SG Marburg, Beschluss vom 17.12.2020 - S 10 SF 60/17 K
Fundstelle
openJur 2021, 485
  • Rkr:

1. Der Vergütungsanspruch entfällt durch die nachträglichen Aufhebung der Heranziehung zum Sachverständigen nicht, wenn das Gutachten dennoch verwertet wird.

2. Die Vergütung der Leistung eines Sachverständigen erfolgt nur insoweit nach den Regelungen der GOÄ, wie dies im JVEG ausdrücklich geregelt ist.

Tenor

Die Vergütung des Antragstellers für die Fertigung seines Gutachtens im Verfahren S 15 R 127/15 wird auf 2.279,08 € festgesetzt.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung eines Sachverständigengutachtens.

In dem Rentenversicherungsverfahren am Sozialgericht Marburg zum Aktenzeichen S 15 R 127/15 wurde der Antragsteller mit Beweisanordnung vom 28.11.2016 zum Sachverständigen ernannt und beauftragt, ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers zu erstatten.

Der Antragsteller untersuchte den Kläger am 02.02.2017 von 09:00 Uhr bis 11:30 Uhr und am 03.02.2017 von 09:00 Uhr bis 10:30 Uhr in seiner Praxis.

Mit Schreiben vom 02.03.2017 wurde der Antragsteller aufgefordert mitzuteilen, aus welchen Gründen das Gutachten noch nicht erstellt worden sei. Hierauf teilte der Antragsteller mit, dass sich der Kläger in stationärer psychiatrischer Behandlung befinde, weshalb um Fristverlängerung zur Abgabe des Gutachtens gebeten werde. Im Folgenden war ein Kontakt mit dem Kläger nicht mehr möglich, sodass das Gericht am 14.06.2017 die Beweisanordnung aufhob. Der Antragsteller wurde gebeten, einstweilen entstandene Kosten gegenüber dem Gericht abzurechnen und die Verfahrensakten an das Gericht zu übersenden. Wenn es zu einem späteren Zeitpunkt wieder zum Erlass einer Beweisanordnung kommen werde, so sei nach derzeitiger Einschätzung wieder mit seiner Beauftragung zu rechnen. Die Beweisaufhebung wurde am 21.06.2017 per DigiFax an den Antragsteller übersandt.

Am 09.07.2017 (Eingangsdatum bei Gericht: 10.07.2017) reichte der Antragsteller sein fachinternistisches Gutachten bei Gericht ein. Dieses umfasste insgesamt mit allen Anlagen 76 Seiten. Auf Bl. 152 bis 227 der Gerichtsakte im Ausgangsverfahren S 15 R 127/15 wird bezuggenommen.

Ebenfalls mit Datum vom 09.07.2017 (Eingangsdatum bei Gericht: 11.07.2017) reichte der Antragsteller seine Kostenrechnung über eine Vergütung in Höhe von insgesamt 4.142,91 € bei Gericht ein. Im Einzelnen bezifferte er die Entschädigung wie folgt:

1. Sachverständigenentschädigung (§§ 8, 9 Anlage JVEG)

-

Durchsicht der Akten und vorbereitende Arbeiten (306 S.):

3,83 Std.

-

Erhebung der Vorgeschichte:

1,00 Std.

-

Körperliche Untersuchung - Auswertung von Labor- und Röntgen-Befunden (soweit nicht unter 2.):

1,00 Std.

-

Abfassung der schriftlichen Beurteilung:

21,36 Std.

