LG Köln, Urteil vom 03.12.2019 - 31 O 184/19
Fundstelle
openJur 2021, 4166
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin als Schuldnerin verlangt von der Beklagten als Gläubigerin die Erklärung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus verschiedenen Titeln in verschiedenen Ordnungsgeldverfahren.

Das Landgericht Köln hat es der X GmbH & Co. KG in dem Verfahren 31 O 416/16 untersagt, dass sie bei dem Angebot von Whirlpools und Swimspas mit einer besonderen Erfahrung als Händler und/oder Hersteller wirbt. Mit Eintragung vom 12.06.2017 wurde die Firma geändert in X1 GmbH & Co. KG und am 12.04.2018 X2 GmbH & Co. KG. Mit Handelsregisteranmeldung vom 28.03.2018 übertrug die Kommanditistin der X2 GmbH & Co. KG ihren Kommanditanteil auf die neu gegründete Beklagte. Gleichzeitig schied die Komplementärin der X2 GmbH & Co. KG aus dieser KG aus, so dass ihr Vermögen der verbliebenen Beklagten anwuchs. Am 25.07.2018 wurde in das Handelsregister eingetragen, dass die X2 GmbH & Co. KG aufgelöst und die Firma erloschen sei (Handelsregisterauszug vom 3.12.2018 HRA 732441 (Bl. 10 d.A.)). Am 31.5.2019 wurden der Klägerin die Titel mit der Klausel und der Nachfolgeklausel gem. § 727 ZPO zugestellt.

Die Beklagte hat folgende Ordnungsmittelverfahren gegen die Klägerin angestrengt:

Verfahren

Eingang des Antrags

Beschluss vom

Beschluss

Über Ordnungsgeld in Höhe von

OLG Entscheidung

OLG Beschluss vom

SH II

15.11.2017

24.5.2018

20.000 €

6 W 80/18

8.08.2018

Zurückweisung

SH III

11.1.2018

24.5.2018

10.000 €

6 W 82/18

8.08.2018

Zurückweisung

SH IV

8.02.2018

16.11.2018

15.000 €

6 W 63/19

30.07.2019

Zurückweisung

SH V

7.05.2018

16.11.2018

20.000 €

6 W 65/19

30.07.2019

Zurückweisung

SH VI

15.6.2018

16.11.2018

25.000 €

6 W 64/19

30.07.2019

Zurückweisung

SH VII

19.11.2018

./.

SH VIII

4.01.2019

./.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Zwangsvollstreckung gegen sie sei unzulässig. Die laut Titel zur Vollstreckung berechtigte Gläubigerin habe vor Eintritt der Rechtskraft der angegriffenen Beschlüsse ihre Parteifähigkeit verloren. Eine nachträgliche Vollstreckungsstandschaft der Gläubigerin sei unzulässig. Die Beklagte sei auch nicht in das Verfahren eingetreten. Insbesondere sei der Beginn der Zwangsvollstreckung ohne vorherige Zustellung des zu vollstreckenden Titels mit Vollstreckungsklausel gem. § 750 Abs. 2 ZPO unzulässig. Die Parteifähigkeit müsse auch noch nach Antragstellung vorliegen.

Nachdem die Klägerin die Klage um die Unzulässigkeitserklärung der Ordnungsgeldbeschlüsse vom 16.11.2018 erweitert hat,

beantragt sie zuletzt,

die Zwangsvollstreckung aus dem Ordnungsgeldbeschluss des Landgerichts Köln vom 24.05.2018 - 31 O 416/16 SH II -

die Zwangsvollstreckung aus dem Ordnungsgeldbeschluss des Landgerichts Köln vom 24.05.2018 - 31 O 416/16 SH III -

die Zwangsvollstreckung aus dem Ordnungsgeldbeschluss des Landgerichts Köln vom 16.11.2018 - 31 O 416/16 SH IV -

die Zwangsvollstreckung aus dem Ordnungsgeldbeschluss des Landgerichts Köln vom 16.11.2018 - 31 O 416/16 SH V -

die Zwangsvollstreckung aus dem Ordnungsgeldbeschluss des Landgerichts Köln vom 16.11.2018 - 31 O 416/16 SH VI -

für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die Ordnungsgeldbeschlüsse würden - und das verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip - nicht vollstreckt werden.

