AG Kreuzberg, Urteil vom 26.01.2010 - 3 C 374/09
Fundstelle
openJur 2021, 2966
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Erhöhung der monatlichen Nettonutzungsgebühr für die aufgrund des Dauernutzungsvertrages vom 01. Juni 1981 genutzte Wohnung E Straße a, 3. OG rechts in um weitere 19,21 EUR auf 249,19 EUR mit Wirkung ab dem 01. Juli 2009 zuzustimmen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Beklagte ist Mieterin der im Hause E Straße a in 12103 belegenen Wohnung der Klägerin, welche einen Wohnungsbaugenossenschaft ist. Die Wohnfläche beträgt 53,36 m².

Mit Schreiben vom 14. Januar 2009 - zugestellt durch Boten am 17. April 2009 - verlangte die Klägerin noch unter Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel 2007 - dort Tabellenfeld E 5 - von der Beklagten die Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete von seinerzeit 220,91 EUR um 28,28 EUR auf 249,19 EUR mit Wirkung zum 01. Juli 2009. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Mieterhöhungsverlangens wird auf die als Anlage zur Klageschrift zu den Akten gereichte Ablichtung desselben Bezug genommen.

Die Beklagte stimmte im Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 19. Mai 2009 der Erhöhung der Nettonutzungsgebühr um 9,07 EUR auf 229,98 EUR zu.

Im Bad der Wohnung sind die Wände nicht überwiegend gefliest. Im Zeitpunkt der Vermietung im Jahre 1981 war in der Küche eine Spüle vorhanden, welche nach dem Vortrag der Beklagten Abplatzungen und Roststellen aufgewiesen habe und deshalb von der Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt ersatzlos entsorgt worden sei. Die im Jahre 1995 eingebauten Fenster weisen einen k-Wert von 1,8 W/m²K auf. Die Wohnung verfügt mangels Steckdose im Bad über eine unzureichende Elektroinstallation. Das Gebäude wurde in den Jahren 2005/2006 zusätzlich zur vorhandenen Bausubstanz mit Styroporplatten bzw. Steinwolle wärmegedämmt; die Heizanlage wurde erneuert bzw. modernisiert. In der Siedlung befinden sich zwei Gästewohnungen, deren Entfernung zur Wohnung der Beklagten 170 m bzw. 246 m beträgt. Das Treppenhaus befindet sich überwiegend in schlechtem Zustand.

Die Klägerin ist der Auffassung, der verlangte Mietzins sei gerechtfertigt, da die Merkmalgruppen 3 bis 5 positiv, die Merkmalgruppe 2 wegen des Vorhandenseins einer modernen Isolierverglasung neutral und lediglich die Merkmalgruppe 1 negativ sei. In der Merkmalgruppe 5 sei die begrünte, metallummantelte und nur den Mietern zugängliche Müllstandsfläche wohnwerterhöhend zu berücksichtigen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, einer Erhöhung der monatlichen Nettonutzungsgebühr für die aufgrund des Dauernutzungsvertrages vom 01.06.1981 genutzte Wohnung E Straße a, 3. OG rechts in um weitere 19,21 EUR auf 249,19 EUR ab dem 01.07.2009 zuzustimmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die entfernte Spüle könne nicht mehr berücksichtigt werden, die Fenster seien nicht als moderne Isolierglasfenster zu qualifizieren, die Gästewohnungen seien aufgrund der Entfernung nicht zu berücksichtigen, eine moderne Gegensprechanlage sei nicht vorhanden, da diese u. a. nur nach Betätigen der Klingel genutzt werden und die Klingel nicht abgestellt werden kann. Der Müllkäfig sei lediglich an einer Seite begrünt und wirke sich daher nicht wohnwerterhöhend aus.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet.

Das der Beklagten am 17. April 2009 zugegangene Mieterhöhungsverlangen entspricht den formellen Anforderungen gemäß § 558 a BGB. Es ist nachvollziehbar unter Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel 2007 - der Mietspiegel 2009 war seinerzeit noch nicht veröffentlicht - begründet worden. Die Beklagte wurde anhand der Benennung des einschlägigen Mietspiegelfeldes E 5 und der darin ausgewiesenen Spannen einschließlich Spannendifferenzen in die Lage versetzt, die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens zu überprüfen. Der Mietzins ist seit 15 Monaten unverändert (§ 558 Abs. 1 BGB), die beabsichtigte Mieterhöhung überschreitet nicht die sog. Kappungsgrenze von 20 Prozent gemäß § 558 Abs. 3 BGB. Die Beklagte hat der Mieterhöhung bis zum Ablauf den zweiten Kalendermonats nach Zugang, mithin bis zum 30. Juni 2009 nicht zugestimmt; die am 29. September 2009 bei Gericht eingegangene Klage wahrt die Frist des § 558 b Abs. 2 Satz 2 BGB.

Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete um weitere 19,21 EUR auf 249,19 EUR ab dem 01. Juli 2009 gemäß § 558 Abs. 1 BGB zu.

Die von der Beklagten angemietete Wohnung mit einer Größe von 53,36 m² befindet sich in einem 1954 erbauten Haus in mittlerer Wohnlage. Nach dem nunmehr anwendbaren Berliner Mietspiegel 2009 weist das einschlägige Feld E 5 eine Spanne von 4,27 - 5,41 EUR/m² sowie einen Mittelwert von 4,72 EUR/m² aus.