-

Diktat und Korrektur der Reinschrift des Gutachtens:

7,83 Std.Zusammen:  35,02 Std.ggf. aufgerundet auf volle 30 min.:  35 Std. x Stundensatz: 75 €  = 2.625,00 €2. Besondere Leistungen (§ 10 JVEG):   748,92 €

-

ersichtlich aus der Aufschlüsselung (Bl. 20-22 im Kostenheft zur Akte S 15 R 127/15)

-

Rechnung Befundbericht Augenarzt: 18,13 €

3. Ersatz von Aufwendungen (§ 12, § 7 JVEG):

-

Fotokopien:

6,00 €

-

Portoauslagen:

13,19 €

-

Schreibauslagen:

70,20 €4. Zwischensumme:  3.481,44 €5. Umsatzsteuer:   661,47 €Summe:  4.142,91 €

Im Übrigen wird auf die Rechnung samt Anlagen (Bl. 17 bis 22 im Kostenheft zum Az. S 15 R 127/15) vollinhaltlich bezuggenommen.

Die Kostenbeamtin berechnete die Gesamtvergütung mit 2.803,65 € und informierte den Antragsteller mit Schreiben vom 14.07.2017 über die Festsetzung und die erfolgten Kürzungen. Für die Abfassung der schriftlichen Begutachtung berücksichtigte sie einen Zeitaufwand von 5 Stunden und legte eine Entschädigung für 21 Stunden der Honorargruppe M2 à 75,00 € fest. Daneben setzte sie die Kosten des Befundberichtes ab, da die Anforderung eines Befundberichtes für die Gutachtenserstellung nicht durch den Kammervorsitzenden genehmigt worden sei. Weiterhin beanstandete sie die Höhe der abgerechneten Nummern der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Hinsichtlich dieser Positionen wird auf die Anlage des Schreibens vom 14.07.2017 (Bl. 26-29 im Kostenheft zur Gerichtsakte im Ausgangsverfahren S 15 R 127/15) vollinhaltlich bezuggenommen.

Hierauf hat der Antragsteller mit Schreiben vom 14.07.2017 einen Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Vergütung gemäß § 4 Abs. 1 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) gestellt. Dabei hat er ausgeführt, dass er mit der Abrüstung der "Abfassung der schriftlichen Beurteilung" nicht einverstanden sei. Die gesamte kritische Diskussion einschließlich der Wiedergabe des Akteninhalts und der Darstellung des Krankheitsverlaufes sei Bestandteil der schriftlichen Beurteilung und als solche auch zu entschädigen. Der Komplex erstrecke sich hier über insgesamt 24 Seiten, was einen zu entschädigenden Zeitaufwand von 21,36 Stunden entspreche. Er bitte um Ausführung, wie die Kürzung auf exakt 9.000 Zeichen zustande gekommen sei. Daneben teile er nicht die Ansicht, dass es sich bei der Untersuchung der Probanden im Rahmen der Begutachtung stets um eine geschlossene Sitzung handele, vielmehr seien die Tages- und Sitzungsausschlüsse der GOÄ nicht zu übernehmen, da diese sich auf die ärztliche Diagnostik und Behandlung eines konkreten Krankheitsfalles mit einer speziellen, leistungsauslösenden Symptomatik bei einem Patienten beziehen würden. Bei einem zu Begutachtenden müsste jedoch zu jedem betroffenen Organsystem eine Untersuchung durchgeführt werden, die dann auch zu vergüten sei. Es sei dem Gutachter aufgrund der Berufsordnung weder erlaubt noch zumutbar, Leistungen kostenlos zu erbringen, die zur Erfüllung des Gutachtenauftrages notwendig seien.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Vergütung für sein im Verfahren S 15 R 127/15 erstelltes Gutachten vom 09.07.2017 auf insgesamt 4.142,91 € festzusetzen.

Die Antragsgegnerin hat auf die Stellung eines detaillierten Antrages verzichtet.

Sie könne nicht feststellen, welche Tätigkeiten der Antragsteller bis zum Erhalt der Aufhebung vorgenommen habe. Deshalb werde auf eine Stellungnahme zur Kürzung des Zeitaufwands "Abfassung" verzichtet.

