenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache (s. oben a)) besteht ein deutliches Überwiegen der von der Antragstellerin geltend gemachten Belange gegenüber den von dem Antragsgegner vorgetragenen gegenläufigen Interessen.

Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie die angefochtenen Regelungen erheblich in ihrem Grundrecht jedenfalls auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG trifft. Das entspricht auch der Wertung des Bundesgesetzgebers aus der spezialgesetzlichen Regelung in § 28a Abs. 2 IfSG. Dieser Belang überwiegt die gegenläufigen Interessen des Antragsgegners. Dessen Interessen sind zwar von sehr hohem Gewicht. Denn die infektionsschutzrechtlichen Regelungen dienen dem Schutz von Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und der damit verbundenen Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands. Hieraus folgt aber nicht, dass die Antragstellerin einen Verstoß gegen ihr Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG durch eine voraussichtlich rechtswidrige Regelung bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens hinnehmen müsste.

Ausgehend hiervon übt der Senat das ihm durch § 47 Abs. 6 VwGO eröffnete Ermessen dahin aus, dass er die angefochtene Vorschrift mit der aus dem Tenor ersichtlichen zeitlichen Maßgabe außer Vollzug setzt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Antragstellerin ist gemessen an ihrem Antrag wegen der sich aus dem Tenor ergebenden zeitlichen Maßgabe zwar teilweise unterlegen, dies ist aber nur zu einem im Sinne jener Vorschrift geringen Teil geschehen. Denn mit der Entscheidung des Senats wird dem Begehren der Antragstellerin von einer geringfügigen zeitlichen Einschränkung abgesehen im Wesentlichen entsprochen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Für eine Herabsetzung des Streitwerts im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes besteht wegen der weitgehenden Vorwegnahme der Hauptsache kein Anlass.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.