Maßgeblich ist der Berliner Mietspiegel 2009. Der Vermieter hat einen Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Miete bis zu der im Zeitpunkt des Zugangs des Zustimmungsverlangens ortsüblichen Vergleichsmiete (vgl. BGH, GE 2006, 46f.). Das Mieterhöhungsverlangen ist vorliegend unstreitig am 17. April 2009 und damit (weit) nach dem Erhebungsstichtag 1. Oktober 2008 des Berliner Mietspiegels 2009 zugegangen (vgl. KG, GE 2009, 60). Nichts anderes ergibt sich aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 03. April 1990, da jener Entscheidung die Fallkonstellation zu Grunde lag, dass der Erhebungsstichtag (dort 1. Januar 1989) auf einen Zeitpunkt nach der Abgabe der Erhöhungserklärung (dort August 1988) datierte. Dies ist vorliegend jedoch gerade nicht der Fall.

Da es sich bei dem Berliner Mietspiegel 2009 um einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne des § 558 d BGB handelt, wird vermutet, dass die in ihm bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben, § 558 d Abs. 3 BGB. Dieser Vermutung sind die Parteien nicht entgegengetreten. Innerhalb der ausgewiesenen Spanne ergibt sich die ortsübliche Vergleichsmiete für die von der Beklagten innegehaltene Wohnung jedenfalls in Höhe des Mittelwertes von 4,72 EUR/m², da nach der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung in der Merkmalgruppe 1 (Bad) die wohnwertmindernden Merkmale überwiegen, die Merkmalgruppe 4 (Gebäude) positiv und sämtliche weitere Merkmalgruppen neutral zu werten sind.

Die Merkmalgruppe 1 (Bad) ist negativ zu werten, nachdem die Klägerin der Behauptung der Beklagten, die Wände des Bades seien bei Anmietung nicht überwiegend gefliest gewesen, nicht entgegengetreten ist.

Die Merkmalgruppe 2 (Küche) ist neutral zu werten. Sofern die Beklagte sich darauf beruft, die unstreitig bei Übergabe der Wohnung vorhandene Spüle sei aufgrund ihres Alters und des damit einhergehenden schlechten Zustandes (Abplatzungen der Emaille, Roststellen) zu einem späteren Zeitpunkt von der Klägerin ersatzlos abgeholt worden, führt dies nicht zur Annahme eines wohnwertmindernden Merkmals. Den Vortrag der Beklagten unterstellt, handelt es sich insofern um einen Mangel der Mietsache. Mängel stehen jedoch einem Mieterhöhungsverlangen grundsätzlich nicht entgegen, da sie auf Verlangen des Mieters - welches vorliegend offensichtlich unterblieben ist - durch den Vermieter zu beseitigen sind.

Die Merkmalgruppe 3 (Wohnung) ist neutral, da sich die wohnwertmindernden und die wohnwerterhöhenden Merkmale insoweit aufheben, als die Klägerin zum einen eine unzureichende Elektroinstallation zugestanden hat und zum anderen die im Jahre 1995 eingebauten Isolierglasfenster unstreitig einen k-Wert von 1,8 aufweisen und mithin eine moderne Isolierverglasung im Sinne der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung gegeben ist. Der k-Wert, welcher im Jahre 1998 durch den U-Wert abgelöst wurde, bezeichnet den sog. Wärmedurchgangskoeffizienten von Isolierglas. Bei einem Vergleich der aus der Fachliteratur ersichtlichen k-Werte einer Einfachverglasung von 5,8 W/m²K, einer konventionellen Isolierverglasung von 2,6 W/m²K und einer Wärmeschutzverglasung von 1,4 W/m²K ergibt sich unschwer, dass die vorliegende Isolierverglasung, welche unstreitig einen k-Wert von 1,8 W/m²K aufweist und damit als Energiesparglas zu qualifizieren ist, als moderne, energiesparende Isolierverglasung im Sinne der Spanneneinordnung anzusehen ist.

Die Merkmalgruppe 4 (Gebäude) ist positiv, da dem nunmehr unstreitig gestellten Merkmal einer Wärmedämmung zusätzlich zur vorhandenen Bausubstanz nebst moderner Heizungsanlage sowie dem Merkmal des Vorhandenseins zweier Gästewohnungen lediglich der überwiegend schlechte Zustand von Treppenhaus und Eingangsbereich als wohnwertminderndes Merkmal gegenübersteht. Die unstreitig vorhandenen Gästewohnungen sind trotz ihrer Belegenheit außerhalb des Gebäudes zu berücksichtigen, da sie trotz ihrer Entfernung von 170 m bzw. ca. 250 m von der Wohnung der Beklagten unschwer in wenigen Gehminuten zu erreichen sind, ohne dass die klägerische Siedlung verlassen werden muss (vgl. AG Charlottenburg, Urteil vom 30.06.2006, MM 2006, 298f.). Soweit sich die Beklagte zuletzt noch auf das Fehlen einer modernen Gegensprechanlage mit elektrischem Türöffner beruft, vermag dies angesichts der Tatsache, dass eben eine solche Wechselsprechanlage mit elektrischem Türöffner existent ist, nicht zu überzeugen. Der von der Beklagten insoweit geschilderte Funktionsablauf entspricht die dem Üblichen; die insofern vermissten technischen Zusatzfunktionen übersteigen die zu stellenden Anforderungen an eine solche Anlage.

Die Merkmalgruppe 5 (Wohnumfeld) ist jedenfalls neutral zu beurteilen. Insofern kann dahinstehen, ob die zu den Akten gereichten Fotografien eine sichtbegrenzende Gestaltung der Müllstandsfläche erkennen lassen, da auch bei Verneinung dieses Merkmals die von der Klägerin verlangte Miete ortsüblich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Eine Erklärung zur Vollstreckbarkeit in Bezug auf die Hauptsache hatte zu unterbleiben, da es sich um die Abgabe einer Willenserklärung handelt, die mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt, § 894 Abs. 1 ZPO.

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