OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.01.2021 - OVG 3 N 42/20
Fundstelle
openJur 2021, 3188
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2020 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens tragen die Kläger.

Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der von den Klägern geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nach den allein maßgeblichen Darlegungen des Zulassungsantrags (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) nicht gegeben.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist nur dargelegt, wenn eine bisher weder höchstrichterlich noch obergerichtlich beantwortete konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist und im Interesse der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (vgl. nur OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Februar 2020 - OVG 3 N 80.17 - juris Rn. 4; OVG Schleswig, Beschluss vom 12. Februar 2016 - 2 LA 16/16 - juris Rn. 2). Wird die Klärung einer Tatsachenfrage begehrt, genügt es hierzu nicht, wenn lediglich Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geäußert werden und behauptet wird, dass die maßgeblichen Verhältnisse anders zu beurteilen seien. Vielmehr bedarf es zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die - entscheidungserhebliche - Tatsachenfrage etwa im Hinblick auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Entscheidungen oberer Gerichte möglicherweise anders zu würdigen ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. August 2013 - OVG 3 N 170.12 - juris Rn. 7). Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag nicht gerecht.

Die Kläger werfen zunächst die Fragen auf,

ob in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens dahingehend vorliegen, dass das Konzept der normativen Vergewisserung über diese Sicherheit in diesem Staat entkräftet ist,

bzw.

ob dies anders zu beurteilen ist, wenn ein Antragsteller zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über keinen gültigen Aufenthaltstitel in Bulgarien (mehr) verfügt.

Wie sich bei verständiger Würdigung im Lichte des weiteren Zulassungsvorbringens ergibt, zielen die Fragen auf die Rückkehrsituation von Personen, die - wie die Kläger - in Bulgarien bereits als schutzberechtigt anerkannt sind. Ausgehend von den Darlegungen der Kläger sind die Fragen mit diesem Inhalt nicht grundsätzlich klärungsbedürftig im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG.

Hinsichtlich der ersten (Teil-)Frage ist der von den Klägern gesehene Klärungsbedarf zwischenzeitlich jedenfalls entfallen. Soweit die Frage im Fall der Kläger ausgehend von dem Zulassungsantrag relevant sein kann, ist sie in der Rechtsprechung des Senats mittlerweile geklärt.

In seinem im April 2020 veröffentlichten Urteil vom 18. Dezember 2019 - OVG 3 B 8.17 - (juris Rn. 31 ff.) hat der Senat entschieden, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in Bulgarien hinsichtlich nicht vulnerabler, gesunder und arbeitsfähiger anerkannter Schutzberechtigter keine größeren Funktionsstörungen erkennen lässt, die so schwerwiegend sind, dass diesem Personenkreis dort eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh droht (vgl. auch Senatsbeschluss vom 24. März 2020 - OVG 3 N 54.17 - juris Rn. 5). Im Urteil vom 22. September 2020 - OVG 3 B 33.19 - (juris Rn. 33 ff.) hat der Senat an dieser Einschätzung im Lichte aktueller Erkenntnisse festgehalten. Zugleich hat der Senat entschieden, dass diese Rechtsprechung angesichts der Einkommensverhältnisse und Unterkunftskosten in Bulgarien nicht ohne Weiteres auf Fälle einer gemeinsamen Rückkehr im Familienverband unter Einschluss von Kindern übertragbar ist, insbesondere wenn nur von einem Alleinverdiener auszugehen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2020 - OVG 3 B 33.19 - juris Rn. 42 ff.). Im Übrigen ist es eine Frage des Einzelfalls, wann bei einer solchen (Rückkehr-)Situation infolge der prekären Lebensbedingungen in Bulgarien eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh gegeben ist. Dabei geht der Senat davon aus, dass es auch anerkannten schutzberechtigten Frauen in Bulgarien grundsätzlich möglich ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und dadurch zur Existenzsicherung beizutragen, sofern nicht kleinere, noch nicht schulpflichtige und somit betreuungsbedürftige Kinder zur Familie gehören (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2020 - OVG 3 B 33.19 - juris Rn. 49).

Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich nicht, dass der Fall der Kläger Anlass geben könnte zu einer weitergehenden Klärung. Insbesondere rechtfertigt sich die Annahme einer fortbestehenden Grundsatzbedeutung nicht mit Blick auf den Vortrag der Kläger, wonach der Kläger zu 1. unter anderem wegen einer Herzerkrankung behandlungsbedürftig sei. Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob ein Familienmitglied gesundheitsbedingt nicht in der Lage ist, durch eigenes Erwerbseinkommen zur Existenzsicherung beizutragen, und ob die Existenzsicherung der Familie deshalb insgesamt scheitern könnte. Im konkreten Fall des Klägers zu 1. hat das Verwaltungsgericht eine Arbeitsunfähigkeit als nicht glaubhaft gemacht angesehen. Mehr noch hat es angenommen, dass schon die Erkrankungen des Klägers zu 1. als solche mangels ausreichender ärztlicher Atteste nicht glaubhaft gemacht seien. Aus der insoweit allein maßgeblichen Sicht des angefochtenen Urteils kommt es schon deshalb auch nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die (mutmaßlichen) Erkrankungen des Klägers zu 1. in Bulgarien angemessen behandelt werden können. Dass für anerkannte Schutzberechtigte der Zugang zum bulgarischen Gesundheitssystem im Übrigen grundsätzlich sichergestellt ist, hat das Verwaltungsgericht bejaht. Das steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2019 - OVG 3 B 8.17 - juris Rn. 68 ff.). Schließlich legen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Sache auch mit dem bloßen Hinweis auf das Alter des Klägers zu 1. nicht hinreichend im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dar. Zu den spezifischen Problemen, denen ältere Menschen bei der Existenzsicherung in Bulgarien möglicherweise begegnen könnten, verhält sich der Zulassungsantrag nicht weiter. Insbesondere benennt er auch keine Gerichtsentscheidungen oder sonstigen Erkenntnismittel, die einen entsprechenden Klärungsbedarf nahe legen könnten.

Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Grundsatzfrage - zumindest in einer für sie erkennbaren Weise - erst während des laufenden Zulassungsverfahrens und nach Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist geklärt worden sei. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache beurteilt sich nicht nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, sondern nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag. Eine ursprünglich bestehende Grundsatzbedeutung entfällt daher, wenn die Rechts- oder Tatsachenfrage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag geklärt worden ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. März 2020 - OVG 3 N 113.17 - juris Rn. 8 m. w. Nachw.). Zwar gilt mit Rücksicht auf die in Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG verbürgten Erfordernisse der Rechtsmittelklarheit, der Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns sowie der Effektivität gerichtlichen Rechtsschutzes etwas anderes dann, wenn der Rechtsmittelführer mit seinen Darlegungen im Zulassungsantrag eine verfahrensrechtliche Position erlangt hat, die eine Ausnahme von dem Grundsatz gebietet, dass maßgebend für das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen der Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. März 2020 - OVG 3 N 113.17 - juris Rn. 9). Jedoch kann dies den Klägern ebenfalls nicht zugutekommen. Denn die ausnahmsweise Zulassung der Berufung in einem solchen Fall setzt voraus, dass das Rechtsmittel weiterhin Aussicht auf Erfolg hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. März 2020 - OVG 3 N 113.17 - juris Rn. 9). Daran fehlt es hier.

Die Rückkehrsituation ist im Fall der Kläger dadurch gekennzeichnet, dass die beiden älteren Kinder der Kläger zu 1. und 2., die Kläger zu 3. und 4., bereits volljährig sind und einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, die zumindest ihren eigenen Lebensunterhalt sichert. Das gilt unabhängig davon, ob sie - wie das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der Angaben der Kläger zu 3. und 4. angenommen hat - in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrer Familie oder aber jeweils allein leben würden. Weil auch für den 16-jährigen Kläger zu 5. kein Betreuungsbedarf mehr besteht, könnte neben dem Kläger zu 1. auch die Klägerin zu 2. durch eigene Erwerbstätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts beitragen. Damit unterscheidet sich der Fall der Kläger maßgeblich von dem Fall, der dem Senatsurteil vom 22. September 2020 - OVG 3 B 33.19 - (juris) zugrunde lag. Bei Heranziehung der dort getroffenen Feststellungen zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen in Bulgarien erscheint eine ausreichende Existenzsicherung hier für sämtliche Familienmitglieder möglich, wovon im Ergebnis auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist. Auf das Alter des Klägers zu 1. kann aus den bereits genannten Gründen nicht abgestellt werden.