Die Beklagte behauptet, am 8.8.2018 habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihre Parteifähigkeit noch nicht verloren. Zum Zeitpunkt der Beantragung der Ordnungsmittel sei die Rechtsvorgängerin der Beklagten noch in das Handelsregister eingetragen gewesen. Eine juristische Person sei auch noch nach ihrer Auflösung parteifähig, solange ihre Vermögenslosigkeit nicht feststehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogene Akte 31 O 416/16 sowie die Ordnungsgeldhefte SH II - VI Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 767 ZPO zur Seite.

1.

Der Klägerin steht entgegen der Ansicht der Beklagten ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.

Ein Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, sobald ein Titel vorliegt, der zur Zwangsvollstreckung geeignet ist, auch wenn die Vollstreckungsklausel nicht erteilt, der Titel noch nicht gem. § 727 ZPO umgeschrieben ist oder wenn die Unterwerfungsklausel fehlt. Das gilt ohne Rücksicht auf den Beginn der Zwangsvollstreckung, sofern eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme bevorsteht (Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO 39. Aufl. 2018, § 767 Rdn. 14 f.).

Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis. Die Titel liegen vor und sind rechtskräftig in den oben aufgeführten SH, so dass die Zwangsvollstreckung fortgesetzt werden kann.

Die Beklagte ist auch prozessführungsbefugt. Das Vorliegen der Prozessführungsbefugnis richtet sich nach § 51 ZPO. Danach bestimmt sich die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Maßgebend ist für den aktuellen Prozess die Prozessführungsbefugnis der Beklagten. Die Klägerin hat weder vorgetragen noch ist ersichtlich, aus welchem Grund die Beklagte nicht fähig sein soll, vor Gericht zu stehen.

2.

a) Die Klägerin ist sachbefugt, da sie Vollstreckungsschuldnerin in allen Ordnungsmittelverfahren ist.

b) Die Beklagte ist auch passiv legitimiert. Zu verklagen ist derjenige, dem die Klausel erteilt worden ist oder wer die Zwangsvollstreckung im eigenen Namen betreibt, also auch der Rechtsnachfolger, selbst, wenn die Klausel noch nicht auf ihn umgestellt ist (Herget in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 767 Rdn. 11). Die X GmbH & Co. KG, die in dem Titel vom 10.01.2017 genannt ist, wurde mit Eintragung vom 12.06.2017 umbenannt in X1 GmbH & Co. KG und am 12.04.2018 in X2 GmbH & Co. KG.

c) Der Klägerin steht als Schuldnerin in den Ordnungsgeldverfahren keine Einwendung i.S.v. § 767 ZPO zu.

aa)

(1) Die Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen gem. § 750 Abs. 1 ZPO brauchen bei der im Urteil enthaltenen Ordnungsmittelandrohung - anders als im Falle einer Androhung von Ordnungsmitteln durch besonderen Beschluss noch nicht vorzuliegen - § 890 Abs. 2 ZPO. Die Notwendigkeit einer Klausel entfällt im Regelfall bei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, solange es nicht zu einem Wechsel des Gläubigers und/oder des Schuldners kommt, §§ 929, 927 ZPO (vgl. Cepl/Voß-Haft, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. § 890 Rn. 7).

Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung müssen erst im Zeitpunkt der Stellung des Antrags des Gläubigers auf Festsetzung des Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 ZPO gegeben sein (vgl. BGH, Beschluss vom 22.01.2009 - I ZB 115/07, zit. nach juris, Tz. 14).