Zur streitigen Frage der Vergütung von Ultraschalluntersuchungen an einander folgenden Sitzungstagen gehe die Antragsgegnerin davon aus, dass der Sitzungsbegriff bei einer Begutachtung grundsätzlich einem Arzt-Patienten-Kontakt gleichzusetzen sei, weshalb die Leistungen nach den Nummern 401 bis 418 der Anlage zur GOÄ jeweils nur einmal zu berechnen seien. Hinsichtlich der Nr. 424, einschließlich der Zusatzleistungen nach den Nrn. 405 und 406 der Anlage zur GOÄ sei der einfache GOÄ-Gebührensatz angemessen und nicht der 1,3-fache GOÄ-Satz wie noch von der Kostenbeamtin festgesetzt.

Das Gericht hat eine dienstliche Stellungnahme des ehemaligen Vorsitzenden der 15. Kammer eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass das Gutachten abstrakt betrachtet verwertbar gewesen sei. Es entziehe sich aber seiner Kenntnis, welche Teile des Gutachtens vor und welche Teile nach der Beweisaufhebung erstellt worden seien.

Im Rahmen des Verfahrens S 15 R 127/15 hat der Kammervorsitzende den Antragsteller mit Beweisanordnung vom 04.10.2017 zur ergänzenden Stellungnahme zum Gutachten vom 09.07.2017 unter Berücksichtigung der Äußerungen von Kläger und Beklagten aufgefordert.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Darüber hinaus wird die beigezogene Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens vor dem Sozialgericht Marburg (Az.: S 15 R 127/15) in Bezug genommen. Beide Akten haben der Entscheidungsfindung zugrunde gelegen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG ist zulässig.

Gemäß § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Eine solche Festsetzung hat der Antragsteller vorliegend im Schriftsatz vom 14.07.2017 beantragt.

Anwendbar sind dabei die Regelungen des JVEG in der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013.

Die rechtzeitig (§ 2 Abs. 1 JVEG) vom Antragsteller geltend gemachte Gesamtvergütung für die von ihm mit dem Gutachten vom 09.07.2017 erbrachte Leistung ist auf insgesamt 2.279,08 € festzusetzen.

Das JVEG regelt gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 JVEG die Vergütung von Sachverständigen, die von dem Gericht herangezogen worden sind. Eine solche Heranziehung des Antragstellers erfolgte durch Beweisanordnung vom 28.11.2016.

Dieser Vergütungsanspruch ist auch nicht durch die Beweisaufhebung vom 14.06.2017 weggefallen.

Zwar ist davon auszugehen, dass dem Antragsteller die Beweisaufhebung zum Zeitpunkt der Übersendung des schriftlichen Gutachtens an das Gericht bereits bekannt gewesen ist, hieraus folgt aber nicht, dass das Gutachten nicht mehr zu vergüten wäre.

Der Verlust beziehungsweise die Kürzung des Vergütungsanspruchs ist vorrangig in § 8a JVEG geregelt. Dessen Voraussetzungen liegen indes nicht vor, da der Antragsteller keine mangelhafte Leistung erbracht hat (§ 8a Abs. 2 Nr. 1 JVEG) und auch die übrigen in § 8a JVEG geregelten Fällen hier ersichtlich nicht einschlägig sind.

Der Vergütungsanspruch kann unabhängig von § 8a JVEG nur entfallen, wenn es an einer Heranziehung fehlt. Dabei ist von einer fehlenden Heranziehung nicht nur dann auszugehen, wenn von vornherein keine Heranziehung als Sachverständiger bestanden hat, sondern auch dann, wenn die Heranziehung aufgehoben wird, etwa im Wege der Aufhebung der Beweisanordnung. Im Falle einer nachträglichen Aufhebung der Heranziehung muss der Vergütungsanspruch aber in bestimmten Konstellationen fortbestehen. Dies gilt zum einem für alle Leistungen, die der Sachverständige bis zur Aufhebung der Heranziehung erstellt hat und zum anderen auch für diejenigen Leistungen, die zwar nach der Aufhebung erstellt worden sind, aber dennoch im gerichtlichen Verfahren verwertet wurden. Darüber hinaus kann es im Einzelfall auch aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein, nach Aufhebung der Heranziehung zum Sachverständigen die erbrachten Leistungen zu vergüten.