Mit der zweiten (Teil-)Frage zeigt der Zulassungsantrag ebenfalls nicht auf, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zukommt. Das Verwaltungsgericht hat offen gelassen, ob der Zugang zum bulgarischen Wohnungsmarkt den Nachweis eines Aufenthaltstitels erfordere ("Sofern"). Der Zulassungsantrag macht nicht hinreichend im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG deutlich, dass und warum dies zu bejahen sein könnte. Ähnliches gilt, soweit der Zulassungsantrag pauschal behauptet, ohne Aufenthaltstitel nach jahrelangem Auslandsaufenthalt "dürfte" auch ein Zugang zum Arbeitsmarkt, zur Gesundheitsversorgung und zu einem effektiven Rechtsschutz nicht gegeben sein. Darüber hinaus legt der Zulassungsantrag auch nicht ausreichend dar, inwiefern anerkannte Schutzberechtigte ohne Aufenthaltstitel in Bulgarien auf praktische Schwierigkeiten stoßen könnten, zeitnah in den Besitz eines Aufenthaltstitels zu kommen. Vielmehr beschränkt er sich unter Verweis auf eine (Experten-)Auskunft von Frau Valeria Ilareva darauf, die allgemeinen Probleme zu schildern, auf die die Betroffenen in Bezug auf die Wahrnehmung ihrer Rechte gegenüber Behörden und Gerichten (mutmaßlich) stoßen. Dieses Vorbringen rechtfertigt es nicht, die von den Klägern gesehene Grundsatzbedeutung zu bejahen.

Die Kläger erachten als klärungsbedürftig des Weiteren die Fragen,

ob gesunde erwerbsfähige jugendliche Personen mit internationalem Schutzstatus im Fall einer Rückführung nach Bulgarien in Anbetracht der dort vorherrschenden Lebensverhältnisse durch einfache Hilfstätigkeiten neben den eigenen Lebensunterhalt auch den Lebensunterhalt mindestens einer weiteren Person, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben und selber nicht erwerbsfähig sind (aufgrund von Alter oder Gesundheit), sichern können,

und daran anschließend

ob im Rahmen der Prüfung der Rechtsbeeinträchtigung gemäß Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh betreffend der Rückführung international Schutzberechtigter nach Bulgarien Heranwachsende im Alter von 17 und 18 Jahren für die Lebensunterhaltssicherung der Familienangehörigen wie der Eltern und/oder Geschwisterkinder herangezogen werden können.

Auch mit diesen Fragen zeigen die Kläger eine Grundsatzbedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht auf.

Die Fragen würden sich nach den bereits zuvor gemachten Ausführungen des Senats in einem etwaigen Berufungsverfahren schon nicht stellen. Denn danach kann unterstellt werden, dass die Kläger zu 3. und 4. jeweils nur ihre eigene Existenz sichern. Ausgehend von den Feststellungen im Senatsurteil vom 22. September 2020 - OVG 3 B 33.19 - (juris) könnte eine Situation extremer materieller Not für die anderen Familienmitglieder in diesem Fall durch eine Erwerbsbetätigung der Kläger zu 1. und 2. verhindert werden. Eine Situation, in der Heranwachsende oder sogar Jugendliche darauf verwiesen würden, zur Existenzsicherung weiterer Familienmitglieder beizutragen, würde sich hier mithin nicht ergeben. Ohnehin hat der Kläger zu 4. das 18. Lebensjahr bereits am 28. März 2020 noch vor Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist vollendet. Dem Einwand der Kläger gegen die erstinstanzliche Entscheidung, das Verwaltungsgericht habe mit dem Kläger zu 4. eine minderjährige Person zur Unterhaltssicherung herangezogen, kommt daher keine Bedeutung mehr zu. Es könnte in einem Berufungsverfahren allenfalls noch darum gehen, ob es Heranwachsenden in Bulgarien tatsächlich möglich und rechtlich zumutbar ist, über ihre eigene Existenzsicherung hinaus zum Familieneinkommen beizutragen. Dass neben den Klägern zu 1. bis 4. auch der - nach wie vor minderjährige - Kläger zu 5. den Unterhalt der Familie mit erwirtschaften könnte, hat auch das Verwaltungsgericht nicht angenommen.