Dies gilt für die SH II, SH III und SH IV uneingeschränkt, da vor der Rechtsänderung durch Ausscheiden der Komplementärin, der X3 GmbH, aus der X2 GmbH & Co. KG, der vormaligen Gläubigerin, und Anwachsung des Vermögens der X2 GmbH & Co. KG an die Beklagte der Titel - Beschluss der Kammer (einstweiliges Verfügungsverfahren) vom 10.01.2017 - ohne Klausel vollstreckbar war.

(2) Auch die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss der Kammer vom 10.01.2017 war durch die Ordnungsgeldverfahren SH V und SH VI nicht unzulässig. Die Vollstreckungsmaßnahme, das Ordnungsgeldverfahren, war anfechtbar, aber nicht unwirksam.

Der Titel (Beschluss (einstweilige Verfügung) vom 10.01.2017) wurde mit Verfügung vom 10.05.2019 gem. § 727 ZPO auf die Beklagte als Sonderrechtsnachfolgerin umgeschrieben und am 31.05.2019 mit Klausel zugestellt.

Vor Beginn der Zwangsvollstreckung (durch die Ordnungsgeldbeschlüsse) hätte daher der Titel umgeschrieben und mit der Klausel und der Nachfolgeklausel gem. § 750 Abs. 2 ZPO zugestellt werden müssen (vgl. Kroppenberg in Prütting/Gehrling, ZPO, 8. Aufl. 2016, § 750 Rdn. 17). Im Zeitpunkt der Stellung der Ordnungsgeldanträge SH V und VI (SH V am 7.05.2018 und SH VI am 15.06.2018) war die Zwangsvollstreckung daher fehlerbehaftet, nachdem die Rechtsnachfolge auf die Beklagte eingetreten war. Ein Fehler in der Zustellung führt allerdings nicht zur Nichtigkeit der Zwangsvollstreckungsmaßnahme, sondern lediglich zur Anfechtbarkeit der Vollstreckungsakte. Eine nachträgliche Zustellung heilt die Mängel (BGH, Urteil vom 21.05.1980 - VIII ZR 284/79, zit. nach juris, Tz. 20; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 750 Rdn. 11 f.; Heßler in MünchKomm, ZPO, 3. Aufl. 2007, § 750 Rdn. 96 f.; Elden/Frauenknecht in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 750 Rdn. 4 f.). Die nachträgliche Zustellung des Titels mit der qualifizierten Klausel am 31.5.2019 heilt daher die fehlerbehaftete Zwangsvollstreckungsmaßnahme - Stellung der Ordnungsmittelanträge - während der Beschwerdeverfahren.

Auf die Frage, ob dies mit Wirkung ex nunc oder ex tunc geschieht (vgl. zum Streitstand: Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 750 Rdn. 12 ff.), kommt es nicht an, da ein Rangverhältnis (z.B. bei Pfändungen im Hinblick auf die Verstrickung, Pfändungspfandrechte) nicht entscheidend für die Vollstreckung eines Ordnungsgeldes ist.

bb) Insbesondere steht der Klägerin eine Einwendung nicht deswegen zu, weil die Beklagte als Vollstreckungsgläubigerin nicht mehr existieren würde.