Entscheidend für das Fortbestehen des ungeminderten Vergütungsanspruchs ist hier, dass das Gutachten im Verfahren S 15 R 127/15 verwertet wurde, da der Vorsitzende der 15. Kammer im weiteren Verfahrensverlauf aufbauend auf das Gutachten vom 09.07.2017 eine ergänzende Stellungnahme des Antragstellers eingeholt hat. Zum anderen konnte das Gutachten auch ohne die noch fehlende Rückmeldung des Klägers erstattet werden und ermöglichte grundsätzlich eine Entscheidung auf dieser Grundlage. Hinzukommt, dass der Grund für die Aufhebung alleine in die Sphäre des Klägers des Ausgangsverfahrens fällt und die Erstattung des Gutachtens noch so zeitnah nach der Aufhebung der Beweisaufnahme erfolgte, dass davon auszugehen ist, dass der Großteil der Arbeit bereits vor der Aufhebung erfolgte.

Gemäß § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige

1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG),

2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG),

3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie

4. Ersatz für sonstige und für besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG).

Hinsichtlich des Honorars für die Erstellung des Gutachtens gemäß §§ 8, 9 JVEG geht die Kammer abweichend von dem Antrag des Antragstellers und der Festsetzung der Kostenbeamtin von einer angemessenen Vergütung in Höhe von 1.725,00 € aus.

Dabei erkennt die Kammer einen erforderlichen Zeitaufwand von insgesamt 23 Stunden an. Dieser setzt sich wie folgt zusammen:

-

Durchsicht der Akten und vorbereitende Arbeiten:

4 Stunden

-

Erhebung der Vorgeschichte:

1 Stunde

-

Körperliche Untersuchung:

3 Stunden

-

Abfassung der schriftlichen Beurteilung:

7,22 Stunden

-

Diktat und Korrektur der Reinschrift des Gutachtens

7,83 StundenZusammen:  23,05 StundenGerundet:  23 Stunden

Hieraus ergibt sich anhand der unstreitig vorliegenden Honorargruppe M 2 bei einem Stundenhonorar von 75,00 € ein Honoraranspruch von 1.725,00 € für die Erstellung des Gutachtens.

Besonderer Begründung bedarf die Ermittlung des angemessenen Zeitaufwandes für die Abfassung der schriftlichen Beurteilung, da hier sowohl von dem Antrag des Antragstellers (21,36 Stunden) und als auch von der provisorischen Festsetzung der Kostenbeamtin (5 Stunden) abgewichen wird.

Gemäß § 8 Abs. 2 JVEG wird das Honorar für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt.

Nach den in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen (vgl. nur Hess. LSG, Beschluss vom 11.02.2005, L 2/9 SF 37/04 RJ und Hess. LSG, Beschluss vom 11.04.2005, L 2/9 SF 82/04) beträgt der Zeitaufwand für die Abfassung der gutachtlichen Beurteilung pro Seite etwa eine Stunde, wobei eine Standardseite 1.800 Anschläge umfasst. Dabei können aber nur solche Ausführungen des Sachverständigen als Beurteilung angesehen werden, die sich nicht in der bloßen Wiederholung von vorausgegangenen Textpassagen erschöpfen. Zu diesem Leistungsabschnitt werden vielmehr Ausführungen des Sachverständigen gerechnet, die sachverständige Schlussfolgerungen in Bezug auf das Beweisthema und eine Auseinandersetzung mit den gestellten Beweisfragen enthalten (vgl. Hess. LSG, L 2/9 SF 82/04 Rn. 15).