Davon unabhängig macht der Zulassungsantrag auch nicht in einer den gesetzlichen Darlegungserfordernissen genügenden Weise deutlich, inwiefern sich mit den Fragen ein grundsätzlicher Klärungsbedarf verbinden könnte. Die Kläger benennen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass und warum erwerbsfähige jugendliche Personen im Vergleich zu Erwachsenen in Bulgarien in tatsächlicher Hinsicht auf besondere Schwierigkeiten stoßen könnten, durch "einfache Hilfstätigkeiten" ein Erwerbseinkommen zu erzielen, das zugleich für die Existenzsicherung weiterer Familienmitglieder eingesetzt werden kann (Frage 1). Ebenso wenig legen die Kläger ausreichend dar, dass und warum es in rechtlicher Hinsicht ausgeschlossen sein sollte, "Heranwachsende im Alter von 17 und 18 Jahren" für die Erwirtschaftung des Familieneinkommens heranzuziehen (Frage 2). Soweit sich die Kläger zur näheren Begründung pauschal auf eine (vermeintliche) "Rechtsprechung" beziehen, nach der Heranwachsende in gleichgelagerten Fällen "höchstens für den eigenen Lebensunterhalt einbezogen" würden, wird diese Rechtsprechung nicht weiter bezeichnet. Auch überzeugt es nicht oder jedenfalls nicht ohne Weiteres, wenn die Kläger geltend machen, es widerspreche den Grundsätzen des deutschen Sozialrechts, Heranwachsende dazu heranzuziehen, den Lebensunterhalt ihrer Eltern und minderjährigen Geschwister zu sichern.

Der Zulassungsantrag zeigt nicht auf, inwiefern es für die Prüfung einer mit Art. 4 GRCh unvereinbaren Behandlung auf die (einfachrechtlichen) Grundsätze des (nationalen) deutschen Sozialrechts ankommen könnte. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, für die Prognose, ob den Klägern im Fall einer Rückkehr nach Bulgarien dort unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen die Gefahr extremer materieller Not drohe, sei von einem "gelebten Familienverbund mit wirtschaftlicher Einheit" auszugehen. Allein aus dem Hinweis der Kläger auf die Grundsätze des deutschen Sozialrechts ergibt sich nicht, dass diese Annahme des Verwaltungsgerichts unter dem Gesichtspunkt der Grundsatzbedeutung einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren bedarf. Um den gesetzlichen Darlegungserfordernisses zu genügen, wäre es zudem erforderlich gewesen, dass sich der Zulassungsantrag mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 45/18 - (juris Rn. 26 f.) auseinandersetzt. Danach ist die Rückkehrsituation bei einer Rückkehr im Familienverband zumindest normativ auch dadurch geprägt, dass Art. 6 Abs. 1 GG die Familie (auch) als Solidar-, Betreuungs- und Unterstützungsverband schützt. Bei Mitgliedern einer häuslichen und familiären Gemeinschaft ist anzunehmen, dass diese in besonderer Weise füreinander einstehen und bereit sind, ihren Lebensunterhalt auch jenseits zwingender rechtlicher Verpflichtungen gegenseitig zu sichern (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11 - juris Rn. 63). Deshalb ist dem Bundesverwaltungsgericht zufolge bei bestehender familiärer Gemeinschaft im Regelfall davon auszugehen, dass sich der einzelne Rückkehrer nicht nur in der verfassungsrechtlich gestützten Rechtspflicht zur Unterhaltsgewähr und Versorgung sehe, sondern auch in einer entsprechenden "sittlich-moralischen" Pflicht. Warum dies in einer Situation wie der vorliegenden nicht auch im Verhältnis zwischen volljährigen Kindern und ihren Eltern und minderjährigen Geschwistern im gemeinsamen Haushalt anzunehmen sein könnte, führen die Kläger nicht mit schlüssigen Argumenten aus.