Entgegen der Ansicht der Klägerin, die sich in diesem Zusammenhang darauf beruft, dass die Beklagte des Titels, aus dem vollstreckt wird - Beschluss (Einstweilige Verfügung) vom 10.01.2017 in der Form des Urteil des Landgerichts Köln in dem einstweiligen Verfügungsverfahren vom 4.04.2017 (Bl. 117 der Akte 31 O 416/16), nämlich die "X GmbH & Co. KG", vertreten durch die Geschäftsführerin L aus E am 25.07.2018 ohne Liquidation aufgelöst worden sei, hat die Vollstreckungsgläubigerin dadurch nicht ihre Existenz verloren. Das Vermögen der Gesellschaft wuchs durch Ausscheiden der persönlich haftenden Gesellschafterin X3 GmbH aus der Gesellschaft der einzig verbliebenen Gesellschafterin, der X1 GmbH, an. Eine Liquidation erfolgte nicht. Dies ergibt sich aus dem Gesellschafterbeschluss, der der Handelsregisteranmeldung vom 28.03.2018 unter II zugrunde lag.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat ihre Existenz zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsgeldbeschlüsse am 24.5.2018 und am 16.11.2018 nicht verloren, sondern es erfolgte eine Sonderrechtsnachfolge auf die Beklagte. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten konnte daher - parallel der Wertung der Zustellung nach der qualifizierten Klausel des § 727 ZPO - zwar keinen Ordnungsgeldantrag mehr am 7.5.2018 und 15.6.2018 stellen, eine etwaige Anfechtbarkeit wurde geheilt durch die Erteilung der Nachfolgeklausel sowie der Zustellung bei der Klägerin während des Beschwerdeverfahrens.

Die Beklagte trat als Sonderrechtsnachfolgerin in die Rechte und Pflichten der Klägerin ein, so etwa in die Rechte aus dem dem Verfahren zugrundeliegenden Titel.

cc) Die eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen sind nicht deshalb unzulässig, weil die Beklagte während der Ordnungsgeldverfahren nicht parteifähig i.S.v. § 50 ZPO gewesen wäre.

Die Parteifähigkeit ist Prozessvoraussetzung und Prozesshandlungsvoraussetzung. Ein möglicher Mangel der Parteifähigkeit kann nachträglich durch Genehmigung (etwa durch die rechtsfähig gewordene Personenvereinigung) geheilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.1968 - VII ZR 23/68, zit. nach juris, Tz. 15 ff.).

Als Prozesshandlungsvoraussetzung muss sie bei Erhebung der Klage und während des ganzen Rechtsstreits, auch bei Rechtsmitteleinlegung und in der höheren Instanz, vorliegen. Beim Fehlen der Parteifähigkeit ist die Prozesshandlung unwirksam, sofern nicht ausnahmsweise eine (rückwirkende) Genehmigung durch die parteifähig gewordene Partei erfolgt (vgl. Althammer in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 50 Rdn. 4 b).

Geht das Vermögen der KG unter Vollbeendigung der Gesellschaft auf einen übernehmenden Rechtsträger über, so wird dieser Schuldner der Gesellschafterverbindlichkeiten. Die Gesamtrechtsnachfolge führt dabei zur Vollbeendigung der Kommanditgesellschaft. Da das Personengesellschaftsrecht die Einmanngesellschaft nicht kennt, kann eine gesetzliche Gesamtrechtsnachfolge auch dadurch herbeigeführt werden, dass alle Gesellschaftsanteile auf einen Rechtsträger übertragen werden (Bork/Jacoby, Das Ausscheiden des einzigen Komplementärs nach § 131 Abs. 3 HGB, ZGR 2005, 611 (621)).

Die Beklagte hat durch die eingetretene Gesamtrechtsnachfolge und die Beantragung der titelumschreibenden Klausel gem. § 727 ZPO die rückwirkende Genehmigung der Prozesshandlungen der Rechtsvorgängerin erteilt.

dd) Eine isolierte und damit unzulässige Vollstreckungsstandschaft liegt nicht vor. Dazu hat das Oberlandesgericht Köln ausgeführt:

"Soweit die Schuldnerin darauf abstellt, dass im Zwangsvollstreckungsverfahren eine Ermächtigung eines Dritten durch den Titelgläubiger, den titulierten Anspruch im eigenen Namen zu vollstrecken, nicht zulässig sei, gilt dies für die isolierte Vollstreckungsstandschaft, aber gerade nicht für den Fall der Rechtsnachfolge iSd § 727 ZPO (vgl. BGHZ 92, 347 ff., juris Rn. 12)."

II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 90.000,00 EUR festgesetzt.