Entgegen der Auffassung des Antragstellers können unter Heranziehung dieser Grundsätze nicht sämtliche Ausführungen im als "Kritische Diskussion der Vorbefunde, zusammenfassende Beurteilung der eigenen Untersuchungsergebnisse und abschließende medizinische Beurteilung" bezeichneten Komplex als Beurteilung bezeichnet werden. Gerade im Bereich des Komplexes bis zu der eigentlichen Beantwortung der Beweisfragen (Seite 36 bis 51 des Gutachtens) finden sich vielfach Wiederholungen von bereits aufgeführten Befunden, der Vorgeschichte oder des Akteninhaltes, die nicht berücksichtigt werden können. Auch die übrigen detaillierten Ausführungen in diesem Bereich enthalten keinen Bezug oder Auseinandersetzung mit den gestellten Beweisfragen, sodass sie nicht berücksichtigungsfähig sind.

Die Seiten 52 bis 59 des Gutachtens betreffen die Beantwortung der Beweisfragen und sind vollumfänglich berücksichtigungsfähig. Dabei handelt es sich um 12.988 Zeichen, die bei einer Standardseite von 1.800 Anschlägen 7,22 Seiten entsprechen.

Soweit der Antragsteller kritisiert, dass bei der alleinigen Berücksichtigung der Ausführungen im Rahmen der Beantwortung der Beweisfragen die kritische Würdigung des Akteninhaltes zu kurz komme, so ist dieser Einwand zwar nachvollziehbar, der Grund hierfür liegt aber maßgeblich darin begründet, dass bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitaufwandes für die Abfassung der schriftlichen Beurteilung auf den Bezug zu den Beweisfragen abgestellt wird. Im Rahmen der schriftlichen Beurteilung geht es nämlich gerade darum, die vom Gericht gestellten Beweisfragen zu beantworten und sich mit dem Beweisthema auseinander zu setzen. Die kritische Würdigung des Akteninhalts ist als Vorstufe notwendig, um dann im Rahmen der schriftlichen Beurteilung die Beweisfragen umfassend beantworten zu können. Der Aufwand, der durch die kritische Würdigung des Akteninhalts entsteht, ist bereits über den Zeitaufwand für die Durchsicht der Akten und der Erhebung der Vorgeschichte abgegolten. Eine kritische Diskussion kann darüber hinaus im Rahmen der Abfassung der schriftlichen Beurteilung nur insoweit erwünscht sein, wie sie sich mit dem Beweisthema und den Beweisfragen auseinandersetzt. Eine solche Auseinandersetzung kann die Kammer den Ausführungen der Seiten 36 bis 51 des Gutachtens jedoch nicht entnehmen.

Daneben weicht die Kammer bei der Berechnung des erforderlichen Zeitaufwandes für die körperliche Untersuchung von dem Antrag des Antragstellers (1 Stunde) ab. Dies beruht maßgeblich auf dem Umstand, dass der Antragsteller irrtümlich davon ausgegangen ist, dass die Durchführung der Ultraschalluntersuchung nicht im Rahmen der Zeitvergütung nach § 9 JVEG, sondern als zusätzlicher Aufwand zu honorieren sei. Hieraus folgt, dass der zusätzliche Zeitaufwand durch diese Untersuchung und deren Auswertung gesondert zu berücksichtigen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.09.2013, Az. L 15 U 589/12 B, Rn. 7 juris). Insgesamt erachtet die Kammer deshalb in Übereinstimmung mit der Kostenbeamtin einen Zeitaufwand von drei Stunden für erforderlich.

Im Übrigen erachtet die Kammer die vom Antragsteller geltend gemachte Arbeitszeit von einer Stunde für die Vorbefunderhebung für angemessen. Bei der erforderlichen Zeit für die Durchsicht der Akten und der vorbereitenden Arbeiten folgt die Kammer der Einschätzung der Kostenbeamtin und hält hier vier Stunden für angemessen.

Hinsichtlich der beantragten Vergütung für besondere Leistungen kann hingegen nur ein Betrag in Höhe von 100,80 € vergütet werden.

Eine Erstattung besonderer Leistungen ist abschließend in § 10 JVEG geregelt (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 08.08.2019, Az. L 2 SF 69/17 K Rn. 29 juris).