Aus diesem Grund überzeugt auch der Einwand der Kläger gegen die erstinstanzliche Entscheidung nicht, die heranwachsenden Kläger zu 3. und 4. würden nach den Erwägungen des Verwaltungsgerichts für die Zukunft dazu verpflichtet, in einer Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern zu leben und sie zu versorgen. Nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Prognose, welche Gefahren einem Ausländer bei Rückkehr in den Herkunftsstaat drohen, eine zwar notwendig hypothetische, aber doch realitätsnahe Rückkehrsituation zugrunde zu legen; maßgeblich ist die konkret erwartbare Rückkehrsituation, die im Fall einer Rückkehr im Familienverband eben auch mitbestimmt wird durch die aus Art. 6 GG folgenden Unterhalts- und Unterstützungs"obliegenheiten" der (volljährigen) Mitglieder der Haushalts- und Familiengemeinschaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 45/18 - juris Rn. 16, 27). Im Übrigen betrifft die Frage, von welcher Rückkehrsituation konkret auszugehen ist, die tatrichterliche Würdigung im Einzelfall. Vorliegend hat das Verwaltungsgericht die Kläger zu 3. und 4. ausweislich des angefochtenen Urteils ausdrücklich dazu befragt, ob sie nach gemeinsamer Rückkehr weiterhin in demselben Haushalt mit ihrer Familie leben wollten, was die Kläger zu 3. und 4. bejaht hätten.

Auch ein Verfahrensfehler in Gestalt der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO) ist nach den Ausführungen des Zulassungsantrags nicht feststellbar.

Die Kläger stützen die Gehörsrüge darauf, dass das Verwaltungsgericht die von ihnen mit Schriftsatz vom 15. November 2019 zur Gerichtsakte gereichte und seinerzeit nicht in der Erkenntnismittelliste des Verwaltungsgerichts enthaltene Unterlage "Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bulgarien: Aktuelle Situation für Asylsuchende und Personen mit Schutzstatus, 30. August 2019" offenbar überwiegend nicht zur Kenntnis genommen habe. Damit dringen die Kläger nicht durch.

Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Die Gerichte brauchen sich dabei nicht mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Aus einem Schweigen der Entscheidungsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffs allein kann noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann daher nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falls deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten nicht in Erwägung gezogen hat (BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 10 B 38/11 - juris Rn. 2). Solche besonderen Umstände zeigt der Zulassungsantrag nicht auf. Insbesondere legt er nicht hinreichend dar, dass das Verwaltungsgericht die genannte, von den Klägern in das Verfahren eingeführte Erkenntnisquelle nicht lediglich als nicht durchschlagend angesehen hat, sondern von ihm übersehen wurde. So führen die Kläger selbst aus, dass das angefochtene Urteil auf die Unterlage zumindest an einer Stelle ausdrücklich eingeht. Hieraus kann auch nicht ohne Weiteres im Umkehrschluss gefolgert werden, das Verwaltungsgericht habe die Unterlage in anderen Zusammenhängen, in denen sie thematisch einschlägig gewesen ist, ignoriert.

Soweit der Zulassungsantrag geltend macht, das Verwaltungsgericht wäre bei Zugrundelegung des Erkenntnismittels hinsichtlich der Verletzung von Art. 4 GRCh zu einem anderen Ergebnis gekommen, weist der Senat im Übrigen abschließend darauf hin, dass er sich in seinem eigenen Urteil vom 18. Dezember 2019 - OVG 3 B 8.17 - (juris) ausführlich mit der Unterlage auseinandergesetzt hat. Zusammenfassend heißt es hierzu in der Entscheidung (Rn. 77):

"Dagegen sieht die Schweizerische Flüchtlingshilfe anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien von existenziellen Schwierigkeiten bedroht, weshalb diese nicht nach Bulgarien überstellt werden sollten (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aktuelle Situation für Asylsuchende und Personen mit Schutzstatus, 30. August 2019, S. 4). Dies beruht jedoch auf einer Würdigung der Lebensumstände von anerkannten Schutzberechtigten in Bulgarien, der der Senat aus den dargelegten Gründen nicht folgt."

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist mangels hinreichender Erfolgsaussicht des Rechtsmittels unbegründet (§ 166 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG, § 152 Abs. 1 VwGO).

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