Gemäß § 10 JVEG bemisst sich das Honorar oder die Entschädigung nach der Anlage des JVEG, soweit ein Sachverständiger oder ein sachverständiger Zeuge Leistungen erbringt, die in der Anlage bezeichnet sind (§ 10 Abs. 1 JVEG). Für Leistungen der in Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen (Anlage zur GOÄ) bezeichneten Art bemisst sich das Honorar in entsprechender Anwendung dieses Gebührenverzeichnisses nach dem 1,3fachen Gebührensatz (§ 10 Abs. 2 Satz 1 JVEG).

Danach sind die vom Antragsteller in der Rechnung vom 09.07.2017 aufgenommenen Gebühren nur zum Teil erstattungsfähig.

Soweit der Antragsteller die Kosten für Blutuntersuchungen geltend macht so kann hier gemäß Nr. 302 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG ein Honorar von 60,00 € erstattet werden.

Nach Nr. 302 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG besteht ein Honorarrahmen von 5,00 € bis 60,00 € je Organ oder Körperflüssigkeit. Nach Nr. 303 kann das Honorar bis zu 1.000,00 € betragen, wenn die Leistung nach Nummer 302 außergewöhnlich umfangreich oder schwierig ist. Bei der Bestimmung der Honorarhöhe ist auf den Einzelfall abzustellen (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 08.08.2019, Az. L 2 SF 69/17 K, Rn. 32 juris). Vorliegend sind hinsichtlich der Blutuntersuchungen keine besonderen Schwierigkeiten erkennbar. Im Hinblick auf die dennoch erfolgten detaillierten Untersuchungen erachtet die Kammer die Ausschöpfung des Gebührenrahmens bis zu 60,00 € für angemessen.

Die Leistung nach Nr. 424 GOÄ wiederum ist als elektrophysiologische Untersuchung eines Menschen von Nr. 305 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG erfasst (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O. Rn. 8 juris). Das Honorar nach Nr. 305 beträgt 13,00 € bis 115,00 €. Der vom Antragsteller in Ansatz gebrachte Betrag von 40,80 € ist angemessen.

Die weiteren vom Antragsteller geltend gemachten GOÄ-Ziffern sind nicht vergütungsfähig, da sie nicht im Abschnitt O der Anlage zur GOÄ enthalten sind und auch keiner der Nummern der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG entsprechen. Die GOÄ findet nur in den im JVEG ausdrücklich normierten Fällen Anwendung (vgl. Hess. LSG, Az. L 2 SF 69/17 K Rn. 29 unter Verweis auf LSG Thüringen, Beschluss vom 09.11.2015, Az. L 6 JVEG 570/15; LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O. Rn. 6). Eine entsprechende oder analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, denn sie widerspricht dem Wortlaut der Norm, die als eng auszulegende Sondervorschrift konzipiert ist (vgl. so auch LSG Thüringen, a.a.O. Rn. 33). Dies gilt ebenfalls für die vom Antragsteller und Antragsgegner diskutierte Gebührenziffer Nr. 420 GOÄ. Zwar hat das Hessische Landessozialgericht hierzu in einer früheren Entscheidung ausgeführt, dass sonographische Untersuchungen in entsprechender Anwendung der GOÄ zu vergüten seien (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 28.08.2007, L 2 SF 3/05 U), jedoch widerspricht diese Ansicht dem ausdrücklichen Wortlaut der Norm, der die GOÄ eindeutig nur für den Abschnitt O (Strahlendiagnostik, Nuklearmedizin, Magnetresonanztomographie und Strahlentherapie) für anwendbar erklärt. Eine besondere Nähe einer Sonografie zu den anderen Leistungen im Abschnitt O kann die Kammer nicht erkennen. Vielmehr regelt der Gesetzgeber die sonographischen Leistungen in der GOÄ im Abschnitt C, weshalb eine größere Nähe zu den allgemeinen Leistungen und Untersuchungen besteht, die in Teilen über die Aufzählung in der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG vergütet werden können. Der Umstand, dass die Ultraschalluntersuchung hier nicht auftaucht, lässt nur den Schluss zu, dass eine besondere Vergütung vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Eine solche restriktive Anwendung des § 10 JVEG zeigt auch die neuere Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts, die ebenfalls eine entsprechende oder analoge Anwendung ausschließt (vgl. Hess. LSG Az. L 2 SF 69/17 K Rn. 29).

Dies führt dazu, dass der Sachverständige keine Vergütung nach der für seinen Berufsstand allgemein geltenden Gebührenordnung (z.B. GOÄ) beanspruchen kann, sondern ausschließlich nach dem JVEG. An dessen gesetzlichen Rahmen ist das Gericht selbst bei besonderen Leistungen gebunden (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.07.2010, Az. L 3 RJ 154/05, Rn. 16 juris).

Soweit der Antragsteller hierzu vorgebracht hat, dass es ihm aufgrund der Berufsordnung weder erlaubt noch zumutbar sei, Leistungen kostenlos zu erbringen, so verkennt er das Wesen der Heranziehung als Gutachter im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens.

Vielmehr kommt hier letztlich der Grundsatz der Ehrenpflicht zum Tragen. Die Erstattung eines Gutachtens im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens ist eine staatsbürgerliche Ehrenpflicht (vgl. Weber, in: Hartmann/Touissant, Kostenrecht, 49. Auflage 2019, V. JVEG, Grdz. Rn. 3 m.w.N.), die bürgerlichen Pflichten und Rechten vorgeht und grundsätzlichen Vorrang vor jeder Berufspflicht genießt (vgl. LSG Sachsen-Anhalt a.a.O. Rn. 16). Eine Vergütung oder Entschädigung hierfür ist nicht selbstverständlich, sondern erfolgt nur insoweit, wie das Gesetz eine solche ausdrücklich zubilligt (vgl. Weber a.a.O. Grdz. Rn. 6). Eine Ausdehnung über die Vorschriften des JVEG hinaus auf alle Gebührenziffern der GOÄ - oder wie es der Antragsteller im Ergebnis verlangt, wenn er jede Untersuchung abrechnen möchte - sogar über die Regelungen der GOÄ hinaus, ist nicht möglich.

Gutachtliche Leistungen, die weder in Anlage 2 noch in Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ aufgeführt sind, können demzufolge nur über § 9 JVEG honoriert werden (vgl. LSG Sachsen-Anhalt a.a.O. Rn. 19 juris). Damit verbleibt es bei dem bereits zuvor festgesetzten Stundenhonorar.

Weiterhin kann die Rechnung für einen eigenständig vom Antragsteller eingeholten Befundbericht des Augenarztes in Höhe von 18,13 € keine Berücksichtigung finden, da die Einholung dieses Befundberichtes nicht von dem Gutachtenauftrag umfasst war und auch nicht gesondert vom Vorsitzenden der 15. Kammer genehmigt wurde.

Hinsichtlich des Ersatzes von Aufwendungen im Sinne von §§ 7, 12 JVEG folgt die Kammer dem Antrag des Antragstellers und berücksichtigt Aufwendungen in Höhe von 89,39 €, die sich aus Aufwendungen für Fotokopien (6,00 €), Portoauslagen (13,19 €) und Schreibauslagen (70,20 €) zusammensetzen.

Insgesamt ergibt sich die aus dem Tenor ersichtliche Vergütung wie folgt:

1. Sachverständigenentschädigung (§§ 8, 9 Anlage JVEG):  1.725,00 €2. Besondere Leistungen (§ 10 JVEG):   100,80 €3. Ersatz von Aufwendungen (§ 12, § 7 JVEG):

-

Fotokopien:

6,00 €

-

Portoauslagen:

13,19 €

-

Schreibauslagen:

70,20 €4. Zwischensumme:  1.915,19 €5. Umsatzsteuer:   363,89 €Summe:  2.279,08 €

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte